Phonetische Beschreibung der Stimmqualität

 
    Stimmqualität Funktion der Stimmqualität Beschreibung der Stimmqualität Phonetische Beschreibung der Stimmqualität

Stimmqualität
Der Begriff der ' Stimmqualität ' ist nach J. Laver weitumfassend zu charakterisieren. Laryngale und supralaryngale Merkmale wirken bei der Gestaltung der Stimmqualität mit. Hierbei bezieht sich Laver auf Abercrombies Begriff von Stimmqualität, der alle charakteristischen Eigenschaften, die eine Person während des Sprechaktes mehr oder weniger präsentiert, als eine 'quasi - andauernde' Qualität umfaßt.
Funktion der Stimmqualität
Dem Hörer werden Informationen über physikalische, psychologische und soziale Merkmale eines Sprechers geliefert, außerdem kann die Stimmqualität als bedeutungsdifferenzierende Funktion eingesetzt werden.
Beschreibung der Stimmqualität
Nach Laver reicht die häufig zu findende Unterscheidung von 'Kopf - ' und 'Bruststimme' nicht aus, um eine adäquate Beschreibung der Stimmqualität zu gewährleisten. Eine einheitliche Definition dieser Termini ist nicht gegeben. Es gibt deren so viele, wie es Autoren bezüglich dieses Themas gibt. Bei der Beschreibung der unterschiedlichen Qualitäten liegt Lavers Augenmerk vor allem auf der ' Einstellung ' (setting), dieser Begriff bezieht sich auch auf die Phonation. Dabei spielen laryngale Muskelspannungen eine wichtige Rolle, d. h., verschiedenartig ausgeführte Muskelspannungen / - anordnungen innerhalb des Kehlkopfes bewirken eine Veränderung der Stimmqualität. An diesem Punkt unterscheidet Laver drei Parameter von Muskelspannung bei ' phonatorischen Einstellungen '
1.) Adductive tension (AT)
Dies ist die zusammenziehende Spannung des Stellknorpelmuskels, der zwischen den Stellknorpeln liegt. Dabei wird der knorpelige Teil der Stimmbänder zusammengezogen.
2.) Longitudinal tension (LT)
Hiermit ist die Längsspannung gemeint, die durch das Zusammenziehen des ' vocalis ' Muskels und /oder des Ringknorpelmuskels erreicht wird.
3.) Medial compression (MC)
Die mittlere Verdichtung ist der komprimierende Druck während der Lauterzeugung, hervorgerufen durch das Zusammenziehen der seitlichen Ringknorpelmuskel. Durch den komprimierenden Druck werden die Stimmbänder geschlossen.


1: Schildknorpel, 2: Ringknorpel, 3: Stellknorpel; nach Laver, S. 109
Diese Muskelspannungen wirken mit aerodynamischen Faktoren von pulmonalem Luftstrom und - druck aufeinander, sie interagieren also. Ausgehend von diesem Schema werden die 'phonatorischen Einstellungen' in ihren Erscheinungsformen beschrieben.
Phonetische Beschreibung der Stimmqualität
Bezüglich der auditiven Wahrnehmung legt Laver vier Phonationstypen von Stimmqualität und zwei phonatorische Modifikationen der ' modalen ' Stimmqualität fest. Das Attribut ' modal ' wird für den normalen Gebrauch der Grundfrequenz beim Sprechen und Singen eingesetzt.
1.) Modale Stimme (modal voice)
Die modale Stimmqualität zeichnet sich durch periodische Schwingungen der Stimmbänder ohne hörbare Reibungsgeräusche aus. Bei der Produktion diese Phonationstypes liegen für alle drei Parameter von Muskelspannung (AT, LT, MC) mäßige Werte vor.
2.) Falsett (falsetto voice)
Auch das Falsett weist periodische Stimmbandschwingungen auf, jedoch sind leichte Reibungsgeräusche zu hören. Diese Stimmqualität klingt sehr ' hoch ', verantwortlich dafür ist die potentielle Überschreitung des modalen Grundfrequenzbereiches. Im Gegensatz zur modalen Stimme sind die Muskelspannungen ( AT, LT, MC ) stark, weisen also hohe Meßwerte auf.
3.) Flüstern/Flüsterstimme (whisper/whispery voice)
Beim Flüstern resultiert die Anregung des Ansatzrohres aus dem Friktionsgeräusch, dies resultiert aus der sehr niedrigen adduktiven Spannung (AT), welche die Stellknorpel offen lässt (Flüsterdreieck). Der pulmonale Luftstrom entweicht durch dieses Flüsterdreieck, wobei ein Friktionsgeräusch erzeugt wird. Währendessen hält die MC die Stimmbänder geschlossen. Bei der Flüsterstimme ist die mittlere Verdichtung (MC) in ihrem Wert vergleichsweise niedrig, so dass die Stimmbänder 'gesprengt' werden können und stimmhafte Laute mit hohem Geräuschanteil entstehen.
4.) Knarren/knarrende Stimme (creak/creaky voice)
Wie auch das Falsett liegt das Knarren nicht im Bereich des modalen Grundfrequenzgebrauchs, die Werte von F0 liegen (weit) darunter. Dieses Merkmal unterscheidet das Knarren auch vornehmlich von der rauhen Stimme, der es ansonsten ähnlich ist. Der auditive Eindruck des Knarrens ist eine Reihe von Anschlägen, so als lasse man einen Stock an einem Geländer schleifen. Während der Phonation sind AT und MC sehr hoch, die Längsspannung jedoch gering, so dass die Stimmbänder ziemlich dick und kompakt bleiben und somit nur sehr schwer in Schwingungen zu versetzen sind. Die ' falschen ' Stimmbänder (Taschenfalten) können herangezogen werden um die ' echten ' zu unterstützen ( typisches Merkmal der Stimme Louis Armstrongs ).
5.) Behauchte Stimme (breathy voice)
Modifikation der modalen Stimme. Die behauchte Stimme klingt ruhig und sanft, es treten leichte Reibungsgeräusche auf. Die Stimmbandschwingungen sind sehr schwach. Zurückzuführen ist dies auf eine schwache Muskelspannung. Die Glottis wird dabei fast vollständig offen gelassen, das führt zu einem unökonomischen Luftver - und - gebrauch. Allein die Längsspannung (LT) übernimmt größere Funktion, um Grundfrequenzvariationen im Hinblick auf die Intonation, zu produzieren. Trotzdem ist auch diese Spannung eher schwach.
6.) Rauhe Stimme (harsh voice)
Die Stimmbandschwingungen dieser Stimmqualität sind aperiodisch und es sind starke Friktionsgeräusche zu hören. Laver bezeichnet die rauhe Stimme als eine Modifikation der modalen Stimme (die Grundfrequenz entspricht dem modale Gebrauch), mit extrem hohen Werten bei mittlerer Verdichtung (MC) und zusammenziehender Spannung (AT).
Die oben erwähnten Phonationstypen und Modifikationen können noch bestimmten Kategorien zugewiesen werden, dabei helfen folgende Fragestellungen:
1.) Kann der Phonationstyp alleine, als einfacher Typ, vorkommen?
und
2.) Kann der Phonationstyp in Kombination mit anderen Typen vorkommen?
Trifft dies zu, mit welchen?
Davon ausgehend lassen sich drei Kategorien festlegen:
    Die erste Kategorie setzt sich aus modaler Stimme und dem Falsett zusammen. Beide können alleine, als einfacher Typ, vorkommen und sie können individuell mit Typen anderer Kategorien kombinieren. Es ist ihnen jedoch nicht möglich untereinander zu kombinieren. Die Stimmqualitäten Flüstern und Knarren bilden die zweite Kategorie und können sowohl alleine, als auch in Kombination untereinander und mit Teilnehmern der ersten Kategorie vorkommen. Die dritte und letzte Kategorie beinhaltet die Modifikationen der modalen Stimme, also die rauhe und die behauchte Stimme.Diese können nur in Kombination mit Typen der ersten Kategorie vorkommen. Mit den Teilnehmern der zweiten Kategorie können sie nur kombinieren, wenn sie gleichzeitig mit der modalen Stimme, oder dem Falsett eine Kombination eingehen.

Literatur:
Laver, J., The phonetic description of voice quality, Cambridge University Press, 1980

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