Schule im Geist des Nationalsozialismus
7.7.1933: "Der Hitlergruß wird angewandt beim Beginn und am Schluß des Unterrichts, ebenso außerhalb der Schule.
Auch die Lehrer wenden in - und außerhalb der Schule den Gruß an."
7.9.1933: "Der Hitlergruß soll auch Fremden, die die Klasse betreten, erwiesen werden. Die Klasse hat zuerst zu grüßen."
8.12.1933: "Es wird erneut darauf hingewiesen, dass der deutsche Gruß von den Schülern
straff ausgeführt wird."
Der Hitlergruß verfolgte die Schüler und Lehrer überall hin, wie man anhand der Protokolle erkennen kann. Durch das gemeinsame Ausführen des "Grußes" wurde nicht nur die "Ehrerbietung gegenüber Hitler" gezeigt, sondern auch das gestärkt, was die Nationalsozialisten als höchstes Gut ansahen: die Gemeinsamkeit und die Gemeinschaft.
"Du bist nichts, Dein Volk ist alles"
wurde zum wichtigsten Grundsatz nationalsozialistischer Erziehung. In der Schule sollte nicht mehr das Ziel des "Intellektualismus" verfolgt werden, sondern vielmehr Hitlers "Erziehungsideal" der körperlichen Tüchtigkeit und kämpferischer Gesinnung. Das wichtigste was die Schule zu leisten habe, sei das "Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens - und Entschlußkraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortlichkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung." (Hitler)
"Die Zeit, in der die Ausbildung der selbstherrlichen Einzelpersönlichkeit als die wesentliche Aufgabe der Schule angesehen wurde, ist vorbei." (Reichsinnenminister Dr. Frick am 9.5.1933 auf einer Konferenz der Kultusminister). Der Individualismus der Schüler musste Hitlers Gruppenideal des "Körperkultes" weichen. Die Schule wurde wichtiges, richtungsweisendes Instrument der Nazis, denn hier wurde der Fortbestand der "Nazi - Ideologie" gesichert.
Sämtliche Fächer sollten in ihren Inhalten politisch instrumentalisiert werden. Damit waren nicht nur "deutschkundlichen" Fächern wie Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Musik und Kunst gemeint, sondern auch in den naturwissenschaftlichen Bereichen wie Biologie und Mathematik sollten fortan auch politische Aspekte eingeführt wurden.
Im Bereich Deutsch war das natürlich sehr ausgeprägt. Zwar wurden zuerst keine neuen Bücher und Lehrmaterialien angeschafft, aber die Fibeln der Grundschüler wurden neu gestaltet und so zogen "Führerkult", "Militarismus" und "geschlechtsspezifische Rollenklischees" in die Köpfe der ABC - Schützen ein.
Anstatt von Übungen zu Eigenschaftswörtern wie: "Das grüne Gras. Der blaue Himmel. Der große Hund. Die warme Katze. Das nette Kind. ..." lernten sie nun Folgendes: "Das unbesiegbare Heer. Der mannhafte Widerstand. Der ehrenhafte Tod. Die arische Rasse. Der kameradschaftliche Offizier. Das lustige Bunkerleben." Bereits in so früher Kindheit wurden den Schülern Vorstellungen eingeimpft, die ihnen eine heile Welt innerhalb des Krieges vorgaukeln sollten. In diesen grammatikalischen Übungen wurde auf das Wert gelegt, was das "Reich" von seinen Jugendlichen forderte und erwartete. Tapferkeit, Unbeirrbarkeit, Mannhaftigkeit. Doch nicht nur bei Grammatikübungen wurde die "neue" Ideologie verbreitet. Im Deutschunterricht wurde aus Hitlers "Mein Kampf" vorgelesen. Im zweiten Kapitel wird darin die "Judenfrage" erläutert. "Gab es denn da einen Unrat, eine Schamlosigkeit in irgendeiner Form, vor allem des kulturellen Lebens, an der nicht wenigstens ein Jude beteiligt gewesen wäre? Sowie man nur vorsichtig in eine solche Geschwulst hineinschnitt, fand man, wie die Made im faulenden Leibe, oft ganz geblendet vom plötzlichen Lichte, ein Jüdlein." Der Haß gegen die Juden wurde so auf eine Weise gestärkt, dass es schwer wurde, sich dagegen aufzulehnen. Selbst wenn die Lehrer sich gegen das Vorlesen aus diesem Buch geweigert hätten, wären sie nicht lange damit durchgekommen. Es war ein Gebot des Schulleiters, diese Stelle aus eben diesem Buch in der Klasse lesen zu lassen, um so durch die "Erörterung der Judenfrage der nationalsozialistischen Erziehung der SchülerInnen zu dienen."( Zitat einer Lehrerin, die diese Stelle lesen ließ) Die damit verbunden Probleme für jüdische Schüler wurden zwar anfangs noch erwähnt, aber natürlich nicht weiter zur Kenntnis genommen, schließlich waren sie ja der "Grund allen Übels".
Das diese Art des Unterrichts Früchte trug lässt sich an einer Abiturklausur eines jungen Mannes zeigen: Im Abitur sollte er sich zu der Frage "Was bedeutet der Name Versailles für Bismarcks, was für Hitlers Wirken?" äußern. So finden sich in seinem Text unter anderem diese Abschnitte: ..."Das Wort Versailles senkt einen abgrundtiefen Haß in die Seele deutscher Menschen, in ihnen wächst der Wille zum Widerstand gegen Versailles. Sie wollen das deutsche Volk von dieser Fessel befreien, allen voran der Gefreite des Weltkrieges, Adolf Hitler. (...) Deshalb kämpft Adolf Hitler zunächst für die Wiedergeburt des deutschen Volkes. Es ist ein mühsamer Weg, den er mit seinen Getreuen geht, durch Schmerz und Entbehrung, durch Schande und Verrat, Not und Tod, bis am 30. Januar 1933 das Reich neu ersteht. In zähem Ringen stellt er Ehre, Ansehen, Freiheit uns Stärke des Reiches nun auch nach außen wieder her, Zug um Zug fallen die Fesseln von Versailles, so dass Adolf Hitler am 30.Januar 1937 dem deutschen Volk verkünden kann: Die Schande des Versailler Vertrages ist ausgelöscht. (...) Die letzt Vergewaltigung durch Versailles ist gefallen. Ein Reich - Ein Volk - Ein Führer!"...Das nationalsozialistische Gedankengut ist eindeutig zu erkennen.
Das bildliche Schreiben des Schülers und die befehlshaft anmutenden Sätze lassen auf tiefe Überzeugung des Schülers schließen. Auch die Führerfigur Hitlers hebt er immer wieder empor, indem er ihn Leiden ertragen und besiegen lässt. Im Endeffekt wurde diese fatale Überzeugung vom Lehrer mit einem "gut" "gewürdigt", die Begründung: "In gewandter Darstellung und zielsicherer Gedankenführung hat der Verfasser das Thema behandelt."
Fazit: Der Deutschunterricht wurde dazu genutzt, das ideologische Gedankengut auf die Schüler zu übertragen und sie auf ihre zukünftige Rolle als "Kämpfer für Deutschland", bzw. "Frau und Mutter" einzuschwören. Dabei spielte die Sprache eine große Rolle, da durch sie die "wichtigen" Begriffe wie "Rasse", "Führerkult"...verdeutlicht werden konnten. Außerdem beschäftigten sich die Schüler dadurch bereits in ihrer frühen Kindheit mit den "Idealen" Hitlers.
Quellen: Wochenschau, 46. Jahrgang, Nr.2, 1995
Leben im Dritten Reich
Geschichte lernen, Heft 24, November 1991
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