Entnazifizierung in Österreich
Entnazifizierung in ÖsterreichDie Grundlage der von den Alliierten geforderten Maßnahmen zur Entnazifizieruing Österreichs bildete das Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945:
Artikel 1: Verbot der NSDAP
Wehrverbände der NSDAP (SS, SA, NSKK, NSFK) sind aufzulösen und ihre Neubildung ist verboten. Mandate der Mitglieder von Gebietskörperschaften oder Berufsvertretungen sind erloschen. Weiters ist es untersagt, sich für die NSDAP irgendwie zu betätigen. Wer sich weiterhin betätigt, wird mit dem Tode bestraft.
Artikel 2: Registrierung der Nationalsozialisten
Alle Personen mit ordentlichen Wohnsitz in Österreich, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 27. April 1945 einem der Wehrverbände angehört haben, werden in besonderen Listen verzeichnet. Diese Listen sind öffentlich zugänglich. Weiters kann schriftlich Einspruch und Beschwerde eingereicht werden.
Artikel 3: Bestimmungen gegen "Illegale", schwerer belasteter Nationalsozialisten und Förderer.
Wer zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 13. März 1938 jemals der NSDAP angehört hat, wird des Verbrechens des Hochverrates beschuldigt und mit dem Verfall des gesamten Vermögens bestraft.
Artikel 4: Sonstige Bestimmungen über Nationalsozialisten
"Illegale" und Angehörige der Wehrverbände der NSDAP können unter Polizeiaufsicht und Zwangsarbeit herangezogen werden. Bezüge, welcher Art auch immer, werden sofort eingestellt.
Artikel 5: Volksgerichte
Mit der Aburteilung wegen der nach diesem Gesetz für strafbar erklärten Handlungen und mit der Entscheidung über weitere Fragen, werden Volksgerichte betraut. Die Senate der Volksgerichte werden bei den Landesgerichten am Sitze der Oberlandesgerichte gebildet.
Artikel 6: Ausnahmebestimmungen
Ausnahmebestimmungen obliegen der provisorischen Staatsregierung.
Artikel 7: Schlußbestimmungen
Das Verfassungsgesetz tritt mit dem Tage seiner Kundmachung in Kraft. Der Vollzug obliegt der Staatskanzlei, die auch Sonderbestimmungen für Wehrmachtsangehörige erlässt.
Gleichzeitig wurde die Aufhebung der Nürnberger Rassengesetze beschlossen:
Die provisorische Staatsregierung der Republik Österreich stellt im Sinne des Verfassungsgesetzes vom 1. Mai 1945 fest, dass die Nürnberger Rassengesetze mit 10. April 1945 außer Kraft getreten sind.
Nachdem zunächst die Alliierten großen Wert darauf legten, die Entnazifizierung möglichst eigenhändig durchzuführen, übertrugen sie im Februar 1946 die Verantwortung der österreichischen Bundesregierung, welche dadurch veranlasst wurde, genaue Richtlinien für die Registrierung festzulegen. Im März 1946 einigten sich alle drei Parteien auf folgende Grundsätze, die ursprünglich ein "Gesetz zur Entnazifizierung" bilden sollten.
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Bevor eine gesetzliche Regelung des Naziproblems erfolgt, sollen die Ansprüche der Opfer des Naziterrors geregelt werden. Die nach dem Gesetz von 1945 geltenden Registrierungsbestimmungen werden vollzogen, bereits erfolgte Registrierungen bleiben aufrecht, bisher ausgesprochene Ausnahmen sind hinfällig. Alle Registrierten werden in Gruppen eingeteilt, wobei die Register, die diese Einteilung enthalten, öffentlich aufliegen müssen. Von der Registrierung ausgenommen sind Parteianwärter, das sind Personen, denen die Aufnahme in die NSDAP aus politischen Gründen verweigert wurde, Mitglieder der NSDAP, die vor dem 1.1.1945 freiwillig oder unfreiwillig aus der Partei ausgeschieden sind, NSDAP Mitglieder, die staatspolizeilich verfolgt wurden, alle Mitglieder einer NS - Organisation, die an der Seite der Alliierten gegen den Nationalsozialmus gekämpft haben sowie niedrige Funktionäre der Betriebs - SA, des NS - Kraftfahr - und Fliegerkorps (NSKK u. NSFK). Alle registrierten Personen werden wie folgt eingeteilt:
Zugehörigkeit |
Folgen |
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Kriegs - verbrecher |
Sowohl Bedingungen zur Zugehörigkeit zu dieser Gruppe als auch die weitere Behandlung sind im Kriegsverbrechergetz vom 26. Juni 1946 festgelegt. |
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Belastete Personen |
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Minder - belastete Personen |
Alle Personen, die unter die Registrierungspflicht fallen, aber weder Kriegsverbrecher noch Belastete sind. |
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Die Lösung des Naziproblems war sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch von größter Bedeutung.
Die österreichische Republik versuchte das Naziproblem durch zwei Gesetze zu lösen, durch das Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945 und das Kriegsverbrecher Gesetz vom 26. Juni 1946. Diese Gesetze ergänzen einander.
Das Kriegsverbrechergesetz sollte alle Personen, die im Zuge des Hitlerkrieges Verbrechen begangen haben, einer gerechten Strafe zuführen. Das Gesetz war in vollem Umfange geeignet, das erforderliche Ziel zu erreichen. Die Durchführung des Gesetzes wurde jedoch durch zwei Aspekte verlangsamt: 1. Polizei - und Justizverwaltung waren erst seit einigen Monaten in ganz Österreich einheitlich wirksam geworden; 2. der österreichische Behördenapparat musste erst mühsam wieder aufgebaut werden, außerdem mangelte es an geeigneten Richtern.
Das Verbotsgesetz selbst wurde nur in Wien, Niederösterreich und Burgenland angewendet, wodurch die einheitliche Wirkung verloren ging. Daher einigten sich die drei Parteien neben den oben genannten Richtlinien, die als Verordnung umgesetzt wurden, auf einen
Gesetzesentwurf für die endgültige Lösung des Naziproblems:
Seine Ziele sind:
1. Schutz und Sicherung der demokratisch - freiheitlichen Entwicklung;
2. Vernichtung der gesellschaftlichen Machtstellung des Nationalsozialismus;
3. Aufspaltung der nationalsozialistischen Parteimitgliedschaften in Belastete und Minderbelastete;
4. Endgültige Festsetzung der Sühnefolge;
Der Gesetzentwurf geht von dem Gesichtspunkt einer von subjektiven Merkmalen losgelösten Behandlung der nationalsozialistischen Parteimitglieder aus. Aus dem Versuch, das individuelle Behandlungsprinzip anzuwenden, ergeben sich folgende Schwierigkeiten:
1. Eine Untersuchung der Motive des Beitrittes und des Verhaltens als Nationalsozialist erfordert ein genaues Verfahren. 2. Die Wirkung eines verkürzten Verfahren. In Wien haben etwa 90% der Registrierpflichtigen Befreiungsansuchen eingebracht. Es gab plötzlich keine nationalsozialistischen Parteimitglieder mehr. Jeder erbrachte zahlreiche unkontrollierbare Bestätigungen über sein Wohlverhalten. Der Natur nach zeugt ein solches System nur Lippenbekenntnisse. |
1. die Einteilung der Nationalsozialisten in Kriegsverbrecher, Belastete und Minderbelastete. 2. die Einheitliche Festsetzung der Sühnefolgen. 3. die Berücksichtigung der sozialen Stellung. |
1. das Gnadenrecht des Bundespräsidenten 2. das komissionelle Verfahren: a) in Ausnahmefällen für Minderbelastete bestimmter Berufszweige b) belastete und minderbelastete Künstler können vom öffentlichen Auftreten ausgeschlossen werden. 3. behördliche Überprüfungsverfahren für: a) minderbelastete öffentliche Angestellte b) den Widerruf der Lehrbefugnis c) die Zulassung zum Hochschulstudium |
Die Schutz - und Sicherungsmaßnahmen:
Sie umfassen:
1. das Verbotsgesetz der Neubildung nationalsozialistischer Organisationen oder der Betätigung im nationalsozialistischen Sinne, um jedweden nationalsozialistischen Bazillus im Keim zu ersticken. 2. die Strafdrohung des § 10: Diejenigen Personen, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 13. März 1938 der NSDAP oder ihrer Wehrverbände angehört haben, haben sich des Verbrechens des Hochverrates schuldig gemacht. 3. die Registrierungspflicht aller Personen, die der NSDAP oder ihren Gliederungen und Wehrverbänden angehört haben. 4. Politische Verbot, solche sind: a) der Ausschluß der Belasteten vom aktiven und passiven Wahlrecht b) das Verbot der Zugehörigkeit der Belasteten zu einer politischen Partei bis zum 30. April 1950 c) der Ausschluß der Minderbelasteten vom passiven Wahlrecht 5. Der Ausschluß von bestimmten Berufen, die auf das kulturelle und geistige Leben von besonderem Einfluß sind. 6. Die Vernichtung der gesellschaftlichen Machtstellung des National - sozialismus. Diesem Ziel dienen die Entlassung der Belasteten aus dem öffentlichen Dienst; das Verbot, wirtschaflichen Vertretungskörperschaften, Vorständen und Aufsichtsräten anzugehören; bestimmte Berufsverbote; Pensionierung der Minderbelasteten bei Verkürzung der Pensionen; das Verbot der Führung von Mittel - und Großbetrieben für Belastete und von Großbetrieben für Minderbelastete. |
Die Sühnefolgen:
Es war bereits Absicht der provisorischen Staatsregierung die belasteten von den minderbelasteten Nationalsozialisten zu trennen und der großen Masse der bloßen Mitläufer den Weg zurück zur demokratischen Volks - und Staatsgemeinschaft zu ermöglichen. Da etwa eine halbe Million Personen im Sinne des vorliegenden Gesetzentwurfes registrierungspflichtig waren, war es unmöglich, eine so große Anzahl von Menschen dauernd von der Anteilnahme am öffentlichen Leben auszuschließen und sie zu einer Gruppe minderen Rechtes herabzudrücken. Letzten Endes ist nur jene Staats - und Gesellschaftsordnung von Dauer, die sich auf Gerechtigkeit, Liebe, Freiheit und Achtung vor der Menschenwürde gründet.
All diese Überlegungen führten schließlich zum Verbotsgesetz von 1947.
Die grundlegenden Inhalte des Gesetzes von 1945, wie das Verbot der Wiederherstellung der NSDAP und aller anderen NS - Organisationen blieben selbstverständlich aufrecht. Die Änderungen betreffen vor allem das Registrierungsverfahren:
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Die Ergebnisse des Registrierungsverfahrens sind für alle Behörden und Gerichte bindend. Damit wird vermieden, dass ein und die selbe Person bei Behörden und Gerichten unterschiedlcih behandelt wird. Ziel des Registrierungsverfahrens ist es nicht nur, eine Liste von Personen zu erstellen, die bestimmten Organisationen angehört haben, sondern auch den genauen Sachverhalt der von ihnen begangenen Taten zu ermitteln. Dazu werden den Registrierungsbehörden weitreichende Möglichkeiten der Nachforschung in der Familie, im Freundes - und Bekanntenkreis sowie am Dienstort des Betroffenen eingeräumt. Registrierungsbehörden 1. Instanz sind nicht mehr Gemeinden, sondern Bezirksverwaltungsbehörden Für alle Registrierungspflichtigen werden ein Registrierungsblätter angelegt, die in der Registrierungsbehörde in Buchform gebunden aufliegen. Wenn ein Registrierter für mehr als drei Monate seinen Wohnort wechselt, muss er von der Registrierungsbehörde seines neuen Wohnortes erfaßt werden. Die Zugehörigkeit zu einer registrierungspflichtigen Gruppe darf im Zweifelsfall nicht von der Registrierungsbehörde entschieden werden. Dies Entscheidung wird in einem Strafvefahren vom Gericht getroffen.
Als Folge der Registrierung wurden 4500 Personen als Kriegsverbrecher eingestuft, 40000 als belastet.
Von diesen beiden Gruppen wurden bis 1955 13597 schuldig gesprochen und 43 zu Tode verurteilt.
Fast eine halbe Million Österreicher wurden als Minderbelastete eingestuft. Als sie gemäß des Nationalsozialistengesetzes von 1945 und der Richtlinien von 1946 im Jahre 1948 viele ihrer Rechte wieder zurückerhielten, beschloß man, ihnen für die Nationalratswahlen 1949 ihre vollen politischen Rechte zurückzugeben. Der Grund dafür war, dass beide Großparteien mit der Unterstützung durch das dritte Lager rechneten.
Quellen: Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945
"Neues Österreich" Nr. 290, 30. März 1946
"Ausführungsbestimmungen zum NS - Gesetz 1947", herausgegeben von der Redaktion der Wiener Zeitung
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