Der kaukasische Kreidekreis
Der kaukasische Kreidekreis
von Bertolt BrechtBertolt Brecht (eigentlich Eugen Bertold Friedrich B., 10.2.1898 - 14.8.1956) wurde als Sohn eines leitenden kaufmännischen Angestellten in Augsburg geboren.
Während seiner Schulausbildung arbeitete er bereits für die "Augsburger Neuesten Nachrichten". Nach seinem Abitur im Jahr 1917 begann er ein Literaturstudium in München und besuchte nebenbei naturwissenschaftliche und medizinische Lehrveranstaltungen. Seine literarischen Leitbilder waren Villon, Verlaine, Rimbaud, und Wedekind. Er setzte sich kritisch mit Christian Friedrich Hebbel (Polemik gegen die Expressionisten der Dramatik) und Hanns Johst, im theaterwissenschaftlichen Seminar Arthur Kutschers auseinander. 1918 musste er sein Studium unterbrechen. Es folgten Kriegsdienst in einer Kaserne und die Arbeit als Sanitätshelfer - seine Antikriegshaltung formierte sich.
Bis 1924 lebte er in Berlin. 1933 emigrierte er nach Dänemark, blieb dort bis 1939 und ging dann 1941 in die USA. 1947 kehrte er nach nach Europa zurück; das Land seiner Wahl wurde die Schweiz. 1949 ging er schließlich nach Berlin zurück.
Brecht begann mit expressionischtisch - anarchistischen Dramen ("Baal", 1918/19; "Trommeln in der Nacht", 1919). Großen Erfolg hatte er dann mit der desillusionistischen, die bürgerlichen Konventionen verspottenden "Dreigroschenoper" (1928, nach J. Gays "Beggar's Opera", Musik von Kurt Weill) und seiner an F. Villon und den Bänkelsang anknüpfenden Lyrik "Hauspostille", 1927.
Unter dem Einfluß des Marxismus kam er zur strengen Disziplin der "Lehrstücke" ("Der Jasager" und "Der Neinsager", 1929/30; "Die Maßnahme", 1930).
Seine Hauptwerke entstanden im Exil: "Mutter Courage", 1939; "Der gute Mensch von Sezuan, 1942; "Leben des Galilei", 1938/39, mehrfach bearbeitet; "Der kaukasische Kreidekreis", 1945.
Inhalt:
Im kaukasischen Kreidekreis erzählt Brecht alte Motive, die sich ebenso in der Bibel wie in alten chinesischen Märchen finden:
Im Rahmen wird von einem Streitgespräch um ein Ackerland zwischen Bauern berichtet. Nach der Verhandlung wird ein Stück aufgeführt um den Beschluss anhand eines Beispieles zu bekräftigen:
Nach einem Staatsstreich gegen den Großfürsten wird der reiche Gouverneur Abaschwili hingerichtet. Seine Frau kann entkommen, lässt aber ihren Sohn Michel einfach zurück, da sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist.. Die Magd Grusche nimmt sich nach einigem Zögern des Kindes an und flieht mit ihm ins Gebirge, da der Thronfolger überall gesucht wird, und 1000 Piaster auf seine Ergreifung ausgesetzt sind. Grusche hat kaum Geld, um Michel zu ernähren, und deswegen überlegt sie schon, ihn einfach vor der Tür eines Bauernhofes auszusetzen, doch sie bringt es nicht übers Herz. Die Panzerreiter des Fürsten Kazbeki sind ihr auf den Fersen, Grusche entkommt ihnen jedoch immer mit Glück. Im Gebirge gelangt sie dann endlich zu ihrem Bruder, der inzwischen mit einer sehr frommen Frau verheiratet ist. Obwohl sie mit dem Soldaten Simon verlobt ist, heiratet sie einen angeblich sterbenskranken Bauern, um das Misstrauens ihrer Schwägerin, dass sie gegenüber ihrem Kind hat, durch eine Heiratsurkunde zu beschwichtigen. Dieser Bauer erweist sich aber plötzlich als kerngesund, nachdem die Nachricht über das Ende des Krieges eintrifft. Nach dem Bürgerkrieg kehrt die Gouverneurin zurück und verlangt ihr Kind zurück, da es der Erbe vom Gouverneur ist. Der Fall wird von dem einfachen, aber schlauen Dorfschreiber Azdak verhandelt, der im Krieg zu Amt und Würden gelangt ist und beim Volk als "Armeleuterichter" gilt. Er will den Beweis der rechtmäßige Mutterschaft dadurch erbringen, indem er das Kind in einen Kreidekreis stellen lässt. Beide Frauen sollen gleichzeitig versuchen, das Kind zu sich aus dem Kreis herauszuziehen. Schließlich erweist sich Grusche als die wahre Mutter des Kindes, da sie zuerst loslässt, damit dem Kind kein Leid geschieht.
Nicht Erbrecht und Verwandtschaft entscheiden, sondern wahre Liebe und Aufopferung.
Nicht der leiblichen Mutter soll das Kind gehören, sondern der "Mütterlichen", die es gerettet und aufgezogen hat. Schlussendlich, scheidet Azdak Grusche von ihrem offiziellen Mann, sodass Simon sie heiraten kann.
Charakteristik:
Grusche:
Grusche Vachnadze ist einfache Dienstmagd, die durch eine Reihe von Zufällen dazu kommt, Michel in Schutz zu nehmen. Sie weiß, wie gefährlich es ist, mit dem Gouverneurserben erwischt zu werden, dennoch kann sie nicht anders als sich dem Kind anzunehmen. Sie erkennt, dass das Leben des Kindes von ihr abhängt, und das sie sich dem Anspruch des Kindes auf ihre Hilfe nicht entziehen kann.
Grusche verkörpert jedoch die Ausnahme. Obwohl sie von der Versuchung zu flüchten ergriffen ist, das hilfsbedürftige Kind liegen zu lassen bringt sie es nicht übers Herz. Sie unterscheidet sich darin nicht nur von der Frau des Gouverneurs, die sich mehr um ihre teuren Kleider als um ihr Kind kümmert, sondern von allen umstehenden Personen, die sich vor der Verantwortung drücken, und nur ihr eigenes Interesse wahren, indem sie sich selbst in Sicherheit bringen. Grusche tut das Ungewöhnliche, sie setzt ihr Leben aufs Spiel um das Kind vor den Häschern des Fürsten Kazbeki zu retten. Für Michels Schutz riskiert sie sogar Simons Zuneigung zu verlieren, indem sie bereit ist einen anderen zu heiraten.
Im Laufe der Zeit entwickelt sie echte mütterliche Gefühle für Michel, was im kaukasischen Kreidekreis eindeutig zum Ausdruck kommt. Um ihr Kind nicht zu verletzten, weigert sie sich es aus dem Kreis zu ziehen, was Azdak zeigt, dass nur Grusche die wahre Mutter (wenn auch nicht leibliche) sein kann. Ihre Selbstlosigkeit und ihre mütterlichen Gefühle werden am Ende mit der Zusprechung der Mutterschaft belohnt.
Azdak:
Azdak ist eigentlich Dorfschreiber, der aus einer Laune der Panzerreiter heraus für 2 Jahre zum neuen Richter gemacht wird. Während dieser zwei Jahre ändert er das Recht zum Nutzen der armen Leute, und stellt damit beinahe so etwas wie Gerechtigkeit her. Doch am Ende der 2 Jahre fürchtet er schon das Schlimmste, wird jedoch vom Großfürsten nicht nur gerettet, sondern er darf sein Amt sogar weiter ausüben. Somit hat er über den Fall von Michel zu entscheiden, und nach Anwendung der Kreidekreisprobe beweist er einmal mehr seinen Gerechtigkeitssinn und spricht Grusche das Kind zu. Azdak zeigt tiefe Menschlichkeit und soziale Weisheit auf, obwohl seine Erscheinung auf einen lustigen und einfachen Dorfschreiber glauben lässt.
Azdak urteilt immer zugunsten der Armen, nicht ohne vorher von den Reichen Geld zu nehmen. Obwohl er das Gesetzbuch als Sitzkissen verwendet und das Gesetz in seinem Sinne auslegt, achtet er streng auf die Würde des Gerichts.
Nachdem er ein letztes Mal für die Armen entschieden hatte, legt er seine Tätigkeit als Richter zurück.
Grundprobleme:
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Außer Grusche will niemand die Verantwortung für das Kind übernehmen, weil jeder damit beschäftigt ist sich selbst in Sicherheit zu bringen. Sogar die leibliche Mutter hat nur Zeit ihre teuren Kleider in Sicherheit zu bringen und vergisst in ihrer Hektik auf das Kind. Nur Grusche ist - nach kurzem Zögern - als Einzige selbstlos genug dieses Risiko auf sich zu nehmen.
Für die Gouverneurin ist Michel nicht als ihr Kind, sondern vielmehr als Erbe des Vermögens ihres verstorbenen Gatten bedeutend. Dieses Verhalten weist darauf hin, dass sie nur materialistisch denkt und keine mütterlichen Gefühle für ihren Sohn aufbringt.
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Azdaks Urteil ist rein juristisch nicht tragbar, im Lichte menschenwürdigen Denkens und Handelns ist es jedoch das einzig mögliche: die Entscheidung für die Mütterlichkeit als humanes Prinzip.
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Aufgrund der damaligen Käuflichkeit der Richter bestimmte der Adel sozusagen über Recht und Unrecht, wodurch die Armen sehr benachteiligt waren. Im Gegensatz dazu setzt sich Azdak für die Armen ein und stellt so beinahe Gerechtigkeit her.
Gegenwartswert:
Gerechtigkeit wird nur dann gewährt, wenn sie auch den Umständen entspricht. Eigentum soll demjenigen gehören, der etwas damit anzufangen weiß und sich am besten darum kümmern kann.
Auch heutzutage führen Habsucht und Egoismus dazu, dass vieles ungenutzt bleibt, obwohl andere dieses gebrauchen und nützen könnten.
Genauso wie im Werk die Menschen wenig bzw. keine Solidarität gegenüber den Mitmenschen aufweisen, gibt es auch heute noch zu wenige, die sich anderer bzw. der Probleme anderer annehmen wollen, da sie viel zu sehr auf ihr Eigenwohl bedacht sind.
Eigene Meinung:
Dieses Werk spricht mich sehr an,
(weil ich mich mit Grusche identifizieren kann.)
die Sprache - einfach und verständlich,
macht das ganze Werk lebendig.
Es ist doch wohl ein löblich Buch,
mein Lesenshunger ist nun satt
ich mach mich nur noch auf die Such’
was ich getan an ihrer statt
ob ich gehandelt wie die andern?
oder ich der Grusche gleich
nicht von des Kindes Seite weich?
der Egoismus auf der Welt
der Liebe sei er nachgestellt,
Grusche hat das Kind gewonnen,
weil sie gehandelt so besonnen........
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