Kleider machen Leute
"Kleider machen Leute"
1) Inhaltsangabe
Der arme Schneider Wenzel Strapinski wandert auf der LandstraĂe zwischen Goldach und Seldwyla dahin. Als er so langsam dahinwandert kommt eine herrschaftliche Kutsche heran und der Lenker des GefĂ€hrtes erbietet sich Strapinski nach Goldach mitzunehmen. Da der Schneider von vornehmen Aussehen ist, hĂ€lt man ihn fĂŒr einen polnischen Grafen und geleitet ihn ehrfurchtsvoll in den Speisesaal. Was immer er auch tut, alles wird als Vornehmheit ausgelegt. Strapinski macht einige verzweifelte Fluchtversuche, doch es gelingt ihm nicht zu entkommen.
Abends wird er zu einem Besuch beim Amtsrat eingeladen. Dort lernt er Nettchen, die Tochter des Gastgebers kennen. Da Strapinski immer noch die Absicht hat Goldach zu verlassen, kĂŒndigt er bei einem Festmahl an, er mĂŒsse dringend eine GeschĂ€ftsreise unternehmen. Nun gibt es eine groĂe Aufregung; in wenigen Tagen soll
dir Verlobung mit Nettchen gefeiert werden, denn der Amtsrat meint, dass der zukĂŒnftige Schwiegersohn sich in seinen GeschĂ€ften und Reisen durch Heiratssachen nicht dĂŒrfe aufhalten lassen.
Strapinski veranstaltet eine Schlittenfahrt zu einem Gasthaus, das zwischen Goldach und Seldwyla gelegen ist. Just an diesem Tag haben auch die Seldwyler eine Schlittenfahrt geplant, deren Ziel der Gasthof der Goldacher ist. Die Goldacher besetzen den oberen Saal des Gasthauses, wĂ€hrend die Seldwyler im unteren Saal Platz nehmen. Nach einiger Zeit kommt eine Abordnung des Seldwyler zu den Goldachern und ersucht, ob sie nicht einen Schautanz auffĂŒhren dĂŒrften. Die Goldacher stimmen zu. Zuerst wird der Spruch: "Leute machen Kleider" versinnbildlicht, indem die Seldwyler die Bewegungen eines Schneiders nachahmen. Hierauf wird das Sprichwort "Kleider machen Leute" dargestellt, wobei Strapinski verhöhnt und von seinem frĂŒheren Meister erkannt wird.
Nun flĂŒchtet Strapinski auf die LandstraĂe, die nach Seldwyla fĂŒhrt. Nachdem Nettchen sehr lange wie versteinert dagesessen war, eilt auch sie aus dem Saal, steigt in den Schlitten und fĂ€hrt in die selbe Richtung, die Strapinski genommen hat. Nach einiger Zeit findet sie den Schneider halberfroren im Schnee. Nettchen reibt Strapinski mit Schnee ab, wodurch dieser das BewuĂtsein wiederelangt. Sie lĂ€sst ihn zu sich in den Schlitten setzen und fĂ€hrt nach dem Hof einer Bekannten.
Die Bauersfrau erkannte Nettchen sofort, lĂ€sst die beiden ein und kocht Kaffee. Nettchen bittet die Frau, sie möge sie und Strapinski eine Weile allein lassen. Nun erst berichtet der Schneider wie es zu diesem MiĂverstĂ€ndnis gekommen ist. Als Nettchen das alles erfĂ€hrt, verspricht sie Strapinski, ihn trotz seiner Armut zu heiraten. Sie fahren sofort nach Seldwyla und quartieren sich in einem Gasthaus ein. Durch Nettchens Bitten bewegt lĂ€sst sich ihr Vater erweichen und gibt die Einwilligung zur Hochzeit. Strapinski wird ein sehr geschĂ€ftserfahrener und gewandter Kaufmann und ein angesehener BĂŒrger.
2) Interpretation
In diesem Buch wird sehr gut das komplexe VerhĂ€ltnis zwischen TĂ€uschung und RealitĂ€t, zwischen Schein und Sein unter gesellschaftskritischem Aspekt dargestellt. Der wandernde Schneider kommt durch seinen vornehmen Mantel und die melancholische BlĂ€sse seines Angesichts dem heimlichen Wunschbild der KleinstĂ€dter entgegen - einem Wunschbild, das es im ersten Teil der ErzĂ€hlung den beiden jungen Leuten gestattet, sich dem romantischen Schein uneingeschrĂ€nkt zu ĂŒberlassen. Die unvermeidliche Entlarvung dieser TĂ€uschung stĂŒrzt das Liebespaar in eine Verzweiflung, in der erst die befreiende - heitere Wende, der Aufbruch in eine wahre menschlichere Wirklichkeit erfolgen kann. In Nettchen, die sich, allen maskenhaften Konventionen zum Trotz, tapfer zu Wenzel bekennt, kristallisiert sich Kellers Ideal praktischer HumanitĂ€t: "So feierte sie erst jetzt ihre rechte Verlobung aus tief entschlossener Seele, indem sie in sĂŒĂer Leidenschaft ein Schiksal aus sich nahm und Treue hielt. " Nicht in einer trĂ€umerisch - weltfremden GebĂ€rde erscheint das Wunderbare - zeichenhaft hierfĂŒr steht der Mantel, den Keller in den Rang eines Dingsymbols erhebt -, sondern das Wunder ereignet sich einzig in einer der gesellschaftlichen Wirklichkeit kritisch zugewandten Haltung, die durch verstelltes GefĂŒhl und unbeirrbare Tatkraft beglaubigt ist.
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