Weimarer Republik
I Entstehungsbedingungen
1. Die innenpolitische Situation während des Ersten Weltkrieges
Die nationale Begeisterung bei Kriegsausbruch wurde mit zunehmender Dauer in eine Desillusionierung und Kriegsmüdigkeit umgewandelt. Hinzu kamen aber auch noch soziale Probleme.
Die Liberalisierungswünsche des Bürgertums waren eher "Lippenbekenntnisse" und die der modische Zeitgeist wurde nicht konsequent und energisch genug verfolgt
Für diese Haltung gab es mehrere Ursachen:
Der Verwaltungs- und Beamtenstaat der wilhelminischen Monarchie arbeitete exakt, und funktionierte gut; von Ausnahmen abgesehen war er nicht korrupt Bürgerliche Rechte und Freiheiten waren durch das Gesetz und die Verfassung gesichert Er gab jedem Bürger seinen festen Platz in der Gesellschaft, und es wurde ihm ermöglicht sich mit den allgemeinen deutschen Grundzügen zu identifizieren Der Reichstag als einzige demokratische Institution hatte nur sehr beschränkte Oppositionsmöglichkeiten. Die SPD, als größte Partei im Reichstag, verzichtete durch den Burgfrieden bei Kriegsausbruch freiwillig, im nationalen Interesse, auf eine Opposition Die Arbeiterschaft hatte sich mit dem, aus ihrer Sicht, gut funktionierenden Obrigkeitsstaat abgefunden
2. Von der konstitutionellen Monarchie zur Militärdiktatur
Im August 1916 wurden Hindenburg und Ludendorffer an die Spitze des Feldheeres gerufen. Da dies gegen den Willen des Kaisers geschah, lag seine Entmachtung auf der Hand, denn er war es, der bis zu seinem Abdanken das Amt des obersten Befehlshabers wahrnahm.
Von nun an hatten weder Politiker noch Kaiser die Befehlsgewalt, sondern eine neue, die dritte, Oberste Heeresleitung (OHL).
Die Stellung der "Neuen" war aufgrund der Kriegssituation sowie der innenpolitischen Lage beinahe unangreifbar. So bestimmten die beiden Generäle (Hindenburg und Ludendorffer) nicht nur über die Kriegsausführung, sondern auch über Innen- und Außenpolitik.
Das Ergebnis dieses Verfahrens war eine absolute Militärdiktatur!
3. Die Parlamentisierung des Deutschen Reichs
3.1.1 Der militärische Zusammenbruch als Voraussetzung
Viele Ereignisse machten im September 1918 die aussichtslose Lage des Deutschen Reichs klar:
die Frühjahrsoffensive war gescheitert im Gegenzug dazu war die Gegenoffensive der Alliierten um so erfolgreicher die Kapitulation Österreichs zeichnete sich ab die USA griff nun weit in das Kriegsgeschehen ein, und war weit überlegen
Die Konsequenz Hindenburgs und Ludendorffers war ein Drängen auf einen raschen Waffenstillstand. Daraus ergab sich die Bildung einer neuen Regierung, die auf demokratische Grundlagen basierte.
Die Verantwortung für das militärische Desaster schoben die beiden Generäle auf die Politiker und somit auch auf das ungeliebte und unverstandene System der Demokratie. Darunter litt diese stark bis 1933.
3.2 Die parlamentarische Monarchie
Die zur Machübernahme befohlenen Parteien waren von der neuen Situation völlig überrumpelt, und hatten keinen Kandidaten für das Kanzleramt.
Kurz und knapp ernannte Wilhelm II. den parteilosen Prinzen Max von Baden zum Kanzler.
Für das Volk hatte sich nach außen hin somit nicht viel geändert: Ein Prinz hatte einen Grafen als Reichskanzler abgelöst. Die anhaltende Demokratisierung wurde der Bevölkerung auf Grund dessen gar nicht richtig bewußt.
Der neue Reichskanzler bildete mit Billigung der OHL aus den Parteien SPD, Zentrum (Z) und der fortschrittlichen Volkspartei die Regierung.
Die nur fünf Wochen amtierende Regierung legte ihr Hauptaugenmerk auf die Außenpolitik und somit auf einen raschen und günstigen Waffenstillstand.
Innenpolitisch erreichte sie, gemessen an der kurzen Amtszeit, relativ viel. Ende Oktober wurde eine Verfassung mit den folgenden, wesentlichen Bestimmungen veröffentlicht:
Die Regierung ist vom Vertrauen des Parlaments abhängig Das Dreiklassenwahlrecht in Preußen wird durch das allgemeine, gleiche und geheime ersetzt Die Kommandogewalt über das Heer wird dem Kaiser entzogen und einem dem Parlament verantwortlichen Minister übertragen. Der Kaiser hatte somit nur noch eine repräsentative Funktion
4. Die Novemberrevolution
4.1.1 Verlauf und Bewertung
Kurz vor der Beendigung des 1. Weltkrieges, erließ die Marineleitung den Befehl an die Hochseeflotte, auszulaufen. Für diesen, angesichts der Lage sinnlosen Befehl, gibt es zwei Interpretationsmöglichkeiten:
Die vage Hoffnung dem Westheer Entlastung zu verschaffen. Die seit 1916 untätige Flotte wollte ihre Existenzberechtigung nachweisen.
Nach dem Auslaufen kam es zu einer Meuterei, die die Flotte zur Rückkehr zwang. Diese Meuterei griff, im Hafen angekommen, auf Kiel über.
In den Norddeutschen Häfen forderten die Matrosen um die Freilassung der Meuterer sowie disziplinäre Verbesserungen.
Diese Unruhen führten zu ersten Zusammenstößen zwischen Militär und Matrosen, bei denen Blutvergießen nicht ausblieb. Ein Ausweiten der Revolution war nicht aufzuhalten. Kiel wurde von den Meuterern eingenommen. Nun wurden erstmals politische Forderungen laut nach Waffenstillstand, Bildung von Räten, Abdankung des Kaisers. In den folgenden Tagen griff die Revolution auf Hamburg und Lübeck über. Auf die vom Reichstag bewilligten Amnestie zur Freilassung der Meuterer, reagierten die Revolutionäre noch nicht beruhigt. Am darauffolgenden Tag wurde in München der erste Monarch Ludwig III. gestürzt und die Räterepublik ausgerufen.
Daraufhin traten weitere Fürsten zurück. Die SPD stellte Wilhelm II. ein Ultimatum, welches, wenn er es nicht einhalten würde, zur Folge hätte, dass die SPD aus der Regierung ausscheidet. Dies geschah auch, nachdem Max von Baden die Nachricht vom Abdanken des Königs verbreiten ließ, und danach selber als Regierungschef zurück trat. Da Wilhelm II. keine Anstalten machte abzudanken, sah Max von Baden keine andere Möglichkeit.
Arbeitermassen waren auf dem Weg zum Regierungsviertel um Herrschaft der Regierung und Parteien zu beenden. Die Situation spitzte sich immer mehr zu..
Der Spartakus-Führer Karl Liebknecht, rief vor dem Berliner Schloß die "freie sozialistische Republik Deutschlands" aus.
Auf Grund der vorhergegangenen Ereignisse dankte Wilhelm II. noch am selben Tag ab und ging ins Exil nach Holland.
4.1.2 Die Bewertung der Revolution
kann weder mit der französischen (1789) noch mit der russischen (Oktober-) Revolution (1917) verglichen werden, da weder eine Ideologie noch klare, langfristige Ziele beim Ausbruch vorhanden sind Fehlen einer geistigen und politischen Führungselite Revolution als Zufallsprodukt Wird nicht bis zum möglichen Ende durchgeführt, da sich ihre Träger mit kleineren Umwälzungen zufrieden geben
II Etablierung der Republik
1. Der Rat der Volksbeauftragten
M
it dem Abdanken des Kaisers sah die Führung der SPD die Revolution als beendet an. Im Gegensatz zur unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD, Spartakus) war die SPD mit dem Erreichten zufrieden.
Am 10. November wählten die Berliner Arbeiter- und Soldatenräte die neue (republikanische) Regierung; den "Rat der Volksbeauftragten".
Dieser Rat bestand aus jeweils drei Vertretern der SPD und USPD und war aufgrund völlig konträrer Meinungen der einzelnen Mitglieder zum Scheitern verurteilt.
Als Kontrollorgan der Regierung wurde ein aus Arbeiter- und Soldatenräten bestehender Vollzugsrat gebildet. Zwischen beiden Institutionen bestanden enorme Spannungen, die sich in der Höherrangigkeit der beiden Organe begründen lässt.
Die Spannungen traten in der Reichskonferenz offen zu Tage. Eine entscheidende Frage galt es zu klären: Demokratie oder Räterepublik?
Nach harten Auseinandersetzungen fielen schließlich die Entscheidungen (400 gegen 50 Stimmen), die die Entwicklung der Weimarer Republik entschieden bestimmte:
Die Reichskonferenz überträgt die exekutive und die legislative Macht dem Rat der Volksbeauftragten Dessen Amtszeit läuft bis zur verfassungsgebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 Der Kongreß wählt einen "Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte", als Kontrollinstanz (somit fällt der Vollzugsrat weg); diese bestand nur aus SPD - Mitgliedern (da die USPD gegen eine Beteiligung in diesem Rat waren)
è Somit war die Verteilung der politischen Macht endgültig gefallen!
2. Die Verfassung von Weimar
2.1.1 Die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung
Die Wahlen vom 19. Januar machten eines ganz klar deutlich: die Mehrheit des deutschen Volkes strebt einen Normalzustand an und spricht sich gegen die radikalen Parteien aus. Die SPD konnte sich behaupten, jedoch stellte die Mehrheit der Abgeordneten die bürgerlichen Parteien (DDP, DVP, Z).
Eine genauere Betrachtung des Wahlergebnisses ist jedoch notwendig.
Die KPD hatte ihren Mitgliedern den Boykott der Wahlen empfohlen (deshalb fallen sie aus dieser Statistik raus) SPD und USPD erreichten zwar 45,5% der Stimmen, an eine Regierungsbildung war jedoch nicht zu denken (Grund: Ereignisse der letzten Wochen) Das Wahlergebnis der Mittelparteien (Z, DDP, DVP: ca. 43%) ist auf die Angst vor revolutionären Veränderungen zurückzuführen. Das Bürgertum wählte das poltisch kleinste "Übel"
Aufschlüsse dazu, zeigt im Vergleich die Reichstagswahl vom 20. Juni 1920; die Koalition erreichte nicht mehr die Mehrheit. Die Angst vor Revolutionen war abgewendet, und die Bürger wählten nun entsprechend ihrer Einstellung und Überzeugung.
2.1.2 Die verfassungsgebende Nationalversammlung
Die aus den Wahlen hervorgegangene Nationalversammlung wurde Anfang Februar in Weimar eröffnet. Für die Wahl des Versammlungsortes (der der ganzen Epoche seinen Namen gab) gibt zwei Mögliche Gründe:
Die offizielle Version: an die geistigen Traditionen soll angeknüpft werden. Die inoffizielle Version (der eigentliche Grund): man wollte der brodelnden, revolutionären Stimmung in Berlin entfliehen, um auf dem Land "ganz in Ruhe" die Grundlagen des neuen Staates zu legen.
Die wesentlichen Aufgaben der Nationalversammlung: sie musste eine Verfassung schaffen und den Abschluß des Friedensvertrages mitgestalten.
Am 10. Februar wurde das "Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt" verabschiedet, mit den folgenden wichtigen Entscheidungen:
Ein Reichspräsident (RPr) soll sofort gewählt werden, der die Regierungsgeschäfte bis zum Amtsantritt der nach der neuen Verfassung zu wählenden Regierung führt Er soll parlamentarische Reichsminister berufen Die Verfügung dieser Minister bedürfen der Gegenkennzeichnung durch den RPr
2.3.1 Die Wahl Eberts zum Reichspräsidenten
Am darauffolgenden Tage wurde Friedrich Ebert mit ca. 73% bzw. 277 von 379 Stimmen zum Reichspräsidenten gewählt.
Noch am selben Tag berief Ebert ein Reichskabinett aus den Reihen der SPD, DDP und des Zentrums. Die Leitung hatte Philipp Scheidemann (SPD).
Nach der Stabilisierung der "jungen" Republik in den zwanziger Jahren, hielt Ebert sich immer mehr aus der Tagespolitik heraus, hat er doch zu Anfang bedeutenden Einfluß auf die Politik ausgeübt. Er führte sein Amt mit einer gewissen Distanz und wurde deshalb durch die Fachliteratur für seine hervorragenden Leistungen zum Erhalt der Reichseinheit sowie zur Errichtung einer verfassungsmäßigen sozialen Demokratie gelobt.
2.3.2 Die Verfassung und deren Konzipierungsprobleme
Für die Erarbeitung des Verfassungsentwurfs war der Staatssekretär im Reichsinnenministerium, Hugo Preuß (DDP), zuständig, deshalb gilt er allgemein als "geistiger Vater" der Verfassung.
Die Konzipierung der Verfassung stellte sich jedoch als schwieriger heraus als mam ursprünglich annahm. Die Gründe für diese Schwierigkeiten lagen zum Teil in der Bismarckschen Verfassung sowie in den politischen Verhältnissen der wilhelminischen Ära. Jedoch gab es auch aktuelle Schwierigkeiten die es zu lösen galt. Die folgenden Probleme mussten berücksichtigt werden:
Ausfall der monarischen Spitze Das Volk ist an Demokratie nicht gewöhnt Weite Teile der Bevölkerung sind im Grunde antidemokratisch Aktuelle Probleme, wie Radikalismus, Wahlgesetzgebung, Rolle der Parteien, Verhältnis Länder - Reich Neuverteilung der Kompetenzen und der politischen Macht erwiesen sich als schwierig
2.3.3 Die Verfassung
Die von der Nationalversammlung Ende Juli angenommene Verfassung gliedert sich in zwei wichtige Hauptteile:
Regelung des Aufbaus und der Aufgaben des Reiches Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen
Die folgenden Bereiche bzw. Bestimmungen spielten für die Entwicklung der Weimarer Republik eine entscheidende Rolle[1]:
2.5.1 Das Volk
Die Souveränität liegt beim Volk, dessen Willen durch den RT verkörpert wird. Da es den RPr direkt wählt und dadurch Volksentscheide an der Legislative mitwirken kann, hat das Volk eine außerordentliche große Bedeutung im politischen Prozeß
2.5.2 Reich und Länder
Aus den Staaten des Kaiserreichs werden Länder, d.h., sie verlieren ihre Souveränität. Sie behalten die Länderregierungen und Landtage, doch zieht das Reich wichtige Bereiche an sich. Reichsrecht bricht Landrecht (Art. 13). Die Länder sind über den RR kaum an der Legislative beteiligt. Insgesamt herrscht ein latenter Dualismus zwischen Ländern und der Zentralgewalt.
2.5.3 Der Reichspräsident
Er ist höchster Repräsentant des Staates Er ist an Gesetzgebung durch Art. 48 beteiligt Er kann den RT auflösen (Art. 25) Er kontrolliert die Regierung (Art. 53) durch Ernennung und Entlassung von Kanzler und Ministern Er ist Oberbefehlshaber aller Streitkräfte (Art. 47) und Diktator auf Zeit (außerordentlicher Notstand, Art. 48) Der Notstandsparagraph gibt ihm das Recht der Reichsexekution Er wird direkt vom Volk für 7 Jahre gewählt und kann beliebig oft wiedergewählt werden
è Aufgrund seiner überragenden Machtfülle wird der RPr allgemein als "Ersatzkaiser" bezeichnet
2.5.4 Parteien und Wahlen
Die Parteien sind in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt. Die ihnen im wesentlichen zugewiesene Aufgabe besteht in der Organisation der Wahlen.
Das Wahlrecht ist allgemein, gleich, direkt und geheim. Ein reines Verhältniswahlrecht, das keine Sperrklauseln kennt, begünstigt kleine und kleinste Parteien.
2.5.5 Der Reichstag
Ist das zentrale Organ der Weimarer Republik. Er hat den überwiegenden Teil der Legislative und in normalen Zeiten die Gesetzesinitiative, er kontrolliert die Regierung und entscheidet über Krieg und Frieden.
2.5.6 Der Reichsrat
Besitzt nur ein suspensives Veto. Insgesamt gesehen, ist er schwach und keine echte Vertretung der Länderinteressen.
2.5.7 Die Reichsregierung
Hat eine insgesamt schwache Stellung, da sie vom RT durch das einfache Mißtrauensvotum und vom RPr durch dessen Vertrauen abhängig ist.
2.5.8 Die Grundrechte
Ihre Stellung ist schwächer als im heutigen GG der Bundesrepublik. In der WRV sind sie nicht verstaatlicht. Während in Weimar die Grundrechte nur nach der Maßgabe der Gesetze gewährleistet wurden, können in der Bundesrepublik Gesetze nur nach Maßgabe der Grundrechte erlassen werden.
2.5.9 Zusammenfassung
Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) galt zu ihrer Zeit als eine der liberalsten Verfassungen in ganz Europa. Dies ist vor allem auf die Bereiche Arbeitsgesetzgebung, Handel und Wirtschaft bezogen.
[1]Die folgenden Punkte sind Zitate bis 2.5.8
2082 Worte in "deutsch" als "hilfreich" bewertet