Faust - Der Tragödie erster Teil
Faust - Der Tragödie zweiter Teil
von Johann Wolfgang von GoetheAllgemein über das Werk:
Das Erscheinungsjahr von Goethes "Faust II" ,1832, ist nicht nur ein wichtiges Datum für die deutsche Literatur, sondern auch für die gesamte Weltliteratur.
Sechzig Jahre zieht sich die Entstehung der Faustdichtung hin. Bis ins hohe Alter hat Goethe daran gearbeitet. Der zweite Teil seiner Faustdichtung wurde kurz vor seinem Tod abgeschlossen, und steht wie kein anderes Werk für das Geglückte und Abgerundete seiner Existenz. Die Faustdichtung wurde somit im Verlauf ihres langwierigen Entstehungsprozesses zu einem Sammelbecken eines ganzen Lebens und ganzer literarischer Epochen (Aufklärung, Sturm und Drang, Klassik, Romantik). "Faust II" ist zwischen Goethes fünfundsiebzigsten und zweiundachtzigsten Lebensjahr vervollständigt worden, und ad acta gelegt worden.
In seinen Gesprächen mit J. P. Eckermann beklagte sich Goethe oft über die Schwierigkeiten der Arbeit am zweiten Teil. Doch er hielt zäh durch und brachte ihn bis zum August 1831 zustande. Das Ziel, wonach er so lange gestrebt hatte, endlich erreicht zu haben, machte den alten Goethe überaus glücklich.In einem Gespräch mit Eckermann sagte er:"Mein ferners Leben kann ich nunmehr als ein reines Geschenk ansehen, und es ist jetzt im Grunde einerlei, ob und was ich noch etwa tue."
Zum Inhalt:
Die Handlung des zweiten Teils setzt in einer Hochgebirgszenerie völlig neu ein. Faust erwacht als ein von seelischer Zerrüttung Genesener aus einem Heilschlaf, in dem ihn Ariel und seine ätherischen Geister versenkten.Faust, der den furchtbarsten Zusammenbruch erlebt hat, der sich schuldig fühlt an der Vernichtung eines schlichten und einfachen Menschenkindes wie Gretchen, kann man unmöglich wieder in irgendeiner neuen Betätigung erblicken, da er sich erst überwinden muss, um seine Gewissensbisse zu lindern.
Nachdem die Wandlung Fausts zur Darstellung vollzogen ist, beginnt mit der vierten Station der Weltfahrt die eigentliche Handlung. Faust tritt in Begleitung Mephistos an einem kaiserlichen Hof auf. Mephisto schlüpft in die Rolle des Hofnarren, um sich und seinem Begleiter Zutritt zur höfischen Welt zu verschaffen. Der Kaiser, dessen Reich sich in wirtschaftlicher und sozialer Not befindet - die in den Berichten der Minister und der Kanzler deutlich wird - wendet sich verzweifelt an Mephisto, der dem Kaiser Rettung aus der Misere des Reiches verspricht, indem er ihm Hinweise auf die überall im Reich vergrabene Schätze gibt. Die Sorge des Kaisers wird durch den Astrologen beschwichtigt, der sagt man solle nun den sogenannte Mummenschanz, einen Maskenumzug, feiern. In diesem tritt eine Fülle von mythologischen und allegorischen Figuren auf, u. a. Pluto, in dessen Maske Faust steckt, als Gott des Reichtums. Faust lässt goldene Kleinodien verteilen, die sich jedoch in Käfer oder andere Tiere verwandeln. Durch ein Missgeschick mit siedend heißem Metall brennt beinahe die ganze Kaiserpfalz ab, doch Faust löscht das Feuer auf magische Weise.
Am nächsten Tag erfährt der Kaiser, dass sämtliche offene Rechnungen bezahlt sind - allerdings mittels Papiergeld - ,"gedeckt" durch die ungehobenen Schätze des Landes.
Auf Wunsch des Kaisers muss Faust die Urbilder der menschlichen Schönheit, Paris und Helena, beschwören. Daher muss er zuerst zu den Sagengestalten " Die Mütter",in die Antike zurückgehen, um dort einen magischen Dreifuss zu finden, mit dessen er Helena und Paris der Hofgesellschaft sichtbar machen kann. Dies geschieht auch, doch als Paris Helena küssen will, wird Faust eifersüchtig, will Helena an sich ziehen,und zerstört das Trugbild. Eine Explosion folgt, Faust wird bewusstlos von Mephisto weggetragen.
Auf der fünften Station ihrer Weltfahrt verschlägt es Mephisto und den noch immer bewusstlosen Faust in sein ehemaliges Studierzimmer. Ein ironischer Dialog zwischen Mephisto und dem zum Baccalaureus aufgerückten Studenten knüpft an die Schülerszene des ersten Teiles an.
In Fausts Studierzimmer ist noch alles so, wie vor ihrer ersten Weltfahrt. Doch jetzt wohnt der ehemalige Famulus Wagner hier, der zum berühmten Professor aufgestiegen ist, und in seinem Laborium versucht, auf den Spuren des Paracelsus mit Hilfe der chemischen Körperbildung ein Menschlein (Homunkulus) zu erschaffen. Das Experiment wird durch Mephistos Hinzutreten auf nicht näher bezeichnete Weise vollendet. Faust wohnt dem Vorgang bei, auf seinem Lager halb bewusstlos "hingestreckt". Der Homunkulus erkennt Fausts Sehnsucht nach dem Urbild der griechischen Mythologie und führt ihn und Mephisto auf einem Zaubermantel zur "klassischen Walpurgisnacht".
Auf dem pharsalischen Feldern versammeln sich alljährlich Gestalten der griechischen Mythologie und Naturphilosophen. Als Faust griechischen Boden berührt, kommt er wieder zu Bewusstsein. Die Wege der drei trennen sich nun. Während Mephisto sich im Reich der niederen Dämonen bewegt, stürzt sich Homunkulus im Streben nach seiner Verleiblichung ins Meer, wo seine Glashülle am Muschelwagen der Galatea zerschellt. Faust aber, vom Zentauren Chiron geleitet, macht sich auf, um Helena im Hades von Persephone zu erbitten. Helena hat mit Persephones Erlaubnis menschliche Gestalt angenommen, und kehrt wieder nach Mykene zurück; auch soll sie auf Geheiß ihres Gatten Menelaos ein Opfer vorbereiten. Mephisto tritt ihr in Gestalt der alten Schaffnerin Phorkyas entgegen, und redet ihr ein, ihr Gatte habe vor, sie zu opfern. Mephisto rät ihr in ein nördliches Gebirgstal zu fliehen, wo fremde Abkömmlinge und Faust eine Burg erbaut haben.
Sie gehen dorthin, und werden vom Burgherrn Faust freundlich empfangen. In langen Gesprächen kommen sich die beiden näher. Aus der Vereinigung der beiden entspringt Euphorion, ein leidenschaftlicher junger Knabe, der sich von heftiger Leidenschaft gepackt, vom Turm der Burg stürzt. Helena aber folgt ihrem Sohn in den Hades.
Nachdem Faust wieder in die Realität zurückgekehrt ist, beschließt er mit Deichbau sein weiteres Leben zu gestalten. Die Gelegenheit ist günstig. Der Kaiser, dessen Reich durch das Papiergeld Mephistos ins Chaos gestürzt wurde, läuft Gefahr seine Macht an einen Gegenkaiser zu verlieren. Wenn Faust den Kaiser hilft, würde dieser sich mit einem Stück Meeresstrand für seinen Deichbau erkenntlich zeigen. Schließlich gelingt es Faust und Mephisto das Heer des Gegenkaisers mit Hilfe von Geistern in die Flucht zu schlagen, und erhält vom Kaiser das Versprochene. Durch seinen Deich - und Dammbau hat Faust nun den Reichtum und Wohlstand erreicht, doch die Bauten Fausts fordern hohe Menschenverluste. Sogar Philemon und Baucis, Urgesteine der griechischen Mythologie, müssen Fausts Dammbau unter Opferung ihres Lebens weichen, da sie Mephisto kaltblütig ermorden lässt. Noch am selben Tag wird Faust seines Augenlichtes wegen des bösen Vorgehens gegen Philemon und Baucis genommen.
Hundertjährig treibt Faust dennoch ungebrochen sein Werk voran, während Mephisto schon sein Grab schaufeln lässt. In einer Vision sagt Faust die vom Teufelspakt verbotenen Worte: " Zum Augenblick dürft' ich sagen/ Verweil doch, du bist so schön!". Faust sinkt tot nieder, und Mephisto wacht mit seinen Gefährten an der Leiche, um der den Körper verlassenden Seele habhaft zu werden. Er glaubt die Wette mit Gott gewonnen zu haben, doch eine himmlische Heerschar sinkt nieder und entführt Fausts Seele.
Die handelnden Charaktere:
• Faust:
Am Anfang des zweiten Teils plagt ihn noch immer das schlechte Gewissen über die Gretchentragödie. Nach seinem "Heilschlaf" erkennt Faust am Bild eines Regenbogens, der sich in der Gischt eines Wasserfalls bildet, dass dem Menschen das Absolute nur im Schleier des Vergänglichen erträglich und das der Raum seiner Existenz das Farbige ist,der Zwischenbereich von Licht und Dunkel. Deshalb rafft er sich wieder auf und strebt nach seiner eigenen Perfektion, was zu einer Sehnsucht nach dem Urbild griechischer Schönheit führt.
Er leistet nun vehemend Widerstand gegen Mephisto, der ihn immer wieder verführen will. Er hasst das höfische Gehabe und die Intrigen des Kaisers, doch dient er ihm aber um einerseits der Menschheit zu helfen und andererseits Geld und politische Macht zu erlangen. Faust beschreitet aber auch falsche Wege (Wissenschaft, Liebe, Magie und Macht), er ist masslos und muss lernen zu verzichten. Er muss sterben, wenn er ein einziges Mal mit dem Augenblick zufrieden ist. Er erreicht zwar keines seiner Ziele, doch aus dem von Mephisto beabsichtigten Bösen wird immer das Gute. Mephisto verliert die Macht über ihn, weil: " Wer immer strebend sich bemüht/ Den können wir erlösen." (Faust II, 5.Akt)
• Mephisto:
Er, der Teufel ist nicht ebenbürtiger Widersacher Gottes, er ist einer "unter dem Gesinde", und damit notwendiger Teil des Kosmos. Mephisto verkörpert das Böse, der die Welt des Genusses bietet. Dieses Böse ist notwendig um sich der Wahrheit zu nähern. Schon im 1.Teil definiert er sich selbst als "Geist des Wiederspruchs", er will das Nichts anstelle des Seins, das Ergebnis ist aber immer das Gute. Immer wieder versucht er Faust über seine Verlockungen in seine Netze zu ziehen, und sinkt dabei in die Rolle des widerwilligen Dieners ab. Auch schädigt er das Volk, und treibt üble Spielchen am Kaiserhof als Wunderdoktor. Nebenbei bringt er den Kaiser in seine Netze, und den Staat durch sein Papiergeld in eine Inflation und fast an den Abgrund. Jedoch zeigen sich die Grenzen seiner Macht immer wieder: Er sagt bei der Beschwörung Helenas, dass er über die antike Welt keine Macht besäße, und auch bei Fausts Tod wird er von Engeln in die Schranken gewiesen. Der "Geist, der stets verneint" (Faust I, Z.1338) zeigt sich als humorvoller Selbstironiker, als spöttischer Kommentator und Weltbetrachter.
Letztendlich kann er seinen Misserfolg nicht eingestehen und beschimpft den Engel, der Mephisto den Ausgang der Wette verkündet.
Interpretation:
Faust II wendet sich im Gegensatz zum ersten Teil fast vollständig allen bekannten Formen ab. Der erste Teil kann eine gebunden Einheit der Personen und Handlung vorweisen. Auch ist er zur satirischen Sprache wirklichkeitsbezogener. Dagegen zerfällt der zweite Teil in panormisch breit entfaltete Einzelszenen, die der symbolischen Veranschaulichung verschiedensten Themen dienen. Die Fülle an Bildern und Symbolen findet in einer Sprache Ausdruck, die jeder Szene die allein gültige Gestalt gibt. Antwort darauf könnte vielleicht Goethes Durchwanderung verschiedener Literaturepochen und Lebenseinstellungen geben. Die Aufklärung zeigt sich mit ihrem Gottes - und Menschenbild präsent,denn sie veranschaulicht ein wohlgerichtetes Weltganzes im Drama. Der Sturm und Drang zeigt Faust als Genie des enthusiastischen Gefühls, und die Klassik als Repräsentant der gnädigen Menschen. Die Romantik repräsentiert im Werk das Mutwillige und Skurrile, so zum Beispiel die katholische Mythologie der Grablegung und der Verklärung Fausts.
Das Drama ist in 5. Akte gegliedert, die gekennzeichnet sind durch häufigen Standortwechsel. Ein anderes besonderes Merkmal ist die ständige Verwendung von mystischen Symbolen und mythologischen Figuren. Man kann daher sagen, dass es für Goethe bezeichnend ist, dass er vielfach direkte Bezüge und Aussagen vermeidet, dass er das, was er meint und ausdrücken will, nur umschreibt, sich in Figuren und Bildern widerspiegeln lässt. Goethe hat bei der Darstellung der Symbole aus seinem immensen Wissen über alle ihm vertrauten Geschichts - und Kulturwelten geschöpft.
Er begann schon während der Arbeit zu Faust I an Bruchstücken des zweiten Teils zu arbeiten, die er zwischen 1825 und 1831 planmäßig ausarbeitete und vollendete. 1827 veröffentlichte er in der " Ausgabe letzter Hand" den Helena Akt mit dem Untertitel "Klassich - romantische Phantasmagorie", und 1828 die Szenen am Kaiserhof. Der endgültige Abschluss des zweiten Teils erfolgte, wie gesagt, in seinen letzten beiden Lebensjahren.
Eigene Meinung:
Mir hat die Fortsetzung des 1.Teils nicht mehr so gut gefallen, da mir das dämonische und mystische der Gelehrtentragödie fehlte.. Doch nichts desto trotz muss man Goethe für dieses gigantische Werk gebührenden Lob aussprechen.
Quellen:
- Hauptwerke der deutschen Literatur, Band 6 - Kindlerverlag München
- Königs - Erläuterungen zu Faust II, Band 43/44
- Oldenburg Interpretationen zu Faust I und II
- Stichwort Literatur - Geschichte der deutschsprachigen Literatur
- Johann Wolfgang Goethe - Faust. Der Tragödie zweiter Teil
- Internet
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