Der Templerprozess

Der Templerprozess und wie es dazu kam

Das beginnende 14. Jahrhundert erlebte eine der größten Tragödien der Kirchengeschichte, den Prozess gegen die Templer. Ihr Orden, bisher hoch angesehen und reich, wurde von dem französischen König Philipp IV, dem Schönen, und seinen Ministern einer Reihe von Verbrechen angeklagt. Der König ließ durch eine staatlich gelenkte Inquisition über tausend Ritter verhaften, viele foltern und verbrennen. Papst Clemens V. wehrte sich zunächst gegen diese jedem Recht hohnsprechende Gewalttat, aber schließlich wurde auch er von Philipp überredet und hob den Orden auf dem Verwaltungsweg auf. Die Anklagen gegen die Templer waren falsch, ihre Geständnisse durch die Folter erpresst und daher wertlos. Die Ritter waren nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere Ordensleute ihrer Zeit. Nur brauchte Philipp IV. ihr Geld, ihre Ländereien und Burgen; daher erfanden seine Minister das Märchen von der Schuld des Ordens, um diesen vernichten zu können. Die Verantwortung für diesen vielleicht größten Justizmord des Mittelalters trifft vor allem den König von Frankreich. Aber auch der Papst fehlte: Er ließ sich erpressen und wurde so ebenfalls zum Verfolger des Ordens, den er eigentlich hätte verteidigen müssen. Heute klagen Historiker, Journalisten und Literaten vor allem das Papsttum an, Clemens und die Inquisition werden beschuldigt, einen ruhmreichen und unschuldigen Orden der Habsucht eines Königs geopfert zu haben.

Heute steht fest, dass die Templer unschuldig waren; sie blieben der Kirche treu, die sie verfolgte. Als Märtyrer für die Wahrheit verteidigten sie trotz Folter ihren Orden. Mit Lügen und Meineid hätten sie sich ihr Leben, Freiheit und ein bequemes Auskommen erkaufen können. Die Templer blieben trotz der Folter treue Söhne der Kirche, kein einziger starb für ein falsches Credo. Die Hauptschuldigen der Templertragödie waren zweifelsohne Philipp der Schöne und seine Minister, vor allem sein Berater Nogaret. Dennoch trifft auch Clemens und seine Mitarbeiter ein nicht geringes Maß an Schuld.

Die Anfänge des Ordens

Der Templerorden wurden im Jahre 1120 von Hugue de Payens gegründet. Er sammelte eine Gruppe von 9 Rittern aus Burgund und der Champagne, um die Pilger auf den gefahrvollen Wegen zu den Heiligen Stätten zu schützen. König Balduin II schenkte den ,Armen Rittern Christi', wie sie genannt wurden, einen Teil seines Palastes, der auf den Fundamenten des Tempels von Salomon stand. Hier baute die Gemeinschaft neben dem Felsendom ihr Mutterkloster und erhielt so ihren Namen. 1128 wurde der Orden auf dem Konzil von Troyes kirchlich anerkannt. Der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux wurde zum eifrigen Förderer der Templer und inspirierte ihre Regel. Seine Schrift ,De laude novae militiae' veranlasste zahlreiche junge Adelige in ganz Europa, den weißen Mantel mit dem roten Kreuz zu tragen. Eine zweite Elite des Jahrhunderts, die Augustiner-Chorherren, die eine Kirche neben dem Felsendom besaßen, wurden den Templern zum Vorbild für ihr gemeinsames Leben. Von den Zisterziensern kam die Strenge ihrer Askese, von den Augustinern die Freude am feierlichen Gottesdienst. Beide Ideale blieben bis zum tragischen Ende des Ordens lebendig. Der heilige Bernhard von Clairvaux schenkte seinen ritterlichen Söhnen die Marienminne und die hohe Achtung vor der Frau. Die Regeln wurden genau beachtet, Übertretungen streng bestraft, die dem Orden später vorgeworfene Unzucht z.B. mit lebenslangem Kerker. Die Gefängnisse der Templer waren berüchtigt: fehlbare Ritter mussten auf dem Boden sitzend essen, die Jagd, Leidenschaft adliger Herren, war den Templern verboten. Das Ideal der freiwilligen Armut wurde - wenigstens anfangs - hochgehalten. Der Gehorsam galt absolut; noch in Ketten forderten die Ritter, mit ihrem Großmeister in Kontakt treten zu dürfen, denn ohne ihn wollten sie nichts entscheiden. Auch ihre sakrale Architektur war Ausdruck dieser mönchischen Askese. Prachtvolle Kirchen des Ordens gab es nur in Paris und London. Die Tempelherren bildeten die Elitetruppe der Kreuzzugsheere und nahmen für sich die Ehre in Anspruch, als erste die Schlacht zu eröffnen. Auch als mongolische Horden Europa bedrohten, trugen die Templer nicht wenig zu seiner Verteidigung bei. Auf der Iberischen Halbinsel standen sie ebenfalls in vorderster Linie. Der Orden wurde zum Vorbild für alle anderen Ritterorden, auch die Johanniter, die sich zuerst nur der Krankenpflege gewidmet hatten, folgten ihrem Beispiel. Die viel später gegründeten Deutschherren übernahmen von den Templern Regel und Organisation. Dasselbe gilt für andere Ritterorden, vor allem für jene auf der Iberischen Halbinsel.

Die Macht der Templer

Die Ideale der Templer gerieten aber schließlich ins Wanken, als aus den ,Armen Rittern Christi' in kurzer Zeit reiche Männer geworden waren. Da sie die sichersten Boten zwischen West und Ost waren, übergab man ihnen im Abendland das Gold, das für die Kreuzritter im Orient bestimmt war. Die Ritter besaßen eine mächtige Flotte - kein Pirat hätte es gewagt, ein Schiff des Ordens zu kapern. Bald genügte es, den Betrag in Europa einzuzahlen, um mit einer Quittung die entsprechende Summe in Palästina zu erhalten. So entstand der erste bargeldlose Bankverkehr. Da Großgrundbesitzer manchmal in Geldnöten steckten und Könige Kriege finanzieren mussten, lieh man sich bei den reichen Templern das Geld, das man brauchte. Zwar durften Christen keine Zinsen nehmen, aber die Ritter hielten sich durch Leihgebühren schadlos. Auch Philipp der Schöne machte Templer jahrelang zu seinen Steuerbeamten und übergab dem Tempel in Paris seinen Staatsschatz. Eine Ursache des Niedergangs des Tempels war die laxe Handhabung, mit der die Aufnahme der Mitglieder durchgeführt wurde; es gab keinerlei Form eines Noviziates. Aus dem Prozess weiß man, dass Familienbeziehungen eine Rolle spielten und Verwandte sich Würden und Ämter zuschoben. Doch dieser Missstand ist nicht allein den Templern anzulasten: Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden die nachgeborenen Söhne des Adels für die geistliche Karriere bestimmt. Reichtum, Standesdünkel und Kriegsruhm verführten die Templer leider zu einem Hochmut, der wohl einmalig war. Sie trotzten Päpsten und Königen, ihre Rivalen, die Deutschherren, warfen sie praktisch aus Palästina hinaus und gegen die Johanniter führten sie, oft wegen nichtiger Prestigefragen, regelrecht Krieg. Ohne Zweifel ist diesem Hochmut auch zum guten Teil ihr Untergang zu verdanken. So dürfte Philipp der Schöne unter anderem auch deshalb zum gnadenlosen Gegner des Ordens geworden sein, weil die Ritter seinen Stolz verletzt hatten. Militärisch zeigten sich die Templer bis zum Untergang des christlich beherrschten Nahen Ostens auf der gewohnten Höhe; nach dem Verlust des Heiligen Landes blieben die Templer ohne eigentliche Aufgabe, nur in Spanien und Portugal brauchte man noch ihr Schwert. Sie waren nun also nicht viel mehr als ein stehendes Heer mit dem kommandierenden General in Paris. Diese bestausgerüstete Streitmacht ohne wirkliche Aufgabe konnte vielleicht einmal gefährlich werden.

Der Anfang vom Ende

Aber Philipp IV hatte vorerst keinen Grund zur Klage, im Gegenteil, beim Kampf der Krone Frankreichs gegen Papst Bonifaz VIII stellten sich die Templer offen auf die Seite des Königs. Der einzige Grund, gegen den Orden vorzugehen, war der Raub seines Vermögens. Philipp war allerdings doch nicht gewissenlos genug, einen ganzen Orden zu vernichten, ohne wenigstens der Öffentlichkeit schwer wiegende Gründe vorzulegen. Er hätte es nach außenhin nie gewagt, gegen die Templer vorzugehen, nur um seine Kassen zu füllen. Sein Ratgeber Nogaret, der bereits Papst Bonifaz VIII beim Attentat von Anagni gefangengesetzt und damit auf seine Weise zu dessen baldigem Tod beigetragen hatte, besaß weniger Hemmungen. Auch Marigny, der Finanzminister Philipps, kannte kaum religiöse Bedenken. Man musste die Templer der Ketzerei und Unmoral anklagen. Der König ließ sich, ohne zu zögern, auf diese Fährte locken.

Erstmals wurde der Orden durch Esquiu de Floryan am Hof Königs Jaime II von Aragón. Er sagte, man verleugne Christus bei der Aufnahme in den Orden, bespeie das Kreuz, gebe sich schamlose Küsse und erlaube die Sodomie. In den Kapiteln werde ein Götzenbild angebetet, und der Großmeister maße sich priesterliche Funktionen an, indem er Rittern die Absolution erteile. Jaime II hatte oft Ärger mit den Templern, weil sie die schönsten Güter und stärksten Burgen besaßen und die besten Geschäfte machten. Selbst im Wappen von Aragón fand sich das Templerkreuz. Jaime konnte es noch nicht wagen, den starken Orden anzugreifen, aber er gab ihm den Rat, sich an Philipp von Frankreich zu wenden, der schon beste Erfahrungen im Kampf gegen die Kirche hatte. Floryan ging also weiter zu dessen Beratern und wurde von Guillaume de Nogaret, der einen weiten Ruf als Kirchenhasser hatte, freudig empfangen. Nogaret spielte den Glaubenseiferer und überzeugte den König, dass er gleichzeitig seinen Glauben verteidigen und dem Staat nutzen könnte, wenn er den Orden beim Papst in Ungnade fallen ließe. Philipp steckte zu dieser Zeit nämlich in einer großen Finanzkrise, er hatte seit Monaten kein Geld mehr für die Bauarbeiten am Notre Dame und seinem Königsschloss, und es gab große Inflation. Nogaret wurde in seinen Bestrebungen von Philipps Beichtvater, dem Großinquisitor Wilhelm Imbert, und dessen Finanz- und Bauminister Marigny unterstützt. Nogaret fragte auch den Papst um Rat, ob er schon von den Gerüchten gehört habe und was zu unternehmen sei. Auch dem Orden waren diese Verleumdungen schon zu Ohren gekommen, und Großmeister Jaques de Molays hatte den Papst seinerseits schon mit einer Untersuchung beauftragt, die die Unschuld der Ritter beweisen sollte. Trotz dieser päpstlichen Untersuchung, die eigentlich jegliche Nachforschungen im Auftrag eines weltlichen Herrschers verbietet, ging Philipp über seinen Strohmann Imbert gegen einzelne Mitglieder des Ordens vor. Falls Clemens Probleme machen sollte, konnte man ihm selbst Vorwürfe wegen seines unsteten Lebenswandels machen und ihm mit Absetzung durch ein Appell an das hauptsächlich mit Franzosen besetzte Konzil drohen. Man hatte noch nichts gegen den Orden in der Hand, nur die Aussage des ehemaligen Zuchthäuslers Esquiu de Floryan. Philip beauftragte Nogaret damit, Material gegen die Tempelherren zu sammeln. Dieser stöberte in der Gosse verjagte ehemalige Templer auf, die natürlich bereitwillig erzählten, was immer der Minister hören wollte. Nogaret wusste aber, dass das allein zu wenig und zu unglaubwürdig war, um den Orden beim Papst zu verleumden. Seine einzige Möglichkeit war es, Templer festzunehmen und unter der Folter Geständnisse von ihnen zu erpressen. Die wichtigste Waffe des Beraters war die Propaganda, die zu diesem Zweck zum ersten Mal mit einer derartigen Durchschlagskraft eingesetzt wurde. Der große Fehler der Templer war es, dass sie sich nicht um die öffentliche Meinung scherten. Zu Beginn des Jahres 1307 war der Papst von den bösen Gerüchten so beunruhigt, dass er den Großmeister von Zypern, wo sich die Templer nach den erfolgreichen Schlachten niedergelassen hatten, nach Frankreich zitierte. Jaques de Molay kam mit einer kleinen Armee und fast dem gesamten Templerschatz, mit dem er Philipp wohl beeindrucken wollte, nach Paris. Er unterschätzte die neuen Mächte im Staat vollkommen: Die Ritterheere waren abgelöst worden von den so genannten 'Gens du Roi', sehr schlagkräftigen Polizistenheeren, und die Monarchisten von den Folter bejahenden Legisten. Die Zeit der Ritter war vorbei, obwohl sich die Templer das nicht eingestehen wollten. Jaques de Molay bezog den Tempel in Paris, der größer und prächtiger war als Philipps eigenes Königsschloss. Philipp war höchst eifersüchtig auf den Reichtum. In seinen Kassen herrschte zur Zeit vollkommene Ebbe: Im Jahr 1306 hatte es wegen der Inflation einen großen Aufstand gegeben, während dem der König im stark befestigten Tempel Zuflucht suchen musste. In dieser Zeit zeigten die Templer dem König all ihre Reichtümer und Schätze, was Philipp nur noch neidischer auf den Orden machte, besonders, da er zu dieser Zeit schon im Ausland als ,Falschmünzerkönig' verspottet wurde. Im September 1307 beriet Philipp mit dem Staatsrat, wie man die mittlerweile beim Volk so unbeliebt gemachten Templer in die Knie zwingen könnte. Die Verhaftungen sollten unter Nogaret im Auftrag der Inquisition erfolgen. Denn im Namen der Kirche hatte Großinquisitor Imbert den König gebeten, die landesgefährlichen Ketzer, voran den Großmeister, zu verhaften. Philipp gehorchte also nur der Kirche, wie es die Dokumente formulierten, wenn er seinen Verwaltern im ganzen Reich den Befehl erteilte, die Templer festzunehmen. Am 14. September wurde also die Verhaftung der Templer beschlossen, und schon am 22. September gingen Dekrete an alle Statthalter, sich in den frühen Morgenstunden des 13. Oktobers mit Bewaffneten bereitzuhalten. Ein zweites, versiegeltes Schreiben, das erst an besagtem Morgen zu öffnen war, erhielt den Befehl zur Verhaftung der Templer. Papst Clemens war inzwischen zur Kur. Erst Anfang Oktober begann er mit seinen Untersuchungen über die Templeraffäre. Der Orden selbst hatte keine Ahnung, welche Dimensionen das ihnen drohende Unheil schon angenommen hatte.

Der 13. Oktober 1307 und seine Folgen

Der 13. Oktober 1307 ging schließlich als der ,Blutige Freitag' in die französische Geschichte ein. Am frühen Morgen tauchte Nogaret mit Bogenschützen vor dem Tempel in Paris auf. Im Namen der Inquisition verhaftete Nogaret schnell die überraschten Tempelherren. Zur selben Stunde wurden in ganz Frankreich alle Templer verhaftet, angeblich entkam nur ein Dutzend den Polizeitruppen. So wurde die stärkste Militärmacht ihrer Zeit von den Schergen des Königs unter Führung eines Schreibers überwältigt. Eigentlich hätte Imbert die Verhöre der Templer vornehmen müssen, doch Nogaret begann sofort mit strenger Folter und steckte die Würdenträger in Einzelzellen. Den Rittern wurde eine lange Liste von Missetaten vorgelegt, die im Orden seit langem üblich seien. Wer geständig war, dem wurde Freiheit und Verzeihung sowie eine ordentliche Pension aus den Gütern des Ordens versprochen. Man müsse zuvor nur noch die kleine Formalität erfüllen, die Aussagen mit einem Eid zu bekräftigen und zu unterschreiben. Die Ritter und Sergeanten, die meist nicht lesen und schreiben konnten, hatten nicht einmal den Hauch einer Möglichkeit, festzustellen, was man ihnen da vorlegte. Wer weiter leugnete, wurde dagegen auf das Rad gespannt, einmal, zweimal, am Tag, in der Nacht, bis auch er endlich gestand - oder starb. Es ist ungewiss, welche Folter genau gegen die Ordensleute angewandt wurde. Nur in einer Schrift wird erwähnt, was mit denen geschah, ,qui semper negaverunt et negant', also mit denen, die immer bei ihrem ,Nein' bleiben. Die Ritter wurden erst durch lange Einzelhaft mürbe gemacht, dann folgte Haft bei Wasser und Brot. Den Standhaften wurden als nächster Schritt die Folterinstrumente gezeigt, und wenn das noch immer nicht wirkte, wurden diese auch angewandt.

Großmeister Molay

Der Großmeister Molay wurde sofort in Einzelhaft gesteckt. Philipp hatte keine Skrupel, das zu tun, obwohl Molay noch am 12. Oktober den Sarg der Schwägerin des Königs zu Grabe getragen hatte. Überhaupt war Molay, ein gebürtiger Elsässer, dem König immer wohlgesinnt. Seit er 1291 Großmeister geworden war, hatte er nie Streit mit dem französischen Herrscher gehabt. Er war ein sehr ruhiger Großmeister und stets unparteiisch, trotzdem war seine Führung für die Templer nicht unbedingt gut: Er setzte keine Reformen durch und war gegen eine Verschmelzung seines Ordens mit den Johannitern, was die Templer wahrscheinlich ihren Fortbestand gekostet hat. Er war ein Verwalter, wo es einen echten Großmeister gebraucht hätte. Jetzt schmorte der höchste Würdenträger der Tempelherren in einer Einzelzelle. Erst nach zehn Tagen kam Nogaret in sein Verließ, um ihn zu verhören. Ganz beiläufig erwähnte der Minister, dass etliche Templer die ihnen vorgeworfenen Missetaten gestanden hätten und deutet auch die Folter an. Er hatte vorher schon einen Knappen des Großmeisters verhört, der unter dem Rad gestand, von Molay in einer einzigen Nacht dreimal missbraucht worden zu sein. Nogaret erpresst ihn damit, die Schuld des Ordens einzugestehen. Erst am 24. Oktober wurde der Großmeister durch Imbert verhört, wobei er unter Druck gestand, in seinem eigenen Namen und im Namen der anwesenden Würdenträger des Ordens, dass der Orden ,seit langen Zeiten durch die Verführung des Satans bei der Aufnahme Christus verleugnet, das Kruzifix bespien und alia enormia ausgeführt habe.' Molay wird gezwungen, auch andere Ordensleute zu solchen falschen Geständnissen aufzufordern. Die an Gehorsam gewohnten Ritter folgten dem Gebot schnell.

Der Schatz der Templer

In der Zwischenzeit inspizierte und registrierte Finanzminister Marigny den Templerschatz. Die offizielle Erklärung für die Annektierung des Templerschatzes war, dass er für einen späteren Kreuzzug verwendet werden sollte, der natürlich nie durchgeführt wurde. Man wird nie genau erfahren, was mit dem Schatz geschehen ist. Aber es genügt schon, die verschiedenen Münzen der Regierungszeit Philipps miteinander zu vergleichen, um zu wissen, wo das Geld des Ordens geblieben ist. Außerdem begannen ab 1307 die Bauarbeiten am königlichen Schloss wieder. Auch der Kapellenkranz um Notre Dame und die Conciergerie des Palais Royal, das spätere Gefängnis Marie Antoinettes, stammt aus dieser Zeit. Das Rätsel um den verschollenen Templerschatz dürfte somit auf höchst unspektakuläre Weise gelöst sein. Auch die Archive des Ordens, in denen sich Bittbriefe und Schuldscheine der Krone befanden, verschwanden. Philipp zog noch im Oktober ins Großmeisterschloss. Molay hingegen musste noch sieben Jahre auf seinen Prozess warten.

Die Reaktion des Papstes

Obwohl Papst Clemens am 13. Oktober in Paris war, erfuhr er erst aus der Zeitung von der Verhaftung der Templer. Er zögerte bis zum 27. Oktober, bis er zaghaften schriftlichen Protest beim König einlegte. Auf eine Antwort auf dieses Schreiben musste er zwei Monate lang warten. Nicht einmal seine Legaten wurden in diesem Zeitraum von Philipp empfangen. Der König musste Zeit gewinnen, er brauchte erst eine große Zahl von Geständnissen, ehe er zum Papst gehen konnte. Clemens wagte nicht, streng gegen den König vorzugehen, er fürchtete um sein eigenes Leben: Das Attentat gegen seinen Vorgänger Bonifaz, das ebenfalls von Nogaret vorbereitet worden war, lag schließlich erst wenige Jahre zurück. Er selbst nahm die unter Folter erpressten Geständnissen als einwandfrei an, da er selbst überzeugter Legist war. Der als Bertrand de Got in geborene Papst hatte in Rom Jura studiert, bevor er Erzbischof von Bordeaux wurde. Seine Papstkrönung wurde in Lyon vorgenommen. Vom französischen König beeinflusst, weigerte er sich, nach Rom zu gehen und leitete so das Exil von Avignon ein. Als Papst setzte er vor allem Familienmitglieder in höhere Ämter ein, was für ihn aber eher ein Schaden war. Schon während seiner ganzen Amtszeit hatte er sich sehr von Philipp beeinflussen lassen, so auch jetzt. Der König war hart und versuchte, Clemens zur Verurteilung des Ordens zu erpressen, und Philipp war ein Mann, dem man schwer etwas abschlagen konnte. Er war ein sehr würdiger König, seine Ratgeber, Minister und Kirchenfürsten dienten ihm mit Hingabe. Dank seiner guten Taktik war Philipp während des ganzen Templerprozesses stets der Agierende, der den Papst an die Wand spielte. Zweifelsohne war er ein sehr guter Politiker, der den kränklichen Papst unter Druck zu setzen wusste. Schon drei Tage nach der Verhaftung der Ordensmänner sandte er Schreiben ins Ausland, Aufforderungen an die Könige Englands, Aragóns und Portugals, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Auch die Dominikaner, Franziskaner und Augustiner wurden gegen die Templer aufgehetzt. Nun endlich war selbst der Papst, der von allen Seiten nur noch Schlechtes über den Orden hörte, von der Schuld desselben überzeugt. Am 22. November erließ er ein Dekret, in dem er alle Fürsten aufforderte, die Tempelherren zu verhaften und deren Güter der Kirche zu übergeben. Damit war das Schicksal des Ordens endgültig besiegelt. Im Ausland gab es jedoch Protest gegen die Maßnahmen Clemens': Eduard II. von England wagte auszusprechen, was in Frankreich jeder wusste, sich aber niemand auszusprechen traute: Nämlich, dass nur die Habsucht Philipps an der Verhaftung im Sommer Schuld war. Da er aber mit Philipps Tochter verheiratet war, ließ er die Sache auf sich beruhen. Er ließ zwar die englischen Templer festnehmen, jedoch ging er dabei höchst nachlässig und mild vor, sodass in seinen Gefängnissen nur ungefähr 280 Ritter festgehalten wurden. Er zeigte nur Gehorsam gegenüber dem Papst, sprach die Gefangenen aber von jeder Schuld frei. Genauso geschah es in Deutschland, wo es ohnehin nur eine geringe Zahl von Templern gab. In Portugal wurden die Ritter nicht nur freigesprochen, es wurde sofort ein neuer Orden, die Christusritter, gegründet, der alle Tempelgüter übernahm. Nur in Italien wurden die Ordensleute so grausam verfolgt wie in Frankreich. Generell war das Ausland aber überzeugt von der Unschuld des Tempels, und man verachtete den Papst wegen seiner Schwäche dem Philipp gegenüber.

Die Entscheidung

Erst vier Jahre nach den Verhaftungen wurde das Konzil von Vienne angesetzt, bei dem sich entscheiden sollte, wie es mit den Templern weiterging. Es war schon vor Beginn sicher, dass Clemens den Orden vernichten wollte. Am 16. Oktober 1311 fanden sich schließlich nur wenige Teilnehmer und kein einziger König in Vienne ein. Clemens beauftragte zwei Ausschüsse des Konzils, in denen lauter dem Orden feindlich gesinnte Männer saßen, mit der Templerfrage. Die Konzilsväter standen unter großem Druck: Es war allgemein bekannt, dass Philipp mit einem großen Heer in Lyon, also nahe Viennes wartete. Würde man für die Templer stimmen, käme er schnell, um nach dem rechten zu sehen. Auch der Papst sprach sich jetzt unmissverständlich gegen den Orden aus. Trotzdem war die Mehrheit überzeugt von der Unschuld der Ritter, und so ließ Clemens die Sache ab Dezember ruhen. Er wollte die Ankunft Philipps im März abwarten. Der König handelte mit dem Papst in Briefen aus, dass dieser den Orden aufheben würde, wenn Philipp seine Bestrebungen, den Namen des Papstes Bonifaz in den Schmutz zu ziehen, sein ließe. Am 20. März kam der König endlich nach Vienne. Clemens nützte die Situation zu seinen Gunsten und schlugt dem Konzil zwei Möglichkeiten in der Templersache vor: Die eine sei, dass man den Templern eine Verteidigung zugestehe, was aber ein neues Verfahren, endlose Verhandlungen und eine nicht abzusehende Fortdauer des Konzils in dieser unfreundlichen Kleinstadt bedeute. Die zweite sei die Aufhebung des Ordens auf dem Verwaltungsweg, gerechtfertigt durch die erpressten Geständnisse der Ritter. Es gab nur einen Einspruch gegen die Aufhebung. Am 3. April 1312 war es endlich so weit: Philipp hatte sein Ziel erreicht. Mit der Bulle ,Vox in Excelso' wurde der Templerorden aufgelöst. In einer zweiten Bulle, ,Ad providam Christi Vicarii', sprach der Papst die ehemaligen Tempelgüter den Johannitern zu, vom Templerschatz war aber keine Rede. Philipp besaß sogar noch die Frechheit, den Johannitern eine Rechnung über den Unterhalt der verhafteten Templer zu stellen, wofür er nochmals 1 Million Pfund kassierte. Eigentlich war so der wahre Erbe des Tempels nicht das Hospital, sondern der französische König. Alle anderen europäischen Könige verkauften die Güter und gaben einen Teil des Geldes an die Johanniter weiter.

Nach der Legende organisierten sich die überlebenden Templer als Geheimgesellschaft. Kreise innerhalb des Freimaurertums behaupten, die Loge sei Nachfolgerin des alten Tempels. Beweise für eine wie auch immer geartete Fortdauer der Ordensgemeinschaft gibt es jedoch keine: Mit dem Konzil von Vienne war der Templerorden als katholische Institution vernichtet. Wenn etwas von den Templern den Untergang des Ordens überlebte, dann waren dies ihr Geist, ihre Ideale. Der Christusorden in Portugal führte stolz das alte Templerkreuz im Wappen und überwand unter Heinrich dem Seefahrer auf dem Meer den Islam. Die Christusritter - aber auch der Orden von Montesa in Spanien - hatten keinerlei Nachwuchssorgen und straften somit die Behauptung Papst Clemens Lügen, es werde niemand mehr in einem so übel beleumdeten Orden eintreten wollen.

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