Täter und Täterinnen (WK II)
1. Einsatzgebiet und Bedarf an Aufseherinnen in KZ
- Seit der Einrichtung des KZ Lichtenburg als erstes zentrales Schutzhaftlager für Frauen im Dezember 1937 wurde der Bedarf an weiblichen Aufseherinnen im Rahmen des SS - Gefolges ständig größer, vor allem, da weitere, z.T. wesentlich größere Frauenlager folgten (Ravensbrück 38/39, AuschwitzII - Birkenau 10.7.42, Mauthausen 5.10.43, Bergen - Belsen ab Sommer 44, etc.).
- Die Aufseherinnen in den Frauenlagern hatten am Gesamtpersonal der jeweiligen KZ lediglich einen Anteil von ca. 10%. Ihre Aufgabe war die in der inneren Bewachung unmittelbare Kontrolle der Häftlinge im Lager, die in der äußeren Bewachung eingesetzten Wachsturmbanne und die Lagerkommandantur (außer in manchen Außenlagern) waren weiterhin von männlichem Personal besetzt. Die offizielle Statistik vom 15. Januar 1945 besagt, dass neben ca. 37.000 Männern aus der Waffen - SS lediglich 3.500 Frauen in KZ als Wachpersonal tätig waren.
2. Rekrutierung und Ausbildung von KZ - Aufseherinnen
2.1 Art und Mittel der Rekrutierung
- Freiwillige: Zunächst, jedoch nicht lange, deckten die wenigen sich freiwillig meldenden Frauen den Bedarf an Aufseherinnen. Sie machten aber nur einen geringen Teil des weiblichen Bewachungspersonals der KZ aus. Anreize zum freiwilligen Wachdienst im KZ boten u.a. die gute Bezahlung und die Möglichkeit, Reichsangstellte in einem "nur leichte körperliche Anstrengungen erforderlichen", festem Arbeitsverhältnis zu werden und eine Pension zu erhalten.
- Angeworbene: Mit dem Ausbau der KZ und dem rapiden Ansteigen der Häftlingszahlen wurden weit mehr Aufseherinnen benötigt, als sich freiwillig meldeten. Die SS begann nun verstärkt anfang der 40er Jahre mit Hilfe der Zeitungen oder mittels der Arbeitsämter, Frauen anzuwerben. Die Werbekampagne stellte sich jedoch als ein Fehlschlag heraus, da viele Frauen allgemein nicht bereit waren, sich einer zusätzlichen Arbeitsbelastung auszusetzen, obwohl die Arbeit als KZ - Bewachungspersonal stets als "leichte körperliche Arbeit" angepriesen wurde. Noch 1944 beklagte Himmler den Mangel an SS - Helferinnen und bat SS - Führer und Polizei, in verstärktem Maße Frauen und Mädchen zu werben. Allgemein brachten Werbungsreisen von SS - Führern, NSDAP - Werbewochen, Werbeplakate, etc. nicht den erhofften Erfolg, so dass Frauen schon ab 1940 in "subtiler und diplomatischer Weise" dienstverpflichtet wurden.
- Dienstverpflichtete: Mit der "Verordnung über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung" vom 27. Januar 1943 waren alle Männer von 16 - 65 und alle Frauen von 17 - 45 meldepflichtig, um z.B. in der Rüstungsindustrie oder auch in KZ eingesetzt zu werden. Trotz vieler Ausnahmen und der Vernachlässigung der Frauen aus bürgerlichen Schichten nahm nun die Zwangsrekrutierung von möglichst ledigen, berufstätigen Frauen aus den unteren Schichten stark zu und erreichte 1944 ihren Höhepunkt: ab März/April 1944 kamen jeden Monat mehrere hundert Frauen zur Ausbildung in das KZ Ravensbrück. Die Frauen wurden, oftmals mit großem Druck und Zwang, aus ihren Betrieben gelöst und in die SS - Gefolgschaft eingegliedert. Unter den dienstverpflichteten Frauen waren auch viele aus Betrieben, die an KZ oder Außenlager angeschlossen waren. Sie kehrten nach der Ausbilung in ihre Betriebe zur Häftlingsbewachung zurück.
2.2 Auflagen zukünftiger Aufseherinnen
- Idealerweise sollten die Frauen zwischen 21 und 45 sein, körperlich gesund, nicht vorbestraft und politisch möglichst integer. Arbeitslose Frauen, Frauen ohne Ausbildung oder mit sozialem Beschäftigungsfeld wurden bevorzugt eingesetzt. Im Rahmen der Dienstverpflichtungen waren besonders berufstätige Frauen aus Arbeiter - oder Angestelltenkreisen der unteren gesellschaftlichen Schichten betroffen. Frauen des gehobenen Bürgertums oder der oberen Klassen blieben weitgehend unbeachtet.
2.3 Motivationen zur Meldung als SS - Aufseherin
- Finanzieller Anreiz und Sicherheit: Eine 25jährige, ledige Aufseherin verdiente 1944 brutto 185,65 RM zuzügl. 35 RM Überstundenvergütung gegenüber 76 RM einer ungelernten Textilarbeiterin, also unvergleichlich viel mehr. Weiterhin verlockte die Sicherheit, Reichsangestellte zu werden und später eine Pension zu erhalten.
- Regionale Nähe: Frauen in der Nähe von KZ meldeten sich aufgrund der Nähe ihres zukünftigen "Betätigungsfeldes" freiwillig.
- "Leichte Bewachungstätigkeit": Die als leicht und einfach angepriesene Arbeit überzeugte viele Frauen, sich zum Dienst zu melden, die Gefangenen wurden abmildernd als Frauen dargestellt, die "irgendwelche Verstöße gegen die Volksgemeinschaft begangen haben und nun, um weiteren Schaden zu verhindern, isoliert werden müssen."
2.4 Die Ausbildung
- Nach einer medizinischen Tauglichkeitsuntersuchung blieben die Anwärterinnen einige Tage bis zu vier Wochen zur Unterweisung im Ausbildungslager. Neben einem kurzen Einführungslehrgang, der u.a. weltanschauliche und nationalpolitische Ausrichtungen, Wissen im Fach "Dienstkunde" und die Bewährung im Einsatz beinhaltete, wurden die Frauen in organisatorische, theoretische und praktische Angelegenheiten der Lagerführung, Bewachung und des Lagerlebens eingeführt. Nach ihrer Ausbildung wurden sie meistens in ein Außenlager oder ein anderes Stammlager versetzt.
2.5 Beruflicher Status und die beruflichen Aufstiegschancen einer Aufseherin
- SS - Aufseherinnen zählten zum SS - Gefolge (eine Hilfsbezeichnung für weibliche Angehörige der patriarchischen Männertruppe Hitlers) und waren rangmäßig nicht mit ihren männlichen Kollegen im KZ zu vergleichen. Sie unterstanden der SS - Gerichtsbarkeit, trugen Uniformen und Schuß - und/oder Schlagwaffen und wurden als Reichsangstellte nach Besoldungsgruppe IX - VII bezahlt.
- Nach der Ausbildung wurden sie zunächst als Hilfsaufseherinnen in den Lagerbetrieb integriert, arbeiteten nach kurzer Zeit schon rel. selbstständig und stiegen nach einer ca. dreimonatigen Probezeit zur Aufseherin auf.
- Die Möglichkeiten einer Karriere waren im Gegensatz zu denen der männlichen Kollegen recht begrenzt, Aufstiegsmöglichkeiten gab es lediglich zur Erstaufseherin und zur Oberaufseherin. Die Erstaufseherin war die weibliche Leitung eines KZ - Außenlagers, die Oberaufseherin war die unmittelbare Vorgesetzte aller Aufseherinnen im Lager. Sie gehörte, im Rang mit einem Offizier vergleichbar, zum Kommandanturstab und war die Stellvertreterin des Schutzhaftlagerführers (Stellvertreter des Kommandanten; war für innere Lagerangelegenheiten, z.B. Apelle oder Häftlingsunterbringung, zuständig; war Vorgesetzter des SS - Bewachungspersonals; musste über alle Vorgänge im Lager informiert werden) mit beratender und unterstützender Funktion bezüglich aller weiblichen Angelegenheiten im Lager.
3. Aufgabenbereiche der Aufseherinnen
- Der Unterschied zwischen den Aufseherinnen bestand weniger in ihren Rängen als in ihren unterschiedlichen "Aufgabenbereichen", die mit denen der SS - Männer vergleichbar waren. Es gar Rapport - und Blockleiterinnen, Arrest -, Hunde - und Kommandoführerinnen, sowie Aufseherinnen für die Effektenkammer und die Küche. Die Aufgabenbereiche wurden häufig, die Außenkommandos fast täglich anders besetzt, um eine möglichst große Annonymität zwischen den Aufseherinnen untereinander und dem Bewachungspersonal und den Häftlingen zu erreichen. Deshalb wurden z.B. die Aufseherinnen von den Gefangenen auch nie mit Namen angesprochen, sondern immer nur mit der Bezeichnung "Frau Aufseherin".
- Es gab für die Aufseherinnen die Möglichkeit, Aufgaben und Arbeiten, die nicht mit ihrem Gewissen vereinbar waren, abzulehnen. Das konnte evtl. Konsequenzen haben, die aber in der Regel nur halbherzig aus Rügen, leichten Disziplinarstrafen, Versetzungen, Einschränkungen oder kurzem Arrest bestanden, obwohl theoretisch strenge disziplinarische Maßnahmen angedroht waren. Das knappe weibliche Personal sollte nach Möglichkeit erhalten bleiben.
4. Machtbefugnisse der weiblichen Aufseherinnen
- Die SS - Aufseherinnen besaßen die unmittelbare und direkte Herrschaft über die weiblichen Häftlinge. Mißhandlungen von Häftlingen wurden im Gegensatz zu Eigentumsdelikten geradezu lächerlich lapidar geahndet, dass Töten eines Häftlings durch "fahrlässige Benutzung der Dienstwaffe" zog gerade mal 5 Tage gelinden Arrest nach sich, während der Diebstahl von Reichseigentum mit drei Monaten Gefängnis und anschließender Entlassung bestraft wurde. Weiterhin wurden Aufseherinnen angehalten, bei der Bedrohung durch einen Häftling oder der Flucht eines Häftlings umgehend von der Schußwaffe gebrauch zu machen. Es war ebenfalls keine Seltenheit, dass Hundeführerinnen die Hunde auf Häftlinge losließen und manche Gefangene zu Tode gebissen wurden.
5. Dienstauffassung und Disziplin der Aufseherinnen
- Es gab rel. viele verschiedene Dienstauffassungen. Manche Aufseherinnen gingen in ihrer Arbeit voll auf, andere hielten die Erlebnisse und Anforderungen nicht lange aus und erwirkten mit teilweise unzulässigen Mitteln ihre Entlassung, andere sahen den Dienst als eine ganz normale Tätigkeit, mit der sie nach Dienstschluß nichts mehr zu tun hatten. Viele nutzten ihre Machtposition auch, wie nicht anders zu erwarten, um ihre viehisch - sadistischen Triebe an Gefangenen auszulassen. In dieser Hinsicht unterschieden sie sich nicht von ihren männlichen Kollegen.
- Viele Aufseherinnen begannen den Dienst, getäuscht durch abmildernde Werbesprüche oder mit der Erwartung an eine "normale" Wärterarbeit, recht blauäugig, wurden jedoch durch den Lageralltag schnell ernüchtert. Diese Ernüchterung war anscheinend aber nicht ganz so gravierend, da die meisten ihren Dienst fortführten und auch bis zum Ende des Naziregimes in den KZ verblieben.
- Besonders nach den stark angestiegenen Rekrutierungen und Dienstverpflichtungen ab 1942 litt die Moral und Disziplin vieler Aufseherinnen. Das führte schließlich soweit, dass im Ravensbrücker Kommandanturbefehl Nr. 3 vom 24.7.1942 die unbeschränkte Ausgeherlaubnis zu einer Ausgehfrist bis 24 Uhr und eine Kleiderordnung für den Ausgang nach Dienstschluß verordnet wurde.
II. Gewalt gegen Häftlinge, Strafen und Massensterben
1. Verhaltensregeln, geregelte Strafen und Strafordnungen
- Die am 15. Dezember 1937 im KZ Lichtenburg eingeführte "Disziplinar - und Strafordnung für das Gefangenenlager" mit unterschiedlichen Strafstufen war nichts weiter als eine bittere Farce zum Wahren eines Anscheins von Legalität. Die Häftlinge sollten bei Einhaltung gewisser Regeln straffrei bleiben können und vor Willkürmaßnahmen der Aufseher geschützt sein. Gegenteilig trat jedoch zu dieser Willkür noch der nun normierte Strafkatalog hinzu, so dass ein "richtiges" Verhalten den Häftlingen noch erschwert bzw. unmöglich gemacht wurde.
- Zu den festgelegten Strafen zählten u.a. Kostentzug, Dunkelarrest in Einzelzellen, Bunker und, auf Anweisung Himmlers seit Juni 1938, Auspeitschen und Prügelstrafe. Die willkürlichen Gewaltakte und "Strafmaßnahmen" seitens der Aufseher kannten keine Regeln und Grenzen, vom brutalen Schinden durch sinnlose Arbeit bis hin zu Schlägen, Peitschenhieben, Folter, etc. war alles vertreten.
KZ RAVENSBRÃœCK:
- In dem nach dem Dachauer Modell organisierten KZ Ravensbrück war die Prügelstrafe, ab 1942 die verschärfte Prügelstrafe auf das unbekleidete Gesäß, ebenfalls die härteste Form der Lagerstrafe. Die Prügelstrafe wurde von Mithäftlingen durchgeführt, wobei ausländische Frauen niemals deutsche schlagen durften. Das sollte eine mögliche Solidarisierung unter den Häftlingen erschweren. Die höchste Strafe waren dreimal 25 Schläge auf das unbekleidete Gesäß im Abstand von einigen Tagen. Vielen Frauen wurden hierbei die Innereien zerschmettert und sie starben an ihren Verletzungen.
- Selbst für geringste Vergehen wurden von den Aufseherinnen neben sofort verübten Gewaltakten Meldungen geschrieben und unangemessen strenge Strafen, wie z.B. Stehstrafe oder langer Essensentzug, ausgesprochen, wobei das Strafmaß nahezu willkürlich festgesetzt wurde.
- Neben Schlägen waren der Bunker und der Strafblock am meisten gefürchtet. In beiden Isolierungseinheiten waren die Häftlinge den ständigen Gewaltakten und der Willkür der SS - Aufseherinnen ausgesetzt und sind dort nicht selten jämmerlich verendet oder mit im KZ tödlichen Verletzungen, z.B. Erfrierungen, Organschäden oder Entzündungen, wieder herausgekommen.
- Eine zusätzliche Strafe war die Zuteilung in sog. Strafkommandos, die aufgrund der außergewöhnlichen Brutalität und Aggressivität ihrer Aufseherinnen gefürchtet waren, besonders anstrengende Arbeiten beinhalteten und häufig als Todeskommandos galten.
- Die Verunsicherung der Häftlinge durch frei auszulegende und wechselnde Lager - und Strafordnungen war von der SS beabsichtigt: "Vor allem wußte man nie, was verboten war und was nicht. Im Grunde war alles verboten, aber da man damit nicht leben konnte, machte man sich ständig strafbar. Die Voraussetzung, die in jedem Strafrecht gegeben ist, dass man nämlich im Moment der Begehung der Tat von der Strafbarkeit Kenntnis haben müsse, fehlte völlig. Es genügte zum Beispiel, sein Kopftuch auf eine andere Art geknüpft zu tragen als vorgeschrieben, um Schläge einzuheimsen. Ein andermal waren Kopftücher überhaupt verboten, und die Lagerpolizei machte Jagd darauf [...] Wenn man nicht im Schritt oder etwa zu fünft über die Lagerstraße ging, schon wurde man geschlagen. Bestimmte Blockstraßen waren verboten, aber man wußte nie, welche. Es fehle wahrlich nicht an Gelegenheiten, zu einer Tracht Prügel zu kommen" (Lucie Schmidt - Fels)
- Das wird auch in der Strafordnung des KZ Ravensbrück deutlich. Während viele Vergehen eindeutig festgelegt werden, z.B. lärmen, homosexuelle Verkehr, stehlen, etc., besagt Punkt 20 dieser Ordnung lediglich, bestraft wird, "wer sonst in irgend einer Form gegen die Lagerdisziplin, gegen die Ordnung und Sicherheit des Lagers verstößt." Es ist nicht schwer, in diesen Punkt beliebige Vergehen hineinzuinterpretieren.
KZ BERGEN - BELSEN:
- Im Frauen - KZ Bergen - Belsen starben, anders als in Ravensbrück, rel. wenige Frauen an den Folgen von Strafmaßnahmen. In diesem Lager waren Überbelegungen, schlimmste Unterernährung und Unterlassung lebensnotwendiger Versorgungsmaßnahmen Ursache für das Massensterben vieler Frauen durch Epidemien und Seuchen. Es galt das Prinzip der "Vernichtung der unterlassene Hilfeleistungen".
- Nach der Übernahme des KZ durch Josef Kramer im Dezember 1944 nahm jedoch auch die Brutalität gegenüber den Häftlingen zu, da Kramer Aufseherinnen aus Auschwitz mitgebracht hatte, die die Gefangenen bei geringsten Vergehen oft todprügelten. Die Exzessivität und das Ausmaß der von diesen Aufseherinnen verübten Gewalt ließ auch lange inhaftierte Häftlinge erschrecken.
- Einzelne Vergehen wurden immer wieder zur Terrorisierung der Häftling benutzt, die dann während stundenlangem Appellstehen, teilweise in Eis und Schnee, den Schikanen und Launen der Aufseherinnen ausgesetzt waren.
- Obwohl die Möglichkeiten zur Hilfe bestanden und die SS - Verantwortlichen über die Zustände des Lagers recht genau in Kenntnis waren, wurde jede Hilfe unterlassen und das Lager trotz Typhus - Epidemie weiter belegt. Das immer mehr verwahrloste, von Siechenden und Toten angefüllte Lager, in dem die hygienischen Verhältnisse schlimmer als in Auschwitz waren, wurde nahezu nicht mehr von der SS aus Angst vor Ansteckungen betreten und sich selbst überlassen.
III. Das Ende der Täter
- Mit dem Waffenstillstandsabkommen vom 12.4.1945 zwischen Vertretern der deutschen Wehrmacht und der britischen Armee wurde einem Großteil des SS - Bewachungspersonals und Funktionshäftlingen freier Abzug gewährt. Das zurückgelassene Verwaltungspersonal wurde wie Kriegsgefangene behandelt. Durch diese Regelung sind viele Mitglieder des Bewachungspersonals und Verantwortliche nicht verhaftet worden.
- Im ersten großen Bergen - Belsen/Auschwitz - Prozeß vom 17. September bis 17. Dezember in Lüneburg wurden 27 Männer und 21 Frauen angeklagt. Untersuchungspunkte waren nicht die begangenen Verbrechen, sondern inwiefern die Angeklagten damit individuell zu tun hatten. Anklagepunkte waren die Tötung einer großen Zahl Angehöriger alliierter Staaten, Mißhandlungen von Angehörigen alliierter Nationen und, in 11 Fällen (u.a. Josef Kramer), die Gastötung von Staatsbürgern alliierter Nationen und Assozierter Mächte in Auschwitz. Die Tötung deutscher Häftlinge war nicht Gegenstand der Anklage.
- Die Angeklagten erklärten sich ausnahmslos und in allen Punkten für nicht schuldig. Zur Verteidigung beriefen sie sich auf den "Befehl von oben" und übertrugen die Verantwortung des Geschehenen der Reichsregierung.
- Der Prozeß wurde durch die schwierige Situation und Behandlung der Zeugen, meist ehemalige Häftlinge, erschwert. Viele Zeugen fühlten sich den nach britischem System durchgeführten Kreuzverhören nicht gewachsen, ihre Aussagen wurden in Zweifel gezogen und teilweise als Übertrieben dargestellt.
- Die Anklage stellte die Behauptung auf, dass kein Soldat nach deutschem Recht einen Befehl befolgen musste, wenn dieser ein Verbrechen verlangte. Außerdem seien sich die Angeklagten sehr wohl ihres verbrecherischen Handelns bewußt, sonst ließe sich die Geheimhaltung der Vorgänge in den KZ nicht erklären. Im Abschlußplädoyer forderte die Anklage für alle Angeklagten die Todesstrafe.
- Von den 21 Frauen wurden 3 SS - Angehörige zum Tode verurteilt, 11 erhielten eine bis zu 15jährige Haftstrafe, 4 SS - Angehörige und 1 Kapo wurden freigesprochen.
- Von den 27 Männern wurden 8 SS - Angehörige zum Tode verurteilt, 6 erhielten Haftstrafen bis zu Lebenslänglich, 9 wurden freigesprochen.
- Die unverhältnismäßig vielen Freisprüche resultierten aus Zweifeln an Zeugenaussagen und Mangel an konkreten Beweisen. Das Gericht urteilte in solchen Fällen mit "nicht schuldig" zugunsten des Angeklagten.
IV. Eine weitere Tätergruppe: Die SS - Ärzte und Ärztinnen
- Ein detailierte Darstellung der medizinischen Versuche und der Tätigkeiten der SS - Ärzte würde den Rahmen dieses Referates sprengen. Es muss jedoch erwähnt werden, dass tausende von Häftlingen auf den Operationstischen und in den Versuchslaboratorien der medizinischen Abteilungen der KZ ihr Leben lassen mussten. Versuche wurden in allen Krankheitsbereichen durchgeführt, Infektionen, Unterkühlungen, Sterilisationsmethoden und chirurgische Versuche sind nur ein kleiner Teil des weiten Betätigungsfeldes der Ärzte.
- Beispiel Ravensbrück: Der Reichsarzt - SS Dr. Grawitz ordnete 1942 die Infizierung weiblicher Häftlinge, meist Polinnen, mit Staphylokokken, Gasbrandbazillen, Tetanusbazillen und Erreger - Mischkulturen, um die Heilwirkung von Sulfonamiden festzustellen. Infiziert wurden die ahnungslosen Frauen in allen Fällen in den Oberschenkeln, die Einschnitte gingen meist bis auf den Knochen, in die Wunden wurden zusätzlich noch Glasscherben oder Holzsplitter gelegt. Die Beine der Opfer vereiterten schnell so stark, dass die Frauen unter unmenschlichen Schmerzen zugrunde gingen. Bei den meisten Opfern wurde lediglich der Krankheitsverlauf ohne eine Behandlung vom Versuchsleiter Prof. Dr. Karl Gebhardt beobachtet, von den wenigen behandelten überlebte nur ein geringer Teil. Insgesamt fielen allein diesem Versuch rund 60 junge Frauen zum Opfer. Als die Ergebnisse auf einer großen Ärztetagung vorgetragen wurden, machte Gebhardt aus den Umständen und Grundlagen seiner Versuche kein Geheimnis. Widerspruch dagegen erhob sich jedoch von keiner Seite.
- In einigen KZ wurden an Frauen verschiedene Sterilisationsverfahren getestet, u.a. die Sterilisation mittels radioaktiver Strahlung. Die Frauen wurden zu einem formellen Gespräch in die medizinische Abteilung geführt und an einen Tisch gesetzt. Während des Gespräches mit einem Arzt wurde die ahnungslose Frau im Bereich des Beckens mit einer hochdosierten, gesundheitsschädlichen Strahlung beschossen. Viele der Bestrahlten starben wenig später an eiterigen Eierstockentzündungen oder waren, wenn sie überlebten, unfruchtbar.
Kurzbiographien einzelner Täterinnen
1. Irma Grese
Irma Grese wurde 1942 in Ravensbrück zur SS - Aufseherin ausgebildet und kam im März 1943 nach Auschwitz - Birkenau. Im Frühjahr 1945 wurde sie von Josef Kramer nach Bergen - Belsen geholt. Ihr wurden sadistischste Verbrechen vorgeworfen, erschießen und totprügeln von Häftlingen oder Hetze der Hunde auf Häftlinge. Auffällig war, das ihr junges, attraktives Äußeres völlig im Gegensatz zu ihrem Verhalten stand. Im Lüneburger Prozeß wurde sie neben zwei weiteren Angeklagten zum Tode verurteilt und Ende 1945 in Hameln hingerichtet.
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