Westintegration und Wiedervereinigung

1950 - 1955

Gliederung:

1. Historischer Hintergrund

    Deutschland - und Außenpolitik von 1950 - 1955

    Adenauers Außenpolitik in Hinblick auf die Wiedervereinigung

    Erich Ollenhauer oberstes politisches Ziel

4. Erörterung einer aktiveren Wiedervereinigungspolitik

    Persönliche Stellungnahme zur Wiedervereinigungspolitik in den Jahren 1950 - 1955

Geschichtshausarbeit
Westintegration und Wiedervereinigung

1. Historischer Hintergrund:
Nach dem Kriegsende 1945 entstand eine Zweiteilung Deutschlands durch die vier Besatzungsmächte. Im Osten war die Zone unter sowjetischer Besatzungsmacht. Im Westen verwalteten und kontrollierten die alliierten Westmächte Amerika, England und Frankreich das Gebiet. Sie gaben 1949 durch demokratische Wahlen der Bevölkerung die Möglichkeit, die erste Nachkriegsregierung zu bilden. Es entstand die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit Dr. Konrad Adenauer als Bundeskanzler. Er hatte die Wahl nur knapp mit 1,8% Mehrheit vor der SPD gewonnen. Bis 1951 wurde seine Arbeitsmöglichkeit von den Alliierten so eng begrenzt und kontrolliert, dass eine außenpolitische Tätigkeit kaum möglich war und wenn, dann auch nur im geringstem Umfang mit dem Westen. Seit 1951 bestand wieder ein Außenministerium, das Adenauer selbst bis zum 7. Juni 1955 führte.
Die Wahlniederlage war für die SPD 1949 ein großer Schock und verbannte sie für viele Jahre auf die Oppositionsbank. Sie bekämpfte nicht nur Erhards Wirtschaftspolitik sondern auch Adenauers Außenpolitik, die auf eine Westintegration der BRD gerichtet war. Die SPD war damals nicht nur die traditionelle Arbeiterpartei, sondern zu ihr zählten noch "Restbestände ihrer sozialistisch - revolutionären Vergangenheit" (Zeiten und Menschen/ II / 41). Nach dem Tod des Parteivorsitzenden Kurt Schuhmacher trat Erich Ollenhauer an die Spitze der SPD.

2. Die Deutschland - und Außenpolitik 1955 dargelegt anhand eines Briefes Erich Ollenhauers vom 23.1.1955 und eines streng geheimen Berichtes Kirkpatricks, dem Unterstaatsseketär im britischen Außenministerium, vom 16.12.1955:
Erich Ollenhauer schrieb anläßlich der bevorstehenden Ratifizierung der Pariser Verträge den genannten Brief. Darin hebte er eindringlichst hervor, dass eine Aufstellung deutscher Streitkräfte in verhängnisvoller Weise die Spaltung Deutschlands vertiefe, obwohl gerade die Wiedervereinigung oberstes Ziel der deutschen Politik sein solle. Er sieht in den Pariser Verträgen das Ende von Verhandlungsmöglichkeiten mit der Sowjetunion (SU) über die Deutsche Einheit. Ollenhauer fordert, Verhandlungsspielräume offenzuhalten und über ihre Vorschläge ernsthafter nachzudenken. Dieser Brief Ollenhauers zeigt, dass er und somit die SPD ein starker Kritiker der westorientierten Außenpolitik Adenauers war. Für ihn war das oberste politische Ziel die Einheit, gefolgt von Freiheit und Frieden.
Der geheime Bericht Kirkpatricks zeigt Adenauers Reaktion auf den Vorschlag der Briten, über einen Sicherheitsvertrag mit der UdSSR eine Wiedervereinigung Deutschlands nach westlichen Vorstellungen zu erreichen.
Adenauer fürchtete, dass Deutschland bei einer Wiedervereinigung unter den Machteinfluß der SU geraten könne. Dabei mißtraute er in einem hohen Maße dem deutschen Volk, das sich bei einem künftigen Regierungswechsel, wenn er von der politischen Bühne abgetreten sei, mit der SU verständigen könnte. Folglich sei er der Meinung, dass die Integration Westdeutschlands in den Westen wichtiger als die Wiedervereinigung Deutschlands sei. (Zitat Blatt)
In diesem wiedergegebenen Gespräch mit Adenauer wird sehr deutlich, dass der erste Bundeskanzler Deutschlands zu dem damaligen Zeitpunkt auf keinen Fall eine Wiedervereinigung anstrebte, sondern er bestand sogar darauf, dass eine Chance zur Wiedervereinigung vermieden werden solle.

3.1. Aus Adenauers Perspektive betrachtet wird der Satz, dass er dem deutschen Volk mißtraue, durchaus verständlich. Wenn man bedenkt, dass die SPD nur knapp mit 1,8% bei den ersten Bundestagswahlen 1949 gegenüber der CDU verloren hatte, so ist nachvollziehbar, wie leicht erschütterbar Adenauers Position war. Auch war zu dem damaligen Zeitpunkt in der SPD noch ein sozialistisch - revolutionäres Potential vorhanden, das gerne mit der SU liebäugelte und allzu rasch bereit gewesen wäre, die Westorientierung Adenauers gegen eine intensivere Ostpolitik einzutauschen. Sogar die Tatsache, dass Adenauer die ersten Regierungsjahre bis 1955 das Außenministerium selbst leitete und keinen Außenminister einsetzte, gehörte zu seiner damaligen Strategie und Taktik. Er wollte die Einbindung der BRD in den Westen fest verankern und sie durch wirtschaftlichen Erfolg zusätzlich sichern, bevor ein möglicher Regierungswechsel in Sicht kam.
Für Adenauer war die Präsentz der amerikanischen Streitmächte in der BRD und auch in Europa eine große Sicherheit, die er durch seine Außenpolitik eher noch zu stärken als zu schwächen suchte. Zu dem damaligen Zeitpunkt schien ihm das Anstreben von Freiheit und gleichzeitig von Einheit ein nicht zu verwirklichender Traum. Er stellte den Wert der Freiheit vor den der Einheit, da für ihn die Frage nach der Freiheit in der Einheit politisch nicht kalkulierbar war. Er wußte zwar, dass dadurch eine Wiedervereinigung Deutschlands immer schwieriger und in weitere Ferne rückte, aber er wußte auch, dass dadurch wenigstens die Freiheit der BRD in einem hohen Maße abgesichert war. Die folgenden Jahrzehnte gaben ihm im Nachhinein recht. Adenauers damalige Entscheidungen wirken noch heute in der Politik der BRD fort.

3.2. Wenn Erich Ollenhauer in seinem Brief beklagt, dass durch die Annahme der Pariser Verträge die Spaltung Deutschlands vertieft werde, so trifft das ganz gewiß zu, denn die folgenden Jahrzehnte haben dies bis hin zum Mauerbau bewiesen. Der Wunsch Ollenhauers nach einer Wiedervereinigung war sehr groß und die Einheit war sein oberstes politisches Ziel. Doch scheint es, dass dabei die Freiheit für ihn nicht in Gefahr geraten konnte. Er wollte gerne mehr Verhandlungsmöglichkeiten ausspielen und neue Wege ausprobieren, um doch noch zu einer Wiedervereinigung zu gelangen. Er verstand sehr wohl, dass Adenauer in diesem Punkt eine Verhinderungspolitik betrieb. Für ihn waren die Verhandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft, was ihn zutiefst unzufrieden machte.

    Erörterung einer aktiveren Wiedervereinigungspolitik
Auch die Bevölkerung der BRD sah wie Ollenhauer die Einheit Deutschlands als vorrangiges Ziel deutscher Politik. Eine solche Politik hatte in der BRD einen starken positiven Widerhall gefunden. Jeder empfand damals die Teilung als unnatürlich und später auch als unerträglich. Jedoch musste bei all diesem möglichen Streben die Realität Raum gewinnen. In der sowjetischen Besatzungszone wurde eine Reparationspolitik betrieben, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau stark schädigte. Die Entwicklung der dortigen Wirtschafts - und Gesellschaftspolitik war mit Hilfe deutscher Kommunisten bereits in der kommunistischen Ideologie verankert. Eine Wiedervereinigung musste also für die SU eine große Chance sein, ihren Einfluß auch auf die BRD auszuweiten. Das konnte jedoch weder in Interesse der Westmächte, noch der Bundesregierung oder der westdeutschen Bevölkerung liegen.
In sämtlichen Verhandlungen zwischen den Siegermächten um die Wiedervereinigung Deutschlands ging es um einen Sicherheitsvertrag in dem die SU die Neutralität Deutschlands festgeschrieben sehen wollte. Auch wenn sie einem wiedervereinigten Deutschland auf Grund freier Wahlen völlige Handlungsfreiheit zugesichert hätte, sah Adenauer und mit ihm schließlich auch die Westmächte hierin den Versuch der Sowjets, die Entwicklung des europäischen Zusammenschlusses zu hemmen und, wenn möglich, zu zerstören. Die Verhandlungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und den Deutschlandvertrag standen schließlich kurz vor den Abschluß. Sowjetrußland versuchte offensichtlich, die Integration Europas zu hemmen und das beste Mittel hierzu war von ihrer Seite aus, die Neutralisierung Deutschlands, denn ohne Deutschland war eine Integration Europas nicht möglich. Eigentlich war unter diesem Aspekt eine aktiver Wiedervereinigungspolitik nicht zu erkennen, ohne dass von Europa angestrebte Ziele hätten wieder aufgegeben werden müssen und Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Einfluß sowjetischer Ideologie geraten wäre, was den Verlust von Freiheit schließlich bedeutet hätte. Es darf nicht vergessen werden, dass die SU die Bedingung gestellt hatte, dass bei einer Wiedervereinigung nicht nur eine Neutralität bestehen müsste, sondern auch die Errungenschaften der DDR erhalten bleiben müssten.
Da für diese Punkte im Westen keine Akzeptanz vorhanden war, ist es eigentlich klar, das für die Sowjets die fortdauernde Teilung Deutschlands nur infrage kam. Für Adenauer war, wie bereits gesagt, die Freiheit und damit verbunden die Westintegration sein vorrangiges Ziel. Es gab für ihn keinen anderen Weg, eine Wiedervereinigung anzustreben ohne des Verlustes beider Werte.

    Persönliche Stellungnahme zur Wiedervereinigungspolitik in den Jahren 1950 - 1955:
Aus der heutigen Sicht kann man der Politik Adenauers nur zustimmen. Die BRD ist schnell wieder auf die Beine gekommen und hat das sogenannte "Wirtschaftswunder" vollbracht. Vor 10 Jahren ist die Wiedervereinigung zur Realität geworden. Die BRD hat die DDR mit vielen Geldern wieder aufgebaut und integriert. An Hand der DDR kann man vermuten, wie es uns ergangen wäre, wenn wir uns zu früh wiedervereinigt hätten und die SU bei uns die Finger im Spiel gehabt hätte. Dass die Westpolitik die richtige Entscheidung war, kann man daran sehen, dass wir die DDR aufgenommen haben und nicht sie uns. Aus unserem heutigen Wissensstand ist es schwierig, sich einen anderen Weg in der Wiedervereinigungspolitik vorzustellen. Da wir die politischen Erben Adenauers sind und über Jahrzehnte hin gelernt haben - stets mit dem Blick auf die DDR gerichtet - wie wertvoll und unveräußerbar die Freiheit für uns war und ist.

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