Der Talisman
DER TALISMAN
I) Der Autor:
Johann Nepomuk Nestroy, österr. Komödiendichter und Schauspieler,
*7. 12. 1801 Wien, † 25. 5. 1862 Graz; Sohn eines Rechtsanwaltes, studierte anfangs Jus, brach jedoch mit
dem Studium ab. Wurde Schauspieler und Komödiendichter; wandelte die einheimische Zauberposse[1] zur
realistischen biedermeierlichen Lokalposse mit glänzender Charakterschilderung, urwüchsiger Komik und
drastischer Gesellschafts - und Zeitkritik um;
ein Höhepunkt und Ausklang der Altwiener Volkskomödie:
- 1833 Der böse Geist Lumpazivagabundus
- 1835 Zu ebener Erde und im ersten Stock
- 1840 Der Talisman
- 1842 Einen Jux will er sich machen
- 1845 Der Zerrissene
- 1845 Das Mädl aus der Vorstadt
Er war ein Meister der Improvisation und des Wortspiels, schrieb auch witzige Parodien.
Zeitgenossen der Biedermeier - Epoche: Grillparzer, Raimund
II) Zum Inhalt:
Posse mit Gesang in 3 Akten
16.12.1840 Uraufführung in Wien im "Theater an der Wien"
Zeit und Ort der Handlung:
19. Jhdt., auf dem Gut der Frau von Cypressenburg
Personen:
Titus Feuerfuchs ein vazierender Barbiergeselle
Frau von Cypressenburg Witwe
Emma ihre Tochter
Constantia ihre Kammerfrau, ebenfalls Witwe
Flora Baumscheer Gärtnerin, ebenfalls Witwe
Plutzerkern Gärtnergehilfe
Monsieur Marquis Friseur
Spund ein Bierversilberer
Christoph
Hans Bauernbursche
Seppel
Hannerl Bauernmädchen
Gartenknecht
Georg Bedienstete der Frau von C.
Konrad
Herr von Platt
Notarius
Salome Pockerl Gänsehüterin
Der Barbiergeselle[2] Titus Feuerfuchs hat im Leben und im Gewerbe Schwierigkeiten wegen seiner
roten Haare. Dass die Menschen gegen diese ein Vorteil hegen, hat auch die Gänsemagd Salome Pockerl
erfahren müssen, denn selbst der häßlichste Bursche im Dorf weigert sich, mit einer Rothaarigen zu tanzen.
Kein Wunder, wenn sich Salome zu dem Leidgenossen Titus hingezogen fühlt. Mit diesem scheint allerdings das Schicksal Größeres vorzuhaben. Der Friseur Marquis, dessen scheugewordenen Gaul Titus zum Stehen bringt, schenkt seinem Lebensretter eine schwarze Perücke. Mit dieser Perücke gewinnt Titus die Gunst der Gärtnerswitwe Flora Baumscheer. Sie steckt den Dunkellockigen in die Kleider ihres verstorbenen Mannes und macht ihm zum Gartenaufseher. Als solchen erblickt ihn die Kammerfrau Constantia, die ebenfalls ihren verstorbenen Mann nachtrauert. Der Schwarzschopf gefällt ihr und sie beordert ihn als Obstlieferanten ins Schloß. Titus wechselt nun den Dienst bei der Gärtnerin mit dem eines Jägermeisters (samt Uniform). Doch der Friseur Marquis, der Constantia seit langem verehrt, wittert in Titus einen Rivalen und nimmt ihm während eines Schläfchens die Perücke weg.
Währendessen kehrt die Frau von Cypressenburg mit ihrer Tochter nach Hause zurück.
Als Titus entdeckt, das er wieder rothaarig ist, stürzt er ins finstere Friseurzimmer, ergreift die nächstbeste Perücke und setzt diese auf. So ist er nun blond, was der schriftstellernden Freifrau so gut gefällt, dass sie ihn zu ihrem Sekretär ernennt. Es gelingt Titus, dass sie Flora, Constantia und den Friseur entlässt. Als er aber bei einer Abendgesellschaft aus den Memorien seiner Gebieterin vorlesen soll, wird er von den Witwen und dem Friseur als Perückendieb entlarvt und mit Schimpf und Schande aus dem Haus gejagt.
Der schwerreiche Bierversilberer Spund, der Onkel von Titus, der sich bisher um seinen Neffen nicht gekümmert hat, ist diesem nachgereist und will ihm in der Stadt einen Barbierladen einrichten, damit der
Außenseiter der Familie keine Schande macht. Salome, die dem Spund alles erzählt, schickt ihn zum Schloß. Als man erfährt, dass der Hinausgeworfene einen so reichen Onkel hat, beeilt man sich, ihn zurückzurufen. Bevor Titus dorthin zurückgeht, verbirgt er die fatalen roten Haare unter der grauhaarigen Perücke des seligen Gärtnermeisters Baumscheer. Die bestürzte Frage von Spund, wohin die roten Haare gekommen seien, benutzt Titus zu der Beteuerung, dass der Kummer über das lieblose Betragen seines Onkels ihn frühzeitig ergrauen hat lassen. Gerührt will Spund ihn zum Universalerben einsetzen. Die Witwen schöpfen neue Hoffnung, denn einen reichen Rothaarigen könnten sie akzeptieren. Als der Notar das Testament aufsetzt, wird Titus von Salome entlarvt. Frau von Cypressenburg besänftigt den Zorn des Bierversilberers, Titus jedoch erklärt, er verzichte auf die Erbschaft und sei zufrieden, wenn Spund ihm zu einem Barbierladen verhelfe. Zur Frau nimmt er Salome, weil sie ihm die roten Haare nie zum Vorwurf machen werde.
III) Charakteristik der Hauptpersonen:
Titus Feuerfuchs:
rothaarig, unfreiwilliger Außenseiter, klug und redegewandt (Vater: Schulmeister); nutzt Perücken zum Aufstieg, will normal leben u. sich nicht bereichern
Salome Pockerl:
rothaarig, einsame Außenseiterin; nett, gutmütig; den Witwen charakterlich überlegen
Frau von Cypressenburg:
urteilt nach dem Äußeren
Constantia:
oberflächlich, Ablehnung von roten Haaren
Flora Baumscheer:
Vorurteile gegen rote Haare
Spund:
reich, relativ nett, etwas schwer vom Begriff, kümmert sich mit der Zeit um seinen Neffen
IV) Sprache/Stil:
Das Stück besteht aus Dialogen und Couplets (sind in der Regel 6 Strophen zu je 6 - 12 Zeilen die
Paarreime beinhalten und meistens mit einem Stichwort ausgelöst werden.
Typisch für Nestroy sind seine sprechenden Namen wie: Feuerfuchs (rote Haare), Flora Baumscheer
(Gärtnerin), sowie Wortspiele, sprachliche Bilder und Sprachkraft, damit will er die Lächerlichkeit von
Personen herausheben. (Titus sehr redegewandt, Salome nicht).
V) Interpretation:
Das Motiv dieses Stückes ist das Vorurteil der Menschen bezüglich Personen mit roten Haaren. Der Glaube,
dass rothaarige minderwertige Leute sind, basiert im Altertum. Dieses nimmt Nestroy zum Vorwand seines
Stückes, die sich allgemein gegen Vorurteile und ihren Auswirkungen richtet.
Titus ist durch seine Perücke in der Lage, vom Außenseiter zu einer gesellschaftlichen Persönlichkeit
heranwächst, erkennt aber, dass eine äußerliche Veränderung nichts ändert. Das Vorurteil wird durch die
Geldgier (Erbe seines Onkels) nur verdeckt und nicht aufgehoben.
DER TALISMAN
I) Der Autor:
Johann Nepomuk Nestroy, österr. Komödiendichter und Schauspieler,
*7. 12. 1801 Wien, † 25. 5. 1862 Graz; Sohn eines Rechtsanwaltes, studierte anfangs Jus, brach jedoch mit
dem Studium ab. Wurde Schauspieler und Komödiendichter; wandelte die einheimische Zauberposse zur
realistischen biedermeierlichen Lokalposse mit glänzender Charakterschilderung, urwüchsiger Komik und
drastischer Gesellschafts - und Zeitkritik um;
II) mitwirkende Personen:
Titus Feuerfuchs ein vazierender Barbiergeselle
Frau von Cypressenburg Witwe
Emma ihre Tochter
Constantia ihre Kammerfrau, ebenfalls Witwe
Flora Baumscheer Gärtnerin, ebenfalls Witwe
Plutzerkern Gärtnergehilfe
Monsieur Marquis Friseur
Spund ein Bierversilberer
Christoph
Hans Bauernbursche
Seppel
Hannerl Bauernmädchen
Gartenknecht
Georg Bedienstete der Frau von C.
Konrad
Herr von Platt
Notarius
Salome Pockerl Gänsehüterin
[1] Posse: derbkomisches Theaterstück
[2] Barbier: Bartscherer, Friseur; barbieren: rasieren, aber auch betrügen
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