Maria Magdalena
Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
Biographie
Friedrich Hebbel wurde am 18. März 1813 in Wesselburen (Hollstein) als Sohn eines Maurers geboren. Er trat mit 14 in den Dienst des Kirchspielvogts (= Pfarrbezirksaufseher) ein, wo er sich vom Laufburschen bis zum Schreiber hinaufdiente. Er bildete sich mit Hilfe der Schneiderin Elise Lensing und durch zähes Selbststudium fort 1835 zog er nach Hamburg, wo er seine Schulkenntnisse so weit verbesserte, dass er Jura und Geschichte in Heidelberg studieren konnte. Er faßte aber den Entschluß, sich ganz der Literatur zuzuwenden, und brach das Studium nach einem Semester ab.In München schrieb er seine ersten dramatischen Arbeiten. 1843 verließ er Hamburg mit einem Reisestipendium und kam so nach Rom, Paris und Wien, wo er in der Burgschauspielerin Christine Enghaus eine Lebensgefährtin findet. Am 13. Dezember 1863 stirbt Friedrich Hebbel in Wien.
Als großer deutscher Dramatiker erhielt er kurz vor seinem Tode den Schillerpreis für seine "Nibelungen" - Triologie. Friedrich Hebbel bewahrte den strengen Stil der Tragödie, welche viele Züge des modernen Theaters aufwies. Er schrieb über die Tragik ohne Versöhnung, den Untergang der Helden und stimmungsschwere Gedichte, jedoch auch Komödien und Dramen.
Werke
Agnes Bernauer. (1852, Trauerspiel)Judith. (1840)
Genoveva. (1843)
Maria Magdalene. (1843)
Die Nibelungen - eine Trilogie. (1861)
Maria Magdalene
Entstehung
Der Titel des Dramas sollte ursprünglich "Klara" lauten. Der biblische Name (Magdalene statt Magdalena) ist ein Druckfehler auf dem Titelblatt des Erstdrucks, der sich so eingebürgert hat.Form, Gattung
Bürgerliches Trauerspiel in 3 Aufzügen; üblich sind 5 Akte. Echtes bürgerliches Trauerspiel (lt. Hebbels Dramentheorie, da es keine äußeren Konflikte, die zu lösen wären (z.B. Standesunterschiede), gibt.Einheit der Handlung: Haupt - bzw. Nebenhandlung existieren.
Haupthandlung, konzentriert auf wenige Figuren
Einheit der Zeit: (klassisch: in 24 Stunden)
1. Akt: innerhalb eines Tages
zwischen 1. und 2. Akt: 8 Tage
zwischen 2. und 3. Akt: selber Tag - Einheit des Ortes:
Einheit des Ortes: in einer Kleinstadt, drückt Enge,Verflochtenheit aus, nur Innenräume
Unterschied zur Klassik: Helden gehen nicht mit Einsicht in ihre Fehler unter.
normalerweise: 1.Akt 1.Szene: Exposition (Andeuten d. Situation und der Hauptfiguren), bei M.M. erst in 4. Szene (vorher: nur Voraussicht auf den Tod).
ab 1. Akt ist ein positiver Ausgang nicht mehr möglich -> widerspricht dem klassischen Drama
Vorwärtstreibende Elemente:
-
Diebstahl (Vater wird verunsichert) Schwangerschaft Drohung des Vaters Tod der Mutter (Druck auf Klara und ihre Isolation werden größer)
Ansichten Meister Antons:
-
keine Gefühle (Mitleid ...) nimmt nur, was ihm zusteht (Szene 1.6)
Ort und Zeit
Eine mittlere deutsche Kleinstadt. Historische Zustände (um 1843).Personen
Meister Anton: Tischler, tyrannisiert mit engherziger Rechenschaft seine Familie. Hatte schwere Kindheit, will Ruf wahren, verlangt Gehorsam von Kindern, wollte das Beste, hat es nicht erreicht, ist in seinen moral. Ansichten unsicher. Er ist der Herr im Haus. Ist bereit, an Karls Schuld zu glauben => Entfremdung Vater - Kinder, Meinung der Gesellschaft wichtiger, Mißtrauen gegenüber Kindern, sieht nur Oberfläche der Menschen, engstirnig, großzügig (Geld, will sogar Gerichtsdiener aus Brunnen retten)Seine Frau: tief religiös, leidend; glaubt, ihrem Tod entgegenzusehen.
Klara: Antons Tochter, Hauptperson der Geschichte. Abhängig von Leonhard (Kind), vom Vater (Ehre) und Sekretär (Liebe), kommt in Zwiespalt, will ihrem Vater keine Schande bereiten, opfert sich für ihre Eltern auf, findet schließlich keinen Ausweg mehr, bringt sich um.
Karl: Antons Sohn; Vertreter; liederlich; kann nicht mit Geld umgehen.
Leonhard: Verlobter Klaras; zukünftiger Kassier; Geld spielt für ihn eine große Rolle. Mit Klara nur wegen ihrer Mitgift verlobt, wollte sie sich sichern ("Beweis für ihre Liebe"), indem er mit ihr schlief. Ist auf Klaras Jugendfreund eifersüchtig. Als er erfährt, dass Meister Anton Klaras Mitgift vor Jahren verschenkt hat, löst er die Verlobung unter einem Vorwand. Das Kind ist ihm egal, sucht sich sofort eine neue Freundin, will sich nur ins gemachte Nest setzen, will sich auch nicht duellieren.
Sekretär: Klaras Jugendfreund, ehrgeizig. Rächt Klara, opfert sein Leben für ihre Ehre, positive Eigenschaften, liebt Klara, heiratet sie aber nicht (da sie ein Kind von Leonhard erwartet) => auch bürgerliche Moral, will das Beste für Klara
Milieu
Bürgertum: besitzende Schicht (Werkstatt, Haus,...), stellt Arbeiter an. Lebensansichten: Moral, Religiosität, Schande vor. Gesellschaft ("Ehre" muss erhalten bleiben).Inhalt
Obwohl die Frau des Tischlermeisters Anton gerade von einer schweren Krankheit genesen ist, herrscht in seinem Haus wegen der Sorge um die Kinder, Karl und Klara, eine trübe Stimmung. Karl fühlt sich eingeengt von den engstirnigen Anschauungen des Vaters. Leonhard kommt, um um Klaras Hand anzuhalten. Sie liebt ihn nicht, da sie sich jedoch auf einem Tanzfest ihm hingegeben hat und jetzt sein Kind erwartet, muss Klara Leonhard heiraten. Leonhard ist Klaras nicht würdig, er hat seine Stellung durch List bekommen, macht auch der "buckligen Nichte" des Bürgermeisters den Hof und will Klara nur heiraten, da sie schwanger ist und eine bedeutende Mitgift erwartet. Die Mutter tritt im Hochzeitskleid auf und freut sich mit Anton auf die Hochzeit. Anton liest in der Zeitung, dass im Haus des Kaufmanns Wolfram ein Juwelenraub stattgefunden hatte. Kurz darauf treten Gerichtsdiener ein, wollen das Haus durchsuchen und machen Karl, Antons Sohn, für den Diebstahl verantwortlich. Als die Mutter das hört, trifft sie augenblicklich der Schlag. Anton macht nun Karl für den Tod der Mutter verantwortlich. Als nun Karl verhaftet wird, erfährt Leonhard dies gleichzeitig mit der Tatsache, dass Meister Anton die Mitgift seiner Tochter schon vor Jahren verschenkt hat. Daraufhin nimmt er den Diebstahl als Anlass und löst die Verlobung mit Klara.Meister Anton, der von Karls Verhalten sehr enttäuscht ist, erzwingt von Klara das Versprechen, ihm niemals Schande zu bereiten, da er sich sonst umbringen würde. Dies ist der Anfang vom Ende. Zwar stellt sich die Verhaftung Karls als Irrtum heraus, dieser beschließt jedoch, der Enge des väterlichen Hauses zu entkommen und zur See zu gehen. Der Sekretär, Klaras Jugendliebe, gesteht Klara seine immer noch andauernde Liebe. Als er erfährt, dass Klara von einem anderen schwanger ist, ist er aber nicht bereit, ihr zu verzeihen, sondern will sie rächen. Klara geht aus Angst zu Leonhard und bittet ihn um die Erneuerung ihrer Verlobung. Er behandelt sie aber schäbig, sagt ihr, dass er schon ein Verhältnis mit der Nichte des Bürgermeisters - zur Unterstützung seiner Karriere - begonnen hat und Klara nicht helfen könne.
Der Sekretär geht jetzt zu Leonhard und zwingt ihn, sich mit ihm zu duellieren. Beim Duell stirbt Leonhard, der Sekretär wird lebensgefährlich verletzt und schleppt sich sterbend zum Haus Meister Antons. Karl bittet nun Klara, für ihn Wasser aus dem Brunnen zu holen. Klara, die keinen Ausweg mehr sieht, stürzt sich in den Brunnen, in der Hoffnung, dass ihr Tod als Unfall angesehen werden würde. Der Sekretär gibt Meister Anton die Schuld an Klaras Ende, wegen seiner sturen und kleinbürgerlichen Ansichten. Meister Anton lässt diese Vorwürfe ungerührt an sich vorbeigehen und schließt das Stück mit dem Satz: "Ich verstehe die Welt nicht mehr."
Sprache
Anrede in "er" - Form, distanziert. Höflichkeitsform gegenüber allen, auch den Eltern. "Du": Leonhard, Klara, Sekretär, KarlSprache in Prosa, kein Rhythmus (Annäherung an die Realität),
Hochsprache, vollständige Sätze, wenige Monologe (nicht Realität); Gedanken werden ausgesprochen
Aussage
Hebbel geht es in diesem Trauerspiel weder um ein moralisches Urteil noch um eine auf Veränderung drängende Anklage der bürgerlichen Gesellschaft, sondern er wollte zeigen, dass der Untergang unvermeidlich, dass er, wie der Tod, mit der Geburt selbst gesetzt ist.Der Bürger ist sein eigener Feind; Intoleranz gegen uneheliche Kinder; Bewahrung des Image nach außen, gleichgültig, wie die familiäre Situation aussieht; Wertmaßstäbe werden in Frage gestellt.
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