Konfliktbearbeitung
"Die Parteien einer Streitigkeit, deren Fortdauer geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden, bemühen sich zunächst um eine Beilegung durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel eigener Wahl."
(Artikel 33 Absatz 1 der UN-Charta)
Mit dem Ende der bipolaren Weltordnung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg manifestierte und welche unzweifelhaft als das prägende Element internationaler Beziehungen zu bezeichnen ist, steht auch heute noch, bald zehn Jahre nach der ,Wende', die Menschheit vor vielen offenen Fragen über die Neugestaltung dieser Beziehungen. Der anfänglichen Euphorie über die Überwindung des Kalten Krieges und der sich daraus ergebenden Hoffnungen auf eine friedliche und friedliebende Welt ohne gegenseitige Angriffspotentiale ist längst Ernüchterung und Ratlosigkeit gewichen. "Die lange Zeit gehegten Hoffnungen auf eine friedliche Entwicklung erfüllten sich nicht." (Westphal/Arenth, 1994: 37) Im Gegenteil: Mit dem Auseinanderbrechen dieser über Jahrzehnte währenden zwar wenig zufriedenstellenden, aber eben auch überschaubaren und disziplinierenden Konstellation der Weltbeziehungen scheinen nun wie auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion Konflikte verstärkt zu Tage zu treten - oder besser: latente Konflikte virulent zu werden - die der große Konflikt zwischen den beiden Systemen und ihre jeweilig implizierten Anschauungen über eine politische Staatsgestaltung (mit entsprechend abgeleiteten imperialistischen Handlungen) verdecken konnte. Hiermit tritt eine Verlagerung der Konfliktebene ein: Waren zuvor die Spannungen und Drohungen oftmals an Staats- und an Paktgrenzen festzumachen, handelt es sich bei Konflikten, wie sie heute vielerorts zu beklagen sind, um ethnische Auseinandersetzungen, die entweder innerhalb eines Staates oder über Staatsgrenzen hinweg (Kurdenproblematik) stattfinden.[1]In beiden Fällen aber ist die entscheidende Größe nicht mehr der Staat oder ein Militärpakt, sondern die einzelne Ethnie und die Probleme ihrer Integration innerhalb eines Staatengebildes.
Mit dieser neuen Situation und den neuen Herausforderungen stellt sich die Frage, ob die Institutionen aus der Ära des Kalten Krieges grundsätzlich und insbesondere in der vorliegenden Form geeignet erscheinen, Konflikte international zu bearbeiten. Andersherum gefragt: Muß sich nicht der Wandel in den internationalen Beziehungen von historischer Dimension auch auf die Institutionalisierung und dem Instrumentarium der Konfliktbearbeitung niederschlagen?
Diese Arbeit stellt vor dem Hintergrund dieser Frage den Ansatz der zivilen Konfliktbearbeitung dar, die sich als Alternative zu militärischen Denkweisen begreift und deren theoretische und konzeptionelle Grundlegung vor allem in den letzten Jahren das zentrale Handlungsfeld der Friedensbewegten gewesen ist (vgl. hierzu Buro 1998). Im ersten Abschnitt wird dargestellt, wie breit dieser Ansatz ausgehend von einem positiven Friedensbegriffs angelegt ist. Die damit verbundenen Probleme werden hierbei angesprochen. Nach dem der Ansatz charakterisiert wurde wird darauffolgend im zweiten Abschnitt einzelne Elemente und Instrumente der zivilen Konfliktbearbeitung beschrieben. Der dritte Abschnitt hat das (schwierige) Verhältnis von Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) und "offizieller Seite" zum Gegenstand und fragt, ob ein Gegeneinander- durch ein verstärktes Miteinander von staatlichen und gesellschaftlichen Kräften ersetzt werden sollte. Im vierten Abschnitt schließlich wird erörtert, warum die zivile Konfliktbearbeitung als Handlungsoption inadäquat wenig Beachtung findet.
1. ,Ganzheitlichkeit' des Ansatzes ziviler Konfliktbearbeitung
Kennzeichnend für den zivilen Ansatz der Konfliktbearbeitung ist seine ,ganzheitliche' Herangehensweise. "Für alle Konfliktlösungsversuche gilt, dass sie auf die Wirkung von Kommunikation, von Information, Schlichtung und Vermittlung setzen und dass sie die Werte, die es durchzusetzen gilt - Menschen- und Bürgerrechte als Grundlage von Gruppenrechten, gewaltfreier Konfliktaustrag, Demokratie, Respektierung kultureller Heterogenität und eine ökologisch verantwortliche Lebens- und Produktionsweise -, zugleich als Mittel nutzen." (Merkel, 1993: 37). Insgesamt versucht man, frühzeitig einzuschreiten, was wiederum ein Wissen um die typischen Konfliktabläufe voraussetzt. Gefordert wird in diesem Zusammenhang ein Frühwarnsystem auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.
In gleicher Weise wir aber auch auf die Friedenskonsolidierung großer Wert gelegt, quasi als Prävention für den nächsten Krieg in der gleichen Sache. Im eskalierten Konflikt selbst gibt es neben direkten vor Ort zu vollziehenden Maßnahmen auch indirekt flankierende (Forderungen an) Politiken wie der Asylpolitik oder hinsichtlich der Aufnahme von Deserteuren.
Positiver Friedens- und umfassender Gewaltbegriff
Im Gegensatz zum traditionellen, negativen Friedensbegriff, nach dem Frieden als Abwesenheit von Krieg verstanden wird, liegt bei den Verfechtern der zivilen Konfliktbearbeitung ein umfassender, positiver Friedensbegriff zur Grunde: "Frieden ist mehr als der bloße Zustand des Nicht-Krieges. Grundlage des Friedens sind die Menschenrechte. D.h. Menschenrechtsverletzungen aller Art, Terror und Willkür, Folter und Sklaverei, Hunger und Massenelend, kurz: personelle und strukturelle Gewalt in ihrem ganzen Spektrum, sind mit Frieden unvereinbar." (Lutz, 1987 nach Maier 1993: 14f.)
Bei diesem breiten Verständnis von Frieden wird unmittelbar ersichtlich, wie umfassend sich die Aufgabe demjenigen stellt, der eben diesen solcherart definierten Frieden herzustellen beabsichtigt. Klar wird, dass das Ziel Frieden in dieser Lesart eine Querschnittsaufgabe verschiedenster staatlicher und gesellschaftlicher Felder ist. Entscheidend dabei: Der Fokus der Konflikte wird zeitlich nach vorne verschoben. Liegt ein negativer Friedensbegriff zur Grunde, wird ein Konflikt erst dann für die viel beschworene internationale Gemeinschaft ,interessant', wenn dieser bereits mit Waffengewalt ausgetragen wird. Wird demgegenüber personelle und strukturelle Gewalt als unvereinbar mit einer wirklichen Friedensordnung angesehen, so ergibt sich die Möglichkeit, präventiv einen potentiell mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikt zu begutachten und ggf. einzugreifen.
Koppelung mit umfassender Abrüstung
Charakteristisch für viele Vertreter einer verstärkten Anwendung ziviler Konfliktbearbeitungsstrategien ist die Koppelung der Thematik mit der Forderung nach Abrüstung. So gibt es die Initiative "Fünf für Frieden", die auf das Rüstungs-Informationsbüro Baden-Württemberg (RIB) zurückgeht. Die Idee: "Möglichst viele Staaten reduzieren vertraglich bindend ihre Verteidigungs- und Rüstungsausgaben jährlich um 5% und verwenden die freiwerdenden Gelder nach einem festgelegten Schlüssel für abrüstungspolitische Aufgaben (Standort- und Rüstungskonversion, zivile Konfliktbearbeitung, Zivile Friedensdienste) sowie für internationale Aufgaben der Armutsbekämpfung und der Entwicklungshilfe. Während der Verteidigungshaushalt allmählich - und vorhersagbar - abnimmt, steigt in gleichem Maße der Abrüstungsetat. Dadurch kann Abrüstung sozialverträglich gestaltet werden."[2]Deutlich wird an typischen Stellungnahmen wie diesen, dass zivile Konfliktbearbeitung nicht singulär betrachtet wird. Es wird ein Paradigmenwechsel eingefordert, bei dem nicht nur das ,Pro' für die zivile Seite, sondern untrennbar auch das ,Contra' für die militärisch geprägten Strategien steht. Hier wird allgemein auf Abrüstung gesetzt, aber auch die Problematik der Rüstungsexporte - zumal in die Länder, in denen Konflikte bestehen wie in Indonesien und Türkei - wird in diese Überlegung mit einbezogen und macht damit auf die Verantwortlichkeit der exportierenden Länder aufmerksam. Das ,Nein' zum Militär wirkt wiederum - einem konstruktivem Mißtrauensvotum ähnlich - auf die Ausarbeitung der zivilen Konzepte zurück: "Ernsthafte Abrüstungsschritte würden nur durchsetzbar sein, wenn es gelänge, eine überzeugende Alternative zum militärischen Konfliktaustrag zu entwickeln." (Buro, 1998: 136)
c) Zivile Konfliktbearbeitung als gesellschaftlicher Zivilisierungsprozeß
Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hat es im Zuge der Errichtung eines Zivilen Friedensdienstes (siehe 2e)) auf den Begriff gebracht, was der Grundgedanke bei der zivilen Konfliktbearbeitung ist: Es geht um die "Alphabetisierung in gewaltfreier Konfliktaustragung".[3]Träger von ziviler Austragung von Konflikten muss ein Jeder sein, die Verantwortung hierfür ist nicht auf staatliche Kräfte begrenzt. Damit wird die Aufgabe teilweise verlagert von einer Weltpolitik zu einer der Pädagogik: In den Bildungseinrichtungen soll gelernt werden, welche Mittel es gibt, Konflikte friedlich zu lösen.
Auch Ansätze wie Senghaas' "therapeutische Konfliktintervention" - die versucht, den Konfliktparteien über die objektiven und subjektiven Ursachen und über die eskalationsträchtige Konfliktdynamik aufzuklären, um die autistische Feindschaft zu durchbrechen - gehen davon aus, dass der einzelne, mit entsprechender Hilfestellung von Außen, in der Lage ist, Dinge gedanklich zu durchdringen und in der Folge eine Änderung der Handlungen herbeizuführen. Insgesamt hat der Ansatz der zivilen Konfliktbearbeitung sehr viel mit den Idealen der Aufklärung gemein, da er von der Kraft der Vernunft ausgeht und glaubt, Situationen mit ihrem Einsatz verbessern zu können. Daher geht es den Fürsprechern der zivilen Alternative auch häufig um die Rahmenbedingungen die notwendig sind, diesen Geist frei auszubilden. So wird er mit einem umfassenden Demokratieverständnis gekoppelt; dem Einzelnen muss es beispielsweise möglich sein, frei eine Meinung zu bilden. Eine Persönlichkeit, die sich auf das eigene Denken besinnt, ist eher immun gegenüber medialer Desinformation, etwa dann, wenn von Kriegsherren die ethnische Karte gespielt wird.
d) "Normative Ãœberfrachtung?"
Das Problem dieser ganzheitlichen Herangehensweise besteht in der Gefahr einer "normativen Überfrachtung" des Konzeptes der zivilen Konfliktbearbeitung.[4]Wenn der Frieden etwa von einer umfassenden inner- und interstaatlichen Gerechtigkeit abhängig gemacht wird und damit von Mißständen, die organisatorisch - wenn überhaupt - nur sehr langfristig in den Griff zu bekommen sind, so kann es den Blick für das Instrumentarium und die Optionen bei konkret vorliegenden Konflikten verdecken. Der Ansatz der zivilen Konfliktbearbeitung droht dann schnell, aufgrund seines allumfassenden Anspruchs beliebig und auf das konkrete Beispiel bezogen schlecht anwendbar zu werden.
Problematisch ist aber vor allem die Verbindung ziviler Konfliktbearbeitungsstrategien mit fundamentaler Staats- und Imperialismuskritik wie z.B. von Narr (1997) hergestellt wird: "Für die Friedensbewegung hat sich so im Laufe weniger Jahre neben der Kritik von Rüstung und militärischer Formierung der Außenpolitik, der verschärften kapitalistisch bedingten Produktion von Ungleichheit und darin enthaltener Aggression die Entfaltung von Konzept und Ansätzen ziviler Konfliktbearbeitung als zweite große Aufgabe hinzugesellt [neben der Abrüstung, H.P.]."[5]Die Rückbindung der Frage nach militärischen Ansätzen mit allgemeiner Kapitalismus- und Herrschaftskritik erscheint ungeachtet der Frage, ob diese Sichtweise eine sinnvolle Interpretation der Weltlage darstellt oder nicht, wenig geeignet zu sein, die Instrumente ziviler Konfliktbearbeitung einem breiteren Publikum vorzustellen und als Alternative schmackhaft zu machen. Die Ideen der zivilen Konfliktbearbeitung sollten aus diesem Grund vom Dunstkreis des Utopischen befreit werden.
2. Bausteine einer zivilen Konfliktbearbeitung
Als eine gute Übersicht der allgemeinen Mittel, derer sich Parteien einer Streitigkeit bedienen können, diesen friedlich beizulegen, kann der Artikel 33 der UN-Charta herangezogen werden, aus dem eingangs zitiert wurde.
Grundsätzlich kann man unterscheiden, ob das Instrumentarium auf innerstaatliche oder zwischenstaatliche Ebene abzielt. Bei den innerstaatlichen Lösungsangeboten für Konflikte könnte man wiederum eine Unterscheidung unter dem Gesichtspunkt treffen, ob sie auf die Regelung des Zusammenlebens eines multiethnischen Staates angelegt sind oder ob sie auf die gesellschaftliche Mikroebene abheben (Mediation bei Scheidungen, Täter-Opfer-Ausgleich u.ä.).
Vom politikwissenschaftlichen Interesse sind vor allem die Umstände des Zusammenlebens mehrerer Ethnien innerhalb eines Staates. Mit Blick auf diese Situation beschäftigen sich Rittberger und Kittel mit den strukturellen Bedingungen für eine friedliche Konfliktregelung: "Die Integration einer Minderheit in ein Staatswesen setzt zunächst die Anerkennung der Eigenart dieser Minderheit und damit den Abschied von der Fiktion der ,Einheit' des Staatsvolkes voraus.[6](...) Föderalistische Strukturen lassen Minderheiten zu staatstragenden Teilvölkern werden." (1996: 384) Eine Voraussetzung, die der ,atomistische' Staat nicht erfüllen kann. Diesen Überlegungen liegt der Gedanke des strukturellen Friedens zur Grunde: Einer Minderheit müssen Minderheitenrechte zugestanden werden, andernfalls ist die Demokratie nach heutigem Verständnis unvollkommen, der Konflikt und sein nicht friedlicher Austrag nahezu programmiert.
a) Präventive Diplomatie
Es gehört zu den Verdiensten des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Boutros-Ghali, dass er in seiner "Agenda für den Frieden" die Aufmerksamkeit neben der Friedens-Konsolidierung auf mögliche Vorgehensweisen im Vorfeld bereits eskalierter Konflikte gelenkt hat. Hierzu gehören die sogenannten vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen den streitenden Parteien (Vorbild hier kann die OSZE sein, die es mittels derartiger Maßnahmen geschafft hatte, die Konfrontation zwischen den beiden Blöcken aufzuweichen), Fact-Finding-Missionen, d.h. die Entsendung von Expertengruppen in ein Krisengebiet zur unparteiischen Ermittlung der Situation (und eventuellen Vorbereitung weiterer Maßnahmen), der Aufbau eines Systems der Frühwarnung oder die Einrichtung entmilitarisierter Zonen. Ropers seinerseits plädiert für einen breiteren Ansatz und befürwortet in Ergänzung eine dezentral-gesellschaftlich zu organisierende Vorbeugung: "Die beste Prävention wäre es, generell die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Konflikte in einer Gesellschaft überhaupt 'zivilisiert', d.h. ohne den Rückgriff auf Gewalt ausgetragen werden." Es komme nicht nur darauf an, einzelne Konflikte friedlich zu regeln, "sondern darauf, die gesamte Art und Weise des Umgangs mit Konflikten zu zivilisieren." (1995: 26) Als Handlungsfelder einer nach diesen Maßstäben ausgerichteten Entwicklungspolitik bieten sich "Hilfen bei der Gestaltung demokratischer politischer Strukturen, Hilfe für die Vorbereitung von Wahlen, Unterstützung für den Aufbau von Nicht-Regierungsorganisationen, die Förderung der Medienvielfalt, die Dezentralisierung der Verwaltung und (...) Hilfen für den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen (...)." (Ebd.) Ferner gehören nach diesem integrierten Ansatz die präventive Abrüstung (eine Idee: Die Einführung einer internationalen Steuer auf Waffentransfer und Abführung der Gelder an die UNO), die Etablierung von Minderheitenrechte - auch in Form von kollektiven Minderheitenrechten (siehe oben) und die Ausweitung der klassischen Diplomatie zu einer "multi-track Diplomacy", an der neben der Staaten- auch die Gesellschaftswelt beteiligt ist.
b) Mediation
Mediation steht für Vermittlung. "Die Idee ist auf den ersten Blick einleuchtend, simpel, fast banal: 'Wenn zwei sich streiten, schlichtet ein Dritter'". (Siehe Friedensforum, Heft 2/1995: 30). Das Verfahren wird von Unparteiischen Dritten geleitet, die von den Konfliktparteien anerkannt sein müssen. Die Mediation entscheidet nicht, sondern gibt den Konfliktbeteiligten die Entscheidungskompetenz zurück (vgl. Könemund, 1995: 30).
Eine der wohl spektakulärsten per Mediation herbeigeführten Ergebnisse in den letzten Jahren war wohl das Osloer Abkommen zwischen Israel und der PLO von 1993. Der bei der Vermittlung maßgeblich beteiligte Holst beschreibt in einem Interview mit der "SZ", dass gerade Norwegen als ein Land, das von beiden Seiten akzeptiert wurde und selbst im Nahen Osten keine Interessen verfolgt als Mediator geeignet war.[7]Ein älteres Beispiel für eine erfolgreiche Vermittlungstätigkeit ist der 1978 von US-Präsident Carter in seiner Präsidentenwohnung Camp David vermittelte Frieden zwischen Ägypter und Israel. Hier wurde nach den legitimen Bedürfnisse[8]beider Seiten gefragt, um dann, nunmehr nicht konfrontativ sondern in Zusammenarbeit, nach einer tragfähigen Lösung zu suchen (vgl. Boubault, 1995: 37).
Es kann auch eine unabhängige Schiedsinstanz eingerichtet oder angerufen werden, die als Vermittler von den Parteien anerkannt sein muss.
c) Wirtschafts-Embargo
Ein wirtschaftliches Embargo, wie es auch Artikel 41 der UN-Charta im Falle der Gefährdung des Weltfriedens vorsieht und wie es etwa bis heute über Irak verhängt wird, gehört wohl zu den am weitest-drehenden Daumenschrauben im zivilen Bereich. Dabei wird allerdings auch die Gefahr gesehen, dass zum einen die Zivilbevölkerung unverhältnismäßig leidet und, eng damit verbunden, diese Maßnahme geeignet sein kann, den eigentlichen Konflikturhebern in die Hände zu spielen, denen es nun mittels etwaig kontrollierter Medien ein Leichtes sein kann, das Volk oder die Volksgruppe hinter sich zu bringen und ein Feindbild auf- respektive auszubauen. In der Diskussion dieses Instrumentes wird aus diesem Grund der (vage) Vorschlag gemacht, ein Embargo mit einer 'Öffentlichkeitsintervention'[9]zu flankieren, um den Betroffenen eine Möglichkeit zu geben, sich aus unabhängiger Quelle zu informieren. Ferner wird angedacht, mit Störsendern den Verlautbarungsrundfunk zu be- oder verhindern (siehe z.B. Ropers 1995).
Neben den klassischen Sanktionsmitteln gibt es auch die Überlegung, "positive Sanktionen" wie finanzielle Hilfen zu verhängen, die es einer Partei lohnender erscheinen lässt, eine Angriffshandlung oder einen Krieg zu beenden und auf der anderen Seite unlohnend macht, den Konflikt weiter gewaltsam auszutragen (vgl. Schmillen, 1993).
d) Konsolidierung (peace building)
Der Konsolidierung als Schwerpunkt hat sich beispielsweise die katholische Friedensorganisation Pax Christi verschrieben. Hier wird von der These ausgegangen, dass ein dauerhafter Frieden nach einer kriegerischen Auseinandersetzung nur dann gewährleistet werden kann, wenn eine Nachbereitung, eine Versöhnungsarbeit stattfindet, die ein Wiederaufbrechen des Konfliktes verhindern helfen. Zudem gilt Versöhnung als eine Voraussetzung, die ein Land wie Bosnien benötigt, um sich wieder entwickeln zu können.[10]
In dem Zusammenhang der Konsolidierung ist auch die Begleitung von Flüchtlingsrückführungen zu nennen, um hier das Entstehen neuer Konfliktfelder zu umgehen. Daneben gibt es auch von Seiten der UNO Überlegungen und Versuche, Bürgerkriegskonflikte mittels Waffenrückkäufen, verbunden mit Sanktionen bei Nichteinhaltung des Rückgabe-Stichtages, dauerhaft(er) "trocken zu legen".
Zur Konsolidierung gehört alsdann die Hilfe bei der (Wieder-) Herstellung des Staats- und Verwaltungsapparates, beginnend mit dem Durchführen demokratischer Wahlen (z.B. OSZE in Ex-Jugoslawien, UNO in Kambodscha).
e) Ziviler Friedensdienst
Zu den infrastrukturellen Herausforderungen einer internationalen zivilen Konfliktbearbeitung gehört sicherlich die Weiterentwicklung des Völkerrechts zur Überwindung der staatlichen Souveränität als Vorwand für die Nichteinmischung in Sachverhalte, die ihrem Wesen nach keine alleinige Staatsangelegenheiten (mehr) sind. Hier ist der ausgehandelte Vertrag zur Errichtung eines internationalen Strafgerichthofs in Rom, bei allen Unzulänglichkeiten im Detail, als Meilenstein zu bewerten, nicht zuletzt auch, um dem Universalismus der Menschenrechte stärker Rechnung zu tragen.
Insgesamt scheinen jedoch die Überlegungen zur Schaffung einer Struktur, die es ermöglicht, unabhängig von Ort und Zeit Konflikte erfolgversprechend auf zivile Art entgegenzutreten, bei den NGOs stärker vertreten zu sein als von staatlicher Politik. Die teilweise hochengagierten Gruppen sorgen unabhängig von der Politik auf der Staatenebene für eine Vernetzung und einen intensiven Gedankenaustausch. Sie sind der think tank der zivilen Konfliktbearbeitung, wohl auch aus dem Grund, da Teile dieser Gruppen den staatlichen Kräften ohnehin wenig Vertrauen entgegenbringen und für sie zivile Konfliktbearbeitung nur mit gesellschaftlichen Kräften durchzuführen ist.
Das wohl zentrale praktische Projekt der Friedensbewegung in Europa ist der Zivile Friedensdienst (ZFD). Er wurde auf Initiative von Theodor Ebert in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und im Bund für soziale Verteidigung (BSV) 1991/92 angestoßen. "Sein (gemeint: ZFD, H.P.) Ziel ist, Gewalt zu verhindern und in gewaltförmige Konflikte mit den Methoden der gewaltfreien Konfliktaustragung einzugreifen. Die Freiwilligen, Frauen und Männer jeden Alters, sollen durch eine grundlegende mehrmonatige Ausbildung zu gewaltfreien Einsätzen befähigt werden. Der ZFD soll international vernetzt und aus Steuermitteln finanziert werden."[11]Dabei strebt die Kirche den zivilen Friedensdienst als "gleichberechtigte Alternative zum Militärdienst"[12]an und versteht den ZFD als "konstruktive Antwort auf die Krise der allgemeinen Wehrpflicht". Der BSV hingegen will diesen Dienst an Stelle des Militärdienstes setzen und ihn damit substituieren[13](vgl. hierzu und zur Entwicklungsgeschichte Vogt, 1998: 59 - 62).
Das zur Konzeptentwicklung einberufene "Forum ZFD" hat inzwischen einen drei-Stufen-Plan entwickelt, an dessen Ende 100.000 Mitarbeiter in einem Zivilen Friedensdienst stehen sollen um deutlich zu machen, "dass die zivile Streitbeilegung nicht Aufgabe einiger weniger Idealisten ist."[14]Die Idee des ZFD ist inzwischen in vielen europäischen Ländern verankert, eine erstes europäisches Treffen zum Gedankenaustausch fand bereits statt, die Teilnehmer waren sich "über die Notwendigkeit einer europäischen Vernetzung einig".[15]
Neben diesen Bausteinen ziviler Konfliktbearbeitung gibt es weitere Überlegungen, die das Vorgehen in einem bereits eskalierten Konflikt betreffen, die aber, wie zugegeben wird, bislang noch von keinem durchschlagenden Erfolg in ihrer Praxistauglichkeit bestätigt wurden. So wird in Anlehnung an die Grundidee der Peace Brigades International, die gefährdeten Personen freiwillige zivile Begleiter bereitstellt, eine "gewaltfreie Intervention" diskutiert, die als unbewaffnete Menschenmenge einer Mauer gleich zwischen einen gewaltsamen Konflikt gehen soll. Argumentiert wird, dass das Ausbleiben des Erfolges bislang an der zu geringen Anzahl an Aktivisten läge. Stellt man die Anforderungen an die Persönlichkeitsstruktur in Rechnung, die derartige Aktionen an die Beteiligten stellen, kann dies allerdings wenig verwundern.
3. Zum Verhältnis von NGOs und "offizieller Seite"
a) Schwierige Grundkonstellation
Das Verhältnis zwischen den diversen NGOs und den offiziellen internationalen, vor allem aber den staatlichen Institutionen gestaltet sich als schwierig. Die zumeist aus der Pazifismusbewegung hervorgegangenen Organisationen (DFG-VK, Bund für Soziale Veteidigung, Bundesrepublik ohne Armee etc.) verbinden die Kritik an militärischer Gewalt häufig mit Herrschafts- und Staatskritik -- ja ihnen gilt die herrschaftliche Struktur von Staaten als Mitverursacher von Gewalt (sowohl nach innen als nach außen), so dass ihr in sich schlüssiger Umkehrschluß oft lautet, dass wirkliche Friedensarbeit nur 'von unten' und unabhängig von staatlicher Seite erfolgen kann. Gegenüber dem Staat gibt es ein tief verwurzeltes Mißtrauen, zuweilen eine offene und erklärte Gegnerschaft. Das Militär und sein Gebrauch wird als Mittel begriffen, staatliche Interessen durchzusetzen (was nicht immer von der Hand zu weisen ist), Diskussionen um 'humanitäre Interventionen' werden als Alibi-Motiv dahinter liegender, weit weniger heroischer Motive interpretiert, die Debatte um out-of-area wird neben dem laxen Umgang mit der Mandatsfrage als Offenbarung gedeutet, nach der die NATO schlechterdings kein Verteidigungsbündnis mehr sein kann und zugleich als Indiz für die eigentliche Absicht bewertet, das Militärbündnis für die neue Aufgabe fit zu machen, an jedem Ort dieser Welt die Interessen ihrer Mitgliedstaaten wenn nötig militärisch durchzusetzen. Kurz: Die Voraussetzungen für eine etwaige Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und mit Friedensarbeit befaßten Gruppen und Organisationen sind aufgrund diametral entgegengesetzter Auffassungen, gerade bei den fundamentalen Fragen, etwa der Gestaltung einer effektiven Friedensordnung, denkbar schlecht. Ein Staat, der an seiner Armee festzuhalten beabsichtigt widerspricht dem Axiom der meisten Friedensbewegten, nach der das Bemühen um zivile Konfliktbearbeitung mit der späteren Option militärischer Gewalt (und auch mit dem Drohen derselben) gänzlich unvereinbar ist. Sie wollen nicht in ein Konzept eingebunden sein, nach der bei eventuell erfolglosen zivilen Vermittlungen das Militär als 'letztes Mittel' schließlich eingesetzt wird.[16]Sie argumentieren, dass nur diese 'Militär-Logik' Armeen legitimiert, deren mittelfristige Abschaffung aber einer der Voraussetzungen für einen dauerhaften friedlichen Umgang ist.
Charakteristisch für die Befürworter einer stärkeren Orientierung an ziviler Konfliktbearbeitung erscheint daher allgemein ihre Auffassung zu sein, insbesondere gesellschaftliche Kräfte zu stärken und den zivilen Umgang mit Streitigkeiten zu schulen. Ihnen schwebt vor allem ein ,von unten' vor. Fast nachrangig erscheint dann die Frage, in welcher Art Konflikt diese gesellschaftlich zu erringenden Tugenden dann zum Tragen kommen.
Die Voraussetzungen eines internationalen Friedens wird in der Fähigkeit einer Gesellschaft gesehen, Konflikte regional und mit den gesellschaftlichen Kräften zu bearbeiten. Die staatliche Seite kann hiernach nur Rahmenbedingungen setzen (Gewährleistung von Minderheitenrechten u.ä.).
b) Friedensbewegte und UNO/OSZE
Nur in Ansätzen die UNO und - so weit ersichtlich - vorbehaltlos die OSZE stoßen bei den organisierten Friedensbewegten auf Akzeptanz.
Fischer nennt die Vereinten Nationen "den wichtigsten potentiellen internationalen Träger ziviler Konfliktbearbeitung" (1997: 68). Dennoch wird gegen die UNO vorgebracht, dass sie in der jetzigen Verfassung nicht in der Lage ist, diese Rolle zu bekleiden. Erfahrungen z.B. im Golfkrieg (vgl. hierzu Deiseroth 1991) oder auch die Nominierung des Generalsekretärs haben in der Vergangenheit gezeigt, dass die UNO - abgesehen von ihren chronischen finanzieller Problemen - nicht immer als unabhängig agierender Akteur betrachtet werden kann. Sehr kritisch begleitet werden auch die Blauhelm-Einsätze[17]und die schwierige Konstellation zwischen humanitärer Hilfe, bloßer Selbstverteidigung der Truppen und militärischem Intervention. "Die Logik von der Vorrangigkeit des Militärischen hat innerhalb der Vereinten Nationen inzwischen Fuß gefaßt." (Fischer, 1997: 69) Mißtrauisch beäugt wird vor allem die weite Auslegung der UN-Charta hinsichtlich des Begriffs der Gefährdung des Weltfriedens, der auch bei regionalen Konflikten herangezogen wird, um 'humanitär-militärisch' zu intervenieren.
Der Vorwurf, welcher der OSZE gemacht wird, indem nämlich ihr Bedeutungsverlust innerhalb einer europäischen Sicherheitsarchitektur gerade im Vergleich zur NATO und zur WEU beklagt wird, trifft im Kern die europäisch-amerikanischen sicherheitspolitischen Entscheidungsträger, die diese Situation zu verantworten haben (oder ihr wenigstens nicht tatkräftig begegnen), nicht aber die Institutionen dieser Organisation und ihre Arbeit selbst. Im Gegenteil: Die über Jahrzehnte entwickelten Mechanismen[18]zwischenstaatlicher Zusammenarbeit auch und insbesondere hinsichtlich der Menschenrechtsfragen dienen als Modell einer auf Kooperation angelegten Politik, die letztlich besser geeignet sei, Konflikte zu lösen, als eine auf Konfrontation setzende Politik der kollektiven Verteidigung. Und tatsächlich scheinen, zumal nach dem Ende des Kalten Krieges, diese Instrumente der länderübergreifenden Zusammenarbeit und das damit relativierte "Totschlagargument" der staatlichen Souveränität ein angemesseneres, zeitgemäßeres Vorgehen zu sein, eine friedliche Ordnung herzustellen bzw. eine Grundlage für die zivile Vermittlung bei aufbrechenden Streitigkeiten über Staatsgrenzen hinweg zu schaffen.
c) Gegen- oder Miteinander von staatlichen und gesellschaftlichen Kräften?
Das problematische Verhältnis von Organisationen der Friedensarbeit und staatlicher Politik erschwert eine sinnvolle Zusammenarbeit. Dabei kann weder staatliches Handeln noch eine Vernetzung gesellschaftlicher Gruppen allein die Probleme lösen. Insgesamt muss ein 'von unten' und ein 'von oben' zusammenkommen, um langfristig ein Netzwerk der zivilen Konfliktbearbeitung international zu etablieren. Denn einerseits kann die notwendige gesellschaftliche Verankerung nur durch vor Ort verwurzelte und akzeptierte Gruppen gewährleistet werden. Wildberger sieht die Rolle der NGOs als Andockpunkt bei einer Streitvermittlung: "Als unabhängige Organisationen sind NGOs erstens nicht von der offiziellen Einwilligung der Konfliktregierungen und -parteien abhängig. In Guatemala oder El Salvador zum Beispiel konnte die UNO ihre Friedensmissionen erst nach der Aufnahme offizieller Friedensverhandlungen beginnen. Demgegenüber genügte den NGOs die Einladung von betroffenen Gruppen aus der Bevölkerung. Dank ihrem internationalen Hintergrund mussten die Regierungen sie einigermaßen dulden. So können NGOs mithelfen, Gewalt einzudämmen und das Klima für offizielle Friedensschritte und UNO-Missionen vorzubereiten."[19]
Zur Verstetigung zivilen Engagements erscheint es auf der anderen Seite hilfreich, wenn von staatlicher Seite oder von Seite einer offiziellen internationalen Organisation eine Moderationsrolle übernommen wird. Zudem sind Regierungen in Konflikten in der Regel zentrale Akteure und ein Friedensschluß ohne sie kaum möglich.
Eine von Spenden unabhängige 'Basis-Institutionalisierung' ziviler Konfliktbearbeitung erscheint nur über den offiziellen Weg erreichbar. Darüber hinaus ist der von pazifistischer Seite eingeforderte Paradigmenwechsel von militärischer Intervention zur zivilen Konfliktbearbeitung auch hinsichtlich der finanziellen Aufwendungen nur von den über diese Mittel Verfügenden tatkräftig einzuleiten.[20]
4. Wahrnehmungsdefizit hinsichtlich der zivilen Konfliktbearbeitung
Die heutige Situation spiegelt ein Mißverhältnis wider: Obwohl der zivilen Bearbeitung von Konflikten (auch völkerrechtlich; siehe Kapitel VI und VII der UN-Charta) der militärischen vorzuziehen ist, fristet die Debatte um die zivile Streitbeilegung im Vergleich zur militärischen ein Schattendasein.
Die These, die hier vertreten werden soll ist die, dass dieser Umstand weniger an der vermeintlichen Erfolglosigkeit ziviler Konfliktlösungsstrategien liegt, sondern vielmehr an der wenigen Popularität, die diesen Fragen in der Öffentlichkeit, aber auch bei den staatlichen Institutionen zukommt.[21]Weiter zugespitzt: Das Problem der Frage nach der zivilen Alternative, Konflikte zu lösen, ist im Kern weniger ein Anwendungsproblem als vielmehr ein Bekanntheits- und in seiner Folge Akzeptanzproblem.
Die Diskussion darüber, ob Militärinterventionen notwendig sind überlagert Überlegungen darüber, wie Konflikte zivil zu lösen sind. Das scheint vor allem damit zu tun zu haben, dass die Diskussion erst in Verbindung mit bereits zugespitzten, oft schon gewaltsam ausgetragenen Konflikten einsetzt. Demgegenüber ist die zivile Konfliktbearbeitung in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit unterbewertet da in der Regel ein Kristallisationspunkt fehlt, diese Debatte einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. "Anders als die Berichte über anhaltende und verheerende Kriege finden Nachrichten über Fälle, in denen Konflikte auf diese Weise beigelegt werden oder jedenfalls entsprechende Teilschritte dazu unternommen werden, in der Öffentlichkeit wenig Aufmerksamkeit." (Klotz, 1996: 37) So lässt sich erklären, dass die im Prinzip sehr umfassende Feld der Instrumente und Möglichkeiten zum Erhalt bzw. dem Wiederherstellen des Friedens weitgehend auf die Frage der Militärinterventionen bei bereits gewaltsam ausgebrochenen Konflikten reduziert wird.
Für das Wahrnehmungsdefizit ziviler Konfliktbearbeitung ist zu einem beträchtlichen Teil die Funktionsweise der Medien verantwortlich zu machen. Diese interessieren sich für internationale Konflikte in aller Regel erst in einer äußerst zugespitzten Phase. Das aber die Anwendung ziviler Strategien mit fortlaufendem Stadium des Konflikts schwieriger werden, ist unmittelbar einsichtig. Damit wiederum ist klar, dass zivile Konfliktlösung um ihrer Erfolgschancen willen maßgeblich eine Frage des (frühen) Zeitpunktes ihres Einsatzes ist. Die Eindämmung eines Konfliktes zu einem Zeitpunkt aber, zudem der Konflikt der (Welt-) Öffentlichkeit gar nicht als solcher vor Augen geführt wurde, ist schlechterdings nicht geeignet, als Werbung dieser Form der Konfliktbearbeitung Verwendung zu finden. Man kann hier von einem "Wahrnehmungsdilemma ziviler Konfliktstrategien" sprechen: Ihre Erfolge bleiben fast zwangsläufig unterbelichtet; ist das Interesse an einem Konflikt aber international geweckt (d.h. bereits eskaliert) ist die Anwendung schwieriger, ihr Scheitern wahrscheinlicher, das Bild über ihre Möglichkeiten und Grenzen wird verzerrt. Nach Abzug der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wiederum sind komplexe Anstrengungen ziviler Natur notwendig, die einerseits Voraussetzungen für dauerhaftes friedliches Zusammenleben erst ermöglichen können, jedoch abermals nicht gebührend zur Kenntnis genommen werden. Diese Schwierigkeit der Aufmerksamkeit wirkt auf der anderen Seite auf die Reaktion der Staatengemeinschaft in Konfliktsituationen zurück: "Die Mittel für eine bescheidene Fact-Finding- und Vermittlungsinitiative für einen Konflikt aufzutreiben, über den der amerikanische Sender CNN noch nicht berichtet hat oder in dem es noch keine Toten gibt, ist meist sehr viel schwieriger, als wenig später ein Mehrfaches dieser Kosten für eine humanitäre Aktion der Opfer dieses Konfliktes zusammenzubekommen." (Ropers, 1995: 23)
Fazit
Der beschriebene breite Ansatz ziviler Konfliktbearbeitung ist richtig, wo er das Verständnis für Ursachen von Konflikten und ihrer Eskalation erweitert und wird dann problematisch, wenn er in Gestalt einer Kampfansage an die vorzufindende Weltordnung daherkommt. Dass diese beiden Seiten schwer voneinander zu trennen sind, ja, das gerade die Friedensbewegten von einer Trennung nicht absehen können und wollen, da die globalen Zu- und Mißstände ihnen oft als die grundlegende Ursache gilt macht die Sache so kompliziert: Ist es möglich und wie ist es möglich, frei von Ideologie in der Sache zu argumentieren, die an sich wenig strittig ist: Konflikte friedlich lösen zu wollen. Nahezu unmöglich erscheint die Vermittlung des Ansatzes jedoch dann, wenn er mit umfassender Staats-, Herrschafts-, Kapitalismus- und Imperialismuskritik verbunden wird, den 'Wurzeln allen Übels' eben. Diese Sicht der Dinge, auch wenn sie schlüssig und nachvollziehbar sein mag, verliert schnell den einzelnen Konflikt aus dem Auge und damit Überlegungen, hier konkret zivile Hilfe zu seinem Abklingen zu leisten.
Neben dem 'Image-Problem' ist in der heutigen Situation der Stückwerk-Charakter, mit dem die zivile Bearbeitung von Konflikten betrieben wird, eine weitere Schwierigkeit. Das ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass die Initiativen in aller Regel von NGOs ausgehen, ohne das hier auf eine institutionalisierte einigende Klammer zurückgegriffen werden könnte, welche die Aktivitäten bündelt und innerhalb welcher sich über die Ziele der Initiativen ausgetauscht werden könnte. Die Etablierung eines solchen Netzwerkes könnte (je nach Ebene) eine Aufgabe des Staates bzw. der Staatengemeinschaft sein, der/die die vorhandenen gesellschaftlich verwurzelte Organisationen zu einer geschlosseneren Struktur zusammenfügt und die Aufgaben dieser "Meta-Organisation" über den ersten Anlass hinaus zu verstetigen sucht (vgl. auch den Entwurf einer Infrastruktur von Calleiß 1996). Mit der Etablierung einer Struktur ziviler Konfliktbearbeitung würden zum einen die Aufgaben von der Abhängigkeit persönlicher Initiativen (und ihrem tatsächlichen Eintreten) befreit und ein Eingreifen mit zivilen Mitteln im Rahmen der Möglichkeiten ,garantiert'. Zum anderen wird nur so die Voraussetzung für ein koordiniertes Handeln geschaffen.[22]Dem entgegen kann man den Eindruck gewinnen, als stünde die Einigkeit über das Primat friedlicher Konfliktbearbeitung im umgekehrten Verhältnis zu den Anstrengungen, hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn aber der zivilen Konfliktbearbeitung der militärischen Intervention der Vorzug zu geben ist, darf eine ernsthafte Suche nach zivilen Strategien dann auch nicht das Nischen-Image angehaftet werden. Mehr noch: Die Suche nach zivilen Optionen und eine entsprechende Vernetzung mit dem Ziel, dass jeder Konflikt in jeder Phase der zivilen Bearbeitung zugänglich gemacht werden soll, muss dann auch zu einer zentralen Aufgabe der (Welt-) Gesellschaft werden, will sie Streitigkeiten zukünftig unblutig zu lösen trachten.
Die zivile Konfliktbearbeitung setzt ein positives Menschenbild voraus und traut den Menschen und Gesellschaften zu, lernfähig zu sein. Der Einzelne und die Gruppen werden in diesem Konzept zu Trägern von Verantwortung, die zuvor staatlichen und internationalen Organisationen vorbehalten war. Hier liegt ihr grundsätzlich anderer Ansatz, indem nämlich die Beteiligten selbst in Verhandlung miteinander zu Ergebnissen kommen müssen. Den gesellschaftlichen Kräften wird eher zugetraut als nur der offiziellen Seite, auf dem Weg zu einer friedlichen Koexistenz von Völkern und Menschen ein Stück weit voran zu kommen. Als Prämisse aller referierten Überlegungen steht die Überzeugung, dass sich das Zusammenleben friedlicher gestalten lässt, es hier nur der Erkenntnisse und langen Implementationsprozesse bedarf. Entgegen früherer Geschichtsauffassungen wird dieser Weg aber nicht automatisch mit dem Lauf der Historie wie von selbst eingeschlagen. Es bedarf hier der aktiven Beteiligung von einzelnen Menschen, kleinen Gruppen, internationalen Organisationen, staatlichen Zusammenschlüssen und schließlich der Staaten selbst.
[1]Sicherlich gab es auch vor der 89er-Wende eine Menge ungelöster Konflikte, in denen die Ethnie als Faktor eine Rolle spielte, insbesondere im Zusammenhang mit der aufgezwungenen Staatenziehung in Afrika und der leidlich begleiteten Dekolonalisierung. Dennoch kann man nach dem Ende des Kalten Krieges davon sprechen, dass dieser Konflikttyp nun verstärkt zum Tragen kommt.
[2]Nachzulesen im Internet unter: http://www.dfg-vk.de/abruestung/boa21_4.htm (Stand: 25.11.1998)
[3]Siehe im Internet unter: http://ekibb.com/info/misc/zivil.htm#1 (Stand: 15.6.1998)
[4]Zur Illustration ein Zitat aus dem Pazifismuspapier der Deutschen Friedensgesellschaft/ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen: "Es ist also nicht nur die Verwirklichung unserer Utopie einer herrschaftslosen, gewaltfreien Weltgesellschaft, die ein umfassendes Projekt der Gewaltfreiheit braucht. Es sind die verschiedenen elementaren Herausforderungen an Möglichkeit und Qualität zukünftigen Lebens auf diesem Globus, die für die Verwirklichung umfassender Gewaltfreiheit sprechen." Nachzulesen im Internet unter:
http://dfg-vk.de/diskussion/dispazif.htm (Stand: 25.11.1998)
Etwas konkreter aber ähnlich umfassend Fischer: "Der effektivste Beitrag zur Konfliktprävention und Eindämmung würde von den westlichen Industriestaaten und damit auch von Staatenorganisationen wie der EU dadurch geleistet werden, dass durch eine veränderte Wirtschaftsweise hier und durch die gerechtere Gestaltung von Handelsbeziehungen einerseits sowie durch aktive Hilfemaßnahmen in den konfliktträchtigen Regionen andererseits wirkliche Entwicklungsprozesse angeschoben werden, welche Voraussetzungen für Prozesse gesellschaftlicher Zivilisierung (Demokratisierung, politische Partizipation, soziale Gerechtigkeit, ökologisches Wirtschaften) schaffen." (1997: 72)
[5]Nachzulesen im Internet unter: http://www.friedenskooperative.de/ff/ff97/5-15.htm (Stand: 25.11.1998).
[6]Die Anerkennung dieser Eigenheiten oder das Zuteilen von Rechten kann je nach dem Grad der Konzentriertheit der einzelnen Ethnie nach dem territorialen Prinzip (d.h. etwa mittels territorialer Autonomie) oder dem personalen Prinzip, bei dem "die Kollektivrechte eines Volkes oder einer Minderheit auf das Individuum übertragen" werden (S.380) (wie z.B. mittels Nationalrat, Quotenregelung u.ä. - siehe insbesondere Übersicht auf S.382) erfolgen.
[7]Eine weitere Voraussetzung für den Erfolg der Verhandlungen war ihre lange Geheimhaltung, so dass ein vorzeitiges Zerreden in der Öffentlichkeit nicht möglich war (vgl. SZ vom 18./19.9.1993).
[8]Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass Positionen und Interessen nicht identisch sind. Es ist gerade Aufgabe der Mediation, die wirklichen Interessen der beteiligten Parteien herauszufinden, um anschließend eine gemeinsame Lösung anzustreben.
[9]Dieser Begriff taucht im Pazifismuspapier der Deutschen Friedensgesellschaft/ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnenauf. Nachzulesen im Internet unter: http://dfg-vk.de/diskussion/dispazif.htm (Stand: 25.11.1998)
[10]Siehe hierzu: "pax christi - Friedensdienste in Bosnien: erste Schritte auf dem zivilen Weg." Nachzulesen im Internet unter: http://homepages.muenchen.org/bm974548/friedensdienste/faltblatt.html
(Stand: 25.11.1998)
[11]Ziviler Friedensdienst. 18 Fragen - 18 Antworten. Nachzulesen im Internet unter: http://homepages.muenchen.org/bm974548/friedensdienste/zfd.html (Stand: 25.11.1998)
[12]Siehe http://ekibb.com/info/misc/zivil.htm#1 (Stand: 15.6.1998)
[13]Diese Auseinandersetzung kann stellvertretend für den großen Konflikt innerhalb der Friedensbewegten angesehen werden (vgl Buro 1997 und die direkte Auseinandersetzung von Narr 1997 und die Erwiderung von Vogt 1998). Es geht dabei um die Frage, ob ein ZFD überhaupt innerhalb des vorgegebenen sicherheitspolitischen (militärischen) Rahmens Sinn gibt oder nicht. Die Sorge, dass der ZFD zum Feigenblatt einer weiterhin militärisch denkenden Politik degradiert (Buro, Narr) steht die Hoffnung gegenüber, zunächst überhaupt etwas in Bewegung zu setzen und sich dem "Reinheitsgebot unserer pazifistischen Grundüberzeugung" (Vogt) zu widersetzen.
[14]Ziviler Friedensdienst. 18 Fragen - 18 Antworten. Nachzulesen im Internet unter: http://homepages.muenchen.org/bm974548/friedensdienste/zfd.html (Stand: 25.11.1998)
[15]Siehe Störk: "Weitgehender inhaltlicher Konsens am ersten europäischen Treffen für einen Zivilen Friedensdienst von unten". Nachzulesen im Internet unter: http://www.gsoa.ch/Zitig/72/12zfd.htm (Stand: 25.11.1998)
[16]Als Beispiel hier nur ein Zitat aus dem Pazifismuspapier der Deutschen Friedensgesellschaft/ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen: "(...) Dabei ist aber gleichzeitig klar, dass bei der Zivilen Konfliktbearbeitung militärische Mittel und Methoden der Konfliktbearbeitung ausgeschlossen werden müssen. Das heißt, dass es nach unserem Verständnis also keine Aufgabenteilung zwischen ziviler und militärischer Konfliktbearbeitung geben kann. Also keine Eskalationsleiter mit zivilen Mitteln am unteren Ende und militärischer Gewalt auf den höheren Sprossen." Nachzulesen im Internet unter: http://dfg-vk.de/diskussion/dispazif.htm (Stand: 25.11.1998)
[17]Vor allem festgemacht an dem Einsatz in Somalia, in dem die UN-Truppen sich selbst als Partei in den Krieg hineinziehen ließen und ihr klarer humanitärer Auftrag verwischt wurde - vgl. Birkenbach/Jäger/Wellmann, 1996: 17
[18]Siehe hierzu Lübkemeier, 1995. Auch die Institutionen dieser Organisation wie das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte oder der Hohe Kommissar für nationale Minderheiten entsprechen eher den 'ganzheitlichen' und auf Zusammenarbeit ausgerichteten Ideen der zivilen Konfliktbearbeitung.
[19]Nachzulesen im Internet unter: http://www.gsoa.ch/Zitig/71/friedens.htm (Stand: 25.11.1998)
[20]Der Versuch, einen Zivilen Friedensdienst zu etablieren, kann ein Beispiel für die Zusammenarbeit mit dem Staat sein. So übernahm Nordrhein-Westfalen in einem Modellvorhaben die Kosten für die Ausbildung der ersten Trainer der friedlichen Konfliktbearbeitung. Gefordert werden von den Organisatoren vom Gesetzgeber Regelungen, die die Rahmenbedingungen für einen solchen freiwilligen Dienst schaffen (Anerkennung als Kriegsdienstverweigerung, Finanzierung aus Steuermitteln, Versicherung der Freiwilligen etc.). Siehe: Ziviler Friedensdienst. 18 Fragen - 18 Antworten. Nachzulesen im Internet unter: http://homepages.muenchen.org/bm974548/friedensdienste/zfd.html (Stand: 25.11.1998)
[21]Hier könnte man als Beispiel etwa daran denken, dass die OSZE in den baltischen Staaten präventiv und konfliktlindernd gewirkt hat, um das Zusammenleben mit den Russen zu ent-problematisieren.
[22]Siehe das Problem unterschiedlicher Konzepte in Jugoslawien bei Calleiß, 1996: 403
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