Islam
Stand die historische Bedeutung des Islams auch für den unvoreingenommenen Beobachter nie in Frage, so haben verschiedene Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit die islamische Religion stärker in das Zentrum gerade der westlichen Aufmerksamkeit gerückt. Zu nennen sind hier vor allem die Entstehung der Islamischen Republik im Iran, der Widerstand der Mudschaheddin in Afghanistan sowie der Streit um den Roman "Satanische Verse" von S. Rushdie.
Die Diskussion bedient sich dabei vornehmlich der Schlagworte "Re-Islamisierung", "Repolitisierung des Islams" und "islamischer Fundamentalismus". Schon im 18. Jahrhundert erfuhr der Islam aufgrund von Erneuerungsbewegungen sowie als Gegenbewegung zur europäischen Kolonialherrschaft und technologischen Überlegenheit Europas mit dem Panislamismus eine Neubewertung.
Ausgehend von dem kulturellen System des Islams, der begrifflich die "vollkommene Hingabe (an Gott)" beinhaltet, vollzieht sich auch in der Gegenwart eine "Politisierung des Sakralen", d.h. die Funktion dieser Weltreligion wird durch die politische Ideologisierung entmythologisiert und revolutionär bestimmt.
Trotz ihrer Heterogenität knüpfen alle fundamentalistischen Strömungen seit den 1970er Jahren in ihren Forderungen nach der Wiedereinführung des "islamischen Systems" und der Scharia, des Sakralrechts, an den islamischen Universalismus an, der als Legitimierungsinstrument politischer Herrschaft (islamische Theokratie) spätestens mit der Auflösung des türkisch-osmanischen Reiches 1923 obsolet geworden schien.
Die Träger des Fundamentalismus sind vor allem diejenigen, die durch die Verschärfung der ökonomischen, sozialen und kulturellen Krise in vielen arabischen Ländern betroffen sind: bäuerliche Migranten, unteres Kleinbürgertum, die bedrohte Mittelklasse sowie arbeitslose Akademiker. Ihnen gemeinsam ist die Hoffnung auf den Islam als traditionelle Heilsideologie, die scheinbar den Ausweg aus der Krise weist, indem sie ein einfaches Freund-Feind-Schema bemüht.
Nicht zuletzt die Ereignisse um den zweiten Golfkrieg zeigten die politische Tragweite dieser Entwicklungen. So konnte der irakische Diktator mit dem Aufruf zum Dschihad ("Heiligen Krieg") die Massen für seine Zwecke mobilisieren. Damit wurde erneut deutlich, dass der islamische Fundamentalismus auch ins Kalkül westlicher Politik einbezogen werden muss.
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