Kommentar zur Rede von joseph Goebbels im Sportpal

KOMMENTAR

ZUR REDE VON JOSEPH GOEBBELS
IM SPORTPALAST, BERLIN, 1943

Die berĂŒchtigte Sportpalastrede von Joseph Goebbels dĂŒrfte wohl eine der entscheidensten Reden der Geschichte gewesen sein.
Denn kaum hat eine Rede Menschen wohl so beeintrĂ€chtigt, wie Goebbels‘ genauestens durchkonzeptionierte Sportpalastrede, die allein der nationalsozialistischen Propaganda diente.
Anzumerken ist hierbei, dass die vermeintlich Angesprochenen, die direkten Zuhörer nĂ€mlich, nicht die eigentlichen Adressaten waren. Vielmehr waren sie Teil der Rede, die Goebbels als dialogartigen Monolog erdacht hatte. Soll heißen, dass sie speziell ausgewĂ€hlte Besucher des Sportpalastes waren, deren heftige Reaktionen die Rede erst haben zu einer solchen Bekanntheit wie Effizienz gebracht. Denn wer hat nicht schon einmal die rhetorische Frage nach dem Willen der Anwesenden fĂŒr den "totalen Krieg" gehört und daraufhin die anwesende Masse sich in JubelstĂŒrmen ergießen sehen.

Um kurz nĂ€her auf die eingeplanten Zuhörerreaktionen einzugehen, so waren sie Grundvoraussetzungen fĂŒr den Erfolg der höchst manipulativen Rede.
Der Aufbau besteht nÀmlich, zumindest in dem mir vorliegenden Abschnitt, zu 75% aus rhetorischen Fragen.
Hierbei nimmt er in die Fragestellungen auch meist sofort den eigentlichen Adressaten auf, indem er
Formulierungen trifft, wie beispielsweise: "Die EnglÀnder behaupten, das deutsche Volk habe den Glauben an
den Sieg verloren. Ich frage euch: Glaubt Ihr mit dem FĂŒhrer und
mit uns an den endgĂŒltigen totalen Sieg des deutschen Volkes?"
Diese erste der zehn an die Zuhörer gestellten Fragen ist schon exemplarisch fĂŒr den gesamten Aufbau und deshalb erachte ich es als genug fĂŒr diese Aufgabe, nur diese erste rhetorische Fragestellung nĂ€her zu beleuchten.
"Die EnglĂ€nder behaupten" ist z.B. gleichzeitig Anreiz fĂŒr die zu erwartende Antwort der Masse (als erklĂ€rter Feind, dem man Gegenteiliges beweisen möchte; ob "der EnglĂ€nder" denn wirklich diese Behauptung geĂ€ußert hat oder nicht ist in diesem Zusammenhang nicht weiter wichtig) wie ein klarer Adressatenbezug an "die EnglĂ€nder", denen Goebbels, mit der elangeladenen und Siegessicherheit der anwesenden deutschen Volks - masse, die StĂ€rke und Entschlossenheit Gesamtdeutschlands suggerieren wollte.
Weiterhin hat das Unterstellen eines verlorenen Siegeswillen, der, angesichts der kritischen Situation sowohl der Nordafrika - Armee wie auch der sechsten Armee bei Stalingrad, wohl so gegenwĂ€rtig wie nachvollziehbar war, den Zweck gegen eben den Verlust des Siegeswillens anzukĂ€mpfen. Dies suchte Goebbels durch die zuversichtlichen Reaktionen der Sportpalastbesucher zu erreichen; denn diese bekundeten erwartungsgemĂ€ĂŸ den vollen Siegeswillen sowie die ausdrĂŒckliche UnterstĂŒtzung des FĂŒhrers, der von Goebbels mit in die Fragestellung eingebaut worden war (Zeile 23 - 27).

Diese Fragestellungen reihen sich im Folgenden aneinander, wobei die inhaltlichen Aspekte eigentlich immer die gleichen sind. Auch der Aufbau ist bis zur sechsten Frage stets der gleiche, denn Ausgangspunkt fĂŒr die Fragen sind jeweils vermeintlcih alliierte Behauptungen, die aber tatsĂ€chliche ZustĂ€nde abfragen, die bei voller AusprĂ€gung den Untergang des Regime‘ bedeutet hĂ€tten. Goebbels versucht so gegenzusteuern und den Optimismus im Sportpalast nach außen hin zu transportieren, um das deutsche Volk zu "besinnen" und Zweiflern und Kritikern den Eindruck zu vermitteln, persönlich in der Minderheit und somit machtlos zu sein.

Ab der sechsten Frage nun will Goebbels weitergehende Versprechen der Volksmasse, fragt Bereitschaften zu Verzicht und Entbehrung ab und sammelt die Masse so, dass es den Anschein hat, sie wĂŒrde fĂŒr ihn durchs Feuer gehen - sie wird es wohl auch noch tun mĂŒssen, allerdings ohne sich in dieser ekstatischen Situation darĂŒber klar zu sein.
Nach den Beschwörungen und Verpflichtungsbekundungen zieht Goebbels das fĂŒr seine Redeabsicht maßgebliche ResĂŒmĂ©e, wenn er ausruft: "Ich habe euch gefragt: ihr habt mir eure Antwort gegeben. Ihr seid ein StĂŒck Volk, durch euren Mund hat sich damit die Stellungnahme des deutschen Volkes manifestiert"
(Zeilen 111 - 114).
Das ist meiner Meinung nach der Kernpunkt der Rede, der Versuch der Übertragung der Ansichten der anwesenden nationalsozialistischen Elite auf das gesamte deutsche Volk.
Hierzu verwendet er vielfĂ€ltige rhetorische Mittel, die helfen, die anwesende Masse in einen ekstatischen Zustand zu versetzen. Da ist zunĂ€chst einmal der immer gleiche Aufbau der Fragen, der eine gute Basis darstellt fĂŒr eine mit jeder Frage zunehmende Identifikation, sowohl mit dem Redner - also auch mit dem Gesagten - als auch mit den anderen Zuhörern, die sich genauso angesprochen fĂŒhlen, was das fĂŒr die Nazis ĂŒberlebenswichtige VolkszugehörigkeitsgefĂŒhl stĂ€rkte.
Einhergehend mit der Fragestellung nach Schema F verwendet Goebbels hÀufig Komparative oder sogar Superlative, wie z.B. in der Frage nach dem totalen Krieg.
In Verbindung mit extrem kurzen und, dem System gleichenden, straffen SÀtzen, sowie der Ansprache auch untypischer, aber notwendiger Klientel wie die der Frauen (Zeile 158ff), ergibt sich hier eine höchst brisante und gefÀhrliche Rede. Gepaart mit dem Klima im Sportpalast hat sie wohl das von Goebbels angestrebte Ziel voll und ganz erreicht und belastet uns sogar in ihrer Dokumentation bis in die Gegenwart.

Trotz aller Kritik kann man der Rede das im negativen Sinne Brillante nicht absprechen, nĂ€mlich mit der richtigen Konzeption, wenig Sinn und Inhalt, dafĂŒr aber viel Pathos, Demagogie und Polemik, die gesetzte Marke keineswegs verpasst zu haben.


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