Die Anfänge der Schrift, der Zeitrechnung und der

Die Anfänge der Schrift, der Zeitrechnung und der Wissenschaft
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Die Schrift entstand in den alten Hochkulturen aus den praktischen Bedürfnissen der Tempelwirtschaft. Dort, wo die Gedächtnisleistung der Menschen versagte, wurden "Aufzeichnungen" angefertigt. Sowohl die ägyptischen Hieroglyphen (griech. Von hieros = heilig, glyphein = eingravieren) als auch die etwas ältere sumerische Keilschrift waren ursprünglich Bilderschriften. Die Bildsymbole wurden mit der Zeit immer mehr vereinfacht, bis sie in Mesopotamien in Zeichen aufgelöst wurden, die mit einem dreieckigen Griffel in den weichen Ton eingedrückt wurden. Diese Schrift wurde von vielen Völkern des Vorderen Orients übernommen. Keilschrift und Hieroglyphen waren keine Lautschriften. Sie kannten Bildzeichen (Ideogramme), Lautzeichen (Phonogramme) für Konsonanten und Deutzeichen (diese wurden nicht gelesen, sie dienten nur zur Verdeutlichung). Aus vereinfachten ägyptischen Hieroglyphen entwickelte sich im 12.Jahrhundert v. Chr. das phönikische Alphabet, dem die Griechen Vokalzeichen hinzufügten (unser Alphabet).
Abbildungen: Warenliste aus Uruk (3300 v.Chr.): Diese Tontafel gehört zu den ältesten, die bisher gefunden wurden. Die verzeichneten Gegenstände sind noch bildlich dargestellt. Man kann ein Gefäß erkennen, daneben befinden sich Zahlzeichen.
Altbabylonische "Verwaltungsurkunde" (1900 v.Chr.): Auf dieser Tafel sind Grundstücke verzeichnet und dazu die Namen der Personen, denen sie zur Nutzung zugewiesen wurden. Auch die Größe der Parzellen ist genau vermerkt.
Verkaufvertrag für eine Sklavin, Nimrud (650 v.Chr.): Nergal - li'u verkauft dem Izbu eine Sklavin um eine halbe Mine Silber (rund 250g). In dieser Zeit bezahlte man für einen Sklaven bis zu eineinhalb Minen. Für den Fall eines Vertragsbruches war eine hohe Buße vorgesehen. Zehn Zeugen unterschrieben den Vertrag.

Ein babylonischer Spruch lautet: "Schreiben ist die Mutter der Beredsamkeit und der Vater der Künste." Am Anfang aber diente die Schrift den praktischen Aufgaben der Tempelwirtschaft und der Verwaltung. Schreiber arbeiteten als Buchhalter und Sekretäre der Tempel, sie fertigten Abgabenlisten, Güterverzeichnisse, Kauf -, Tausch - und Adoptionsverträge an. Es gab aber auch "Hofschriftsteller", die die Taten ihrer Herren aufzeichneten. Priester schrieben Gebete, Hymnen, Epen und Orakelsprüche nieder. Gedichte und Erzählungen wurden ebenfalls schriftlich festgehalten.
Da man mit der reinen Bilderschrift nur darstellen konnte, was man zeichnerisch wiedergeben konnte, jedoch nicht abstrakte Begriffe, Eigennamen und komplizierte Ereignisse, konnte sie schon bald ihren Zweck nicht mehr Erfüllen. Man half sich zunächst dadurch, dass man Zeichen kombinierte. (Das Zeichen für Mund konnte auch sprechen oder Wort bedeuten, Kopf und Brot bedeutete essen, Haus und Füße herausgehen usw.) Der entscheidende Schritt in der Entwicklung der Schrift war jedoch der von den Wortzeichen (von denen es tausende gab) zu den Silbenzeichen. Die Ägypter verwendeten schließlich 24 Hieroglyphen für Konsonaten, andere für ganze Gruppen von Konsonaten. Diese waren jedoch nicht eindeutig, sie konnten verschieden gelesen werden, deshalb wurden zusätzlich Deutzeichen angefügt. Großen Wert legte man auf ein harmonisches und gleichmäßiges Schriftbild. Die Hieroglyphen eigneten sich gut für Inschriften auf Stein. Auf Papyrus mit der Rohrfeder geschrieben, nahmen sie eine flüssigere und vereinfachte Form an, es entstand die hieratische Schrift (hieros = heilig, Schrift der Priesterschaft) und die demotische Schrift (demos = Volk), also die "Volksschrift".
Die "Erfindung" der Buchstabenschrift wurde vielleicht an mehreren Orten zugleich gemacht. Semitische Arbeiter in den Kupferbergwerken der Sinaihalbinsel gestalteten die ihnen bekannten Hieroglyphen um. Sie machten aus dem Rinderkopf ein A (Aleph = Rind), aus dem Hauszeichen ein B (Bet = Haus), aus einer Wellenlinie ein M (Mim = Wasser) usw. Mit Hilfe dieser Konsonatenzeichen ließ sich jedes Wort schreiben. Im 12. Jahrhundert v. Chr. entwickelten die Phönizier dann ihr "Alphabet", das die Griechen übernahmen.
Abbildung: Die Entzifferung der Hieroglyphen: Der Stein von Rossette wurde 1799 von französischen Soldaten während des ägyptischen Feldzuges Napoleons gefunden. Seine besondere Bedeutung liegt darin, dass der Text auch in griechischer und demotischer Schrift eingemeißelt ist. Dem Franzosen Jean Francois Champollion gelang die Entzifferung des Textes mit Hilfe des Königsnamens Ptolemäus, der im Hieroglyphentext von einer "Königskartusche" umgeben ist.
Die Schreibschulen Mesopotamiens hinterließen zahlreiche Tontafeln mit Übersetzungstexten von Schülern:
"Der Lehrer im Sumerischen sagte: 'Warum sprichst du nicht sumerisch?' Er schlug mich. 'Deine Handschrift ist schlecht.' Er schlug mich. Ich begann die Schreibkunst zu hassen."
"Über einen Lehrer: Er führte meine Hand auf dem Ton, zeigte mir, wie man sich gut benimmt, öffnete mir den Mund mit Worten, erteilte gute Ratschläge, richtete meine Augen auf die Regeln, die einen Mann mit Erfolg leiten."
"Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn: 'Wo warst du?' 'Ich war nirgends.' 'Wenn du nirgends warst, warum faulenzt du herum? Geh in die Schule...Steh nicht auf dem Markt umher und streich nicht durch die Gassen....'"

Kalender, Zeitrechnung und historisches Bewusstsein

Zu den größten Leistungen der alten Hochkulturen gehörte die Erstellung eines genauen Kalenders, der auf Beobachtung der Gestirne basierte.
Das alljährliche Einsetzen der Nilflut war für die Ägypter ein wichtiges Ereignis, das auch religiöse Bedeutung hatte. Es bestand das Bedürfnis, den Tag an dem das Nilwasser zu steigen begann, möglichst genau festzulegen. Die Ägypter hatten beobachtet, dass das erste jährliche Sichtbarwerden des Siriussternes mit dem Beginn der Nilüberschwemmung zusammenfiel. Danach berechneten sie das Jahr mit 365 Tagen. Dieser Kalender wurde wahrscheinlich schon 4241 v. Chr. Eingeführt. Er setzte eine genaue Beobachtung des Sternenhimmels voraus. Die Ägypter teilten das Jahr in 3 Jahreszeiten (Überschwemmung, Aussaat, Ernte) mit je 4 Monaten zu 30 Tagen sowie 5 Zusatztagen ein.
Die Zeitmessung und Zeitrechnung ist eine Voraussetzung der zeitlichen Fixierung wichtiger Ereignisse, also der Geschichtsschreibung. Die Ägypter sahen ihre eigene Zivilisation ohne Beginn und ohne Ende. Für sie war das Leben ein ständiger Zyklus von wiederkehrenden Ereignissen. Jeder Herrscher war von Gott zur Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung eingesetzt. In der Geschichte sah man also nicht das Wirken frei handelnder Menschen. Die Pharaonen ließen zwar in Inschriften von Tempelbauten, Schenkungen, von großen Festen und Feldzügen berichten, aber diese wurden oft als Befehl eines Gottes dargestellt. Ereignisse, die gegen die Ordnung verstießen, wie etwa Aufstände oder die Ermordung eine Königs, hatten in dieser "Geschichtsscheibung" keinen Platz.





Die Anfänge der Wissenschaft

Arithmetik und Geometrie machten im Dienste der Wissenschaft und der Feldvermessung große Fortschritte. Auch die Medizin war sowohl in Ägypten wie in Mesopotamien hoch entwickelt.
Wissenschaft setzt eine bestimmte Höhe der Zivilisation, ein Mindestmaß an politischer und gesellschaftlicher Ordnung und schließt die Freiheit vom Zwang der täglichen Ernährungs - und Existenzsorgen voraus. Natürlich kannten die alten Hochkulturen keine Wissenschaft im moderenen Sinn, daher gab es keine Forschung um der reinen Erkenntnis willen. Die Errungenschaften der Ägypter, Babylonier, Inder und Chinesen in der Mathematik, der Feldvermessung, der Metallurgie, der Medizin und der Astronomie erwuchsen aus praktischen Aufgaben und religiösen Bedürfnissen. Nach der Meinung der Ägypter sind Vernunft, Einsicht, Erfahrung, der Glaube an die Erziehbarkeit des Menschen Bestandteile der göttlichen Weltordnung.
Zählen, Messen, Wägen, Rechnen sind unverzichtbare Fertigkeiten jedes Wirtschaftssystems, jeder Verwaltung. Manche Völker kannten nur die Zahlenbegriffe 1 und 2, höhere Zahlen wurden entweder daraus kombiniert oder mit "sehr viele" umschrieben. Das ägyptische Zahlensystem war zum Rechnen nicht besonders gut geeignet. 10 war die Grundzahl, für 100, 1000 usw. gab es eigene Zeichen (wie auch im römischen Zahlensystem). Das Berechnen von Bruchzahlen war schon eine komplizierte Aufgabe. Die Babylonier hatten ein Sexagesimalsystem, d.h. ihre Grundzahl war die 60. Zahlen wurden in einem Stellensystem angeschrieben. Sie konnten damit sogar schon quadratische Gleichungen lösen. Die Geometrie war im Dienste der Landvermessung bereits hoch entwickelt.
Zwischen Astronomie und Astrologie gab es keine Grenzen. Da man glaubte, irdische Vorgänge würden von himmlischen Erscheinungen beeinflusst oder vorherbestimmt, war die Beobachtung der Gestirne besonders wichtig. Sonnen - und Mondfinsternisse konnten infolge jahrhundertelanger Beobachtungen berechnet und vorhergesagt werden.
Die Medizin Babyloniens bediente sich magischer Prktiken (Beschwörung, psychologische Beeinflussung der Kranken), aber auch komplizierte Operationen wurden bereits durchgeführt. Die Ägypter hatten eine umfangreiche medizinische Literatur. Krankheitssymptome wurden gesammelt und aufgeschrieben, davon die Art der Krankheit abgeleitet und eine bestimmte Behandlung empfohlen. Anscheinend gab es unter den Ärzten schon Spezialisten. In der Zahnbehandlung etwa waren die Plombe und die Brücke bekannt. Das Wissen um den Aufbau des Körpers und dessen Funktionsweise waren hingegen eher dürftig.
Aus einer medizinischen Schrift der Ägypter:
"Wenn du einen Mann mit einer Wunde an der Schläfe in Behandlung nimmst - jene Wunde klafft nicht, aber sie geht bis auf den Knochen -, dann sollst du seine Wunde untersuchen. Findest du sein Schläfenbein unverletzt, dann sollst du dazu sagen: 'Er hat eine Wunde an der Schläfe; ein Leid, das ich behandle.' Verbinde ihn am ersten Tag mit frischem Fleisch, nachher behandle ihn täglich mit Salben und Honig bis er gesundet."

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