Das Schloß
Laut MAX BROD, der den unvollendeten Roman aus dem Nachlass veröffentlicht hat, sollte der entkräftete K. am siebten Tag vom Tod ereilt werden, just in dem Augenblick, da vom Schloß die Nachricht eintrifft, er dürfe im Dorf leben und arbeiten.
K. ist ein Reisender von weit her. Er hat aus eigenem Willen diese endlose Reise unternommen zu einem öden Ort. Er weiß auch, dass er sich freiwillig in ein Dorf gewagt hat, welches von einem Schloß unterdrückt wird. Doch auch seine spätere Geliebte Frieda weiß dies, und will mit ihm aus dem Bannkreis des Dorfes flüchten.
Der Landvermesser kommt in das Dorf mit dem ursprünglichen Wunsch nicht für immer zu bleiben. Erst im Laufe der Tage kommt ihm die Einsicht, dass er sich für länger niederlassen muss um einen effizienten Kampf gegen das Schloß zu führen. Es ist dies ein widerwilliges Zugeständnis, hervorgerufen durch die wachsende Einsicht, wie klein für ihn die Chance ist, das Schloß jemals zu betreten. Anfänglich macht er sich wenig daraus, ein Mitglied der Gemeinde zu werden, weil er hofft das Schloß im direkten Ansturm zu nehmen, durch einen Marsch, und danach mit einem Schlitten. Hätter er Erfolg gehabt hätte sich nie ein so starkes Bedürfnis nach dem Dorf entwickelt. Somit ließ er kein Mittel im Dorf aus. auf möglichst einfache und rasche Weise ins Schloß zu gelangen. Der Brief den er bald von Klamm bekommt ist sehr vieldeutig: Es gab Stellen wo er als Freier, Stellen wo er als kleiner Arbeiter angesprochen wurde. Er deutet dies als Wahlmöglichkeit, und entschließt sich als Dorfarbeiter über Umwege ins Schloß zu gelangen. Zugleich sieht er auch die Gefahr, dass er mit der Zeit auf das Niveau eines Arbeiters absinkt, und das nicht nur in seiner Verstellung. Mit Frieda, der Geliebten Klamms, bekommt K. ein neues Machtmittel in die Hand.
K. zeigt, dass er die Position als Gemeindemitglied nicht der Position des Landvermessers gleichsetzen kann. Er will aber nicht als Landvermesser ernannt werden, sondern wirkliche Arbeit als Vermesser haben. Aber für das Schloß ist es undenkbar, dass es so weiter ginge - ja es ist, wie K. bald entdeckt, nicht einmal so weit gegangen - und ihn wirklich an die Arbeit gehen ließe. Denn ein Landvermesser ist jemand, der Gebiete absteckt, die vorher noch nie abgesteckt wurden; und eine derartige Tätigkeit würde auf einen ernsthaften Angriff auf das Schloß hinauslaufen. Die Richtungen und Entfernungen sind im Dorf immer unbestimmt und veränderlich, Wege scheinen auf den Berg hinaufzuführen, umm dann wieder abzubiegen. Und das ist nichts als der notwendige Schutz für das Schloß. Die Folgerungen, die sich aus einem sorgfältig erforschten und vermessenen Dorf - Schloß Bezirk ergäben, sind unvorsehbar und verheerend. Letzten Endes würden die Straßen an ein Zie führen, das Schloß wäre nicht mehr unzugänglich. Landvermesser zu sein umfaßt also viel mehr als ein Sich - Niederlassen in ein Dorf welches die Gesellschaft repräsentiert. Wenn nun ein Heim, ein Beruf, und die Gemeidemitgliedschaft (Aussage Max Brods) der rechte Weg sei, so würde K., der Fremde, ein gewisses leidenschaftliches Sehnen verspüren, die Dorfbewohner beneiden.
Er kann sie allerdings nicht beneiden, wie sollte er auch. Am Beispiel der Amalia sieht man wie die Unterdrückten Dorfbewohner sich zum Anwalt der Unterdrücker machen. Es zeigt sich wie Unterdrückte Menschen ihre Frustrationen an noch Schwächeren - sprich den Unterdrückern aufgefallenen Personen - abladen. Die Groteske erreicht ihren Höhepunkt, wie die Unschuldigen die um Verzeihung bitten, die ihnen Böses angetan haben. Aber man sieht auch wie die Unterdrückten schon lange nicht mehr "normal" denken können. Statt das Dorf zu verlassen, suchen sie krampfhaft ihre Schuld die sie ja gar nicht haben. Und dass sie schuldlos sind gibt ja auch das Schloß zu. Nur können weder die Barnabas, noch die restlichen Dorfbewohner erkennen, dass mit ihnen ein schlechter Scherz getrieben wurde - die Aktion enwickelt ein Eigenleben. (starke Parallelen zu Jugend Kafkas) Am faszinierenden Schleier der, hinter den sich die (scheinbare) Autorität versteckt, weben die Dorfbewohner bis zur Selbstverstrickung weiter. Ihre Beziehungen untereinander ermangelt schon seit längster Zeit an Freiheit und Spontanität. Sie sehen die anderen Personen nur mehr als Spiegelbilder einer sich ihnen andauernd entziehender Autorität. Und diese Autorität entzieht sich nicht unabsichtlich den Bewohnern (Beispiel Straße zum Schloß): Die unsinnigen Machtansprüche können nur aufrechterhalten werden, durch die Unantastbarkeit. Denn dass die Würde und Autorität im Schloß schon an den Grenzpunkt angelangt ist, die sich, da die Schloßordnung ein System der Triebunterdrückung ist, schon selbst gefährdet, sieht man an den Dienern (normal würdig werden sie im Dorf wild), an Sordini (notgeil auf Amalia), Nachtverhöre der Sekretäre (wollen in der Nacht die "Naturwahrheit" verschleiern) und an K. der die Aktenverteilung stört, da die leidende "Naturwahrheit" K.s so dstruktiv für die Beamten ist!
Es zeigt sich auch wie zwar das Schloß von der Ferne souverän, von der Nähe ber ruinös sich ausnimmt. Es schimmert in den Roman die leise Hoffnung durch, dass doch der Leser das "System der Abhängigkeiten" erkennen möge, um an seinem Untergang mitwirken zu können.
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