Frankreich - Verkündung der Menschenrechte
Verkündung der Menschenrechte Sommer 1789 bis Frühjahr 1792
Hinführung:
Am 9. Juli 1789 erklärt sich die französische Nationalversammlung zur Verfassunggebenden Nationalversammlung (Assemblée nationale constituante). Die Versammlung kommt dahingehend überein, der neu zu erstellenden Verfassung eine Allgemeine Erklärung der Menschen - und Bürgerrechte voranzustellen, auf der eine spätere Verfassung aufbauen soll.
Am 11. Juli legt der Marquis de Lafayette, Befehlshaber der Nationalgarde, den Entwurf einer Menschenrechtserklärung vor, welche er mit der Unterstützung von Thomas Jefferson, einem der Verfasser der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und Botschafter in Paris, erarbeitet hatte. Der Entwurf wurde von den gemäßigten Reformern sogleich kritisiert, denn sie sind der Ansicht, das derart abstrakte Prinzipien zur Abschaffung der Monarchie und ins soziale Chaos führen. Diese Befürchtungen verstärken sich in den folgenden Wochen, da die Unruhen mehr und mehr außer Kontrolle geraten.
Anfang August wird die Debatte erneut aufgenommen, wobei man sich im Wesentlichen mit der Frage befaßt, ob die Verfassung aus der Zeit vor der Revolution nur geändert oder ob sie durch eine völlig neue ersetzt werden sollte.
Beeinflußt von der britischen Verfassung und den Schriften Montesquieus aus dem frühen 18. Jahrhundert, meinen die Gemäßigten, das die Menschenrechtserklärung nur eine Ergänzung der alten Verfassung sein und neben den Rechten auch die Pflichten des Staatsbürgers benennen solle.
Die Radikalen, basierend auf den Ideen Jean Jacques Rousseaus und dem amerikanischen Vorbild, der "Bill of Rights", bestehen darauf, das eine allgemeine Erklärung grundsätzlicher Prinzipien notwendig sei, an der die neue Verfassung gemessen und bewertet werden müsse.
Die Auseinandersetzung wird schließlich im Sinn der Radikalen entschieden, zieht aber eine ganze Reihe weiterer Debatten über die verfassungsmäßige Form nach sich, mit der Grundsatz, dass "die Nation [...] den hauptsächlichen Ursprung jeder Souveränität bildet" (Artikel 3), d.h. dass die Macht von der Mehrheit des Volkes ausgeht, in die Praxis umgesetzt werden sollte.
Damit ist die Rolle des Monarchen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Den Radikalen gelingt es, eine Klausel einzubringen, die den Proklamationen des Königs jegliche gesetzgebende Kraft abspricht.
Ihr Hauptanliegen können sie allerdings nicht durchsetzen, nämlich die Aufhebung des Vetorechtes der Exekutive für die von der Nationalversammlung erlassenen Gesetze, d.h. das Recht des Königs, Gesetze einfach zu blockieren. Der König weist den Gedanken, dass seine ehemaligen Untertanen nun die Herrscher sein sollen, strikt zurück (König von Gottes Gnaden ...); die Legislative dagegen bestreitet ein Vetorecht des Königs.
Erklärung der Menschen - und Bürgerrechte sowie der Verfassung von 1791:
Am 26.8.1789 verabschiedet die Volksversammlung die "Erklärung der Menschen - und Bürgerrechte", welche die Freiheit und Gleichheit aller garantieren soll (mit Ausnahme der Sklaven in den Kolonien), wobei die Stände aufgehoben werden und das Ancien Régime zu Ende geht.
Trotzdem ist die Nation nun immern noch eine Klassengesellschaft, da die Bevölkerung in Aktiv - und Passivbürger eingeteilt ist; des weiteren sind in der Nationalversammlung gerade mal 2 Bauern vertreten, obwohl diese den größten Bevölkerungsteil repräsentieren.
Allerdings können nun die reichen Bürgerschichten in die Beamtenstellen des Adels vordringen und treten mit ihm in Konkurrez.
Die geistige Grundlage dieser Erklärung beruht auf dem Naturrecht der Aufklärung, vor allem Rousseau ("allgemeiner Wille"), welches jedem Menschen diverse angeborene sowie unveräußerliche Rechte gewährt, so z.B. das Anrecht auf freie Rede und Schrift sowie Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung und der Zugang zu allen Berufen, wobei soziale Unterschiede nur dann bestehen dürfen, sofern dies zur "gesellschaftlichen Nützlichkeit" beiträgt.
Weitere Anlehnungen wären John Lockes Eigentumsvorstellungen (analog der amerikanischen Verfassung), sowie Montesquies Ansichten der persönlichen Freiheit und Sicherheit; kontrastrierend mit Rousseau ist allerdings das Repräsentativsystem sowie eine Gewaltenteilung.
Das Beispiel des Sturmes auf die Bastille als Symbol der Auflehnung gegen totalitäre Unterdrückung erhält mit dem recht auf Widerstand einen hohen Stellenwert; dies wird mit der These, dass die Nation in ihrer gesamtheit Souverän ist.
Die Gesetze sind durch den Gemeinwillen, "volonté générale", der Nation legitimiert, da dieser in seiner Gesamtheit fortan die rechtliche Souveränität begründet.
Der Garant dafür ist die Gewaltenteilung hinsichtlich der Kontrolle der essentiell wichtigen Finanzen sowie der Verwaltung. Aufgrund des Vetos des Königs gegen die Beschlüsse kommt es zu diversen Unruhen. Als am 1. Oktober bei einem Offiziersbankett die weiße Kokarde des Königs verteilt wird und die Tricolore mit Füßen getreten wird, kommt es am 5. Oktober unter dem Ruf nach Brot zu einem Zug nach Versailles, welcher hauptsächlich von Frauen getragen wird. Unter diesem öffentlichen Druck begibt sich der Monarch mit seiner Familie in die Tuilerien, das kgl. Stadtschloss, nach Paris.
Dadurch ist der Monarch von dem Adel isoliert und steht wie die Nationalversammlung unter der Aufsicht des Volkes. Das Exekutivrecht bleibt allerdings noch beim König (die NV muss aber gegenzeichen); des weiteren kann der König nicht von der Nationalversammlung abgewählt werden. Die Minister sind weiterhin dem König verantwortlich.
Bei Gesetzesbrüchen kann gegen den König ein Hochgericht einberufen werden, was eine Parallele zum amerikanischen Impeachment - Verfahren darstellt, wodurch klar wird, dass der Monarch nicht mehr über den Gesetzen steht.
Die Nationalversammlung hat sich zwischenzeitlich bevorzugt der Ausarbeitung einer Verfassung gewidmet, wobei die Verfassung, welche schließlich am 3.September 1791 verkündet wird, noch eine konstitutionelle Monarchie mit legislativen Befugnissen des Königs sowie ein Zensuswahlrecht vor, das die Mehrheit der Bevölkerung von der Teilnahme an der Politik ausschließt.
Der Adel verliert seine gesamten verbrieften Privilegien; im ländlichen Raum geht dieser Prozess etwas langsamer vonstatten.
Kirchenpolitik:
Aufgrund der Wirren kommt es zu keiner Verbesserung der wirtschaftlichr Situation, so dass die Nationalversammlung am 10. Oktober nicht nur die Zwangsenteignung (Umwandlung in Nationalgüter) der Kron - und Emigrantengüter, sondern aufgrund des Antrags des Bischofs Talleyrand von Autun auch der kirchlichen Besitztümer (10 % der Landesfläche).
Dies ist aufgrund der Überordnung des Staates über die Religion (Präambel) und aufgrund der These, dass die Vernunft den Staat begründet, leicht zu legitimieren, was allerdings seitens des Klerus analog dem Adel einen Hass gegen die Revolution hervor ruft.
Da diese Ländereien nicht schnell veräußert werden könne, werden "Assignaten" (Anweisungen) auf diese ausgegeben (Art Hypothek). Aufgrund der übertriebenen, inflationösen Ausschüttung der Assignate auf die Güter haben diese keinen reellen Gegenwert mehr und werden bald sogar noch nichtmal mehr von den Bettlern angenommen.
Nach der Zerschlagung der Mönchsorden müssen die Kleriker gemäß der "Zivilverfassung des Klerus" vom 12. Juli 1790 einen Eid wie Beamte auf die Verfassung schwören, wodurch eine frz. Nationalkirche geschaffen werden soll; der Papst lehnt dies ebenso wie der großteil der Geistlichkeit entschieden ab, wodurch eine Art Kirchenspaltung eingeleitet wird.
Die Phase der Kooperation zwischen Königshaus und Nationalversammlung wire durch die misslungene Flucht des Königs nach Varennes im Juni 1791 beendet, wodurch endgültig der Eindruck entsteht und verbreitet wird, dass der König einen Putsch plant.
Das Parteienwesen (Klubs):
Unter dem Eindruck der Flucht des Königs und des Blutbades auf dem Champ - de - Mars vom 17. Juli 1791 (Sprengung einer antimonarchistischen Kundgebung, welche die Absicht hat, den König abzusetzen, durch die Nationalgarde mit 50 Toten) mehren sich jedoch die Stimmen für die Schaffung einer Republik.
Federführend sind hier vor allem die radikalen politischen Clubs der Jakobiner, unter denen zunächst noch die gemäßigteren Girondisten das Übergewicht haben, und der Cordeliers; die gemäßigten Monarchisten dagegen schlossen sich im Klub der Feuillants zusammen.
In der neu gewählten Gesetzgebenden Nationalversammlung (Assemblée nationale législative), die am 1. Oktober 1791 zusammentritt, stellen die genannten politischen Clubs die Mehrheit; allerdings kommt es schon bald unter den Jakobinern zu scharfen Gegensätzen zwischen den Flügeln der Girondisten und der radikaleren Bergpartei (Montagnards).
Die neue Nationalversammlung, welche aus teilweise unerfahrenen Mitgliedern besteht, erhält die Zustimmung des Königs zur Verfassung und verpflichtet sich, "sie im Inneren aufrechtzuerhalten und mit allen Mitteln, die sie mir überträgt, durchzusetzen". Diese scheinbare Unterordnung ist allerdings nur in der Hoffnung auf eine Wiederherstellung seiner ("absoluten") Macht hin geschehen und wird des späteren zu seinem bedauerlichen Ungunsten angegriffen.
Die emigrierten Adligen sowie der König (im geheimen) versuchen, das Ausland zu einer Opposition gegen die Revolution zu bewegen.
Am 20. April 1792 setzen die Girondisten, die noch die Nationalversammlung dominieren, die Kriegserklärung an Österreich und Preußen durch, womit die langwierigen Kriege der Französischen Revolution eingeleitet werden.
In Reaktion auf das Koblenzer Manifest des österreichisch - preußischen Oberbefehlshabers, dem Herzog von Braunschweig, welches in radikaler Form die uneingeschränkte Wiederherstellung der Monarchie in Frankreich als Kriegsziel der Koalition formuliert, stürmt am 10. August 1792 die Pariser Bevölkerung die Tuilerien, die Residenz des Königs. Ludwig XVI. wird abgesetzt sowie mit seiner Familie im Temple interniert und die Wahl eines Nationalkonvents (Convention nationale) beschlossen. Mit dem Sturm auf die Tuilerien beginnt die deutlich radikalere Phase der Französischen Revolution.
Jakobiner:
Die Jakobiner sind Mitglieder eines radikalen politischen Klubs, welcher 1789 als Société des amis de la constitution (Gesellschaft der Verfassungsfreunde) gegründet wurde. Der Name Jakobiner leitet sich von ihrem Versammlungsort ab, dem ehemaligen Dominikanerkloster Saint - Jacques in Paris. Zu den Mitgliedern zählten schon bald Mirabeau und Maximilien de Robespierre, der später die führende Rolle im Klub übernahm. Zwar zählte der Klub in Paris nur etwa 3 000 Mitglieder, übte aber über 1 200 assoziierte Gesellschaften in ganz Frankreich großen Einfluß aus. Die straffe Organisation der Gesellschaften und das geschickte Auftreten ihrer Führer in der Öffentlichkeit machten die Jakobiner zu einer starken politischen Macht in Frankreich.
Zu Beginn befürwortete der Klub noch die konstitutionelle Monarchie, aber nach dem Fluchtversuch Ludwigs XVI. im Jahre 1791 wandten sich die Jakobiner gegen jede Form der Monarchie. Im Nationalkonvent, der französischen Abgeordnetenversammlung zwischen 1792 und 1795, erreichten die Jakobiner den Höhepunkt ihrer Macht. Ohne ihre Zustimmung konnte der Nationalkonvent keine wichtige Entscheidung fällen. Sie beherrschten den mächtigen Wohlfahrtsausschuss und organisierten die Schreckensherrschaft, die jede Opposition mit Gewalt unterdrückte. Die Jakobiner forderten das Todesurteil für den König, verdrängten die gemäßigteren Girondisten und ließen Tausende ihrer Gegner durch die Guillotine hinrichten. Nach dem Sturz Robespierres wurde der Klub am 11. November 1794 durch den Nationalkonvent aufgelöst. Außerhalb Frankreichs bezeichnete man die Anhänger der Französischen Revolution und der Demokratie als Jakobiner.
Girondisten:
Die Girondisten waren gemäßigte Republikaner der Französischen Revolution, die vor allem das liberale, wohlhabende Bürgertum im Westen und Süden Frankreichs vertraten. Benannt sind sie nach dem Departement Gironde, aus dem ihre einflußreichsten Abgeordneten kamen; nach einem ihrer Führer, Jacques Pierre Brissot, bezeichnete man sie auch als Brissotins. Die Gruppe trat zum ersten Mal in der gesetzgebenden Versammlung, die im Oktober 1791 gewählt worden war und in der sie die Mehrheit stellte, in Erscheinung. Die Girondisten arbeiteten zunächst mit den Jakobinern zusammen, doch die beiden Fraktionen gerieten wegen des Krieges gegen Österreich und Preußen in Konflikt: Im Gegensatz zu den Jakobinern traten die Girondisten für den Krieg ein, in der Überzeugung, er würde Frankreich geschlossen hinter die Revolution stellen. Unter der Führung von Brissot und Jean Marie Roland de La Platière brachten sie die Versammlung im April 1792 dazu, für den Krieg zu stimmen. Beim Sturz des französischen Königtums im August 1792 taten sich die Girondisten nochmals mit den Jakobinern zusammen. In dem neu gewählten Nationalkonvent, der im September 1792 zusammentrat, dominierten dann die Jakobiner; die Girondisten verloren allmählich ihren Einfluss. Nach dem Aufstand der Sansculotten von Ende Mai bis Anfang Juni 1793 schalteten die Jakobiner die Girondisten ganz aus, indem sie die führenden Girondisten verhafteten; am 31. Oktober wurden Brissot und 30 weitere Girondisten durch die Guillotine hingerichtet.
Cordeliers:
Cordeliers ist die Bezeichnung für einen Zweig des Ordens der Franziskaner in Frankreich, andernorts auch Observanten genannt, welche Strickgürtel trugen, cordes (französisch: Seil), daher die Bezeichnung Cordeliers. Ein Kloster der Cordeliers bei Paris, das zu Beginn der Französischen Revolution geschlossen worden war, diente ab 1790 als Treffpunkt dieses radikalen revolutionären Klubs, der sich, anders als etwa die Jakobiner, vor allem der ärmeren Bevölkerungsschichten annahm.
Führende Mitglieder des Klubs waren Jean Paul Marat, Georges Danton, Camille Desmoulins und Jacques Hébert. 1793 waren die Cordeliers am Sturz der gemäßigten Girondisten beteiligt. Nachdem im März/April 1794 Hébert, Desmoulins und Danton auf Betreiben Robespierres hingerichtet worden waren, löste sich der Klub auf.
Feuillants:
Der politische Klub der Feuillants wurde am 16. Juli 1791 in Paris gegründet. Die meisten Mitglieder hatten vorher dem radikalen politischen Klub der Jakobiner angehört. Nach dem Fluchtversuch König Ludwigs XVI. im Juni 1791 spalteten sich die Jakobiner in Anhänger einer republikanischen Regierungsform und Befürworter einer konstitutionellen Monarchie. Die Monarchisten verließen den Klub der Jakobiner und schlugen ihr Hauptquartier in einem leeren Feuillants - Kloster bei den Tuilerien auf - daher auch der Name des Klubs. Zu seinen Führern gehörten Antoine Barnave und Alexandre de Lameth; seine Mitglieder stammten vielfach aus dem Großbürgertum und dem liberalen ehemaligen Adel. Auf Grund dieser Zusammensetzung, die sie in den Ruf brachte, mit Königtum und Aristokratie zu kooperieren, nahm der Einfluss der Feuillants ständig ab. Nach dem Sturz der Monarchie 1792 wurden die Feuillants politisch bedeutungslos. Während der Schreckensherrschaft flohen viele der führenden Feuillants ins Ausland, einige weniger Glückliche wurden guillotiniert.
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