Methodisches Vorgehen in der Heimerziehung
Thema : Methodisches Vorgehen in der Heimerziehung
1. Ausgangslage - Planmäßiges Handeln
Ausgangslage
Durch das breite Spektrum der auftretenden Schwierigkeiten, Störungen, Auffälligkeiten und Abweichungen der in den Heimen lebenden Kindern und Jugendlichen ergibt sich natürlich auch ein großes Gebiet an unterschiedlichsten Therapieformen.
Je nach Spezialisierung und Schwerpunkt einer Institution stehen den Einrichtungen spezielle TherapeutInnen, PsychologInnen, HeilpädagogInnen zur Verfügung. Sie haben die Möglichkeit therapeutische bzw. pädagogische Angebote, wie Kinderspieltherapie, Sprachheilpädagogik und Verhaltenspädagogik in diesen Einrichtungen vorzunehmen.
Ist dies in einer Wohngruppe oder einem Heim nicht durchführbar, gibt es die Alternative in anderen Institutionen und freien Praxen eine ambulante Therapie stattfinden zu lassen.
Da diese speziellen Therapieangebote innerhalb der Woche nur stundenweise stattfinden, ist deutlich erkennbar, dass die Erziehung innerhalb der Gruppe eine wichtige Rolle im Leben des jungen Menschen einnehmen muss. Die Gruppe ist sein Lebensmittelpunkt.
Planmäßiges Handeln
Die pädagogischen Grundhaltungen der ErzieherInnen bilden gemeinsam mit dem Rollenverständnis und der beruflichen Identität die Basis für eine effektive pädagogische
Arbeit. Doch zu dieser Basis ist es wichtig konkrete Handlungsschritte hinzuzufügen, die natürlich vorher sorgfältig geplant werden sollten. Nicht nur das Erkennen von notwendigen Vorgehensweisen ist zu beachten, Wege und Möglichkeiten müssen gefunden werden, die anvisierten Ziele auch konkret umzusetzen.
Die erziehungsplanerische Arbeit wird mit Hilfe von Erkenntnissen aus der Pädagogik, Psychologie, der Heilpädagogik und anderen Sozialwissenschaften in methodische Schritte unterteilt. Da die Umsetzung ansonsten aber immer noch als sehr schwierig beschrieben wird, muss die Phase der Realisierung genau dargestellt werden.
Spontanes erzieherisches Verhalten ist zwar notwendig, doch nicht immer ist das Resultat des spontanen Verhalten günstig. Deshalb ist es wichtig die ErzieherInnen mit einem großen Maß an pädagogisch - methodischer Denkweise auszustatten.
Das professionelle Handeln wird nach Weinschenk,R.( 1981 S.171 ) in Zielgerichtetheit, Planmäßigkeit und Folgerichtigkeit und der spezifischen Handlungsstruktur eingeteilt.
Dabei ist immer von Bedeutung, wie man zu den Erziehungszielen gelangt und dass diese Ziele individuell auf die Bedürfnisse und die Ausgangslagen der Kinder und Jugendlichen eingehen müssen. Daher sind sie sinnvollerweise als offen und veränderbar anzusehen.
Die Erziehungsziele und ihre Anwendung auf die Betreffenden ist abhängig vom Charakter, den Bedürfnissen, den Verhaltensweisen und Reaktionen der Kinder.
2. Notwendigkeit von Teamarbeit
Wie das Beispiel des zehnjährigen Rudi ( S.119 ) verdeutlicht, ist es wichtig, dass eine funktionierende Kommunikation innerhalb des Teams stattfindet. Und dies ist nur durch gute, klare Absprachen möglich.
Die Wichtigkeit von Teamarbeit anzuerkennen, ist die eine Seite, doch auch wirklich fähig zur gemeinschaftlichen Arbeit zu sein, die andere.
Die Fähigkeit zur richtigen Teamarbeit wird erst durch einen Lernprozess erworben, der die erschwerenden Faktoren offen darlegt und somit das Kennenlernen der einzuhaltenden Regeln ermöglicht.
Sicherlich gibt es in jedem Team Probleme, doch ist sich vor Augen zu führen, dass man von den Jugendlichen Kooperation verlangt und selbst als Mitglied des Teams seine eigene Vorstellungen durchbringen will. Unruhe, Zwistigkeiten können sich sehr schnell auf die primär gar nicht betroffenen Kinder auswirken und somit für Irritationen und möglicherweise Rückschritte sorgen.
Teamarbeit entwickelt sich aber erst im Laufe der Zeit, die notwendigen Qualifikationen müssen erst erworben werden.
Desweiteren ist es wichtig sich untereinander besser kennenzulernen, alle beteiligten ausreichend zu informieren, aber auch die genaue Abstimmung untereinander und das gemeinsame Verfolgen von Zielen, sind Punkte, die zu einer verbesserten Teamarbeit führen. Dabei sind natürlich Faktoren, wie die Zuverlässigkeit der MitarbeiterInnen, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Verantwortungsübernahme einflußnehmen - de Aspekte.
Um eine effektive Teamarbeit leisten zu können, sind Teamgespräche und Teamsitzungen dringend notwendig. Sie sollten mindestens einmal pro Woche stattfinden und zwischen 2 bis 3 Stunden sollten sie mindestens dauern. Der Ablauf sollte ungestört vonstatten gehen. Ein weiterer Punkt ist, dass auf der einen Seite Offenheit und Transparenz gezeigt werden sollte, ohne dabei das Recht der Kinder auf Vertraulichkeit und Intimsphäre zu verletzen.
3. Situationsanalyse 1. - 3. Grad Strategien
Um das Funktionieren eines Heimes unter dem Gesichtspunkt der Zielsetzung zu ermöglichen bzw. zu analysieren wurden drei Strategiebereiche ( Kok,J.F.W. 1980 )aufgestellt :
1. - Grad - Strategien
Vordergründig geht es hier um Organisationsstrukturen, Rahmenbedingungen und vorhandene Rahmenkonzeptionen. Als Beispiele sind die Größe und Zusammensetzung der Gruppe, die räumliche Ausgestaltung, aber auch die Dienstzeiten der MitarbeiterInnen zu nennen.
2. - Grad - Strategien
Die Anwendung von pädagogischen,heilpädagogischen und therapeutischen Interventionen, wie z.B. Besuch von Sprachtherapie,Bewegungstherapie und Spieltherapie
( außerhalb der Gruppe ) oder auch gemeinsames Kochen und hauswirtschaftliche Tätigkeiten ( innerhalb der Gruppe )zwecks Erlernen von Fähigkeiten, die der Verselbständigung dienen, sind Hauptbestandteile der 2. - Grad - Strategien.
3. - Grad - Strategien
Die genaue Abstimmung, der oben aufgeführten Interventionsweisen wird an den Eigenarten, den Voraussetzungen des Kindes und den Bedürfnislagen orientierend vorgenommen.
Um überhaupt methodische und zielorientierte Interventionen im angemessenem Maße einsetzen zu können sind Erziehungspläne notwendig. In ihnen müssen Erziehungziele deutlich ablesbar bzw. ableitbar sein, damit eine handlungsorientierte pädagogische Umsetzung erfolgen kann.
Zur besseren Anschaulichkeit sind die einzelnen Phasen der Erziehungsplanung und deren Durchführung in folgende Bereiche eingeteilt :
- Situationsanalyse des Kindes
- Interpretation der Analyse
- Ableitung von Erziehungszielen und - aufgaben
- konkrete pädagogische Umsetzung
- Bestätigung und/oder Veränderung des Erziehungsplanes nach einem gewissen Zeit -
abstand
4. Situationsanalyse Kind
Die allumfassende Sammlung von Daten, Fakten, Lebensumständen, Vorinformationen und Eindrücken und die damit verbundene Darstellung seiner Gesamtpersönlichkeit, die sogenannte Ist - Analyse, sind die wichtigsten Gesichtspunkte der Situationsanalyse.
Zum einen wird allein durch das stetige Sammeln von Informationen schon das verständliche bzw. unverständliche Verhalten des Kindes sichtbar und zum anderen dient sie dem erzieherischen Verständnis der beobachteten Erscheinungs - und Verhaltensweisen. Jedoch sollte sie mit neutralen oder positiven Bestrebungen verfasst sein, um dem Kind gerecht zu werden und nicht einer negative Festschreibung dienen.
In der Situationsanalyse wird der Ist - Zustand des Kindes beschrieben in dem der bisherige Entwicklungsverlauf, die intellektuelle Leistungsfähigkeit, der körperliche Bereich, die Beziehung des Kindes zu seinen Eltern und die Stellung des Kindes innerhalb der Gruppe unter anderem beschrieben wird.
Um die Anamnese zu erstellen, sollte sich auf die vorliegenden Berichte bezogen werden ( Einweisungsunterlagen, Unterlagen der Jugendhilfeplanung ).
Da frühere Beobachtungen subjektiv gefärbt sein könnten, also negative Merkmale hervorgehoben und betont sein könnten, ist es wichtig sich dies bewußt zu machen, da eine Negativfestschreibung, eine sogenannte "self fullfilling - prophecy"(Rosenthal - Effekt) dies zur Folge haben könnte.
Die Beobachtung des Kindes im Alltag, in besonderen Situationen, ob allein oder in Gruppenbeziehungen, sollte zum Hauptgegenstand der Ist - Analyse gemacht werden, um die weitere Erziehungsplanung positiv gestalten zu können.
Einer objektiveren Betrachtung dient die Diskussion der Situationsanlalyse innerhalb des Teams. Anhand der Interpretation der gesammelten gemeinsamen Gesichtspunkte und abweichenden Stellungnahmen lassen sich die daraus zu folgernden Aufgabenbereiche
ableiten.
5. Interpretation der Analyse
Bevor jedoch weitere Schritte eingeleitet werden, müssen die Aussagen der Analyse gründlich interpretiert werden.
Fragen wie "Mit welchen persönlichen Gefühlen beurteile ich Abweichungen und Auffälligkeiten im Verhalten des Kindes ?" sollen emphatisch wirken, um so die Begleitumstände zu klären, warum gerade jetzt, diese Verhaltensweisen auftreten oder auch um die in diesem Zusammenhang auffallenden Diskrepanzen tiefgründig zu beleuchten.
Besteht die Gefahr einer Negativüberflutung, wenn sich zum Beispiel das Kind stark abweichend negativ verhält, sollte ein Mitglied des Teams nur die positiven Beobachtungen aufzählen, um so eine objektivere Betrachtungsweise herbeizuführen.
Die Ergebnisse der Situationsanalyse sind nach der erfolgten Interpretation der Analyse
schriftlich in einem Ergebnissprotokoll festzuhalten.
6. Ableitung von Erziehungszielen und - aufgaben
Auf der Grundlage der Situationsanalyse sollten die ErzieherInnen nur Orientierungspunkte anhand der gegebenen Wert - und Normvorstellungen entwickeln, um nicht zu weitreichende, zu globale Ziele zu setzen, die fern der praktischen Umsetzung sind oder sogar dem Erziehungsziel selbst gar nicht entsprechen. Deshalb sollten Bezugspunkte, die der Festsetzung von Erziehungszielen dienen, im Individuum begründet sein. Außerdem soll der Zuerziehende die Möglichkeit haben, sich selbst Ziele zu setzen.
Die Aufgabe der ErzieherInnen ist es diese individuellen Ansatzpunkte zu erkennen.
Ein weiteres Beispiel für eine heilpädagogisch orientierte Erziehungsauffassung ist, dass man nicht an der Beseitigung der negativen Verhaltensweisen ansetzt, sondern dass man die Erziehungsziele so bestimmt, dass das Fehlen einer richtigen Verhaltensweise zu beheben ist.
Um positiv belebende und nicht hemmende Elemente in die Beziehung zwischen Erzieher und Zuerziehendem einzubringen ist es wichtig, das Kind als Persönlichkeit wahrzunehmen und die Umgebung im täglichen Ablauf zu überprüfen und gegebenenfalls Veränderungen vorzunehmen, die sich positiv auswirken.
Bei der Formulierung von Erziehungszielen ist es notwendig, sie von ihrem Charakter her offen zu gestalten, um so auch ein belastendes, vielleicht sich negativ auf die Einstellung des Kindes auswirkendes Element, zu beseitigen. Wichtig ist nicht ein ganz präzis festgelegtes Ziel zu erreichen, sondern einzelne Schritte zu machen, um so dem Ziel näher zu kommen. Werden weniger offene Erziehungsziele nicht erreicht, könnte sich beim Zuerziehenden eine Barriere aufbauen, die lernen unmöglich macht, da ein zu großer Druck vorhanden ist. ErzieherInnen könnten resignieren, da die Ziele zu hochgesteckt formuliert wurden.
Um dem Kind zu helfen Qualifikationen zu erwerben, die es ihm ermöglichen in schwierigen Situationen zurechtzukommen und ihm so bei der Erlangung von Kompetenzen behilflich zu sein, ist, laut Weinschenk,R. ( 1980 S.90 ), die Dynamik des Kindes zu berücksichtigen. Dies kann sich in Stufen wie zum Beispiel der Lösung von Fixierungen und Gehemmtheiten oder des Sicheinordnens in einen gegebenen Rahmen äußern.
Dabei spielt, die Möglichkeit der Kinder eine Rolle, aus einer erfahrenen Hilfe in einer konkreten Lebenssituation eine Übertragung auf andere Bereiche zu vollziehen. Deshalb ist es sinnvoll, einer Vernachlässigung ganzer Bereiche zu entgegnen und die Umsetzung von Erziehungszielen auch mit einfachen, weniger komplexen und komplizierten Strategien anzugehen.
Eine schriftliche Fixierung der erarbeiteten Feinziele und den dazugehörigen Aufgaben der praktischen Umsetzung ist dringendst erforderlich.
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