Resozialisierung
1.1, Defininitionsversuche des Begriffe
Eine allgemein gültige Definition des Begriffes Resozialisation zu finden bereitet Probleme,
da es zwar eine große Anzahl von Deftinitionsversuchen gibt, diese jedoch nicht zu einem "Praktisch verwertbaren Inhaltsgefüge des Vollzugs" (Schüler - Springorum) kommen, Trotzdem seien im folgenden einige Definitionsversuche aufgeführt:
- Resozialisierung;(Nach verbüßen einer längeren Haftstrafe) schrittweise
Wiedereingliederung in die Gesellschaft mit Mitteln der Pädagogik, Medizin und Psychotherapie ( Siehe Duden. Das Fremdwörterbuch)
- Resoziatisation - Wiedereinführung des gefangenen in das soziale Leben oder seine Wiedereingliederung in die Menschliche Gemeinschaft ( Deimling 1968 s. 257)
- ,, Resozialisierung wird verstanden als ein Teil des lehenslangen Sozialisationsprozesses wobei die Vorsilbe - re - ausdrücken soll, dass ein Teil der SoziaUsation außerhalb der gesellschaftlich vorgegebenen Normen und Wertmaßstabe stattgefunden bat, so dass eine - Wieder - Eingliederung notwendig wird" (Maelicke 1993, S 783 ) ,Der Gefangene soll lernen sich straffrei zu verhalten" (Vergl. Schuler - Springorum 1969, S, 158)
- "Normengeltung als überzeugte Normenbefolgung kann nur mittels Sozialisierung zu Rechtsbewußtsein entwickelt werden, Resozialisierung ist die Spezifische Form dieser Sozialisation ,für die (zur Freihtsstrafe) verurteilten Straftäter(...)"tl(Fabricius 1991, S. 197)
Schon in diesen fünf Definitionsversuchen wird klar, wie verschiedenartig der Begriff
Resozialisation mit Inhalt gefüllt wird
Der Begriff Resozialisierung als Ziel des Strafvollzugs kann also eher als ein Synonym für ein
gesamtes Programm und nicht als ein Fachbegriff mit klar definierter Bedeutung gesehen
werden.
1.2 Geschichte des Begriffs
Die Grundlage des Resozialisierungskonzepts bildete die Strafrechtsschule Franz von
Liszts. Liszt verwendet zwar nicht den Begriff Resozialisierung selbst, er spricht statt dessen
von Besserung und Erziehung,
Nach Liszts Ansichten beschränkte sich das Ziel der Besserung auf Jugendliche und
Heranwachsende:
"Wir verlangen in erster T Linie die erziehende Behandlung der Besserungsfähigen, und da die
erziehende Umgestaltung des Charakters durch körperliche und geistige Ausbildung wie
durch Gewöhnung an regelmäßige Arbeit, nur bis zu einem gewissen Lebensalter überhaupt
möglich ist, können wir wohl sagen, die erziehende Behandlung von Jugendlichen" (Liszt
1905, S, 397}
Der Begriff Resozialisierung wurde erstmals von Karl Liebknecht in seinem Entwurf
gebraucht.
Liebknecht benutze den Begriff zwar nur einmalig, entwickelte jedoch viele Gedankengänge
die erst in den sechziger Jahren breiter Diskutiert wurden, Ellger spricht von der sozialen Aufgabe des Strafvollzugs und von dem Ziel, den Gefangenen " zu einem sozialen Glied der Gesellschaft (zu) machen" (Vergl. Ellger 1922 S. 17 und 39f) Während des Faschismus wurde dagegen die Spezialprävention als Erziehungsgedanke gesehen, alle Gewohnheitsverbrecher sollten durch die Todesstrafe ausgemerzt werden ( Vergl. Eberhard 1942, S. 65 )
In den 50er Jahren gab es erste Ansätze von Resozialisierung in der Kriminalpolitischen Debatte, so hieß es schon in der Kontrollratsdirektive Nummer 19 vom 12. November 1945 "Das kein Menschliches Geschöpf hoffnungslos verwahrlost oder verdorben sei" Nicht nur das Faschistische Menschenbild wurde damit umgekehrt, auch Liszts Gedanken der Unverbesserlichkeit wurden verabschiedet.
In den 60er Jahren wurde der Begriff Resozialisierung deutlich breiter diskutiert. Der Sonderausschuss für Strafrechtsreform sprach sich 1969 für " Die moderne Ausgestaltung des Sanktionensystems als wirksamen Instrument der Kriminalpolitik mit dem ziel einer Verhütung künftiger Straftaten, vor allen Dingen durch Resozialisierung des Straftäters" aus. Der Resozialisierungsgedanke hängt also von allgemein politischen Entwicklungen ab und konnte erst auf der Basis des sich entwickelnden Wohlstandes in der Bundesrepublik Deutschland in den Vordergrund treten.
1.3. Abgrenzung zu verwandten Begriffen
1.3.1. Sozialisation
Aufgrund des gemeinsamen Wortstammes wird der Begriff Sozialisation häufig mit dem Resozialisierungsbegriff gebraucht, in wie weit die beiden Begriffe übereinstimmen hängt jedoch unter anderem von der jeweiligen Definition des Begriffs Resozialisierung ab. Um den Inhalt des Begriffs Resozialisierung genauer festzulegen, kann auf den Begriff Sozialisierung jedoch zurückgegriffen werden:
" Mit Sozialisierung wird jener Prozeß beschrieben, in dessen Verlauf der Mensch lernt, mit
anderen Menschen in soziale Beziehung zu treten" ( Deimling 1968.S. 251 f)
In der Familie, in Spielgruppen und in der Nachbarschaft lernt der Mensch im laufe seiner
Persönlichkeitsentwicklung, sich den dort geltenden Ordnungen gemäß zu verhalten.
Als sozialisiert muss also jeder Mensch angesehen werden, der sich dem entsprechend verhält,
auch wenn die dort geltenden Normen nicht den Gesetzlich festgelegten
Verhaltensvorschriften entsprechen -
Da das Wort
Resozialisierung in dem Sinne nicht "Sozialmachung".
Der Begriff Resozialisierung wird in der Fachsprache nicht als spezifische Weiterrührung des
Sozialisationsprozesses benutzt.
1.3.2. Behandlung
Der Begriff Behandlung wird im Gegensatz zum Begriff der Resozialisierung im Strafgesetz häufig benutzt, er wird gesetzlich jedoch nicht definiert und stellt deshalb so etwas wie "eine Begriffshülse dar, in die jeglicher Inhalt paßt".
Versteht man den Begriff Behandlung im Strafvollzug nicht im engeren psychiatrischen
Sinne (er hätte dann einen Bezug zum Krankheitsbegriff) so bleibt er weitgehend schwammig.
Zur Behandlung gehören, nach Kaiser/Kemer/ Schöch, therapeutische Methoden durch die
Persönlichkeit des zu behandelnden beeinflußt werden soll.
Schon hier wird klar, dass die Behandlung auch durch Zwangsmaßnahmen vonstatten gehen
könnte, der zu Behandelnde würde zum bloßen Objekt der Behandlung gemacht werden,
wenn dadurch das Ziel der Persönlichkeitsänderung im sinne der Gesellschaft erreicht werden
könnte.
Der Begriff Resozialisierung lässt sich nicht näher durch den Begriff der Behandlung
definieren.
l .3.3. Rehabilitation
Mrozynski meint, dass wenn im Strafgesetzbuch von Resozialisierung die Rede ist,
Rehabilitation angebrachter wäre. Rehabilitation und Resozialisierung seien zwei sich
überschneidende Kreise.
Die Ähnlichkeit der beiden Begriffe ist tatsächlich so weitgehend, dass eindeutige
Unterschiede kaum zu finden sind.
Verfahren und Ziel der Rehabilitation sind eindeutig bestimmt (§5 Abs.3 BSHG).
Auch in der Resozialisierung werden im Strafvollzug Vollzugspläne erstellt (§7
Strafvollzugsgesetz)
Das Bundessozialhilfegesetz regelt in Abschnitt 7 die "Eingliederungshilfen für
Behinderte" ,§72 regelt die Eingliederung von Straffälligen.
Es ist fraglich ob es Resozialisierungsmaßnahmen gibt, die nicht gleichzeitig der
Rehabilitation zuzuordnen sind,.
Fast alle Resozialisierungsprogramme gehen von einer Einschränkung der
Verhaltensaltenativen des Täters aus, solche Programme lassen sich unter den Begriff der
Rehabilitation fassen.
1.4. Inhalte der Resozialisierungskonzeptionen
Obwohl der Begriff Resozialisierung klar abgrenzbar zu verwandten Begriffen ist, bleibt eine eindeutige Definition noch unmöglich.
Resozialisierung umfaßt ein ganzes Programm und könnte je nach Problem, Defizit, Fähigkeiten und Bedarf folgendes meinen:
- Beratung über persönliche Probleme, Chancen und Möglichkeiten so wie gesellschaftliche Voraussetzungen zur Integration nach Straffälligkeit und den damit verbundenen Prozessen der Stigmatisierung und Ausmerzung.
- Motivation zu Bemühungen zur eigenen Lebenslagenverbesserungen
- Materielle Hilfen von der Absicherung der Lebenshaltungskosten bis zur Unterstützung bei der Wohnraumsuche
- Unterstützung bei der Suche und Wahrnehmung von Bildungs - und Ausbildungsangeboten
-
Persönliche Hilfen, Unterstützung und Begleitung in Krisensituationen, Unterstützung bei der Herstellung sozialer Kontakte auch im Freizeitbereich Unterstützung bei dem Erwerb von mehr Selbstsicherheit, Solidarität, Konflikt - und
Gesellschaftliche Bemühungen um Toleranz gegenüber abweichendem Verhalten und
Randgruppen - Integration sowie Entstigmatisierung
2. Übersicht über die Rechtsgebiete der Resozialisierung
Die gesetzlichen Regelungen der Resozialisierung sind verstreut über verschiedene Bundes - und Landesgesetze, eine stärkere Koordinierung und Vernetzung wäre erforderlich um den Erfordernissen der Praxis gerecht zu werden.
Grundlegende Regelungen für das Gesetz der Resozialisierung finden sich im Grundgesetz, in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie im allgemeinen Teil des Sozialhilfegesetzbuches.
Die verschiedenen Aufgabenbereiche der Strafiälligenhilfe werden detailliert geregelt im Jugendgerichtsgesetz, im Kinder - und jugendhilfegesetz, in der Strafprozessordnung, im Strafgesetzbuch, im Strafvollzugsgesetz und im Bundessozialhilfegesetz.
Weitere Sonder - und Detailregelungen gibt es in der Jugendarrestvollzugsordnung, in der Strafvollstreckungsverordnung, in der Strafvollzugsvergütungsverordnung, in der Verordnung zur Durchführung des §72 BSHG sowie im Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, im Bundes Zentralregistergesetz und im Opferentschädigungsgesetz. ( Siehe "Recht der Resozialisierung " 1994)
Die Vorschriften zur Regelung der Resozialisierung sind oft lückenhaft und zudem kaum überblickbar, eine Aktualisierung oder eine Gesamtneuregelung des Rechts der Resozialisierung wäre deshalb dringend erforderlich.
Schaubild Ober die Rechtliche Regelung der Straffälligenhilfe für Jugendliche und Heranwachsende
Die Übersicht sowie das Schaubild der rechtlichen Regelung macht klar, das neben Polizei und Justiz Soziale Dienste zunehmend als kompetent angesehen werden für die Wahrnehmung der aufgaben der Resozialisierung.
Koordination und Kooperation der relevanten Institutionen und Dienste sind wesentliche Voraussetzungen um Resozialisierung erfolgreich voranzutreiben.
3. Sozialtherapie auf dem Jugendschiff "Outlaw" als alternative zur geschlossenen Unterbringung in Jugendarrestanstalten
3.1. Die Konzeption des Vereins Jugendschiff Outlaw e.V.
3.1.1. Vorbereitung der Fahrt
Die Jugendlichen, die an der nächsten Fahrt teilnehmen werden auf unterschiedliche Art und weise auf die bevorstehende Seereise vorbereitet:
Jugendliche die Angst vor dem haben, was sie auf der Fahrt erwarten wird, werden auf einem Sportangelkutter (in Gruppen von ungefähr fünf Jugendlichen) auf den Übergang vom Land auf das Seeleben vorbereitet.
Mit kleinen Ausfahrten auf See werden erste Erfahrungen mit Schiffen gesammelt und die Angst abgebaut.
Jugendliche bei denen Weglaufen oder direkte delinquente Handlungen nicht zu erwarten sind, befinden sich schon in der Vorbereitungsphase direkt auf dem Schiff Outlaw, welches zu dieser Zeit noch für Reperatur - und Aufbesserungsarbeiten in der Werft liegt. Die Jugendlichen können den Pädagogen und Seeleuten helfen, das Schiff für die Reise instand zu setzen.
Eine weitere Gruppe von Jugendlichen wird in einem Freizeitcamp auf die Reise mit der Outlaw vorbereitet.
Sie lernen dort die Pädagogen kennen, die auch die Fahr begleiten werden und haben so die Möglichkeit sich mit diesen Bekanntzumachen und ihnen bei speziellen Aufgaben zur Vorbereitung der Fahrt zu helfen.
Einige Jugendlichen mit richterlichen Bewährungsauflagen dürfen erst mit dem Auslauftermin an Bord genommen werden.
Alle Gruppen bilden dann gemeinsam als 16Köpfige Jugendlichengruppe und lOKöpfige Erwachsenencrew die Mannschaft die das nächste halbe Jahr gemeinsam den Alltag auf dem Schiff bewältigen wird.
3.1.2. Die Nachbetreuungsphase
Bei der Umstellung vom Seeleben auf das Landleben muss den Jugendlichen weiterhin Hilfe geleistet werden um ihnen die Möglichkeit zu geben, erlangte Motivation auch bei den ersten Realistischen Anforderungen zu erhalten und sie in die Richtige Bahn zu lenken.
Es werden Gruppen zur Erlangung des Hauptschulabschlusses eingerichtet, es besteht die Möglichkeit Berufsvorbereitende Schulen zu besuchen und es wird den Jugendlichen Hilfe bei der Suche von Lehrstellen geleistet.
Jugendliche bei denen kontinuierliche Fortschritte in der Schule oder der Arbeitswelt garantiert scheinen, bekommen die Möglichkeit in selbständigen Wohneinheiten des Vereins zu leben und ihr Leben größtenteils selbst zu bewältigen. Betreuung durch Pädagogen wird dann nur noch als Krisenintervention geleistet.
Die Nachbetreuung soll also je nach Stabilität des einzelnen Jugendlichen die intensive Betreuung an Bord der Outlaw sukzessive auflösen.
3.1.3. Die Jugendlichen der Outlaw
Auf der Outlaw werden Jugendliche Jungen und Mädchen im Alter von 14 bis 18, in Einzelfällen auch über dieses Alter hinaus, aufgenommen.
Die Jugendlichen leiden an emotionaler, sozialer und intelektueller Vernachlässigung. Die Verhaltensauffälligkeiten dieser Jugendlichen zeigen sich häufig in:
- Retardationen auf allen Entwicklungsebenen
- Leistungsversagen in Schule und Arbeitswelt
- Bindungsunfähigkeit und Bindungsängsten
- Lückenhaften Handlungskompetenzen
- Mißbrauch von Nikotin, Alkohol und anderen Drogen
- Dissozialen Handlungsverfestigungen ( Aggressives Verhalten gegenüber sich und anderen. Streunen e.tc.)
- Delinquente Handlungsmuster (Sachbeschädigung, Körperverletzung e.t.c.)
Jugendämter und Sozialhilfeinstitutionen des gesamtem Bundesgebietes wenden sich an den Verein, Aufhahmeanträge werden meist wie folgt begründet:
- Der Jugendliche sitzt trotz geringer Delikte in Jugendstrafanstalten und erfährt dort zu geringe oder keine Resozialisierungshilfen
- Dem Jugendlichen droht die Entlassung aus einem Heim, er ist nicht gruppenfähig und andere Heime lehnen eine Aufnahme ab
- Die Familie des Jugendlichen weigert sich, den Jugendlichen weiter zu betreuen, der Jugendliche lehnt dies ebenfalls ab, alternative Unterbringungsmöglichkeiten stehen nicht zur Verfügung
- Der Jugendliche kommt in einer ungünstigen Situation nicht mehr zurecht und bricht Arbeit oder Schule ab. Institutionen zur Ambulanten Krisenintervention sind überfordert.
- Der Jugendliche wird in einer Psychiatrischen Klinik verwahrt, obwohl er dort nicht hingehört, eine alternative Unterbringung stand nicht zur Verfugung.
Die Voraussetzung für die Teilnahme an einer Fahrt ist in jedem Fall die Zustimmung des Jugendlichen
Ein altersgemäßer Entwicklungsstand von 13 Jahren sollte nicht unterschritten werden, bei geistigen und körperlichen Behinderungen müssen Grenzen gesetzt werden, da der Jugendliche den Anforderungen des Schiffalltags ansonsten nicht gewachsen ist.
3.1.4. Die Erwachsenencrew der Outlaw
Die Seemännische Besatzung der Outlaw besteht aus einem Kapitän, einem Steuermann, dem Wachoffizier, dem Bootsmann und dem Maschinisten.
Die Pädagogische Crew besteht aus drei Sozialpädagogen und einem Lehrer. Zeitweilig kommt auch ein Diplompsychologe an Bord.
Die Erwachsenencrew ist sowohl für die Vorbereitung, die Fahrt als auch für die
Nachbetreuung zuständig.
Sie bleibt während der Fahrt durchgängig an Bord.
Es ist offensichtlich, dass ein dermaßen enges und beanspruchendes Zusammenleben
Konflikte mit sich bringt.
Aus diesem Grund besucht der Diplom Psychologe die Outlaw etwa 3 Mal pro Fahrt um
Supervisionsarbeiten zur Bewältigung von Konflikten zu leisten.
Ist eine Lösung der Konfliktsituation nicht mehr möglich und so die Zusammenarbeit an Bord
der Outlaw gefährdet, können von Land Mitarbeiter nachgeschoben werden.
Über den Ausschluß eines Erwachsenen oder eines Jugendlichen entscheidet die Erwachsenencrew nicht alleinig, in solchen Fällen wird mit dem Projektleiter an Land Rücksprache gehalten. Ansonsten entscheidet die Erwachsenencrew über den Alltag und den Ablauf auf dem Schiff.
3.2. Rahmenbedingungen der Sozialtherapeutischen Seereisen
3.2.1. Handlungs - statt Behandlungsorientierung
Der Jugendliche, der an einer der Seereisen teilnimmt, erscheint nicht in erster Linie als ein
bloßes Objekt pädagogisch - therapeutischer Einflussnahme.
Er wird von den Pädagogen nicht als ein Bündel negativer Eigenschaften gesehen, sondern als
ganze Person, an dessen Fähigkeiten und Qualitäten man ansetzen kann.
Auch der Pädagoge gibt nicht vor perfekt zu sein, indem er sich der Beobachtung seines
Alltagshandelns entzieht.
Er lebt dem Jugendlichen in unzähligen Situationen sowohl an Bord wie auch an Land vor,
wie er auf Schwierigkeiten reagiert und Probleme löst.
Der Jugendliche erkennt, dass der erwachsene ebenfalls nicht perfekt ist und er kann
Leistungsblockaden so besser abbauen.
Das Lernen am Modell, also Imitations - und Erfahrungslemen wird sicherlich überall
stattfinden, an Bord des Schiffes ist dieses jedoch wesentlich intensiver möglich, als in einer
totalitär abgeschlossenen Institution.
3.2.2. Erlebnisqualität
Da in unserer Gesellschaft kein Platz mehr für Abenteuer zu sein scheint, und Jugendliche
sich aus Mangel an Abenteuer und Erlebnissen oft Banden anschließen und mit diesen
Delinquente Handlungen begehen, scheint die Erlebnisqualität ein wichtiger Aspekt der
Seereisen zu sein.
Statt alle Aktivitäten des Jugendlichen zu standardisieren und abzugrenzen von jeder
potentiellen Verletzungsgefahr, hat der Jugendliche die Möglichkeit seine Grenzen und zwar
sowohl Physische wie auch Psychische zu Erproben.
Überschüssige Energien werden hier absorbiert und nicht in Delinquenten Handlungen
ersatzweise abgeführt.
3.2.3. Partiell aufgehobene Stigmatisierung
Es ist für die Situation des Jugendlichen ebenfalls entscheidend, wie er von seiner Aussenwelt
gesehen wird.
Häufig werden Jugendliche, die in einer Jugendstrafanstalt waren in eine Negativrolle
hineingepresst, aus der sie sich nicht befreien können, da sie zuerst als auffällig, kriminell und
gestört gesehen werden, ohne das sie sich davon distanzieren können.
Auf der Outlaw stellen die jugendlichen unter Beweis, wie leistungsfähig sie sind, sie sind in
der Lage, gemeinsam ein derart grosses Schiff so lange unter Kontrolle zu haben.
Wenn das Schiff in einem Hafen ankommt, werden die Jugendlichen zunächst als Seemänner
gesehen, die wohl auch soziale Probleme haben.
Man identifiziert sie in erster Linie über das Schiff und befragt sie neugierig und anerkennend
über ihre Erlebnisse auf See.
Sie können auf Leistungen und Erlebnisse zurückgreifen und heben viel zu berichten.
Das Verhältnis der Jugendlichen zu ihrer Umwelt wird normalisiert und Prozesse der
Stigmatisierung zumindest partiell aufgehoben.
Auf diesem Wege lässt sich die verfestigte Aussenseiterposition des Jugendlichen wirksam unterlaufen.
3.2.4. Bereitstellung eines lebenspraktischen und attraktiven Ãœbungsfeldes
Kennmisse und Fähigkeiten werden auf der Outlaw praktisch vermittelt und nicht theoretisch, wie in Schulen, in denen Verhaltensauffällige Kinder besondere Schwierigkeiten haben. Die Anwendbarkeit des Erlernten lässt sich auf dem Schiff sofort erproben:
- Seemännische Tätigkeiten wie Nautik, Navigation, rudergehen, Ausguck und Segelmanöver
- Schiffsicherheits - und Feuerschutzlehrgänge an Bord, mit praktischen rettungsübungen und Erste Hilfe Massnahmen. Unterrichtung in Seestrassenordnung, Schiffsbau und - Funktionen.
- Handwerkliche Kenntnisse werden durch Reperaturarbeiten an Deck und Rumpf, durch Bedienung an Maschinen. Pumpen und Winden, durch Arbeiten an Generatoren und Elektrizität, vermittelt
- Hauswirtschaftliche und kaufmännische Tätigkeiten fallen durch die Versorgung an
- Geographische und Sprachkundliche Kenntnisse werden erworben Sportliche Betätigungen an Bord sind möglich
- Allgemeine Umweltkunde:Umgang mit Zoll, Wasserschutz und Hafenmeistereien, mit Behörden und Verbänden. Es werden Einrichtungen der Schiffahrt kennengelernt, wie Werften, Reedereien, Schleusen. Kanäle.Darüber hinaus erfolgt eine Erweiterung des Erfahrungshorizontes durch das Kennenlernen von Nationalen, kulturellen und regionalen Besonderheiten des Auslands.
- Freizeitvorbereitung und Gestaltung ( Tagesausflüge, Zelten auf einsamen Insem"Überlebenstraining" Wettbewerbs - und Rollenspiele e.t.c.)
- Besuch von Museen, Konzerten Freizeitparks und Kinos
Die Umsetzung der erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse wird auch im Hinblick auf die
schulische Verwertung berücksichtigt.
In Einzelunterrichtung werden Wissens - und Motivationslücken aufgearbeitet.
3.3. Pädagogische Praxis und Alltagssituation auf der Outlaw
3.3.1. Die Seesituation
Häfen werden zu Beginn der reise seltener angelaufen, damit sich der Alltagsablauf auf dem Schiff festigen kann.
Die Mannschaft muss zunächst ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln, damit eine
erfolgreiche Zusammenarbeit an Bord möglich wird.
Die Outlaw ist ein drei Wachen Schiff, jeweils etwa 5 jugendliche mit einem Pädagogen und
einem der Seemänner bilden eine Wachgruppe.
Die Wache wird zweimal am Tag für jeweils vier Stunden ausgeführt.
1. Wache : Jeweils 0 Uhr bis 4 Uhr und 12 Uhr bis 16 Uhr
2. Wache : Jeweils 4 Uhr bis 8 Uhr und 16 Uhr bis 20 Uhr
3. Wache : Jeweils 8 Uhr bis 12 Uhr und 20 Uhr bis 24 Uhr
Alle Wachen haben die gleichen Aufgaben, nämlich:
- Ausguck
- Reinigungs - und Reperaturarbeiten
- Bedienung von Maschienen
- Bedienung von pumpe und Generator
- Kleinere Segelmanöver
- Rudergehen und
- Backschaft
Die Unterrichtung der Jugendlichen wird außerhalb der Wachzeiten geleistet und zwar in seemännischer Hinsicht durch die Seeleute, schulischer Hinsicht durch den Lehrer.
Wetterlage und Seegang haben einen großen Einfluß auf das leben an Bord.
Während bei schönem Wetter schnell Langeweile auftreten kann und es so zu angespannten
Situationen kommen kann, stellen starker Wind und hoher Wellengang höhere Ansprüche an
jeden einzelnen und an die ganze Gruppe.
Die, manchmal kritische, Situation wird durch gemeinsames handeln überwunden, in der
Gruppe herrscht danach meist eine sehr gelöste und ausgeglichene Stimmung.
Das Selbstwertgefühl des Einzelnen wird verbessert, die Gruppenzusammengehörigkeit
gestärkt.
3.3.2. der Landgang
Neben der Seesituation stellt auch der Landgang verschiedene Anforderungen an Pädagogen
und Jugendliche.
An Land können sie beweisen, dass sie nicht sofort in delinquente Handlungen zurückfallen,
wenn sie die Umgebung des Schilfes verlassen.
Sie müssen ein Gefühl für die Wichtigkeit der Landgänge in Bezug auf die zu besorgenden
Vorräte entwickeln.
Ihnen fällt neben den Pädagogen die Aufgabe zu, für die Vorbereitung auf die Weiterfahrt zu
sorgen.
Bei Landgängen in zivilisationsarmen Gegenden erproben die Jugendlichen mit den
Pädagogen Überlebenstechniken und sie stellen dabei ihre Belastbarkeit auf die Probe.
Sie erweitem so ihre Kenntnisse und Fähigkeiten und ihr Selbstbewußtsein wird weiter
gestärkt.
Auf Landgängen lernen die jugendlichen ebenfalls andere Länder mit deren Sitten und deren
Kultur kennen, das erweitert ihren Erfahrungshorizont.
3.4. Entwicklungsansätze und Verhaltensänderungen der Jugendlichen
Nach Mitteilungen der Entsendestellen und Beobachtungen der Pädagogen haben sich vor allen Dingen in folgenden Bereichen Änderungen des Verhaltens der Jugendlichen gezeigt:
(1) Sie wirkten lebendiger und beweglicher, schienen ihre Umwelt differenzierter Fast durchweg nahmen die Jugendlichen nach einer Reise eine straffere Körperhaltung ein. wahrzunehmen
(2) Die Veränderungen im Äußeren Erscheinungsbild bildeten das Äquivalent zu einem gewachsenen Selbstwertgefühl
(3) Mit der Entwicklung von Zukunftsperspektiven ist die Motivation für eine schulische oder berufliche Weiterbildung angewachsen. In der Regel holen 50% der Jugendlichen nach der Reise ihren Hauptschulabschluss nach.
(4) Die Jugendlichen haben die Bereitschaft entwickelt, den erwachsenen anzunehmen und ihn nicht mehr nur als Gegner zu betrachten. Die Möglichkeiten des Pädagogischen Einflusses und der Anleitung sind damit stark angewachsen
(5) Die Jugendlichen haben Kontrollinstanzen ausgebildet (Über - Ich - Funktion ).Delinquenzgefährdungen werden somit verringert
(6) Die Jugendlichen haben begonnen, Verantwortung für ihr tun und Lassen zu übernehmen.
ANHANG
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