Mauerbau und Berlinfrage
Aspekte zweistaatlicher Zeitgeschichte
I. Einleitung
II. Phasen der Entwicklung der Berlinproblematik
1. Die Entstehung von West- und Ost-Berlin
2. Die Integration der Berlinteile in West und Ost (1949-1953)
2.1. Berlin-West
2.2. Berlin-Ost
3. Berlin als Schauplatz politischer und gesellschaftlicher Konfrontation
(1949-1957)
4. Berlinkrise und Mauerbau (1957-1961)
4. 1. Das sowjetische Ultimatum vom November
1958
4. 2. Die östliche Perzeption der Funktionen
West-Berlins
4. 3. Die westliche Perzeption der Funktionen
West-Berlins
4. 4. Vom Ultimatum zur Mauer
4. 5. Die Situation nach dem Mauerbau
4. 6. Die Bedeutung des Mauerbaus für
die DDR
4. 7. Die Bedeutung des Mauerbaus für
die BRD und West-Berlin
5. Erste Enspannungstendenzen nach Ende der 2. Berlinkrise (1962-1964)
5. 1. Berlin (West)
5. 2. Berlin (Ost)
6. Berlin als Ort deutsch-deutscher Koexistenz (1964 -1972)
6. 1. Das Vier-Mächte-Abkommen
7. Bewährung der Koexistenz
8. Deutsch-deutsche Entspannung in den 80'ern
9. Der Fall der Mauer und das Ende der Berlinfrage
III. Schlußbetrachtung
IV. Literatur
I. Einleitung
Berlin markierte in den Ost-West-Beziehungen zwischen den Supermächten und den beiden deutschen Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges einen markanten Kristallisationspunkt. Die Stadt schöpfte ihre Bedeutung jedoch weniger aus sich selbst heraus, sondern aus der Rolle, die sie für den Ost-West-Konflikt spielte. Kraft und Gegenkraft, ausgehend von der BRD, der DDR und deren Verbündeten USA und Sowjetunion stießen hier besonders augenscheinlich zusammen.
Vom Beginn der offenen Konfrontation der USA und der Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Wiedervereinigung Deutschlands und dem Wegfallen des Berlinproblems lassen sich an diesem Ort die Dominanz-, Eindämmungs-, Befreiungs-, Konsolidierungs-, Konfrontations- und Entspannungsperioden in der Politik der beiden deutschen Staaten und des Ost-West-Konfliktes betrachten. An Phasen der geschichtlichen Entwicklung seit Kriegsende sollen dabei die oben genannten Kategorien untersucht und eingeordnet werden.
Das Phänomen der Mauer, die zweifelhaftes Wahrzeichen und Mahnmahl für das geteilte Deutschland wurde, soll dabei als Exkurs analytisch behandelt werden. Die politische Funktion der Mauer, auch im Bezug auf die Problematik der doppelten deutschen Geschichte, die negativen und sofern vorhanden, auch die positiven Folgen dieses deutschen Bauwerkes, sollen dabei einer näheren Betrachtung unterzogen werden.
II. Phasen der Entwicklung der Berlinproblematik
1. Die Entstehung von West- und Ost-Berlin
Am 12. September 1944 einigten sich die Alliierten im "Londoner Protokoll
über die Besatzungszonen in
Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin" über die
Teilung Berlins in einen englischen, amerikanischen
und sowjetischen Sektor und die Einrichtung einer interalliierten Regierungsbehörde,
der "Kommandantur".
Diese Kommandantur sollte dem Alliierten Kontrollrat unterstehen, der
als Regierungsbehörde der
Siegermächte die oberste Gewalt in Deutschland ausüben sollte.
Diese Londoner Vereinbarung wurden von
den Alliierten Regierungschefs auf der Konferenz von Jalta im Februar
1945 nochmals ausdrücklich gebilligt.
Am 1. Juli 1945 räumten die USA die von ihnen in Sachsen und Thüringen
eroberten Gebiete und zogen
gemäß den Vereinbarungen in Berlin ein. Zuvor waren Bemühungen
der Westmächte, die Sowjetunion zu
veranlassen, die Bildung des französischen Sektors mit Gebietsabtritten
zu unterstützen, gescheitert.
Als die Westmächte schließlich am 11. Juli 1945 in den Westsektoren
der Stadt die Befehlsgewalt im Rahmen
der Alliierten Kommandantur in Berlin übernahmen, erwartete sie
eine mißliebige Überraschung. In Berlin hatte
schon einen Tag nach der Kapitulation der deutschen Truppen, die von
Moskau unterstützte "Initiativgruppe"
unter der Leitung Walter Ulbrichts mit dem Aufbau von Verwaltung, Parteien
und Gewerkschaften begonnen.
Der bereits wieder funktionsfähige Verwaltungsapparat in Berlin
war in seinen Schlüsselstellungen fast
durchgehend von Kommunisten besetzt. Es gelang jedoch in kurzer Zeit
die entsprechenden Stellen neu zu
besetzen und die Verwaltung in den Westalliierten Besatzungszonen entsprechend
umzuformen. Während die
Sowjetunion den von ihr gebildeten Magistrat der Stadt unterstützte,
verfolgten die Westmächte mit der
Stärkung ihrer Bezirksverwaltungen eine genau entgegengerichtete
Politik. Die im November 1945 in den
Westsektoren eingerichteten Verwaltungsgerichte ermöglichten die
Überprüfung von Magistratsverordnungen
anhand demokratischer Rechtsgrundsätze. Während in den Westsektoren
die Zurückdrängung des
sowjetischen Einflusses fortschritt, konnte die KPD ihren Einfluß
im Ostsektor rasch ausbauen. Ihren
mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung sollte die Vereinigung
mit der SPD zur Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands beseitigen. Der sofortige Zusammenschluß der beiden
Parteien, der am 21./22. April 1946
erfolgte, wurde in den Westsektoren jedoch bei einer Urabstimmung von
der Mehrheit der SPD Mitglieder
verhindert.
Das Scheitern der Tagung des Außenministerrates im März und
April 1947 über Fragen der Einheit
Deutschlands, der Ruhrgebietskontrolle und der Reparationen sowie der
tiefe ökonomische Einbruch in
diesem Jahr verstärkten im westlichen Lager die Krisenerscheinungen.
Am 5. Juni 1947 verkündeten die USA
den Marshall-Plan zum Wiederaufbau der europäischen Staaten. Nach
der Ablehnung amerikanischer
Unterstützung durch die osteuropäischen Staaten, schien es,
als ob sich die deutsche Frage durch die
wirtschaftliche Übermacht der Westgebiete lösen lassen könnte.
Auf Beschluß des Berliner Magistrats wurde
am 15. Januar 1947 der britische und amerikanische Sektor Berlins wirtschaftlich
der Bizone angeschlossen.
Firmen in den Westsektoren nahmen bevorzugt Geschäftsbeziehungen
zum Westen auf und schränkten ihre
Beziehungen zum Ostsektor der Stadt immer mehr ein. Im Gegenzug versuchte
die Sowjetunion den
Westmächten ihre Anwesenheit in Berlin zu verleiden. Behinderung
der Versorgung der Westsektoren,
Beschlagnahmungen von westlichen Zeitungen, Behinderung des Verkehrs
und Verhaftungen von
amerikanischem Militärpersonal waren an der Tagesordnung. Als
schließlich im Juni 1947 Ernst Reuter (SPD)
seinen Parteigenossen Ostrowski wegen dessen angeblichen Konzessionspolitik
gegenüber der UdSSR als
Oberbürgermeister ablöste, reagierte die Sowjetunion mit
offener Ablehnung und einer politischen Überprüfung
aller Bezirksbürgermeister im Ostsektor.
Das weitere Schicksal Berlins entschied sich jedoch auf übergeordneter
Ebene. Nach dem Scheitern der
Londoner Außenministertagung im November und Dezember 1947 erfolgte
auf westlicher Seite in der
Frankfurter Konferenz vom 7./8.1. 1948 der Beschluß zur Erweiterung
der deutschen Bizonenverwaltung, der
Einrichtung einer Länderkammer, eines obersten Gerichtshofes und
einer Emissionsbank. Die sowjetische
Militäradministration in Deutschland (SMAD) reagierte am 12.2.1948
darauf mit der Gründung einer deutschen
Wirtschaftskommission für die Verwaltung der sowjetischen Besatzungszone.
Mit dem Beitritt der
französischen Gebiete zur Trizone am 20.2.1948 war die wirtschaftliche
Teilung Deutschlands faktisch
besiegelt. Die politischen Konsequenzen aus der fortschreitenden ideologischen
und gesellschaftlichen
Entzweiung Deutschlands wurden auf beiden Seiten etwa einen Monat später
gezogen. Während am 17./18.3
1948 sich im Osten ein "Deutscher Volksrat" mit der Ausarbeitung einer
Verfassung für eine Deutsche
Demokratische Republik befaßte, begannen im Westen einen Tag
später die Verhandlungen über einen
Zusammenschluß der drei Westzonen zu einem einheitlichen Staatswesen.
Während im Westen die Frage
nach dem Sitz der Regierung des zu schaffenden Staates noch lange eine
Streitpukt blieb, war im Osten die
politische Entscheidung der Hauptstadtfrage schon gefallen. Der Verfassungsentwurf
des "Deutschen
Volksrates", der die DDR-Verfassung ausarbeitete sah Berlin, die ehemalige
Hauptstadt des Deutschen
Reiches weiter eindeutig als Hauptstadt ganz Deutschlands vor.
In Berlin verschärften sich ab April 1948 die Zustände. Zuvor
hatte am 20. März Marschall Sokolowski den
Alliierten Kontrollrat verlassen und damit die gemeinsame Viermächte-Verwaltung
Deutschlands zum Erliegen
gebracht. Die sowjetische Militäradministration erließ in
der Folgezeit eine Reihe von Reise-, Zugangs- und
Transportbeschränkungen für Waren und Personen der Westzonen.
Am 16. Juni 1948 verließ der sowjetische
Vertreter die Berliner Kommandantur, um deutlich zu machen, dass
Berlin ein Teil der sowjetischen
Besatzungszone sei. Auf die Ankündigung einer Währungsreform
für die westlichen Besatzungszonen am
18.6.1948 erklärte der sowjetische Militärgouverneur Sokolowski,
dass ganz Berlin wirtschaftlich ein Teil der
Sowjetzone sei und die Einführung einer neuen Währung nicht
geduldet werde. Als Druckmittel wurde ab dem
19.6.1948 der Passagierzugverkehr, sowie die Autobahnverbindungen für
Zivilgüter und -personen von der
Sowjetunion unterbunden. Doch keine der beiden Seiten war bereit zum
Nachgeben. Als Miniatur des praktisch
geteilten Deutschlands kursierten ab dem 24.6.1948 in Berlin zwei Währungen.
Zum einen die DM-Ost, die von
der Sowjetunion überraschend am 22./23.6 eingeführt wurde,
zum anderen die DM-West, die als Konzession
an die Sowjetunion zur ihrer Verwendung in Berlin ein zusätzliches
"B" als Aufdruck erhielt.
Nachdem deutlich geworden war, dass die Westmächte sich nicht
hindern ließen, ihre Besatzungszonen zur
Bundesrepublik Deutschland zusammenzufassen, konnte die Sowjetunion
deren Sektoren in Berlin als
Faustpfand benutzen. Am 24.6.1948 erfolgte die vollständige Blockade
aller terrestrischen Verkehrswege von
und nach Berlin. Marschall Sokolowski erklärte, dass die
Alliierte Kommandantur praktisch aufgehört habe als
ein Organ für die Verwaltung der Stadt zu existieren. Der Berliner
Magistrat hatte in dieser Situation keinerlei
Handlungsspielraum mehr. Befehle und Gegenbefehle der Besatzungsmächte
hoben sich auf, ein Befolgen von
Anordnungen der einen Seite hatte Repressalien der anderen zur Folge.
Doch der Widerstandswille der
Westberliner Bürger zeigte sich bald in spontanen Demonstrationen.
Der amerikanische Stadtkommandant verkündete dadurch bestärkt
am 24.6.1948, dass die Vereinigten
Staaten nur durch einen Krieg aus Berlin vertrieben werden könnten.
Präsident Truman befahl am folgenden
Tag die Verlegung von B-29 Atombombern nach Deutschland und die Aufnahme
einer Luftbrücke zur
Versorgung Berlins. Fortan erfolgte die Versorgung der 2 Millionen
Westberliner mit Versorgungsgütern durch
die einzige offene Verkehrsverbindung. Von den Westberlinern nahmen
nur etwa 100.000 das östliche
Angebot an, sich im Ostsektor Karten zu besorgen, um dort Lebensmittel
und Kohle zu kaufen. Während die
Sowjetunion die Ausdehnung ihrer Verantwortlichkeit auf alle Sektoren
unter Berufung auf die Zerstörung der
Einheit Deutschlands durch die Westmächte forderte, versteiften
diese sich auf die Beibehaltung der
westlichen Verantwortlichkeit im Rahmen der Viermächteverwaltung
ganz Berlins. In der Sowjetunion musste
man sich bald das Scheitern der Blockade eingestehen. Sie hatte bei
den Westmächten nur zu einer weiteren
Solidarisierung mit der Stadt und ihren Bewohnern geführt. Durch
die Schutzgarantien für Berlin hatte sich das
Verhältnis der Bevölkerung in West-Berlin und den Westzonen
zu den Westalliierten grundlegend gewandelt.
Besonders die USA wurden jetzt als Schutzmacht gegenüber dem expansiven
Vorgehen der Sowjetunion
empfunden. Am 4. Mai 1949 fand sich die Sowjetunion im New Yorker Viermächte-Abkommen
bereit, die
Blockade zu beenden.
Westliche Konzessionsangebote bezüglich der Währungsfrage
in West-Berlin in den folgenden drei Monaten
blieben ohne Erfolg, da die Sowjetunion die Berlin-Frage mittlerweile
von der Entstehung eines Westdeutschen
Staates abhängig machte. Dennoch wählte die mittlerweile
in den Westteil umgesiedelte
Stadtverordnetenversammlung unter Abwesenheit der SED-Fraktion fünf
beratende Vertreter für den
Parlamentarischen Rat, der gemäß den "Frankfurter Dokumenten"
das Grundgesetz erarbeiten sollte.
Ende November 1948 war die Teilung Berlins in ein Berlin-West und ein
Berlin-Ost nahezu vollendet, nachdem
auch der Magistrat gespalten oder aus dem Ostsektor vertrieben worden
war und die Integration der Trizone in
die westeuropäische Gemeinschaft immer offensichtlicher wurde.
Am 2. Dezember 1948 erhielt ein im Ostteil
neu gebildeter Magistrat die alleinige Anerkennung des sowjetischen
Stadtkommandanten, während die
Westmächte ausschließlich den alten, jetzt im Westteil regierenden
Magistrat als legitim anerkannten. Die
Spaltung Deutschlands in zwei Teilgebiete hatte auch zur Aufteilung
Berlins in zwei Stadthälften geführt.
Während die Westmächte versuchten, das Viermächtestatut
in ganz Berlin zu bewahren, versuchte die
Sowjetunion als Reaktion auf die Einigung der westdeutschen Zonen,
ihre ehemaligen Alliierten aus der Stadt
zu verdrängen. Mit diesem Gegensatz wurde den meisten Gesamtberliner
Institutionen die Existenzgrundlage
entzogen und die gesellschaftliche Spaltung der Stadt vorbereitet.
2. Die Integration der Berlinteile in West und Ost (1949-1953)
Die Situation in Berlin in den Jahren 1949 bis 1952 war von der Integration
des Westteils in die Bundesrepublik
und die des Ostteiles in die Deutsche Demokratische Republik geprägt.
Gleichzeitig erfolgte die Einbindung
der beiden deutschen Staaten in die west- bzw. osteuropäische
Staatengemeinschaft.
2.1. Berlin-West
Die Blockade Berlins hatte den Entschluß der Westmächte beschleunigt,
in den Westzonen einen neuen,
freiheitlichen Staat entstehen zu lassen. Im Gegensatz zur Situation
in der Ostzone wurde aufgrund des Status
von Berlin, die Stadt als möglicher Sitz einer westdeutschen Regierung
ausgeschlossen. Für die
Westdeutschen Verfassungsväter stellte sich jedoch die Frage,
wie es möglich sei, die als Insel in der SBZ
liegende Stadt in die neue westdeutsche Republik zu integrieren. Schon
am 9.2.1949 hatte der
Parlamentarische Rat beschlossen, Berlin als zwölftes Bundesland
in den Geltungsbereich des Grundgesetzes
einzubeziehen, musste sich jedoch nach einem Einspruch der Westmächte
mit einer beratenden Funktion der
Berliner Abgeordneten zufriedengeben. Ziel dieser Bemühungen war
die wirtschaftliche und gesellschaftliche
Integration der Westsektoren in die BRD. Wirtschaftliche Vergünstigungen,
die ab März 1949 in Kraft traten,
sollten der Berliner Wirtschaft helfen, die Wettbewerbsnachteile auszugleichen,
welche ihr durch die periphere
Lage ihres Standortes erwachsen waren. Nach der Gründung der Bundesrepublik
Deutschland am 21.9.1949
und dem Entstehen der DDR nur wenig später stellte sich für
die westdeutsche Republik die Frage, inwieweit
es möglich war, sich gegen den Anspruch der DDR abzugrenzen, Berlin
als Hauptstadt Deutschlands zu
bezeichnen. Mit diesem vordergründig die Einheit Deutschlands
betonenden Element wurde jedoch indirekt
der Führungsanpsruch der SED für ganz Deutschland deutlich.
In der BRD setzte sich unter mehreren Anwärtern für den Regierungssitz
Bonn schließlich gegen seine
westdeutschen Mitbewerber durch. Die Vermeidung der Hauptstadtfrage
im Grundgesetz sowie die
Verwendung des Begriffs "Regierungssitz" statt "Hauptstadt" für
die rheinische Stadt sollten ebenso wie die
Verabschiedung des Grundgesetzes statt einer Verfassung, den provisorischen
Charakter des neuen Staates
betonen.
Obwohl die Berliner Verfassung Berlin als ein Land der BRD bezeichnet,
konnte aufgrund alliierten Protestes
die rechtliche Eingliederung der Stadt in die BRD nur über einen
Umweg geschehen. Der Nichtigkeitserklärung
der Westmächte betreffend alle Teile, in denen Bundesrecht in
Berlin automatisch gelten sollte, begegnete das
Berliner Abgeordnetenhaus darin mit einer formalen Umgehung des Problems.
Am 12.6.1952 wurde das
Gesetz in Berlin übernommen, so dass man jetzt "freiwillig"
das Bundesrecht anerkannte. Mit diesem Gesetz,
das auch der Stadt den Anspruch auf Bundeshilfe garantierte, erhielt
Berlin zwar nicht formell, jedoch in
juristischer und wirtschaftlicher Hinsicht den Status eines Bundeslandes.
Der Generalvertrag zwischen der BRD
und den Westmächten vom 26./27. 1952, in dem das Besatzungsstatut
in wesentlichen Teilen aufgehoben
wurde, bildete den nächsten Schritt zur formellen Integration
der Stadt in Westdeutschland. Das Abkommen
übertrug der BRD die Verantwortung, für die Lebensfähigkeit
der Stadt aufzukommen und legitimierte
Bundesbehörden, West-Berlin nach außen hin zu vertreten.
Als Reaktion auf dieses Abkommen ordnete der
DDR-Ministerrat am selben Tag die Errichtung eines Kontroll- und Sperrgürtels
zwischen West-Berlin und der
DDR, die Schließung der aus den Westsektoren in die DDR-Bezirke
führenden Straßenübergänge und die
Unterbrechung der Telefonverbindungen zwischen den beiden Teilen der
Stadt an.
2.2. Berlin-Ost
Mit dem Scheitern der Berlinblockade war auch auf sowjetischer Seite
offensichtlich geworden, dass es nicht
gelingen würde, das Entstehen eines westdeutschen Separatstaates
zu verhindern. Auch der sowjetische
Anspruch, die Westsektoren Berlins gehörten zur Besatzungszone
der UdSSR konnte zumindestens in der
praktischen Politik nicht mehr aufrecht erhalten werden. Das Gesetz
zur Einziehung von Vermögenswerten der
Kriegsverbrecher und aktiven Mitglieder der nationalsozialistischen
Partei leitete im Februar 1949 die
Integration von Ost-Berlin in die sowjetische Zone ein. Darüber
hinaus folgte auf Anweisung des Magistrates
die Enteignung von Banken, Versicherungsunternehmen, Grundstücksgesellschaften
und Grundeigentümern.
Die Delegierten zum dritten Volkskongreß wurden Mitte Mai 1949
sowohl in der sowjetischen Besatzungszone
als auch in Berlin (Ost) gewählt. Nach der Gründung der Deutschen
Demokratischen Republik am 19.7.1949,
übergab die Sowjetunion die Verwaltungsfunktionen an die deutschen
Organe. Auch in der Frage der
Zugehörigkeit des Ostteiles zur DDR bestand eine Situation analog
zu der im Westen. Die DDR-Führung
versuchte die Sowjetunion davon zu überzeugen, dass die rechtlichen
Besonderheiten Berlins Zug um Zug
abgebaut werden sollten und dass insbesondere Ost-Berlin immer
mehr ein integraler Bestandteil der DDR
werden sollte. Da die DDR nur an die positiven deutschen Traditionen
anknüpfte und sich selbst als den
Inbegriff des Bruchs mit der "schlechten" deutschen Geschichte sah,
ergaben sich für die Führung keinerlei
moralische oder politische Skrupel, die ehemalige Hauptstadt des Deutschen
Reiches zur sozialistischen
Hauptstadt Deutschlands zu machen. Obwohl die DDR-Verfassung aus dem
Jahre 1949 nicht Ost-, sondern
Gesamtberlin als Hauptstadt Deutschlands nannte, galt sie aufgrund
des Viermächtestatus nicht im Ostteil der
Stadt. Damit Gesetze, die von der Volkskammer erlassen worden waren,
in Berlin (Ost) Gültigkeit erlangten,
bedurfte es eines speziellen Ãœbernahmeaktes durch den Magistrat.
Ebenso wie ihre westdeutschen Kollegen
hatten auch die Abgeordneten, die von Berlin aus in die Volkskammer
geschickt wurden, kein Stimmrecht,
sondern nur beratende Funktion. Dennoch wurde im November 1953 angeordnet,
dass die bis dahin
ausgestellten deutschen Personalausweise ersetzt wurden und für
die Bevölkerung des Ostteiles der Stadt die
Personalausweise der DDR zur Ausgabe kamen. Im Gegenzug zu den Bemühungen,
den Sonderstatus von
Ost-Berlin abzubauen, erfolgten Maßnahmen, um den Status den
Stadt im Bewußtsein der DDR-Bürger zu
manifestieren. Im Zuge der noch nicht geklärten Identitätsfrage
im sozialistischen Teil Deutschlands wurde
Berlin nicht nur als Verwaltungszentrum, sondern auch als kultureller
Mittelpunkt ausgebaut, um auch in dieser
Beziehung geistiges Zentrum des Landes zu werden. Das verzweifelte
Bemühen um Abgrenzung konnte auch
in den geänderten Straßenschildern erkannt werden, die als
zusätzliche Angabe die Aufschrift: "Berlin.
Hauptstadt der DDR" trugen.
3. Berlin als Schauplatz politischer und gesellschaftlicher Konfrontation
(1949-1957)
Mit der Gründung der BRD und der DDR war die Teilung Deutschlands
auch staatlich zementiert worden. Im
Verlauf der Außenministerkonferenz in Paris vom 23.5 - 20.6.
1949 über die deutsche Frage zeigte sich das
westliche Bewußtsein, die Kraftprobe um Berlin gewonnen zu haben,
aber auch die geringe
Verständigungsbereitschaft der beiden Seiten. Dem sowjetischen
Vorschlag zur Bildung eines
gesamtdeutschen Staatsrates und einer gesamtberliner Wahl, begegneten
die Westmächte mit dem Angebot,
das Grundgesetz auf die sowjetische Besatzungszone zu übertragen.
Seit der Luftbrücke stand die Westberliner Bevölkerung unverrückbar
auf westlicher Seite. Insbesondere die
Dankbarkeit gegenüber den Amerikanern, die in den Augen der Berliner
die Existenz der Stadt gesichert
hatten, prägte die Mentalität der Bürger auf lange Zeit.
Nur unter dem Schutz der Westmächte schien eine
antikommunistische, demokratisch-pluralistische Gesellschaftsordnung
bestehen zu können. Dies bestätigten
auch die Vorgänge in Osteuropa, wo sowjetische Marionettenregierungen
schon überwiegend die Macht
übernommen hatten und am Aufbau von autoritären sozialistischen
Systemen arbeiteten. Diese Erfahrung und
das damit geschaffene Weltbild beeinflußten in den folgenden
Jahren auch die Westdeutsche Gesellschaft
wesentlich. Westdeutsche Ängste vor sowjetischen Expansionsbestrebungen
fanden bei Betrachtung des
Brennpunktes Berlin Bestätigung und Berechtigung, gleichzeitig
wurde die Stadt aber auch ein Symbol des
erfolgreichen Widerstandes gegen den Kommunismus.
Im östlichen Teil Deutschlands entwickelte sich ein genau gegenläufiges
Weltbild. In einem konsequent
antifaschistischen Selbstverständnis sah man sich als Staat der
Opfer des Nationalsozialismus oder zumindest
als der Staat, in dem der wahre und gute Deutsche, der aus dem Faschismus
gelernt hatte, sich am friedlichen
Aufbau Deutschlands beteiligte. Diesem Weltbild der DDR stellte sich
das Feindbild der in ihren Augen
imperialistischen USA und der BRD entgegen, in der profit- und kriegslüsterne
Kapitalisten das Volk
unterdrückten. Für die DDR galt es vor allem, Einkreisungsversuchen
und Unterwanderungen durch diese
Kräfte zu widerstehen. Setzt man dieses Bewußtsein voraus,
so schien es offensichtlich zu sein, dass alleine der
Westen die Teilung Berlins verschuldet hatte und im Falle einer Wiedervereinigung
der Stadt oder des ganzen
Landes nur die Ãœbernahme der Gesellschaftsform der DDR in Frage
käme. Die Bildung dieses Weltbildes
wurde mit dem Integrationsprozeß von Ost-Berlin in die DDR deutlich
unterstützt. Berlin sollte, durch massive
Aufbauleistungen begünstigt, seinen alten Symbolwert als Hauptstadt
ganz Deutschlands wiedergewinnen und
diesen dem Westen vor Augen halten. Das Fernziel dieser Berlin-Politik
der DDR war die Schaffung von
Voraussetzungen, um eines Tages West-Berlin in die DDR einzugliedern.
In der Bevölkerung der DDR fand
dieses Weltbild jedoch nicht überall Anklang.
Im Gegensatz dazu manifestierte sich im Bewußtsein der Bevölkerung
der BRD der Symbolgehalt von
West-Berlin als "Leuchtfeuer der Freiheit". Hier kam Adenauers Poltik
der Stärke gegenüber der DDR zur
praktischen Anwendung. Die unmittelbare Frontstellung gegenüber
dem sozialistischen System der DDR
eröffnete die Möglichkeit von Berlin aus, den Bürgern
des anderen Deutschlands den Unrechtscharakter ihres
eigenen Systems vor Augen zu führen. Radiosender, Zeitungen, sowie
spezielle Filmvorführungen für Bewohner
Ost-Berlins wurden zu diesem Zweck instrumentalisiert. Letzendliches
Ziel dieser Maßnahmen war, die
Übernahme einer wirtschaflich von der BRD erdrückten, von
der politischen Unzufriedenheit der eigenen Bürger
zerrütteten DDR. Damit wäre es auch erstmals gelungen nicht
nur die kommunistischen
Expansionsbestrebungen aufzuhalten, sondern eine wichtige Schlüsselstellung
in Europa für den Westen
zurückzugewinnen. Adenauers kosequent antikommunistische Haltung,
die von der Mehrheit der Bevölkerung
der BRD und Berlins mitgetragen wurde, ließ im Bezug auf das
Ziel seiner Berlinpolitik somit wenig
Handlungsspielraum.
Ausgestattet mit diesen weitgehend gefestigten Negativ- und Feindbildern
folgte der Kampf der beiden
Gesellschaften um die Konsolidierung des eigenen Machtbereiches und
die Eroberung desjenigen des
Gegners. Welch wichtige Bedeutung Berlin für den gegenseitigen
Unterminierungskampf hatte, wurde an der
Äußerung des regierenden Bürgermeisters deutlich, der
1951 Berlin (West) als "Pfahl im Fleische" der DDR
und als "Türklinke" bezeichnete mit der das Tor nach Osten aufgestoßen
werden könne. Die Verankerung der
BRD im Westen, die mit Beitritt zur EVG am 11.7.1951 geschah, sollte
für eine derartige Politik die nötige
Absicherung schaffen.
Während in der BRD am 22.1.1951 die KPD verboten wurde, erreichten
die Aktivitäten der DDR bezüglich
einer deutschen Einigung ein Maximum. Die Forderungen nach der Einheit
Deutschlands, die man jetzt als
Kampfmittel gegen den Westen einsetzte, wurden in vielfältigen
Deutschland-Treffen, Kundgebungen,
Arbeitskreisen und Unterschriftenaktionen laut. Am 30.11.1950 richtete
sich der DDR Ministerpräsident Otto
Grotewohl mit einem Brief an Bundeskanzler Adenauer, in dem er die
Aufnahme von Verhandlungen über einen
gesamtdeutschen Konstituierenden Rat vorschlug. Adenauer lehnte die
Vorschläge zwei Wochen später ab, da
die geforderte paritätische Besetzung des Rates mit Vertretern
beider Staaten, der SED einen
ungerechtfertigten Vorteil verschafft hätte. In einer Antwort
an Grothewol machte er den Gegenvorschlag von
freien Wahlen zu einem Gesamtdeutschen Parlament, die unter internationaler
Kontrolle stattfinden sollten. Das
zentrale Element der freien Wahlen als Voraussetzung für eine
deutsche Wiedervereinigung sorgte für die
Ablehnung des Vorschlages durch die nicht demokratisch legitimierte
Führung der DDR und sollte der
entscheidende Punkt für das Scheitern aller ähnlichen Verhandlungen
in der Zukunft werden.
Die Sowjetunion schlug schließlich am 10.3.1952 den Westmächten
einen Entwurf über die Grundlagen eines
Friedensvertrages mit Deutschland vor. In diesem Entwurf wurde die
Wiederherstellung eines einzigen Staates
in Deutschland, der Abzug aller Besatzungstruppen nach einem Jahr,
keine Beschränkungen der deutschen
Wirtschaft, die Festlegung der deutschen Grenzen entsprechend dem Potsdamer
Abkommen, die
Neutralisierung Deutschlands, den Besitz nationaler Verteidigungskräfte,
das Verbot antidemokratischer
Organisationen und die Aufnahme Deutschlands in die UNO vorgeschlagen.
Das Angebot wurde jedoch von
den Westmächten und der Bundesregierung kategorisch als Propagandatrick
abgelehnt.
In Berlin waren Sowjetunion und DDR nach der Niederlage in der Blockade
zu einer Politik der Nadelstiche
übergegangen. Mit Behinderungen und Schikanen versuchte sie den
Ausbau der Stadt zu einem "Schaufenster
des Westens" zu verhindern. Straßenbenutzungsgebühren für
Zivilreisende von und nach Berlin, sowie
Schikanen bei der Einreise in den Westteil der Stadt verdeutlichten
den Menschen die Situation. Der
beginnende Aufbau einer festen Grenze zeigte sich in einem bis zu fünfundzwanzig
Meter breiten abgeholztem
Grenzstreifen zwischen BRD und DDR, aber auch zwischen der DDR und
West-Berlin. Nur die Grenze
zwischen den Teilen Berlins blieb zunächst unkontrolliert, obwohl
die Anzahl der Verbindungsstraßen stetig
abnahm.
Der Unterschied des Lebensstandards zwischen Ost und West hatte in
der DDR einen erheblichen
ideologischen Einfluß auf große Teile der Bevölkerung.
Es war der Führung nicht gelungen, das DDR-eigene
Weltbild so stark in der Bevölkerung zu verankern, dass widrige
Lebensumstände ohne weiteres hingenommen
wurden. Als am 28.5.1953 die wichtigsten Arbeitsnormen um mindestens
10% angehoben wurden, kam es zu
Unruhen. Am 16.6.1953 protestierten Bauarbeiter in der Berliner Stalinallee
durch Arbeitsniederlegung gegen
die Normerhöhungen. Nachdem die Regierung nicht gewillt war, mit
den Demonstranten zu sprechen, wurde für
den nächsten Tag der Generalstreik ausgerufen. 350.000 Arbeiter
traten am 17. Juni in Streik und auch in
anderen Städten der DDR kam es zu Protestkundgebungen. Als sich
zeigte, dass die DDR Behörden die
Kontrolle über die Geschehnisse zu verlieren begannen, verhängte
die Sowjetunion gegen Mittag den
Ausnahmezustand und schlug die Demonstrationen nieder. Die Grenze zwischen
Berlin (Ost) und Berlin (West)
wurde für drei Wochen hermetisch abgeriegelt.
Die Ereignisse des 17. Juni 1953 hatten gezeigt, dass die Westmächte
nicht bereit waren, auf Seiten der
Aufständischen militärisch in der DDR einzugreifen, obwohl
deutlich wurde, dass die SED-Führung der DDR
bereit war, ihren unberechtigten Machtanspruch mit allen Mitteln zu
verteidigen. Mit einer deutlichen Anhebung
des Lebensstandards versuchte man in der DDR daraufhin, den offensichtlich
verlorenen Rückhalt in der
Bevölkerung wiederzuerlangen. Allerdings intensivierte sie ihre
Ãœberlegungen, gegen West-Berlin vorzugehen,
da die von dort agierenden "imperialistischen Geheimdienste", "Agentenzentralen"
und Rundfunksender
maßgeblich an den Unruhen beteiligt gewesen seien.
Nachdem die Westmächte im Herbst 1954 die Pariser Verträge
ausgearbeitet hatten, schien eine deutsche
Einigung nicht mehr in Reichweite. Nach dem Beitritt der BRD zur Nato
und der Wiederbewaffnung
Westdeutschlands ging die Sowjetunion 1955 zur Propagierung der Zweistaatentheorie
über und bot der BRD
die Normalisierung der Beziehungen an.
Auf bundesdeutscher Seite griff eine Ernüchterung über das
Bekenntnis der Westmächte zur deutschen Einheit
um sich und man beschloß, selbst die Initiative zu ergreifen,
um die eigene Stellung in West-Berlin zu stärken.
Ab dem 17. Juni 1953 fand eine stärkere politische und wirtschaftliche
Hinwendung zu Berlin statt. Es galt
gerade die von der DDR bestrittene formelle Zugehörigkeit des
Westteiles der Stadt zur BRD herauszustellen.
Aus diesem Grunde erfolgte schon am 17.7.1954 in Berlin (West) demonstrativ
die Wahl des
Bundespräsidenten, der seine Präsenz auf Schloß Belvue
deutlich verstärkte. Bundestags- und
Ausschußsitzungen, die nun immer öfter in Berlin tagten,
wurden meist von Provokationen von Seite der DDR
beantwortet. Am 6.2.1957 erklärte der Bundestag Berlin zur Hauptstadt
Deutschlands, und das
Bundesverfassungsgericht entschied am 21.5.1957, West-Berlin sei ein
Land der Bundesrepublik und
dementsprechend gelte dort auch das Grundgesetz. Nur wenig später
erfolgte die Reaktion des Ostens. Im
Vertrag vom 20.9.1955 wurde Berlin (Ost) formell der Jurisdiktion der
DDR unterstellt. Damit hatten beide Teile
der Stadt wieder einen Teil ihrer Sonderstellung verloren und waren
in die Fronten der beiden deutschen
Staaten eingebunden worden.
4. Berlinkrise und Mauerbau (1957-1961)
Der DDR-Führung war es trotz umfangreicher Propagierung der Einheit
Deutschlands, der Ausnutzung von
Ost-Berlin als Symbol für die Einheit Deutschlands und der Unterstützung
oppositioneller Kräfte in der BRD
nicht gelungen, den westdeutschen Staat zu destabilisieren. Im Westen
glaubte die überwiegende Mehrheit,
die Einheit Deutschlands könne in absehbarer Zeit nur durch die
Einverleibung der DDR realisiert werden. Die
Westberliner sahen sich mehr denn je als "Vorposten der Freiheit" und
"Schaufenster des Westens" In der
DDR gab man die Bemühungen, die Bundesrepublik über eine
Konföderation für den Sozialismus zu
gewinnen, mehr und mehr auf. Als 1956 Unruhen in Polen und Ungarn die
Instabilität des sozialistischen Lagers
deutlich machten, wandte man sich einer Absicherung der inneren Stabilität
zu. Um die hohen Flüchtlingszahlen
einzudämmen, verabschiedete die Volkskammer am 11.12.1957 ein
Gesetz, in dem die Republikflucht unter
Strafe gestellt wurde. Der Reiseverkehr zwischen den deutschen Staaten
wurde weiter erschwert,
Bundesbürger brauchten fortan eine Aufenthaltserlaubnis, um in
die DDR reisen zu können.
4. 1. Das sowjetische Ultimatum vom November 1958
Schon am 11.8.1958 hatte die Sowjetunion in einem Schreiben an die USA
gegen die Einbeziehung von
West-Berlin in völkerrechtliche Verträge der BRD protestiert.
Dies verstoße sowohl gegen den rechtlichen
Status von Berlin (West), als auch gegen die Tatsache, dass Ost-Berlin
die Hauptstadt der DDR sei. Nachdem
alle Versuche, ohne Absperrmaßnahmen die Flüchtlingsströme
einzudämmen, gescheitert waren,
konkretisierten sich auf sowjetischer Seite die Ãœberlegungen,
Berlin (West) als destabilisierenden Faktor zu
neutralisieren. Chruschtschow machte deshalb in seiner Note vom 27.11.1958
den Vorschlag, Berlin (West) zu
einer "Freien Stadt" zu erklären, entmilitarisiert und von der
BRD unbeeinflußt. Mit diesem Schritt sollte der
relativ offene Fluchtweg aus der DDR verschlossen werden. Um die Dringlichkeit
einer Lösung der Berlinfrage
zu betonen, drohte Chruschtschow, einen separaten Friedensvertrag mit
der DDR zu schließen, wenn sich die
Westmächte nicht binnen sechs Monaten zu ernsthaften Verhandlungen
bereit erklärten. In diesem Falle fiele
die Kontrolle über die Zufahrtswege von und nach Berlin unter
die Zuständigkeit der DDR.
4. 2. Die östliche Perzeption der Funktionen West-Berlins
Obwohl in den sowjetischen Noten vom November 1958 das Flüchtlingsproblem
und seine wirtschaftlichen
Folgen für die DDR nicht ausdrücklich genannt wurden, so
machten jedoch Formulierungen wie "Wühlarbeit"
deutlich, wie das Problem auf östlicher Seite gesehen wurde. Dem
Westen wurde vorgeworfen, durch
Ausnutzung des Viermächte-Status der Stadt, "die Schädigung
der Sowjetunion, der Deutschen
Demokratischen Republik und der anderen sozialistischen Länder"
zu betreiben. Besonders in der
Sicherheitsfrage sah man sich durch diesen westlichen Vorposten bedroht,
insbesondere, da man im Osten
den Westteil der Stadt als ein "Sprungbrett für die gegen die
sozialistischen Länder, gegen die DDR und die
UdSSR gerichtete forcierte Spionage-, Diversions- und sonstige Wühlarbeit"
sah. Dass die Themen
"Wühlarbeit" und Massenflucht aus der DDR in einer Kausalbeziehung
gesehen wurden, zeigt die immer
wieder vorgetragene These, die Abwanderung sei ein Ergebnis der "Abwerbung"
durch westliche Stellen und
nicht eine Folge der inneren Verhältnisse der DDR. Dementsprechend
unterstützte die DDR-Führung die
sowjetischen Vorschläge energisch. Ministerpräsident Otto
Grotewohl erklärte, dass es das Beste sei, "wenn
die Westsektoren Berlins mit seinem demokratischem Teil vereinigt würden,
damit die DDR ihre Souveränität
auch auf diesem Teil ihres Territoriums ausüben könnte".
Letztendlich stellte West-Berlin mit seiner politisch
exponierten Lage für die SED-Führung einen bedeutenden Störfaktor
in den Bemühungen dar, die DDR zu
einer geschlossenen sozialistischen Gesellschaft zu machen.
4. 3. Die westliche Perzeption der Funktionen West-Berlins
Obwohl der Flüchtlingsstrom im wesentlichen die Folge des ökonomischen
und politischen Gefälles zwischen
den beiden deutschen Staaten war, so wurden die bestehenden Tendenzen
noch von der westdeutschen
Politik verschärft, in Berlin eine Position der Stärke zu
errichten. Die Anerkennung der DDR stand
entsprechend der Hallsteindoktrin ausser Frage und die Forderung, Berlin
zur Hauptstadt eines
wiedervereinigten Deutschlands zu machen, wurde seit der zweiten Hälfte
der Fünfziger immer lautstärker. Die
innerstädtische Verkehrsfreiheit galt als Essenz des Viermächte-Status
ebenso wie die Nichtzugehörigkeit
Ost-Berlins zur DDR. Die Teilung war zwar ein Faktum, eine entsprechende
Politik aber noch längst kein
positives und dem politischen Gegner bekanntgegebenes Programm. Folgerichtig
wurde der Westteil der
Stadt als "Schaufenster", "Leuchtturm" und "Pfahl im Fleische der DDR"
benutzt, um das ostdeutsche Regime
zu destabilisieren und auf diesem Wege die Wiedervereinigung zu erreichen.
4. 4. Vom Ultimatum zur Mauer
In einer weiteren Note vom Januar 1959 schlug die Sowjetunion vor, innerhalb
der nächsten zwei Monate eine
Friedenskonferenz einzuberufen, in der ein Friedensvertrag mit den
beiden deutschen Staaten ausgearbeitet
und unterzeichnet werden sollte. Obwohl die Westmächte die sowjetischen
Noten in einer gemeinsamen
Erklärung zurückwiesen, zeigten sie sich doch zu weiteren
Verhandlungen bereit. Auf der
Außenministerkonferenz in Genf, die mit Unterbrechungen vom Mai
bis August tagte, nahmen außer den vier
Mächten erstmals auch Vertreter beider deutscher Staaten teil.
Obwohl beide Seiten von ihren
Maximalforderungen bezüglich Deutschland und Berlin abrückten,
scheiterten die Verhandlungen an der
Aufrechterhaltung der vom Westen eingenommenen Rechtsposition für
West-Berlin und deren sowjetischen
Ablehnung.
In der Mitte des Jahres 1960 spitzten sich die wirtschaftlichen und
politischen Probleme in der DDR zu. Formell
knüpfte das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zwar an die sozialistischen,
solidarischen Ideen der
Arbeiterbewegung an, doch die politische Diktatur, Rechtsunsicherheit
und fehlende Freiheiten verzerrten
diese Ideen. Bürokratische Ineffizienz, aber auch Reparationen
und Mißwirtschaft behinderten das
Wirtschaftswachstum beträchtlich. Die Fixierung der DDR-Bürger
auf die Bundesrepublik mit ihrer freiheitlich
parlamentarischen Demokratie und ihrem "Wirtschaftswunder" sorgte für
eine rasch ansteigende Zahl der
Flüchtlinge. Den Handwerkern, die im Frühjahr den staatlichen
Kollektivierungsbemühungen entgehen wollten,
folgten im Sommer überwiegend die Vertreter der Intelligenz.
Das Politbüro der SED reagierte auf die Zuspitzung der Lage mit
der Ausweitung der parteilichen
Machtbefugnisse. Nach Beschlüssen des Poltibüros und des
Staatsrates im Juli 1960 wurde bindend
bestimmt, dass die Staatsorgane die Beschlüsse der SED auszuführen
hätten. Dies bedeutete, dass die SED
nunmehr ihr Machtmonopol total durchgesetzte und sich alle Autorität
staatlicher Macht völlig unterordnete.
Ulbricht ging es dabei nicht um die zeitweilige Maßnahme eines
Krisenmanagements, sondern darum, die
Krise zu nutzen, um den Machtanspruch des Politbüros langfristig
in solch absoluter Art im politischen System
der DDR zu verankern wie es in den fünfziger Jahren wegen des
Widerstandes der Blockparteien nicht möglich
gewesen war. Folgerichtig vervielfachte sich der Parteiapparat der
SED in kurzer Zeit, um seiner
Weisungsbefugnis gegenüber den staatlichen Organen nachkommen
zu können. Dass die politische Motivation
Ulbrichts in der zweiten Berlinkrise allein auf Machterhalt ausgelegt
war, zeigte sich auch in der Abschaffung
des Präsidentenamtes der DDR zugunsten eines Staatsrates, dessen
Vorsitzender er im September 1960
wurde. Da Ulbricht außerdem Erster Sekretär der ZK der SED
war und sich im Februar 1960 zum
Vorsitzenden des Verteidigungsrates hatte wählen lassen, war ihm
die Okkupation entscheidender
Machtpositionen gelungen. Es erfolgte eine bis dahin nicht gekannte
Unterordnung, Konzentration und
Gleichschaltung aller politischen Führungsinstanzen und -kräfte
des Landes unter dem Ersten Sekretär des ZK
der SED. Diese Position galt es in der Krise, mit allen Mitteln zu
verteidigen.
Der U2-Zwischenfall im Mai 1960 führte zu einer dramatischen Verschlechterung
der
amerikanisch-sowjetischen Beziehungen und brachte die Gefahr eines
globalen Krieges in greifbare Nähe. Vor
dem Hintergrund dieser weltpolitischen Konstellation wurde auch die
Lösung der Berlin-Frage für die DDR
immer dringlicher. Von 1955 bis 1960 waren schon 1.340.878 Bewohner
der DDR in den Westen geflüchtet,
wovon alleine 667.667 das Notaufnahmeverfahren in West-Berlin beantragt
hatten. Die DDR-Führung förderte
durch ihre harte Politik die Fluchtbewegung. Gegen angebliche "Menschenhändler"
wurden immer schwerere
Strafen ausgesprochen. Die Regierung wandte sich nervös gegen
die angeblichen "verbrecherischen
Abwerbungsaktionen" des Westens, waren doch 50 Prozent der Flüchtlinge
unter 25 Jahren. Bis zum Ende des
Jahres wurde Berlin zum Schauplatz eines deutsch-deutschen "Kleinkrieges".
Die DDR versuchte mit
Drohungen gegen Bundestagssitzungen in West-Berlin, der Sperrung des
Zugangs nach Ost-Berlin für fünf
Tage anläßlich der Tagung der Landsmannschaften in Berlin
und der Einführung des Passierscheinzwanges für
Bundesdeutsche beim Besuch des Ostsektors herauszubekommen, wie weit
sie die Empfindlichkeit der
Westmächte gegen Restriktionen innerhalb Berlins herausfordern
konnte. In der Bundesrepublik reagierte man
mit Empörung und rang sich nach einiger Zeit zu einem schwerwiegenden
Entschluß durch. Am 30. September
1960 kündigte die Bundesregierung das Interzonen-Handelsabkommen
mit der DDR und stellte damit über
zehn Prozent der Gesamtimporte der DDR in Frage. Obwohl die Kündigung
gegen Jahresende
zurückgenommen werden musste, da sie indirekt die Versorgung
Berlins gefährdete, war die wirtschaftliche und
politische Wirkung immens. Die Sanktionen hatten die DDR schwer getroffen
und ihr die eigene Abhängigkeit
von der BRD vor Augen geführt. Die "Widerrufsklausel", welche
dem Vertrag bei seiner Wiederinkraftsetzung
eingefügt wurde, führte dem sozialistischen Staat seine Abhängigkeit
klar vor Augen.
Der neugewählte amerikanische Präsident Kennedy sah sich einer
sich anbahnenden Auseinandersetzung
gegenüber, die mit allen Mitteln psychologischer, diplomatischer
und wirtschaftlicher Kriegführung geführt
wurde. Im Laufe der Vorbereitungen zum amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffen
in Wien, das am 3. und
4.6.1961 stattfinden sollten, wiederholte Chruschtschow seine Drohungen
gegen den Status von West-Berlin,
um die Vereinigten Staaten in der Frage der Eindämmung der Flüchtlingsströme
zum Handeln zu bewegen.
Das Treffen endete jedoch ergebnislos und mit der sowjetischen Drohung
eines separaten Friedensvertrages
mit der DDR, der in den Augen Chruschtschows ein Erlöschen der
westlichen Besatzungsrechte in Berlin zur
Folge gehabt hätte. Kennedy machte im Gegenzug deutlich, dass
die USA die Verweigerung westlicher Rechte
in Berlin als kriegerischen Akt ansehen würden und keinesfalls
bereit seien, auf drei essentielle Punkte zu
verzichten: Das Recht auf Anwesenheit in Berlin, die Zugangsrechte
zur Stadt und die Lebensfähigkeit von
Berlin (West) wurden unter der Bezeichnung "three essentials" zur obersten
Maxime der amerikanischen Politik
in Berlin. In den folgenden Monaten erfolgte auf beiden Seiten ein
Wechselspiel von militärischen Maßnahmen,
Absichtserklärungen und verbalen Drohungen, um die Gegenseite
von der Unhaltbarkeit ihrer
Verhandlungspositionen zu überzeugen.
Auf Seiten der DDR-Führung ergriff Walter Ulbricht am 15.6.1961
auf einer Pressekonferenz die Initiative. Im
Hinblick auf die nach West-Berlin strömenden Flüchtlinge
forderte er die Schließung des Flüchtlingslagers in
Marienfelde, den Verzicht der Stadt auf Gewährung politischen
Asyls sowie die Schließung diverser
Rundfunkanstalten und des Flughafens Tempelhof. Auf die Frage:
"Bedeutet die
Bildung einer freien Stadt Ihrer Meinung nach, dass die Staatsgrenze
am
Brandenburger
Tor errichtet wird ? Und sind Sie entschlossen, dieser Tatsache mit allen
Konsequenzen
Rechnung zu tragen ?", antwortete er dabei mit seinen berühmt gewordenen
Worten: "Ich
verstehe Ihre Frage so, dass es in Westdeutschland Menschen gibt,
die wünschen, dass
wir die Bauarbeiter
der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir
ist
nicht bekannt,
dass eine solche Absicht besteht. [...] Niemand hat die Absicht, eine
Mauer zu
errichten".
Obwohl genau dieses Zitat nach dem Bau der Mauer der BRD die Möglichkeit
gab, der DDR nach belieben
den Spiegel der "Verlogenheit" vorzuhalten, lässt sich jedoch
bis heute nicht schlüssig beweisen, dass Ulbricht
bewußt die Unwarheit sagte. Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme
und der hohen Flüchtlingszahlen musste
Ulbricht in kurzer Zeit eine Lösung finden. Doch ist nicht auszuschließen,
dass er zu diesem Zeitpunkt noch an
einen Verhandlungserfolg der Sowjetunion mit ihren Friedensvertragsplänen
glaubte. Selbst wenn für ihn
erweiterte Grenzkontrollen unumgehbar schienen, konnte er den Entschluß
einer vollständigen Abriegelung der
Grenzen nicht im Alleingang fällen.
Vom 3.-5.8.1961 trafen sich die Ersten Sekretäre der Zentralkomitees
der kommunistischen und
Arbeiterparteien der Mitgliedsländer des Warschauer Paktes in
Moskau. Auf der Konferenz, auf der speziell
die Deutsche Frage und das Berlin-Problem behandelt wurden, erhielt
Ulbricht die politische Zustimmung der
UdSSR für seine Absperrpläne Ost-Berlins. In der Nacht vom
12. auf den 13.8.1961 errichteten Volkspolizei
und NVA entlang der quer durch Berlin verlaufenden Sektorengrenze Stacheldrahtverhaue
und Steinwälle, die
in der folgenden Zeit zu einer durchgehenden Mauer ausgebaut wurden.
Gleichzeitig wurden Polizei- und
Armee-Einheiten in Ost-Berlin eingesetzt, um Demonstrationen zu verhindern.
Die Sowjetunion hatte der
Regierung der DDR die Verfügung über den Ostsektor Berlins
in allen wesentlichen Teilen übergeben und es
gestattet, dass Truppen der DDR in Ost-Berlin einrückten
und dass DDR-Behörden einseitig die innerstädtischen
Verkehrsverbindungen blockierten. Fortan war Berlin als Fluchttor für
DDR-Bürger versperrt, die DDR
abgeriegelt.
4. 5. Die Situation nach dem Mauerbau
Die Errichtung der Absperrmaßnahmen kam für Bundesregierung,
Berliner Senat und Westalliierte
überraschend. Obwohl Bundeskanzler Adenauer am Abend des 13. August
im Fernsehen zu Ruhe und
Besonneheit aufrief, blieb die Situation unübersichtlich. Die
Westalliierten zeigten demonstrative Gelassenheit
und fanden sich nicht bereit, mehr als eine Beobachtung der Aktivitäten
an der Grenze einzuleiten. Diese viel
kritisierte Zurückhaltung der Westmächte, aber auch der Bundesregierung
nach der Abriegelung der Grenze,
resultierte daraus, dass man mit noch sehr viel weitergehende
Maßnahmen rechnete. Gefürchtet wurde nicht nur
ein Aufstand in der Ostzone mit unkalkulierbaren Auswirkungen, sondern
auch ein unmittelbares Vorgehen der
DDR gegen die Verbindungswege nach West-Berlin. Bis dahin hatte die
DDR nur zu Mitteln gegriffen, welche
die Rechte der Westmächte in Berlin nicht verletzten. Auf westalliierter
Seite ging man davon aus, dass ein zu
brüskes Vorgehen gegen die Absperrmaßnahmen der Sowjetunion
nur einen willkommenen Anlass für
Blockademaßnahmen oder für die Einnahme Berlins gegeben
hätte. Noch 1948 war die atomare
Unverwundbarkeit der USA eine entscheidende Trumpfkarte gewesen, doch
die Aufrüstung beider Seiten mit
Interkontinentalrakten hatte ein atomares Patt der Supermächte
ergeben.
Die Stimmung der Bürger in Berlin brach indessen vollends zusammen.
Empörung, Enttäuschung über die
Untätigkeit des Westens und die Furcht vor einer ungewissen Zukunft
führten zu großen Proteskundgebungen.
Schließlich sandte der Regierende Bürgermeister von Berlin,
Willy Brandt, einen Brief an Präsident Kennedy,
dessen Inhalt und Diktion deutliche Schritte unausweichlich machten.
Aber erst als diese auch für den auf
Hochtouren laufenden Bundestagswahlkampf bedeutsame negative Entwicklung
schon offenbar war, ergriff
man in Bonn und Washington psychologische Gegenmaßnahmen. Der
Deutsche Bundestag wurde zu einer
Sondersitzung einberufen, um eine Erklärung des Bundeskanzlers
entgegenzunehmen, in der er die DDR
scharf verurteilte. Präsident Kennedy ordnete eine demonstrative
Verstärkung der amerikanischen Truppen in
Berlin an und sandte Vizepräsident Lyndon B. Johnson und General
Lucius D. Clay zu einem Blitzbesuch nach
Bonn und Berlin. Johnson, Clay und die Soldaten wurden von der Berliner
Bevölkerung stürmisch begrüßt. Die
Depression wich einer neuen Zuversicht in die Entschlossenheit des
Westens, in Berlin zu bleiben und direkter
Aggression zu begegnen.
Die Reaktionen in der DDR waren wider Erwarten außerordentlich
vielfältig. Manche DDR-Bürger hofften auf
das Versprechen der SED-Propaganda, dass es sich um vorläufige
Maßnahmen bis zum Abschluß des
Friedensvertrages handele, andere fühlten sich erleichtert, weil
nun die DDR nicht weiter ausbluten konnte. Sie
gingen davon aus, dass bei hohen Wachstumsraten die BRD in einigen
Jahren doch noch in der
Arbeitsproduktivität überholt werden könnte.
Doch die Errichtung der Mauer bedeutete noch nicht das Ende der zweiten
Berlinkrise, da Chruschtschow
weiterhin versuchte, seine Ziele durchzusetzen. Ab 23.8.1961 spitzte
sich die Auseinandersetzung zwischen
Ost und West weiter zu. Die Sowjetunion bestritt in einer Note an die
Westmächte das Recht der Alliierten auf
freie Benutzung der Luftkorridore nach West-Berlin. Auf beiden Seiten
erfolgte die Verstärkung der Streitkräfte
in Europa. Doch erst nachdem der sowjetische Versuch der Stationnierung
von Mittelstreckenrakenten in Kuba
gescheitert war, lenkte Chruschtschow ein und erklärte, dass
die Sowjetunion nicht weiter auf dem 31.12.1961
als Termin für die Unterzeichnung des Friedensvertrages bestünden.
Das Ende der Kuba-Krise am 28.
Oktober bedeutete daher zugleich das Ende der Berlin-Krise. Die konzeptionelle
Perpetie bestand darin, dass
die Existenz West-Berlins einerseits und die Existenz der Mauer andererseits
stillschweigend als vorerst
unveränderbare Bestandteile des Status quo anerkannt wurden. In
der Phase nach der Kuba-Krise ging es nun
darum, den Berlin-Konflikt auch vertraglich "einzukapseln" und die
beiden deutschen Staaten mit ihren
spezifischen Sonderkonflikten in den internationalen Prozeß einzubeziehen.
4. 6. Die Bedeutung des Mauerbaus für die DDR
Mit der Errichtung des "Antifaschistischen Schutzwalles" war in den
Augen der DDR der "Krisenbrandherd
Berlin" unter zuverlässige Kontrolle gebracht worden. In offiziellen
Darstellungen wurde dabei immer die volle
Unterstützung der Bevölkerung für die Errichtung der
Absperrmaßnahmen betont:
"Die Mehrheit
der Werktätigen der DDR begrüßte und unterstützte
die Sicherungsmaßnahmen.
Zahlreiche Berliner
besuchten in den darauffolgenden Tagen die im Einsatz befindlichen
Angehörigen
der Bewaffneten Organe. Delegationen aus Betrieben und viele einzelne Bürger
brachten Geschenke
und Blumen, um auf diese Weise ihren Dank auszudrücken. [...] Durch
die
Sicherung der
Staatsgrenze war es nun nicht mehr möglich, die Werktätigen um
die Früchte ihrer
eigenen Arbeit
zu bringen und die DDR ungestraft auszuplündern."
Die Bundesrepublik war auf sich selbst zurückgeworfen worden und
die DDR konnte sich konsolidieren, denn
erst die Mauer gab Ulbricht die volle Gewalt über die Bürger
seines Staates. Damit bestand für die
DDR-Führung die gleiche Ausgangsposition wie für andere kommunistische
Regierungen: Die Menschen, die
nicht mehr einfach abwandern konnten, weil ihnen jede Form demokratischen
Mitwirkens in de DDR verwehr
wurde, mussten sich mit dem Regime arrangieren. Es gab nun keine
Alternative mehr zur Anpassung an den
sozialistischen Staat und seine Gesellschaft. Das Bewußtsein,
auf unabsehbare Zeit eingesperrt zu sein,
machte viele Menschen in der DDR "mauerkrank". Abgrenzungskampagnen
konnten weder
verwandtschaftliche Beziehungen zertrennen noch das Gefühl für
nationale Zusammengehörigkeit beseitigen.
Wirkte der Mauerbau 1961 noch auf eine Konsolidierung der DDR und den
Machterhalt der SED hin, so wirkte
sich die Mauer letztendlich traumatisch für die DDR aus.
Nach dem Ende dieser zweiten Berlin-Krise hatte sich auf östlicher
Seite auch der Eindruck durchgesetzt, dass
die Westbindung der Stadt zumindest kurzfristig nicht lösbar war.
Das Nahziel der Berlin-Politik der DDR wurde
fortan, den Hauptstadtanspruch der Ostteils der Stadt durchzusetzen
und gleichzeitig die Bindungen
West-Berlins an die Bundesrepublik Deutschland in Frage zu stellen.
Aus diesem Grunde folgten ab 1963
immer deutlichere Proteste gegen die Präsenz des Bundes in Berlin.
4. 7. Die Bedeutung des Mauerbaus für die BRD und West-Berlin
Der Mauerbau war für die westdeutsche Politik ein tiefer Einschnitt.
Konrad Adenauers deutschlandpolitische
Konzeption hatte den größten Schlag erhalten. Die "Politik
der Stärke", die Vorstellung, das System der DDR
sei durch Druck von außen zu verändern, schien gescheitert.
Aufgrund seines harten politsichen Kurses
gegenüber den realistischeren Ansätzen Kennedys, geriet der
Bundeskanzler immer mehr ins Kreuzfeuer der
Politik. Der junge amerikanische Präsident hatte erkannt, dass
dem Westen keine kurzfristige Möglichkeit blieb,
den Bau der Mauer rückgängig zu machen und plädierte
für die Erhaltung des "status quo" auf der Grundlage
seiner nach wie vor bestehenden "three essentials" um einen "modus
vivendi" zu finden. Dies beinhaltete aber
auch die Annahme der Mauer als Faktum, um politischen Spielraum für
die Zukunft zu gewinnen. Das Scheitern
Adenauers Poltik der Härte gegenüber der DDR spiegelte sich
auch bei den Wahlen am 17. September 1961
wieder, als die CDU ihre absolute Mehrheit verlor, und der Adenauer
Chruschtschow der Wahlkampfhilfe für
Willy Brand bezichtigte.
Doch die Existenz der Mauer gab auch Ansatzpunkte zu einer Neuorientierung
der Ost-Politik. Egon Bahr, der
Leiter des Presse- und Informationsamtes des Berliner Senats, entwickelte
am 15. Juli 1964 anläßlich eines
Referats vor der Evangelischen Akademie in Tutzing die Formel: "Wandel
durch Annäherung". Dahinter
verbarg sich die Vorstellung, dass das kommunistische Regime in
der DDR aus Angst und
Selbsterhaltungstrieb die Mauer errichtet hatte und die Auflockerung
der Grenzen durch eine deutsch-deutsche
Entspannung möglich werde. Trotz vieler Bedenken, auch in der
SPD, fand Bahr Unterstützung bei Willy Brand,
der im Februar 1964 Parteivorsitzender der SPD geworden war.
Trotz der Abkehr des offenen Konfrontationskurses gegüber dem anderern
deutschen Staat, wurde Berlin und
die Mauer jedoch zum zentralen Integrationselement für die Gesellschaft
der BRD. Die Mauer machte das
gemeinsame "Feindbild" aller Westdeutschen möglich, bot eine einfache,
leicht zu verstehende politsische
Positionsbestimmung für jeden an. Westlich der Mauer existierte
die BRD mit ihrer freiheitlich demokratischen
Grundordnung, östlich davon, getrennt von einem unmenschlichen
Bauwerk, errichtet von einem
undemokratischen System, lag die DDR und hielt ihre eigenen Bürger
gefangen. Diese hier recht simplifizierte
Darstellung wurde bis zum Ende der DDR mehrfach abgewandelt und relativiert,
behielt jedoch aufgrund ihrer
zutreffenden Kernaussage immer Aktualität.
5. Erste Enspannungstendenzen nach Ende der 2. Berlinkrise (1962-1964)
Mit dem Ende der 2. Berlinkrise und dem Bau der Mauer hatte sich der
Ost-West-Konflikt auf weltpolitischer
Ebene deutlich entspannt. USA und Sowjetunion respektierten ihre jeweiligen
europäischen Situationen und
suchten nach Möglichkeiten den Zustand vertraglich zu fixieren.
Für die beiderseitigen Positionen in Berlin
bedeutete dies, dass eine Ãœbereinkunft gefunden werden musste,
die es West-Berlin erlaubte, abgesichert durch
enge Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland und den Westmächten,
seine Brennpunktfunktion
aufzugeben. Für Ost-Berlin bedeutete solch eine Übereinkunft
die faktische Bestätigung der Zugehörigkeit zur
DDR und die Anerkennung seiner Hauptstadtfunktion.
5. 1. Berlin (West)
Die politische Führung von West-Berlin leitete nach dem Bau der
Mauer einen langsamen Umdenkungsprozeß
ein, welcher der Bevölkerung behutsam klar machen sollte, dass
sich die westlichen Garantien nur auf den
Westteil der Stadt bezogen und die Hoffnungen und Illusionen der letzten
Jahre weitgehend verloren waren.
Berlin sollte eine "Brückenfunktion" zwischen Ost und West erhalten
und die Kommunikation zwischen den
Völkern Ost- und Westeuropas ermöglichen. Dennoch galt es
den meisten West-Berlinern nach wie vor als
unverzeihliche Naivität oder Unverfrorenheit, Gesprächsbreitschaft
mit dem Osten zu zeigen. Der regierende
Bürgermeister von West-Berlin, Willy Brandt begann mit seiner
"Politik der kleinen Schritte", die mit einer
Kontaktaufnahme zu östlichen Behörden, vor allem den Berliner
Bürgern praktische Erleichterung bringen
sollte. Der Besuch Präsident Kennedys im Juni 1963 stützte
Brandts Politik und beendete die Vertrauenskrise
zu den Westmächten. Er schaffte es nicht nur mit seiner "Ich bin
ein Berliner"-Rede, das trotzige
"dennoch"-Gefühl der Bevölkerung wiederzubeleben, sondern
verknüpfte auch die Existenz der Mauer mit der
Einheit Deutschlands.
"Die Mauer ist
die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen
des
kommunistischen
Systems. Die ganze Welt sieht dieses Eingeständnis des Versagens.
[...] Was
von Berlin gilt,
gilt von Deutschland: Ein echter Friede in Europa kann nicht gewährleistet
werden,
solange jedem
vierten Deutschen das Grundrecht einer freien Wahl vorenthalten wird. In
sechzehn
Jahren des Friedens
und der erprobten Verläßlichkeit hat diese Generation der Deutschen
sich das
Recht verdient,
frei zu sein, einschließlich des Rechtes, die Familien und die Nationen
in
dauerhaftem
Frieden wieder vereint zu sehen im guten Willen gegen jedermann."
In diesen Worten spiegelte sich die Grundüberzeugung nicht nur
des amerikanischen Präsidenten, sondern
auch der Westdeutschen Regierung wieder, dass allein die Mauer,
das Scheitern des sozialistischen
Oststaates verhindere. Ihre Existenz machte die undemokratische Struktur
eines Systems offensichtlich,
dessen Führung als letztes Mittel sein eigenes Volk internierte,
um abgeschlossen von störenden Einflüssen
eine sozialistisch autoritäre Herrschaft zu errichten. Obwohl
es zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt
absehbar war, ob die Mauer als notwendige Bedingung für die Existenz
der DDR auch in der Zukunft ihre
Berechtigung haben würde, so erhielten hier doch Mauer- und Einigungsfrage
ihre enge Verknüpfung, die sie
bis zur Lösung beider Probleme auch behalten sollten.
In der westdeutschen und westberliner Politik erleichterte die Mauer
die eigene moralische
Standortbestimmung. Solange die Mauer bestand, konnte jedem demokratie-
und freiheitsliebenden Bürger
der Welt klar werden, auf welcher Seite Freiheit und auf welcher Unterdrückung
herrschte. Entsprechend
diesem Punkt an dem die moralische Ãœberlegenheit des Westens so
deutlich zu Tage trat, wurden bis zum Fall
der Mauer unzählige ausländische Gäste, Politiker und
Staatsoberhäupter an die Mauer in Berlin geführt.
Doch eine alleinige Konzentration auf Konfrontation aus moralischer
Überlegenheit machte humanitäre
Verbesserungen in der unerträglichen Situation Berlins fast unmöglich.
Erst nach den Senatswahlen von 1963,
in der erstmals SPD und FDP eine mehrheitsfähige Koalition erreichten,
konnte der neue Senat vom harten
politischen Kurs gegenüber der DDR abweichen. Trotz der Umstrittenheit
dieses politischen Kurswechels
zeigten sich bald erste Resultate. Nach mühsamen Verhandlungen
mit der Regierung in Ost-Berlin konnte im
Dezember des gleichen Jahres mit der DDR ein Passierscheinabkommen
ausgehandelt werden, das es den
West-Berlinern erstmalig nach Schließung der Grenze erlaubte,
den Ostteil der Stadt wieder zu besuchen; ein
Paradebeispiel für die Möglichkeit, durch das Ausklammern
gegensätzlicher Grundsatzpositionen humanitäre
Angelegenheiten zu verwirklichen.
5. 2. Berlin (Ost)
Der DDR-Führung im Osten war es mittlerweile gelungen, die Abneigung
der Bevölkerung von Ost-Berlin
gegenüber der DDR-Provinz abzubauen und auf die Entwicklung eines
Hauptstadtbewußtseins zu wenden. Mit
erheblichen finanziellen und propagandistischen Mitteln wurde der Wiederaufbau
des alten preußischen Berlins
vorangetrieben. In den fünfziger Jahren hatten die Westmächte
eine "Zuordnung" Ost-Berlins zur DDR
stillschweigend in dem Maße hingenommen, in dem sie selbst die
"Zuordnung" West-Berlins zur
Bundesrepublik für geboten hielten. Sie erhoben Einwände
immer nur dann, wenn die östliche Seite weiter ging
als die westliche, z.B. als im Januar 1962 die allgemeine Wehrpflicht
auch in Ost-Berlin eingeführt wurde. Seit
Beginn der sechziger Jahre war die DDR bemüht, bei allen politischen
Sprachregelungen die Hauptstadtrolle
Ost-Berlins hervorzuheben.
Obwohl die DDR-Führung bis zum Oktober 1962 noch gehofft hatte,
dass der Bau der Mauer destabilisierend
auf das Bewußtsein der Westberliner wirken würde, erklärte
Ulbricht beide Staaten sollten ihre Lehren aus dem
Kubakonflikt ziehen. Nach einer Auseinandersetzung mit den sowjetischen
Parteiführern hatte Ulbricht zuvor
von seinen Maximalforderungen bezüglich Berlin abrücken müssen.
Das auf dem 6. Parteitag der SED
verabschiedete Programm vom 18.1.1963 drohte nicht mehr mit einem Friedensvertrag
und auch das Konzept
der Freien Stadt Berlin war endgültig fallengelassen worden.
Nach dem Bau der Mauer war es der SED zunächst gelungen, die Stärkung
der Ökonomie in den Vordergrund
zu rücken. Es gelang ihr tatsächlich mit einer groß
propagierten Produktionskampagne eine wirtschaftliche
Aufbruchsstimmung in der DDR erzeugen. Mit dem Weichen der unmittelbaren
Existenzangst lockerte die
Staatsführung ihr Regime. Für Universitäten und Künstler
erschloß sich ein bisher nicht gekannter Freiraum für
ihr Schaffen. An diesem Punkt stellte sich die Frage, ob in Auseinandersetzung
mit den Sonderinteressen der
bürokratischen Apparate der SED und der Blockparteien sowie des
Staates es möglich sein würde, die
Wirtschaftsreform in Einheit mit einer Reform des politischen Systems
durchzuführen. Nur solch eine moderne
DDR hätte die Chance gehabt, in absehbarer Zeit die Mauer überflüssig
zu machen.
6. Berlin als Ort deutsch-deutscher Koexistenz (1964 -1972)
Bis 1966 waren weitere wichtige Schritte in Richtung auf ein Konfliktbeseitigung
in Mitteleuropa getan worden.
CDU und CSU hatten sich bereiterklärt, auf die sowjetisch-amerikanische
Politik der Konfliktbeseitigung
einzuschwenken, um die unter den Regierungen Adenauer und Erhard entstandene
Isolierung der BRD in Ost
und West aufzubrechen. Unter der Großen Koalition begannen erste
Gespräche mit der Regierung der DDR,
die jedoch vorerst ohne Erfolg blieben.
Verhandlungen der Bundesregierung mit der Sowjetunion über einen
Gewaltverzicht im Jahre 1967 scheiterten
insbesondere daran, dass man auf östlicher Seite Berlin als
dritten Staat auf deutschem Boden ansah, und sich
genötigt fühlte, in Berlin der demonstrativen Bundespräsenz
entgegenzutreten. So verbot die DDR-Regierung
am 10.3.1968 Mitgliedern der NPD die Benutzung der Transitstrecken
und ordnete am 13.4.1968 an, dass
Ministern und leitenden Beamten der Bundesregierung die Benutzung der
Transitstrecken nicht mehr gestattet
werden kann. Schließlich erfolgte am 5.3.1969 der Visazwang für
alle transitreisenden Bundes- und
Berlin-Bürger. Diese Reaktion auf die steigende Bundespräsenz
in West-Berlin kann um so eher verstanden
werden, als dass in der seit April geltenden DDR-Verfassung, in
Artikel 1, Berlin ausdrücklich als Hauptstadt der
Deutschen Demokratischen Republik und nicht mehr ganz Deutschlands
bezeichnet wurde.
Die im Oktober 1969 gebildete sozialliberale Koalition in Bonn nutzte
im Zuge der weltpolitischen Entspannung
die Möglichkeit, auch die Beziehungen zum Osten weiter auszubauen.
Willy Brands Ostpolitik, die letztendlich
von Bahrs "Mauererfahrung" beeinflußt war, konnte nun endlich
zur Anwendung kommen. So wurden schon am
12. August 1970 das Gewaltverzichtsabkommen der BRD mit der Sowjetunion,
der Moskauer Vertrag und am
7. Dezember 1970 der Warschauer Vertrag abgeschlossen. Parallel zu
diesen Verhandlungen hatten sich im
März bzw. im Mai 1970 Bundeskanzler Brandt und Ministerpräsident
Stoph in Erfurt bzw. in Kassel zu
Gesprächen getroffen. Da die Bundesregierung jedoch entscheidenden
Wert darauf legte, dass Verhandlungen
zwischen der DDR und der BRD über den Berlin-Verkehr auf der Grundlage
der bestehenden Verantwortung
der Vier Mächte für die Sicherung des Berlin-Zugangs erfolgen
müsse, formulierten sie im Zusammenwirken
mit den Westmächten ein Junktim zwischen dem Inkrafttreten des
Moskauer Vertrages und einer
befriedigenden Berlin-Regelung, die für die westliche Seite unverzichtbarer
Ausgangspunkt für
Ost-West-Verträge und Entspannung war. Zwar akzeptierte die Sowjetunion
kein formelles Junktim, fand sich
aber zu Viermächte-Verhandlungen über Berlin bereit.
In der DDR vollzog sich dagegen 1971 die Wende von Walter Ulbricht zu
Erich Honecker, nachdem sich
herausgestellt hatte, dass der Versuch, die BRD wirtschaftlich
zu überholen, gescheitert war und der
Kommandosozialismus nicht die Aufgaben der technologischen Umwälzung
zu meistern vermochte. Der neue
Mann begrub jegliches Reformkonzept. An die Stelle von Ökonomie
traten bei ihm Politik und Ideologie.
Andererseits wurde in vielen Fragen ein früher nicht gekannter
Pragmatismus praktiziert. Honecker erkannte
den Vorsprung des Westens an. Neue Ãœberholversuche wurden nicht
mehr erwogen. Top-Funktionäre der
Partei und höhere Offiziere in den Militär- und Sicherheitsapparaten
bedienten sich in Sonderläden für
Ost-Mark mit Waren, die für die Bevölkerung nicht ohne weiteres
zugänglich waren. So entstanden
verschiedene Kategorien Privilegierter, und sozialpsychologische Spannungen
waren unvermeidlich. Es stellte
sich die Frage, wie lange noch große Teile der Bevölkerung
an die "Überlegenheit des Sozialismus" würden
glauben können. Die Politik Honeckers, mit den Mitteln der Sozialpolitik
sein konservatives System zu
stabilisieren, führte zu einer eklatanten Vernachlässigung
der Akkumulation in der DDR-Wirtschaft und damit
zum langfristigen Abbau der wirtschaftlichen Grundlagen der DDR. Angesichts
dieser Situation war die
DDR-Führung einerseits bereit, mittels "humanitärer" Zugeständnisse
vor allem in Berlin wirtschaftliche
Zuwendungen aus der BRD zu erreichen, andererseits versuchte das marode
Regime dabei unter allen
Umständen das Gesicht der Souveränität und der politisichen
Gleichberechtigung zu wahren. Beide Punkte
ließen sich in deutsch-deutschen Abkommen verwirklichen, die
dem Vier-Mächte-Abkommen folgten.
6. 1. Das Vier-Mächte-Abkommen
Die Unterzeichnung des Vier-Mächte-Abkommens am 3. September 1971
im Berliner Kontrollratsgebäude
markierte eine Etappe in den Annäherungen zwischen Ost und West,
deren Bedeutung weit über die geteilte
Stadt hinausreichte. Das Abkommen war Kernbestandteil der Entspannungspolitik
zwischen West und Ost in
Europa Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre. Die Politische
Koppelung einer befriedigenden
Berlin-Regelung durch die Bundesregierung und ihre westlichen Verbündeten
mit einer Ratifizierung der
Ostverträge und der Teilnahme an einer KSZE in Form eines Juktims
zeigte den hohen Stellenwert dieses
Problemfeldes für die Ost-West-Beziehungen.
Es folgte am 17. Dezember das für Berlin besonders wichtige Transitabkommen,
das den Transitverkehr
zwischen der BRD und Berlin (West) erstmals auf eine völkerrechtliche
Basis stellte. Die Vereinbarung vom 20.
Dezember 1971 zwischen der DDR-Regierung und dem Senat von Berlin,
worin Reise- und
Besuchsregelungen, sowie Vereinbarungen über einen Gebietsaustausch
festgelegt wurden, brachte eine
weitere Entspannung der politischen Lage. Am 21.12.1972 folgte schließlich
als vorläufiger Abschluß der
Normalisierung des Verhältnisses der Grundlagenvertrag zwischen
den beiden deutschen Republiken, in dem
vor allem ein Gewaltverzicht und die gegenseitige Anerkennung als eigenständige
Staaten ausgesprochen
wurde. Man einigte sich ebenfalls über den Austausch von "ständigen
Vertretungen" in Berlin (Ost) und Bonn.
Der Begriff "ständige Vertretung" wurde auf Wunsch der Bundesregierung
gewählt, welche die DDR mit der
Entsendung eines Botschafters formell als Staat anerkannt hätte.
Rechtstechnisch blieb das Berlin-Abkommen
jedoch ein Kuriosum, ohne einheitliche Namen, ohne vereinbarten Geltungsbereich,
voll umständlich
verklausulierter Ortsbezeichnungen und fast nur aus einseitigen Erklärungen
bestehend.
Obwohl die DDR-Führung erst nach einer völkerrechtlichen Anerkennung
der DDR durch die BRD in
Verhandlungen mit der Bundesregierung treten wollte, hatte sie sich
der politischen Gesamtkonstellation
beugen müssen. Die Sowjetunion war zu sehr an einem Gewaltverzichtsabkommen
mit der BRD und an der
Festschreibung des Status quo in Europa interessiert und hatte die
DDR gedrängt, ihre Vorbedingungen
fallenzulassen. Spätestens mit diesem Abkommen wurde deutlich,
dass keine der vier Mächte auf ihre Rechte in
Berlin verzichten und der DDR die Eingliederung des Westteiles in ihr
Staatsgebiet ermöglichen würde. Selbst
wenn aufgrund der weiterhin unterschiedlichen Rechtspositionen der
Streit über die "richtige" Auslegung der
Verträge nicht ausbleiben konnte, war nach dem Abschluß
und Ratifizierung der Verträge der Berlin-Konflikt
"eingekapselt" und als solcher für die Erhaltung eines entspannten
Zustandes in Europa nicht mehr bedrohlich.
7. Bewährung der Koexistenz
Auf die zwischen den Großmächten getroffene Vereinbarung
zur Konfliktbeseitigung kam ab 1973 in einer sich
rasch wandelnden politischen, militärischen und wirtschaftlichen
Lage die Bewährung zu. Vor allem Berlin
wurde wieder zum Brennpunkt von Argwohn beider Seiten, der jeweils
andere könnte nicht mehr gewillt sein,
den Anfang der siebziger Jahre getroffenen Interessenausgleich einzuhalten.
Im Juli 1973 erhielt das
deutsch-deutsche Verhältnis einen schweren Stoß, als das
Bundesverfassungsgericht in einem Urteil die BRD
nicht als "Rechtsnachfolger" des Deutschen Reiches, sondern als Staat
identisch mit dem Deutschen Reich
und im Bezug auf seine Ausdehnung teilidentisch mit ihm bezeichnete.
Damit waren der de-facto-Anerkennung
der DDR im Grundlagenvertrag enge Grenzen gesetzt. Nach diesem Urteil
ging die DDR neuen
Vereinbarungen mit der BRD zunächst aus dem Weg und wandte sich
massiv gegen die Bindungen von
West-Berlin an die BRD. Obwohl im Viermächte-Abkommen festgelegt
war, dass die Bindungen und
Verbindungen zwischen Berlin (West) und der BRD nicht nur fortbestehen,
sondern auch "entwickelt" werden
könnten, forderte die SED bald den Abbau der in West-Berlin bestehenden
Bundeseinrichtungen. Nach Ansicht
der DDR-Führung bezog sich der englisch-russische Originaltext
des Abkommens nur auf "Verbindungen" mit
der Stadt und nicht auf "Bindungen".
Die maximalistische Interpretation der "Bindungen" Berlins wurde bald
in praktische Poltik umgesetzt und von
der BRD und dem Berliner Senat folgendermaßen begriffen:
"Die Bindungen
Berlins an den Bund, vor allem die Einordnung der Stadt in das Rechts-,
Wirtschafts-
und Finanzsystem der BRD sowie die Eibeziehung in die Mitgliedschaft der
BRD in
den Europäischen
Gemeinschaften bleiben Grundlagen für den weiteren Ausbau Berlins.
Die
Bindungen zu
erhalten und im Rahmen dies Vier-Mächte-Abkommens zu entwickeln bleibt
die
zentrale Aufgabe.
Dazu gehört auch, dass die Interessen Berlins im Ausland und
gegenüber der
DDR voll durch
die Bundesregierung wahrgenommen werden. Berlin muss auch in Zukunft
in alle
internationalen
Verträge der BRD einbezogen werden. Einrichtungen des Bundes gehören
dann
nach Berlin,
wenn es sachlich berechtigt ist. Berlin wird als Sitz internationaler Einrichtungen
weiter
ausgebaut werden."
Der Abbau von erkennbaren Statusregelungen für den Ostsektor in
Bezug auf die DDR lief derweil fast parallel
zur verfassungsrechtlichen Bindung der DDR an die Sowjetunion und erreichte
mit der Verfassung von 1974
ihren Höhepunkt. Dort wurde in dem neuen 2. Absatz des Artikels
6, festgelegt, dass die DDR für immer und
unwiderruflich mit der UdSSR verbunden sei. Während für die
BRD die Westbindung verfassungsrechtlich und
politisch immer wieder zur Disposition stand, war die Ostbindung für
die DDR rechtlich viel stärker abgesichert.
Insofern bedurfte die Sowjetunion viel weniger der zusätzlichen
Absicherung ihres Einflusses von Berlin aus.
Die DDR-Führung verstärkte weiterhin ihre Bemühungen,
die letzten Reste eines besonderen Berlin-Status für
Ost-Berlin zu beseitigen, um den Hautpstadtanspruch auch aus Legitimationsgründen
gegenüber der eigenen
Bevölkerung zu betonen und die Viermächte-Verantwortung auf
den Westteil der Stadt zu begrenzen. Die DDR
nutzte dabei alle Möglichkeiten, den hauptstädtischen Charakter
Ost-Berlins nicht nur auf offiziellen
Dokumenten, Hinweisschildern etc. herauszustellen. Sie versuchte darüber
hinaus, gerade Besuche
ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungschefs immer
wieder zur Aufwertung Ost-Berlins als
Hauptstadt zu nutzen. Nach der Volkskammerwahl vom Oktober 1976 erhielten
die Abgeordneten von Berlin
keinen gesonderten Ausweis mehr. Ab dem 1.1.1977 unterlagen auch Ausländer
für Tagesfahrten nach
Ost-Berlin einer Visumspflicht. Schließlich nannte sich der "Magistrat
von Groß-Berlin" ab Frühjahr 1977
"Magistrat von Berlin, Hauptstadt der DDR". Doch trotz all dieser Maßnahmen
wurde die DDR bis zuletzt
schmerzlich daran erinnert, dass sie über ihre eigene Hauptstadt
nicht volle Souveränität besaß und der
Sonderstatus der Stadt weiterbestand.
Nachdem der Dritte Zivilsenat des Bundesgerichtshofes am 29.9.1977 die
Benutzung der Transitwege durch
kommerzielle Fluchthelfer zur Ausschleusung von Flüchtigen als
Rechtens ansah, verschärfte die DDR bis Ende
Januar 1978 die Kontrollen drastisch. Zur gleichen Zeit wurden auch
Bundestagsabgeordneten der CDU der
Zutritt nach Ost-Berlin mit der Begründung verweigert, die Partei
würde in West-Berlin Aktivitäten unternehmen,
welche dem vierseitigen Abkommen widersprächen. Dennoch wurde
das Bemühen um Überwindung der
unterschiedlichen Standpunkte in der Berlin-Problematik im Laufe des
Jahres 1978 an den
Kompromißangeboten beider Seiten deutlich.
8. Deutsch-deutsche Entspannung in den 80'ern
Besonders in den 80'er Jahren entwickelte sich eine deutsch-deutsche
Vertragspolitik, welche nicht nur die
Situation der Bürger Berlins verbesserte, sondern auch den Westdeutschen
zugute kam, die nach Berlin reisen
wollten. Die Initiative ging dabei klar von der Bundesregierung aus
und fand zum Teil nur widerstrebend die
Zustimmung der DDR, die lieber unmittelbar mit dem Berliner Senat verhandelt
hätte. So wurde z.B. am 30.
April 1980 zwischen der BRD und der DDR mehrere Abkommen zum innerdeutschen
Verkehr sowie Fragen
des Umweltschutzes unterzeichnet. Auch neue Postvereinbarungen, die
zur Verbesserung der
Fernmeldeverbindungen zwischen West- und Ost-Berlin führten, wurden
am 15. November 1983 vereinbart. Es
folgten noch eine Reihe weiterer Verträge, die Verkehrsverbindungen
förderten. Im Laufe des
Honecker-Besuches in der BRD vom 7. bis 11. September 1987 wurden drei
Verträge zum Umweltschutz,
Strahlenschutz und Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissenschaft
und Technik unterzeichnet, in denen
Berlin voll einbezogen wurde.
Dennoch kann die Situation der Stadt deutlich in den Worten von zwei
Staatsmännern begriffen werden, welche
das Kernproblem der Berlinfrage und der deutschen Teilung hervorhoben.
Zum einen war dies der
amerikanische Präsident Reagan, der anläßlich seines
Berlin-Besuchs 1987 vor dem Brandenburger Tor,
Präsident Gorbatchow aufforderte, die Mauer niederzureißen.
Zum anderen charakterisierte Richard von
Weizsäcker den Zustand der Stadt und der beiden deutschen Staaten
anläßlich des 750-jährigen Jubiläums
der Stadt treffend mit den Worten: "Die deutsche Frage ist eben offen,
solange das Brandenburger Tor
zubleibt".
9. Der Fall der Mauer und das Ende der Berlinfrage
1989 hatte sich die politische Krise in der DDR drastisch verschärft.
Als die ungarischen Behörden am 10./11.
September ohne Absprache mit der DDR-Regierung allen Fluchtwilligen,
die sich in ihrem Land aufhielten, die
Ausreise gewährte, kam es zu einem lawinenartigen Exodus wie einst
vor dem Bau der Berliner Mauer 1961.
Dieses Loch in der Mauer um die DDR, durch das bis Ende September 25.000
Ãœbersiedler in die BRD
gelangten, leitete den Zusammenbruch des DDR-Regimes ein. Analog zur
Situation in der Zweiten Berlinkrise,
ließen die Flüchtlingsströme ein Ausbluten der DDR
in kurzer Zeit vermuten. Die zeitgleich in der DDR
stattfindenden Bürgerdemonstrationen gegen das Regime setzten
die SED-Führung so weit unter Druck, dass
nur noch mit der Schließung der Grenzen zu den "sozialistischen
Bruderstaaten" und rigorosen polizeilichen
Maßnahmen der Machterhalt hätte gewährleistet werden
können. Doch solch ein Schritt hätte blutige Aktionen
nach dem Vorbild des 17. Juni erfordert und die DDR weltweit, auch
im sozialistischen Lager isoliert.
Am 9. November 1989 gab das Politbüromiglied Günter Schabowski
in einer Pressekonferenz die neue
Reisefreiheit für DDR-Bürger bekannt und bestätigte
damit das Nachgeben der SED-Führung. Diese Aussage
leitete das Ende der Mauer ein. Noch in der selben Nacht sollte die
Mauer in Berlin, wo sie 28 Jahre lang ihr
unmenschliches Gesicht am offensten gezeigt hatte, ihren Schrecken
verlieren. Obwohl für die Reisefreiheit der
DDR-Bürger noch keine formellen Regelungen getroffen waren, mussten
sich die Grenzposten dem Ansturm
tausender Ost-Berliner beugen, die in den Westteil der Stadt strömten
und dort begeistert empfangen wurden.
Am Brandenburger Tor, bei dem Präsident Reagan im Juni 1987 Gorbatschow
aufgefordert hatte, das Tor zu
öffnen, erklommen Ost- und Westberliner die Mauer und feierten
das Ende der Trennung.
Der faktische Fall der Mauer ermöglichte in den folgenden Wochen
Millionen von DDR-Bürgern den Besuch
der BRD und West-Berlins, wobei die unmittelbare Anschauung der Lebensverhältnisse
die Menschen tief
prägte. Die Vorstellungen, die DDR reformieren zu können,
wichen bald dem Wunsch nach einer alsbaldigen
Vereinigung.
Nach dem Ende der Mauer sollte auch bald Berlin seine exponierte Stellung
zwischen den beiden deutschen
Staaten verlieren. Den ersten freien Wahlen in der DDR im März
1990 folgte die Währungs-, Wirtschafts- und
Sozialunion mit der BRD im Juli desselben Jahres. Am 23. August 1990
stimmte die Volkskammer der DDR
für einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23
GG und nur wenige Tage später, am 31. August
1990 wurde der Einigungsvertrag unterzeichnet. Auf internationaler
Ebene hatte der sowjetische Präsident
Gorbatschow im Februar 1990 grundsätzlich der deutschen Vereinigung
zugestimmt, wenige Tage später
wurde auf der "Open-Skies-Konferenz" in Ottawa die "Zwei-plus-Vier"
Formel geboren: Die beiden deutschen
Staaten verhandelten in der Folge mit den vier ehemaligen Alliierten
des Zweiten Weltkrieges über die äußeren
Aspekte der deutschen Einheit in einer Serie von Konferenzen, die Anfang
Mai in Bonn begann und im
September mit der Unterzeichnung des "Vertrages über die abschließende
Regelung in Bezug auf
Deutschland" endete. Die Regelung der inneren und äußeren
Aspekte der deutschen Einheit wurde mit dem
Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 abgeschlossen.
Für Berlin bedeutete dies den Wegfall des Viermächtestatus
und aller damit verbundenen Rechte der Alliierten.
Der im Jahre 1994 vollendete Abzug aller alliierter Streitkräfte
aus der Stadt ermöglichte die vollständige
politische Normalisierung der Stadt, deren Probleme sich jetzt vor
allem auf wirtschaftliche und soziale
Auswirkungen der Vereinigung verlagerten. Berlin hatte seine Funktion
als politischer Brennpunkt der
Ost-West-Beziehungen im positiven wie auch im negativen Sinne verloren.
An der Frage, ob Berlin, Hauptstadt des Deutschen Reiches und Hauptstadt
der DDR, jetzt Hauptstadt eines
vereinigten Deutschlands werden solle, entzündeten sich jedoch
bald innenpolitische Kontroversen. Befürworter
betonten Berlin als einziges mögliches gesamtdeutsches Symbol,
während Gegner vor Traditionen des
Kaisertums und des Nationalsozialismus warnten, sowie die gigantischen
Kosten eines Umzuges von Bonn
nach Berlin darstellten. Die Entscheidung der Bundestagsabgeordneten
könnte dabei als Sehnsucht nach
einem nationalen Symbol betrachtet werden, dass Deutschland in
den letzten 50 Jahren seiner Geschichte
verwehrt worden war. Berlin steht in seiner neueren Geschichte für
Kampf, Selbstbehauptung, Trennung durch
Mauer, Wille zur Freiheit und zur Einheit. Damit repräsentiert
die Stadt sowohl bestehende als auch neue
Ideale, die an der Gründung positiver Traditionen des Wiedervereinigten
Deutschland mitwirken können. Damit
besteht aber keinesfalls ein Mandat, zentralistisch zu wirken, was
unweigerlich zu Reibungen mit dem föderalen
System führen würde. Ebenso würde ein Mandat, ein homogenisiertes
deutsches Kulturbild zu schaffen, wie
dies in Frankreich mit Paris der Fall ist, an den föderalen Traditionen
und Strukturen scheitern.
III. Schlußbetrachtung
Abschließend kann gesagt werden, dass es während der
ganzen Zeit der Teilung Berlins nie eine totale Isolation
zwischen den beiden Stadthälften gab. Nach dem Kappen der Telefonleitungen
zwischen den Teilen im Jahre
1952 blieben einige wenige Leitungen bestehen, über die dringende
Mitteilungen ausgetauscht werden
konnten. Postfahrzeuge überbrachten Briefe, Päckchen und
Pakete, Leichenwagen transportierten Tote. Ärzte
versorgten ihre Patienten und Straftäter, die sich ihrer Strafe
wegen Diebstahl, Raub oder
Sittlichkeitsverbrechen entziehen wollten, wurden ausgeliefert. Städtebauliche
Planungen von Ost- und
West-Berlin wurden zwar nur selten auf einander abgestimmt, aber beiderseitiges
Interesse an den Planungen
der jeweils anderen Seite war vorhanden. Der Warenaustausch zwischen
den beiden Stadtteilen wurde nie
ganz unterbrochen und funktionierte unter dem Dach des sogenannten
"Interzonenhandels". Trotz Mauer gab es
zu keinem Zeitpunkt die totale Kommunikationsblockade, wie sie z.B.
an der Grenze zwischen Nord- und
Südkorea herrschte.
Die deutsche Frage stand tatsächlich solange offen, wie die Mauer
und damit die Teilung Berlins bestand.
Berlin war mit seiner freiheitlichen Existenz des Westteiles und mit
der davon ausgehenden Ausstrahlung
faktisch "Pfahl im Fleisch" der kommunistischen Herrschaft in der DDR.
Die Stadt war aber ebenso die "offene
Wunde" der BRD, die immer wieder das Drama der deutschen Teilung vor
Augen führte. Berlin und die Mauer
stellten vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes ein zentrales
Integrationselement für die Gesellschaft der
Bundesrepublik dar. Der Verlust dieses gemeinsamen Mittelpunktes nach
dem Fall der Mauer und der
Wiedervereinigung Deutschlands sind bis heute in der gesellschaftlichen
und weltpolitischen Standortsuche der
Deutschen sichtbar.
IV. Literatur
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- 1962) im Spiegel neuer amerikanischer Quellen, Frankfurt 1993
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Berlinfrage 1944-1966, Dritte durchgesehene und erweiterte Auflage,
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Politik e.V.: Dokumente zur Berlinfrage
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Gläsker, Wolfgang: Die Konföderationspläne der SED von
1957-1967, ihr politischer Hintergrund und ihre
Funktion im Rahmen der kommunistischen Deutschlandpolitik (Diss.),
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Zielgler, Gottfried: Die Haltung von SED und DDR zur Einheit Deutschlands
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Zimmer, Matthias: Deutschlandpolitik von Adenauer bis Kohl, in: Karl-Rudolf
Korte / Matthias Zimmer: Der
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