Mythos Franglais
1. WAS IST FRANGLAIS ?
> spiegelt übersteigerte Angst der Franzosen wider, dass es durch die
Beeinflussung durch das Englische zu einer Art minderwertiger
Mischsprache kommen könnte
> Beispiele: a) englische Orthographie - französische Aussprache
b) Rechtschreibung dem Französischen angepaßt -
Aussprache dem Englischen nahe ( Raymond Queneau)
2. DAS FREMDE - SEINE WAHRNEHMUNG UND BEKÄMPFUNG
> 2 zentrale Fragen : a) Wie wird das Fremde wahrgenommen ?
b) Wie wird mit ihm umgegangen ?
> Wahrnehmung : 3 Aspekte :
1. Das Andere wird nicht als fremd, sondern als vertraut erlebt.
2. Das Andere wird zwar als fremd wahrgenommen, zugleich aber auch als
Teil des Eigenen erlebt. -> toleriertes Fremdes
3. Das Fremde wird als Bedrohung empfunden und muss bekämpft werden.
-> aggressiv und emotional geführter Sprachkampf
3. HISTORISCHE FAKTEN
> 17. - 20. Jhdt : Idee, es gäbe nur das eine, richtige Französisch, den
bon usage
> Sprachideal : Reinheit der Sprache und Genauigkeit der Wörter
prägt die französische Sprache bis heute
> französische Revolution : Sprachgebrauch wird nationale Angelegenheit
Einheit der Staatsnation erreicht, nun Versuch, auch frz.
Sprache zu vereinheitlichen
> erste große Erschütterung : Ende des ersten Weltkrieges -> exklusive
Stellung des Französischen beendet, Versailler Vertrag auf Englisch und
Französisch abgefaßt
4. Einfluß des wissenschaftlichen Fortschritts auf die Sprache
> wissenschaftlicher Fortschritt trägt zum vermehrten Eindringen
fremdsprachiger Ausdrücke bei
> Amerika in Technik und Wissenschaften führende Position -> Großteil der
Ausdrücke englischsprachig
> Fachgebiete: Bauwesen, Straßenbau, Urbanismus, Kernenergie,
Erdölindustrie, Raumfahrt, Transportwesen, Finanzen, Informatik,
Gesundheitswesen,.....
> weitere Bereiche: Kultur, Sport, Medien, Musik,.....
5. Auswirkungen des Englischen auf die Sprache - Franglais
> einige Charakteristika des franglais:
e muet verschwindet fast gänzlich, Buchstaben k und y viel häufiger
verschiedene Varianten, ein Wort in den Plural zu setzen
verschiedene Schreibweisen des gleichen Worts
bestimmte Vokale weniger nasalisiert
j wie dj, w wie ou ausgesprochen
anstatt die letzte Silbe zu betonen, Akzente nach Belieben gesetzt
häufig Suffix -ing und Prefix super-
bei Adjektiven Suffix -ique durch -ic ersetzt
6. Ersatz der Anglizismen durch Neologismen
> Neologismen widersprechen oft dem Prinzip der Sprachökonomie
> Wortkreationen oft sehr weit hergeholt / sehr konstruiert ->
Zusammenhang mit dem ursprünglichen englischen Begriff nur schwer
oder gar nicht herstellbar
7. Akzeptanz der Neologismen
> trotz der strengen Gesetze verwenden viele Franzosen die Anglizismen
weiterhin
> 3 Gründe: 1. neue Produkte am Markt -> keine französischen
Bezeichnungen vorhanden -> Produkte mitsamt ihren Namen
übernommen (großteils englischsprachige Ausdrücke)
2. Sprachökonomie: englische Wörter oft kürzer und prägnanter
als ihre französischen Äquivalente
3. die englischen Wörter beinhalten viele Konnotationen, welche
die französischen Ersatzwörter nicht auszudrücken vermögen
8. Reaktion von Staat und Gesellschaft
Frankreich das erste Land der Romania, das Sprachpolitik betreibt, bereits im 16. Jahrhundert
Regelung des Sprachgebrauchs liegt in der französischen Tradition
Ordonnance von Villers - Cotterêts
Gesetz des Konvents des 2. Thermidor des Jahres II (20.7.1794)
20. Jahrhundert: Sprachpflegeorganisationen entstehen
Office de la langue francaise
Association "Defense de la langue francaise"
Conseil international de la langue francaise
Kritiker fordern gesetzliche Regelungen, z.B. René Etiemble, der in
seinem Werk Parlez-vous franglais? Vorschläge möglicher Gesetze zur
Bewahrung des Französischen anführt:
Radio und Fernsehen sollen wieder Französich sprechen
2. keine Anglizismen in der Presse (vor allem in Jugenzeitschriften),
wer sich nicht and das Verbot hält, soll bestraft werden
Wirtschaft: Produkte sollen in frz. Sprache deklariert werden
Werbeplakate sollen entweder nur in Französich oder nur in Englisch abgefaßt werden, jedoch nicht in der Mischsprache Franglais
nur Spezialisten sollen Beruf des Übersetzers ergreifen dürfen
Vorschläge aus 1973, kurze Zeit später viele seiner Ideen in die Tat
umgesetzt -> Gesetz Bas-Lauriol: alle Wörter, für die es gebilligte
Übersetzung oder Französierung gibt, müssen beseitigt werden
1994 folgt Loi Toubon: strenge Regeln gesetzlich verankert, bei
Nichteinhaltung schwere Strafen; äußerst umstrittenes Gesetz
Kritiker meinen:
Loi Toubon verstößt gegen das Recht der freien Meinungsäußerung und des freien Gedankenaustausches
reduziert die Chancen der französischen Wissenschaftler am internationalen Markt drastisch
blockiert die qualitative Evolution des Französischen
Befürworter meinen:
Gesetz dient dem Verbraucherschutz
Sprache ist schützenswertes Nationalgut
BIBLIOGRAPHIE
Beinke, Christiane, Tomatine statt ketchup. Ein Weg zum reinen Französisch? in : Trabant, Jürgen, Die Herausforderung durch die fremde Sprache. Das Beispiel der Verteidigung des Französischen, Berlin, 1995,
S.79-85
Balibar, René, Défense et Illustration de la langue franÇ aise, in : Trabant, Jürgen, Die Herausforderung durch die fremde Sprache. Das Beispiel der Verteidigung des Französischen, Berlin, 1995, S. 161-167
Etiemble, René, Parlez-vous franglais?, Paris, Éditions Gallimard, 1991 (1973)
Höfler, Manfred, Dictionnaire des anglicismes, Paris, Librairie Larousse, 1982
Oksaar, Els, Zur Verteidigung einer Sprache gegen das Fremde. Sozio- und psycholinguistische Überlegungen, in : Trabant, Jürgen, Die Herausforderung durch die fremde Sprache. Das Beispiel der Verteidigung des Französischen, Berlin, 1995, S. 19-31
Le Prat, Guy (Hrsg.), Dictionnaire des anglicismes, Paris, 1980
Trabant, Jürgen, Zur Einführung: Fremde Sprachen in Babel und Paris, in :
Trabant, Jürgen, Die Herausforderung durch die fremde Sprache. Das
Beispiel der Verteidigung des Französischen, Berlin, 1995, S. 7-16
Voirol, Michel, Anglicismes et anglomanie, Paris, CFPJ, 1993
VIDEO: Cabouat, Patrick (Regisseur), FranÇ ais histoire d'un combat -
"Une nation et des langues", RCF, 1996
CD: MC Solaar, paradisiaque, PolyGram, 1997
840 Worte in "deutsch" als "hilfreich" bewertet