Neuseeland

Inhaltsverzeichnis

Geologie

1.1 Landschaft

1.2 Geologische Geschichte

1.3 Gletscher und Vereisung

1.4 Vulkanismus und vulkanische Begleiterscheinungen

Klima

Flora + Fauna

3.1 Vegetation

3.2 Eingeführte Pflanzen und Schädlinge

Staat

Geschichte

5.1 Maori-Einwanderung

5.2 Maori-Lebensräume

5.3 Die Britische Annexion

5.4 Vertrag von Waitangi

5.6 Niedergang der Maori

Maori in der heutigen Gesellschaft

Wirtschaft

6.1 Weidewirtschaft

6.1.1 Schafhaltung

6.1.2 Milchwirtschaft

6.1.3 Rinderhaltung

6.2 Grundlagen der Weidewirtschaft

6.3 Wirtschaftliche Entwicklung

1.GEOLOGIE

1.1 Landschaftlicher Ãœberblick

Im wesentlichen besteht Neuseeland aus zwei großen Inseln, der Nord- und der Südinsel. Dazu kommen dann noch im Süden, wo es (umgekehrt wie bei uns) kälter ist, die kleine Stewart Island sowie ein paar kleinere Inseln wie Chatham Island. Nord- und Südinsel haben einen Umriss, der an Italien erinnert, eine Küstenlinie von 5650 km. Das Land liegt in einer Zone vorherrschender Westwinde, und seine Breitenlage entspricht etwa der Lage von Wien bis Gibraltar 1600 km lang und an seiner breitesten Stelle 450 km messend. Vom Meeresspiegel bis auf 3764 m (Mt. Cook) ansteigend liegt es von großen Wassermassen umgeben am Rande des Pazifischen Ozeans. Neuseelands insulare Lage führt zu einem sehr ausgeglichen, maritimen Klima. Die Inseln sind relativ gebirgig, und nur knapp ein Viertel des Landes liegt unter 200m Höhe. Die Gebirgszüge erstrecken sich weitgehend nordost-südwestlich, und das Rückgrat der Südinsel bildet eine massive Gebirgskette, die "neuseeländische Alpen" heißt. Es gibt ca. 20 Berge über 3000 m sowie 360 Gletscher, deren längster der Tasman-Gletscher mit 27 km ist. Das Nordende ragt in subtropische Klimazonen hinein, und an den Küsten nördlich von Auckland finden sich an Flussmündungen Mangrovesümpfe. Zitrusfrüchte gedeihen, und Weinbau wird mit großem Erfolg betrieben, in den ausgedehnten Wäldern der Südinsel macht man Jagd auf Rotwild.

1.2 Geologische Geschichte

Wie in Island deuten Erdbeben und Vulkanismus auf die teilweise sehr späte Entstehung der Inseln hin. Das alpine Faltengebirge ist auch seiner Entstehung nach vergleichbar mit den europäischen Alpen. Im Spättertiär kam es hier, nachdem zuvor in einem großen Sedimentationstrog riesige Gesteinsmassen abgelagert worden waren, zu einer Auffaltung, aus der die Alpen entstanden. Der Prozess begann vor etwa 25 Millionen Jahren, hatte seine aktivste Phase vor 5 Millionen Jahren und dauert bis heute an. Dieses Faltengebirge stellt den südlichen Zipfel des westpazifischen Feuerrings dar, der sich von Neuseeland über den Kermadec- und Tongagraben, über Melanesien und den Marianengraben bis nach Japan erstreckt. Die indisch-australische Platte, an deren Rand sich die Inseln befinden, schiebt sich im Bereich der Südinsel unter und im Bereich der Nordinsel über die Pazifische Platte, wobei es außerdem noch zu nordost-südwestlichen Seitenverschiebungen kommt.

Die bewegte geologische Geschichte Neuseelands geht zurück auf die Zeit vor 150 Millionen Jahren, als sich der südliche Gondwana-Kontinent vom nördlichen Laurasia trennte. Südamerika, Afrika, Indien, die Antarktis und Australien bildeten einen Superkontinent, der später auseinanderbrach und aus dem sich vor 80-90 Millionen Jahren als ein Block Australien, Neuseeland und die Antarktis bildeten. Vor 70 Millionen Jahren trennte sich hiervon Neuseeland, vor etwa 50 Millionen Jahren löste sich die Antarktis von Australien. Neuseeland lag während der ganzen Entwicklung immer am Rande und war dadurch ständigen Veränderungen, Überflutungen und Gebirgsbildungen ausgesetzt. Die ältesten Gesteine, im nordwestlichen Nelson gelegen, sind ungefähr 600 Millionen Jahre alt; die meisten allerdings entstammen den jüngeren Gebirgsbildungen. Während der letzten 80 Millionen Jahre wurden nicht nur Gebirge gebildet sondern auch abgetragen, wodurch sich zu beiden Seiten der Gebirgsflanken große Gesteinsmassen auf dem Meeresboden ablagerten. Kalke, Sandsteine und Schotterfluren bilden weite Bereiche der Gebirge und Küstenebenen. Und dazwischen kam es immer wieder zu Vulkanausbrüchen, bis in die heutige Zeit hinein. Reste der ursprünglichen Pflanzen und Tiere überlebten auf kleinen, zersplitterten Inseln und zeugen noch heute von den Zeiten, als Neuseeland mit den anderen Teilen Gondwanas eine Einheit bildete.

Während der letzten Eiszeit kam es zu einer großen Vergletscherung, die weit über das hinausgeht, was heute an Vereisung zu sehen ist. Deren unmittelbare Folge war, dass vor etwa 20000 Jahren Nord- und Südinsel miteinander verbunden waren. Für das heutige Landschaftsbild wichtig sind die durch die riesigen Gletscher ausgeformten Täler im Bereich der Alpen, vor allem im Fjordland National Park, wo solche Trogtäler durch den nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstieg ertranken und zu Fjorden wurden. Auch die zahlreichen Alpenseen östlich der großen Gebirgskette sind Ergebnis der ausschürfenden Arbeit dieser eiszeitlichen Gletscher. Sie wurden tief ausgeschürft, zum Teil bis unter den Meeresspiegel, und als Abschlussbegrenzung finden sich häufig Endmoränen, die das weiteste Vorrücken der Gletscher markieren. Vom Gletscherwasser in der Nacheiszeit ausgefüllt, bildeten sich hier Rinnen- und Zungenbeckenseen. Auffällig ist allerdings, dass es in Neuseeland diese Seen nur auf der Ostseite gibt. Im Westen fällt das Gebirge der Alpenkette so steil ins Meer ab, dass es nicht zur Ausbildung solcher Seen kommen konnte.

1.3 Gletscher und heutige Vereisung

Die Region der Gletscher ist heute in zwei Nationalparks zusammengefasst, dem Westland und dem Mount Cook Nationalpark. Beide Parks zusammen sind wegen ihrer einmaligen Schönheit in das "World Heritage"-Programm der UNO aufgenommen worden. Die beiden höchsten Berge Neuseelands, Mt. Cook (3764 m) und Tasman (3497 m), die vom Meer aus steil ansteigen, liegen hier. Niederschläge bis zu 7600 mm/Jahr sind die Folge dieser Erhebungen, die sich den Westwinden als Hindernis in den Weg stellen. Davon leben aber die Gletscher und auch die mit Regenwald bedeckten Hänge. Große Moränenschuttmengen liegen am Weg, und schotterreiche Flüsse durchschneiden die schmale Küstenebene im Westen. Die Hänge sind dicht bewaldet, überwiegend mit Südbuchen, die, mit Flechten- und Moosbewuchs verdichtet, einen Regenwald bilden. Am bekanntesten sind die beiden Gletscher Franz-Josef und Fox. Beide sind einmalig insofern, als sie bis auf etwa 300 m über den Meeresspiegel hinabreichen und auf beiden Seiten von dichtem Wald begrenzt sind. Es gibt in vergleichbaren Breiten dieser Welt keine so weit herabreichenden Gletscher. Der steile Abfall aus ihren Nährgebieten führt zu erstaunlich hohen Fließgeschwindigkeiten des Eises. Sie sind daher auch Indikatoren längerfristiger Witterungsschwankungen: es gab Zeiten, in denen sie sich nach unten ausdehnten' aber seit den fünfziger Jahren ist überwiegend ein Rückzug zu beobachten, der auf Klimaveränderungen (Erwärmung) hindeutet. Die Stadien des Vorrückens und des Rückzugs sind in den Endmoränen "dokumentiert".

Der Fox-Gletscher ist etwas länger (13,5 km) als der Franz-Josef-Gletscher (12 km). Eine Fülle glazialer Erscheinungen ist zu sehen, von Rundhöckern mit Gletscherschliff über Seiten- und Endmoränen bis hin zum Gletschertor oder den Gletscherbächen mit ihrem feinen Gletscherschluffmaterial, das die Bäche milchig weiß eintrübt. Der Tasman-Gletscher ist mit seinen 27 km der längste Gletscher der warmgemäßigten Zone. Er ist bis zu 3 km breit, und seine Eismassen sind bis zu 600 m dick. Aus der Luft sind auch die Gletscherspalten, Seiten- und Endmoränen, zum Ende hin die Obermoränen sowie Trogtäler, Hängetäler, Kare und Seitengletscher sehr gut zu sehen, wie auch die trüben Gletscherbäche und Schotterfluren.

1.4 Vulkanismus und vulkanische Begleiterscheinungen

Ein die Landschaft Neuseelands prägendes Element ist bis heute der Vulkanismus. In Neuseeland ist der Vulkanismus wesentlich bedeutsamer als in Europa. Das hängt mit der geologischen Unruhe am Rande der sich verhakenden Platten zusammen. Aktive Vulkane, Erdbeben und auch nachvulkanische Erscheinungen wie Geysire, Fumarolen, heiße Bäche und kochender Schlamm gibt es in Europa allenfalls in Island. Längs über beide Inseln, von Nord nach Süd, erstreckt sich eine Zone großer Erdbebengefährdung, die nur deshalb so selten katastrophale Auswirkungen hat, weil das Land relativ dünn besiedelt ist. Man ist sich dieser ständigen Gefahr durchaus bewusst, und in Wellington, das in einer besonders gefährdeten Zone liegt, wurde in den letzten zwanzig Jahren manches Haus abgerissen und neugebaut, um den neueren erdbebensicheren Standards gerecht zu werden. Zahlreiche Katastrophenpläne existieren, zumal man in den letzten Jahren eine Zunahme der Erdbeben im Lande beobachtet. Beben der Stärke um 6 auf der Richterskala werden öfter registriert, allerdings meist in wenig besiedelten Zonen. Am 3. Februar 1931 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben (Richterskala 7,9) die Hawke's Bay und zerstörte nahezu alle Gebäude der beiden Städte Napier und Hastings. Östlich dieser Region, im zentralen Bereich der Nordinsel, kommt dann noch die stets vorhandene Gefährdung durch aktive Vulkane hinzu. Mount Taranaki war zuletzt wahrscheinlich 1636 aktiv, während Ngauruhoe auch heute noch meist ein Rauchwölkchen aufweist und es immer wieder zu Eruptionen kommt.

In vorhistorischer Zeit muss es in dieser Region Explosionen größeren Ausmaßes gegeben haben, von denen zwei riesige Calderen zeugen. Eine Caldera ist ein Einsturzkrater, der nach einer großen Explosion gashaltiger (saurer) Magma entsteht, bei der die Spitze des ehemaligen Vulkans in die Luft gesprengt wird. Übrig bleiben in der Regel große Seen, prototypisch zu sehen am Crater Lake in den USA. Der größte neuseeländische Binnensee, der zentral in der Nordinsel gelegene Lake Taupo, ist der Rest einer Caldera, aber auch Lake Rotorua und einige Nebenseen liegen in einem Einsturzkrater. Solche Katastrophen sind heute etwas unwahrscheinlicher geworden, da man beobachtet hat, dass ein Wechsel im vulkanischen Material von saurem, rhyolithischem Gestein zu eher basaltischem Material stattgefunden hat, bei dem die Explosivität geringer ist. Der "sanftere" Vulkanismus ist auf White Island, einer kleinen vulkanischen Insel in der Bay of Plenty, zu beobachten. Sie liegt genau in der Verlängerung der Tarawera-Spalte auf einer tektonischen Leitlinie, die durch mehrere kleinere Vulkankegel markiert ist. White Island, das noch bis 1914 zum Schwefelabbau genutzt und besiedelt war, ist stets von einer weiß-gelben Schwefelwolke umgeben.

Die "schönen Seiten" des Vulkanismus sind vor allem in der Umgebung von Rotorua zu sehen. In den Thermalregionen Waiotapu und Waimangu finden sich Geysire, heiße Quellen und Bäche, Schlammpools und Sinterterrassen sowie stets überall kleine Dampfwölkchen. Nachdem der einzigartige Waimangu-Geysir, der seinerzeit zu den größten der Welt zählte und anscheinend bis zu 500 m hoch spritzte, versiegt ist und nur noch seine Sinterablagerungen zu bewundern sind, ist der Pohutu in Whakarewarewa der heute bekannteste Geysir; wenn er auch bei weitem nicht so hoch hinaufschießt und auch Vergleichen mit den berühmten Geysiren Islands oder dem Old Faithful nicht standhält. 18 m Höhe erreicht er aber allemal, häufig sogar die doppelte Höhe, und in der Regel wird er etwa 14 mal pro Tag aktiv, wobei Rhythmus wie Höhe stark von den jeweiligen Witterungsverhältnissen abhängen. Wichtig sind besonders die Niederschlagsmengen der jeweils vorhergehenden Tage und die vorherrschende Windrichtung. Der Wind spielt deshalb eine so große Rolle, weil das heiße Geysirwasser sich in der Luft abkühlt und, wenn es senkrecht auf das Geysirloch zurückfällt, dort zu starker Abkühlung führt. Das abfließende Wasser baute im Laufe der Zeit eine Sinterterasse auf. Unmittelbar neben Pohutu, auf der Sinterplatte, befinden sich noch weitere Geysire, die allerdings nicht solche Höhen erreichen. Nicht weit entfernt befindet sich der "Frog Pool", ein Teich, in dem saurer schwefelhaltiger Schlamm kocht und je nach Menge vorhergehender Regenfälle eine breite Palette von kleinen Schlammvulkanen ausbildet. Außerdem gibt es in Whakarewarewa noch einen heftig kochenden chloridischen See mit erhobenem Sinterrand sowie unzählige heiße Quellen, von denen manche einee Wassertemperatur von 98 °C erreichen. Die lokalen Maori nutzten und nutzen solche Seen auch heute noch zum Kochen ihrer Mahlzeiten.

KLIMA

Eigentlich sind Klima und Wetter kein Thema, denn schon durch die geographische Lage der Inseln unterscheiden sich Klima und Wetter kaum von dem, was man in Europa gewohnt ist. Trotz aller Ähnlichkeit gibt es dennoch ein paar Besonderheiten. Zunächst bestimmt natürlich die Breitenlage in der gemäßigten Zone mit vorherrschenden Westwinden das Klima. Die Insellage hat großen Einfluss auf das Wettergeschehen, vor allem auf die Temperaturen, die Winde und die Niederschläge. Trotz einer Erstreckung von 1600 km in Nord-Süd-Richtung beträgt der Unterschied in der Jahresmitteltemperatur zwischen dem warmen Norden und dem kalten Süden nur 6°C - im Norden sind es 13°C, im Süden 9°C. Ausgeglichen ist auch der Jahresgang der Temperatur, die Extreme sind wenig ausgeprägt. Januar und Februar sind die wärmsten, Juli ist der kälteste Monat. Der subtropische Norden ist auch im Sommer erträglich, und im kühlen Süden fällt - auf Meeresniveau - im Winter selten Schnee. Lediglich im Windschatten der Alpen, in Zentral Otago, herrschen kontinentale Verhältnisse mit kalten Wintern und heißen Sommern. Die Alpen haben vor allem großen Einfluss auf die Niederschläge. Abrupt steigen die Berge vom Meeresspiegel innerhalb von nur 20-30 km bis zu 3764 m an! Die von Westen, von der Tasman See herkommenden Luftmassen, die sich dort über große Distanzen mit Wasserdampf haben auffüllen können, prallen gegen diese Gebirgswand, steigen auf und regnen sich ab: Niederschläge über 7000 mm sind auf der Westseite der Alpen keine Seltenheit. Natürlich sind das Extreme, aber durch die gebirgige Natur des Landes kommen hohe Niederschlagsmengen auch sonst relativ häufig vor. Mit den vom Meer kommenden Winden ist aber andererseits auch ein häufiger Wechsel des Wettergeschehens verbunden, so dass auf starken Regen schnell wieder Sonnenschein folgen kann. Umso weniger, als nach den starken Regengüssen auch die Sonnenscheinstunden länger sind als bei uns. Die sonnigsten Gegenden des Landes finden sich an der Nordküste der Südinsel sowie, auf der Nordinsel in der Bay of Plenty (durchschnittlich 2350 Sonnenscheinstunden). Weite Teile des Landes weisen mindestens 2000 Sonnenscheinstunden auf (zum Vergleich: Köln 1521, München 1722). Das sind etwa 5-6 Stunden Sonnenschein pro Tag! Dennoch wird es nie übermäßig heiß. Die Seebrisen lassen an den Küsten selten schwüles Wetter aufkommen; etwas anders ist es im Hochland östlich der Alpenkette, wo trockene Fallwinde (Föhn) vorkommen können. Extreme Windverhältnisse gibt es in Wellington an der stürmischen Cook-Straße, die wie ein Windkanal zwischen den beiden Inseln wirkt. Die Stadt heißt bei den Neuseeländern "windy city": an durchschnittlich 173 Tagen pro Jahr herrschen Windgeschwindigkeiten von über 60 km/h.

Statistisch nicht zu fassen sind die durch das maritime Klima mit dem häufig wechselnden Wettergeschehen, die hohe Luftfeuchtigkeit und die Seebrisen bedingten überraschenden Lichtverhältnisse

3. FLORA + FAUNA

3.1 Die einheimische Vegetation

Vom Klima stark abhängig ist natürlich auch die Vegetation. Die Wälder sehen mit ihrem Unterwuchs, den Moosen und Flechten, Lianen und Epiphyten fast aus wie tropische Regenwälder.

Gerade die Südbuchen (Nothofagus) sind eine Besonderheit. Südbuchen gibt es nur auf der Südhalbkugel der Erde, vor allem noch in Chile. Die Verbindung zu Chile ist in der geologischen Vergangenheit zu suchen, im Gondwana-Kontinent. Ein Teil der neuseeländischen Vegetation geht bis in die Zeiten zurück, als die Inseln noch Teil dieses großen Kontinents waren. Nach der sehr lange zurückliegenden Trennung von den anderen Gondwana-Resten hatte das Land aber noch einige Zeit Verbindung zu Australien. Deshalb bestehen die größten Gemeinsamkeiten mit Australien. 20% aller in Neuseeland blühenden Pflanzen gibt es auch noch in Australien. Allerdings fehlen eigene Eukalyptus- und Akazien-Arten, wie sie für Australien typisch sind; die Trennung von Australien muss also stattgefunden haben, bevor sich diese Arten dort entwickelt haben. Seit etwa 80 Millionen Jahren haben sich dann Flora und Fauna in nahezu vollständiger Isolation entwickeln können, sie mussten sich den gegebenen Umwelten und den hier auftretenden ständigen Veränderungen, z.B. der Eiszeit und der Vulkanausbrüche, anpassen. Durch diese Eigenentwicklungen kam es zu den heutigen Unterschieden gegenüber den ursprünglich gemeinsamen Formen in Australien, Neuguinea, Südamerika und der Antarktis.

Es sind sowohl die einzelnen Pflanzen, die fremdartig erscheinen, als auch die Pflanzenformationen, vor allem die Wälder. Berühmt ist vor allem der heute nur noch in Restbeständen auf der nördlichen Nordinsel vorkommende Kauri-Baum, der König des neuseeländischen Waldes. Er wird über 50 m hoch und über 2000 Jahre alt; der berühmte Kauri "Tane Mahuta" ist 2100 Jahre alt und 51,2 m hoch, sein Umfang beträgt ca. 20 m. Charakteristisch für den Kauri sind sein hoher, von Zweigen freier Stamm und seine weit ausladende Krone. Wegen dieses Stammes wurde er von den Seefahrern für ihre Schiffsmasten geschlagen, aber auch sein Harz war sehr begehrt. Als fossiles Kauri-Harz wurde es im vergangenen Jahrhundert von ganzen Horden von Kauri-Gräbern ausgegraben, die es für die Farben- und Lackherstellung verkauften. Höher noch als der Kauri wird der Kahikatea, von dem es einzelne Exemplare mit Höhen bis zu 60 m gibt. Er gehört zur Familie der auf der Südhalbkugel weit verbreiteten Podocarpaceen, immergrünen Koniferen, die es bereits vor 150 Millionen Jahren gab. Besonders schöne Exemplare sind an der Westküste der Südinsel, an relativ feuchten Standorten, zu sehen. Ein interessanter Baum ist auch der Horoeka, der in den ersten 20 Jahren seines Lebens völlig anders aussieht als später: zunächst besteht er aus einem dünnen Stamm, von dem lange Einzelzweige wie Lanzen herabhängen. Im Englischen wird er daher auch Lancewood genannt (alle neuseeländischen Bäume haben - ohne den botanischen - noch mindestens zwei Namen). Der Horoeka entwickelt sich später zu einem ganz "normalen" Baum. Auch dieser Unterschied zwischen Jugend- und Altersstadium ist nicht ungewöhnlich in der neuseeländischen Vegetation. Ein anderes Kuriosum dieser Art bildet der Rata, der sein Dasein in der Regel als Parasit beginnt, bis er dann seinen ursprünglichen "Wirt" ganz verdrängt und "verschlingt". Er kommt meist auf der Südinsel vor und hat ganz ähnliche Blüten wie der Pohutukawa. Schließlich muss noch der Baumfarn erwähnt werden, der für das Land so charakteristisch ist. Es gibt über 150 verschiedene Arten, und eine der schönsten wurde zum Nationalemblem: der Silberfarn, dessen Blattunterseite silbrig glänzt.

Die größten Wälder, vor allem auf der Südinsel, werden von Südbuchen gebildet. In diesen Wäldern ist in der Regel der Unterwuchs relativ artenarm. Der Wald wirkt - jedenfalls für neuseeländische Verhältnisse - "offen" und ist mit dem vergleichbar, was man in Europa gewohnt ist. Die anderen Wälder erinnern eher an Regenwälder, mit ihren vielen Arten sowie dem ausgiebigen Unterwuchs. Farne, Moose, Kletterpflanzen im Unterstock, größere Baumfarne, Büsche und manchmal Palmen auf halber Höhe sowie darüber einige Waldriesen erscheinen typisch. In feuchten Gebieten entwickeln kopflastige Baumriesen Wurzelsysteme, die dem Baum zusätzliche Stabilität verleihen. Die Entwicklung zu solchen Wäldern wurde dadurch möglich, dass es keine grasenden und äsenden Tiere gab.

Für die heutige Verteilung der Vegetation waren im wesentlichen die Ereignisse der letzten hundert Jahre ausschlaggebend, vorher war Neuseeland bis auf wenige Regionen dicht bewaldet. Mit der Ankunft des Menschen kam es hier zu erheblichen Veränderungen. Sie brachten neue Pflanzen und Tiere mit, drängten einheimische Pflanzen zurück, es kam zum Aussterben einzelner Tierarten (Moa) und zur Konkurrenz zwischen einheimischer und eingeführter (=exotischer) Fauna und Flora.

3.2 Eingeführte Pflanzen und Schädlinge

Die Maori brachten tropische und subtropische Kulturpflanzen wie Kumara und Yams von den Südseeinseln ins Land, passten sich aber an den vorgefundenen Naturraum an und nutzten die einheimische Pflanzen- und Tierwelt, wo immer sie konnten: sie jagten die flugunfähigen Vögel, sammelten essbare Pflanzen, wie z. B. Farnwurzeln, und fingen Fische in den Binnengewässern und an den Küsten. Ihre mitgebrachten Pflanzen kultivierten sie nur auf der subtropischen Nordinsel, auf der Südinsel lebten sie vom Sammeln und Jagen. Es waren vor allem die Südinselbewohner, die erheblich in die bestehende Vegetation und Tierwelt eingriffen: sie brachten den Laufvogel Moa zum Aussterben, indem sie ihn mit großangelegten Bränden jagten. Brandrodungen waren dann später das "Verdienst" der eingewanderten Europäer: um zu Land zu kommen, wurde in großem Maße Wald gerodet, wurden einheimische Tussock-Gräser durch eingeführte und neu gezüchtete ersetzt, Schafe, Rinder und Kühe ein-geführt und ganze Lebensräume verändert. Insgesamt etwa 2000 Pflanzenarten wurden eingeführt, und manche von ihnen haben sich so verbreitet, dass sie für ganze Regionen charakteristisch geworden sind, wie z.B. die aus Nordamerika eingeführte Fichte Pinus radiata in den unendlichen Forst-Monokulturen der Nordinsel. Vor allem in den Anfangsjahren der Besiedlung machte man sich wenig Gedanken über die Folgen, wenn man neue Arten einführte. Heute wissen wir, dass sich an vielen Standorten der isolierten Inselwelt labile Verhältnisse nur deshalb über lange Zeiten gut halten konnten, weil die Konkurrenz fehlte. Massive Importe von konkurrierenden Pflanzen und Tieren mussten zur Vernichtung zahlreicher Arten und Lebensgemeinschaften führen. Als besonders schädlich hat sich die Einfuhr von Tieren erwiesen, die im neuen Lebensraum keine natürlichen Feinde hatten. Eine große Gefahr für die Wälder, wo ursprünglich außer Fledermäusen keine Säugetierart lebte, stellen die europäischen Rothirsche dar, die sich in den ausgedehnten Alpenwäldern unkontrolliert vermehren können und die durch ihren Verbiss häufig eine natürliche Verjüngung der Vegetation verhindern, wodurch an den Gebirgshängen die Erosionsgefahr wächst. Auch das wegen seines Pelzes eingeführte australische Opossum ist gefährlicher als es den Anschein hat. Es hat sich zu seiner Ernährung auf eine die Baumgrenze bildende Baumart spezialisiert, entblättert sie völlig und bringt sie zum Absterben. Als ähnlich problematisch hat sich die Ansiedlung von Ziegen, Schweinen, Wieseln, Kaninchen und Wapiti herausgestellt. Kaninchen, die in Australien zu einer lästigen Plage wurden und auch in Neuseeland den Schafen und Rindern das Gras wegfraßen, wurden von 1870 bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bekämpft. Fast eine Generation lang durfte kein Neuseeländer Kaninchen züchten; erst neuerdings wird wieder diskutiert, ob man nicht auch Kaninchenfleisch exportieren könnte. Die Einfuhr des europäischen Ginsters, der sich vielfach auf Weiden ausbreitet, wird heute ebenso bedauert wie die einer Vielzahl von Büschen, Kräutern, Diesteln und Beeren, die insgesamt als "aggressive Unkräuter" angesehen werden. Neuseeland ist ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich menschliche Eingriffe in das natürliche Gleichgewicht eines Lebensraumes sein können.

4. STAAT

Wie in Großbritannien, so gibt es auch in Neuseeland keine geschriebene Verfassung. 1852 erhielt das Land im einzigen schriftlich vorgelegten Constitution Act das Recht der Selbstverwaltung zugesprochen (bis dahin war es von Australien mitverwaltet worden), aber dieses Dokument hat heute ausschließlich historischen Wert. Die Verfassungswirklichkeit beruht teils auf britischen, teils auf neuseeländischen Parlamentsgesetzen sowie auf ungeschriebenem Verfassungsbrauch. Auch das neuseeländische Parlament war ursprünglich dem britischen System nachgebildet und bestand bis 1952 aus zwei Kammern. Heute gibt es nur noch eine Kammer; das Abgeordnetenhaus (House of Representatives). Von den 97 Parlamentssitzen (1990) sind 4 für Maori Wähler in eigenen, landesweiten Wahlbezirken reserviert. Das Parlament wird jeweils für drei Jahre gewählt, kann aber auch, wie in Großbritannien, vorzeitig von der Regierung aufgelöst werden. In den letzten Jahrzehnten wurden die Mandate überwiegend von der konservativen National Party und der Labour Party gewonnen; daneben haben kleine Parteien wegen des Mehrheitswahlrechts (vgl. Großbritannien) nur eine geringe Chance, die zuletzt von den Democrats (vormals ,,Social Credit") wahrgenommen werden konnte. Von 1984 bis 1990 regierte die Labour Party (mit David Lange), nachdem vorher überjahrzehnte - mit nur kurzen Unterbrechungen 1957-1960 und 1972-1975 - die National Party die Mehrheit hatte, die auch seit

1990 wieder die Regierung stellt. Dabei gelang Jim Bolger ein ,,landslide victory", mit dem er bei allerdings nur 47 % der Wählerstimmen 68 von 97 Sitzen erhielt.

Schließlich lehnt sich auch das neuseeländische Recht an das britische Recht an (Magistrates Court, Friedensrichter u.a.) und wird lediglich durch die neuseeländische Gesetzgebung ergänzt und geändert.

5. GESCHICHTE

5.1 Die Maori-Einwanderung

Wann genau diese Erstsiedler ins Land kamen, ist nicht einfach zu klären, Man muss sich dazu auf die zahlreichen, zum Teil sehr ausführlichen, aber nur mündlich überlieferten Erzählungen der Maori sowie auf Erkenntnisse der Archäologen verlassen. Sicher dürfte heute sein, dass Polynesier von den nördlich und östlich gelegenen Inseln das Land in verschiedenen Einwanderungswellen besiedelten.

Nach der Überlieferung war es ein aus Tahiti stammender Seefahrer namens Kupe, der die Inseln entdeckte. Er war nicht allein, sondern wurde von einer großen Zahl von Frauen und Männern begleitet. Seine Frau soll die Inseln als erste gesehen haben und sie mit einer großen weißen Wolke am Horizont verglichen haben, daher der Maori-Name "Aotearoa" für Neuseeland. Kupe kehrte nach "Hawaiki", der Heimat der Urahnen der Maori, zurück und schilderte ausführlich, wie man zu der neuen großen Insel kommen könne. Aber erst etwa 400 Jahre später kam es zu ausgedehnten Abwanderungen aus den Gesellschaftsinseln, als dort Hungersnöte und Kriege das Leben erschwerten. Die meisten heutigen Maori sehen sich als Nachfahren eines der um 1350 hierher gekommenen Kanus der ,,großen Flotte". Die Namen der Boote sind bekannt (z. B. Arawa, Aotea u. a.) und bilden gewissermaßen den Ursprung der verschiedenen Stämme.

Diese traditionellen Geschichten der Maori, die seit Generationen mündlich weitergegeben werden, werden in der heute vorliegenden Form von Historikern und Archäologen angezweifelt. Man nimmt an, dass sich eine den europäischen Vorstellungen des 18. und 19. Jahrhunderts entsprechende Theorie entwickelte, die durch häufiges Wiederholen auch Eingang in die Maori-Erzählungen gefunden hat. Nach diesen Forschungen kamen die Vorfahren der heutigen Maori in mehreren Besiedlungswellen zwischen 800 und 1100 nach Neuseeland, und zwar im Endstadium einer langandauernden Besiedlung des südlichen Pazifik. Dabei ist davon auszugehen, dass die Besiedler des Pazifik ursprünglich aus Südostasien kamen, über Melanesien ins heutige Polynesien gelangten, das dann zum Ausgangspunkt der weiteren ausgedehnten Besiedlung Ostpolynesiens wurde. Von hier aus wurden die letzten Entdeckungsfahrten nach Hawaii und Neuseeland, den größten Inseln und Eckpunkten des polynesischen Dreiecks, unternommen. Thor Heyerdahls Theorie, nach welcher der Pazifik von Südamerika aus besiedelt wurde, wird heute durch die Annahme modifiziert, dass die Polynesier irgendwann auch den Weg nach Südamerika gefunden hatten, von dort einige Innovationen mitnahmen und in die Inselwelt zurückkehrten. Die für die Ernährung aller Polynesier wichtige Süßkartoffel, die nachweislich aus Südamerika stammt, soll unter anderem diese Hypothese stützen.

5.2 Maori-Lebensräume

Die "neue Welt", die die Polynesier in Neuseeland fanden, unterschied sich sehr von ihrer Heimat. Ostpolynesien (Tahiti, die Marquesas, Raiatea sind wahrscheinlich das sagenhafte Hawaiki) besteht aus kleinen Vulkaninseln und Atollen, es ist ganzjährig wärmer und die Inseln sind erheblich kleiner. Von dort zog man nun mit Familie, Geräten, Hunden, Schweinen, Hühnern und Ratten, Süßkartoffeln (Kumara), Taro, Yams und anderen Anbaufrüchten auf unermesslich große, aber sehr kalte Inseln. Wasserprobleme wie auf den Atollen gab es hier nicht, dafür aber fror man in den Wintern, und die mitgebrachten Anbaufrüchte waren auch nur begrenzt zu gebrauchen. Die Kumara ist z.B. frostempfindlich, und es zählt zu den großen Pioniertaten der Maori, dass es ihnen gelang, die Kumara in Erdhöhlen über den Winter zu bringen. Man musste sich an den neuen Lebensraum anpassen, und aus heutiger Sicht ist das wohl gelungen. Nicht bekannt sind natürlich die wahrscheinlich vielen Fehlschläge, angefangen von den uns unbekannten Verlusten bei den Überfahrten, die wir als Meisterstücke polynesischer Seefahrerkunst bewundern. Eine Fehlentwicklung bei diesem Anpassungsprozeß an die neue Umwelt ist uns heute bekannt: Die ersten Einwanderer, die auch Moa-jäger genannt werden, fanden - vor allem auf den offeneren Fluren der östlichen Küstenebene der Südinsel, der heutigen Canterbury Plain - einen großen Laufvogel vor, den Moa. Da es ansonsten wenig große Landtiere zum Verzehr gab, wurde der Moa - der auf solche "Feinde" nicht eingestellt war - in großem Maße gejagt und war bereits vor der Ankunft der Europäer ganz ausgerottet.

Die ersten Siedler lebten zunächst - eben wegen dieses Moa -trotz des für sie schlechteren Klimas überwiegend auf der östlichen Ebene der Südinsel. Später wurde dann aber die wärmere Nordinsel bevorzugt, wo man Ackerbau betreiben konnte und wo es dann eben deshalb zu einer dichteren Besiedlung mit festen Siedlungsplätzen kam. Auf der Südinsel lebten nur ganz wenige Maori, die weniger sesshaft waren und von Sammeln, Jagen und Fischfang lebten. Die dichte Besiedlung der Küstenebenen und Flussläufe der Nordinsel führte allerdings zu Konflikten zwischen den einzelnen Siedlungsgruppen (Stämmen). Etwa seit dem 14. Jh. wurden befestigte Siedlungen (pa) angelegt.

5.3 Die britische Annexion

Ein einschneidendes Ereignis war dann 1840 die Annexion Neuseelands durch die britische Krone. Damit wurden Verhältnisse geschaffen, die das ungeregelte Nebeneinader der Maori und der verschiedenen europäischen Siedlergruppen, die es zu dem Zeitpunkt bereits gab, ablösten und den Grundstein für die spätere Dominanz der Pakeha legten, die man heute wieder rückgängig zu machen versucht. Diese in sich widersprüchlichen Entwicklungen sind eine Folge des Vertrags von Waitangi, der am 6. Februar 1840 zwischen der britischen Krone und einer großen Zahl von Maori-Häuptlingen abgeschlossen wurde.

Die eigentliche Annexion geschah jedoch schon vorher. Am 14. Januar 1840 erklärte der Gouverneur von New South Wales (Australien), Gipps, dass die Grenzen seines Territoriums Neuseeland einbezögen und dass Kapitän William Hobson als Generalleutnant für Neuseeland ernannt worden sei. Bereits 1833 war James Busby von Neusüdwales aus nach Waitangi geschickt worden, um dort als "British Resident" für Ordnung zu sorgen. Das bedeutete sowohl, dass er die Eingeborenen vor Übergriffen der Engländer schützen sollte, als auch, dass er entflohene Strafgefangene zurückschicken, den Handel zwischen Europäern und Maori ermutigen und Siedler in ihrem Vorhaben unterstützen sollte. Aber da er mit keinen Machtbefugnissen ausgestattet war, wurde er von niemandem ernstgenommen. Hobson landete am 24. Januar 1840 in der Bay of Islands und bereitete einen Vertrag mit den Eingeborenen vor. Dabei wollte die englische Krone Fehler vermeiden, die in vorhergehenden Kolonialisierungen gemacht worden waren. Hobson hatte den Auftrag, die Häuptlinge mit ihrem "free and intelligent consent" dazu zu bringen, wilde Landverkäufe in Zukunft zu unterlassen und der britischen Krone ein Vorkaufsrecht auf alles Land einzuräumen. Außerdem sollte ein "Protector" ernannt werden, der die Interessen der Eingeborenen wahrnehmen sollte. Hobsons Aufgabe war nicht einfach. Er hatte nicht nur gegen das bisher vorherrschende Recht des Stärkeren, also gegen seine eigenen Landsleute, anzukämpfen, sondern musste auch den äußerst schwierigen Versuch unternehmen, den Eingeborenen eine Vorstellung von Begriffen wie "Souveränität", "Königin", "Besitz" und ähnlichen westlichen Konzepten zu vermitteln. Am 6. Februar unterzeichneten Gouverneur Hobson und 46 Häuptlinge den Vertrag.

5.4 Der Vertrag von Waitangi

Der Vertragstext wurde auf Englisch entworfen und dann in die Sprache der Maori übersetzt. Im englischen Original wurden alle Souveränitätsrechte an Königin Victoria übertragen, während im Gegenzug die Häuptlinge den Besitz an Land, Wald und Fischerei gesichert bekamen; allein die Krone hatte das Recht, Land zu kaufen. Die Maori wurden dem Schutz der Königin unterstellt und erhielten alle Rechte und Privilegien britischer Untertanen. Die Version des Vertrags in der Maori-Sprache, die vom Missionar Henry Williams relativ hastig erstellt werden musste, war dagegen in erheblich vageren Formulierungen gehalten, nicht zuletzt, weil es schwierig war, europäische juristische Konzepte in die fremde Sprache und deren Vorstellungswelt zu übertragen. Die Maori-Unterzeichner stimmten zu, dass die Königin die Rechte des des Gouverneurs übernahm. Da sie aber als einziges Beispiel für solche Gouverneursherrschaft den recht ineffektiven James Busby kannten, ist es wenig wahrscheinlich, dass sie die volle Bedeutung dessen verstanden, was sie unterschrieben. In den Reihen der Maori gab es eine ganze Reihe kritischer Stimmen, und ohnehin waren längst nicht alle Häuptlinge bei der Unterzeichnung anwesend. Das große Problem bestand eben darin, dass es in Neuseeland nichts Vergleichbares zur englischen Königin gab: eine übergeordnete Herrschaft hatte nie existiert, die Stämme lebten in eigenen Rechten nebeneinander. In den folgenden Monaten musste der Vertrag durchs ganze Land getragen werden, um möglichst viele Unterschriften zu bekommen. Dabei wurden offensichtlich weitere Fehler gemacht, z.B. waren die Abschriften nicht alle mit dem Original identisch. Wichtige Stämme betrachteten die Angelegenheit als nicht besonders wichtig und versäumten es, zu unterschreiben. Während dieser Prozess noch im Gange war erklärte Hobson bereits am 21. Mai 1840 die britische Herrschaft über Neuseeland - für die Nordinsel auf der Basis des Vertrages und für die (dünner besiedelte) Südinsel aufgrund des "Rechtes" der "Entdecker". 1841 wurde Neuseeland eine eigenständige Kolonie, und die Hauptstadt wurde, entsprechend der sich abzeichnenden Bevölkerungsverlagerung, von Russell in der Bay of Plenty nach Auckland verlegt, das sowohl strategisch günstiger lag als auch ausreichend große Siedlungsflächen bot.

5.5 Der Niedergang der Maori

Die Maori hatten Anlass, vieles von dem, was die Neusiedler nun in ihrem Land anstellten, als Verletzung ihrer Rechte zu sehen. Die Beziehungen zwischen den Maori und den Einwanderern begannen sich zu verschlechtern. Bis 1859 waren von 26 Millionen acres in Besitz genommenen Landes auf der Nordinsel erst 7 Millionen rechtmäßig gekauft worden, aber weiterhin strömten Europäer ins Land, die Siedlungsgebiet haben wollten. Es kam zu - aus heutiger Sicht meist unrechtmäßigen - Landkonfiszierungen, und damit begann der Krieg. Dabei mussten auch die Europäer zahlreiche Niederlagen hinnehmen, denn die Maori waren kriegserfahren und kampfbereit. Dennoch war die Vorherrschaft der Pakeha, schon wegen ihrer Ausrüstung und später auch wegen ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit, nicht aufzuhalten. Ihre militärischen Siege sicherten den drängenden Bedarf der weißen Siedler nach Land. Gleichzeitig sank die Zahl der Maori bis 1896 auf 42000. Um 1900 schien es nahezu sicher, dass die Maori aussterben würden. Zum Gedenken an sie errichtete man auf One Tree Hill/Auckland ein Denkmal.

Die Abnahme der Maori einerseits und die rasante Zunahme der europäischen Bevölkerung andererseits führte in den folgenden fast hundert Jahren dazu, dass die Maori in der neuseeländischen Gesellschaft nur am Rande eine Rolle spielten. Man kümmerte sich mehr oder weniger wohlwollend um sie. Sie erhalten seit 1867 vier Parlamentssitze reserviert, aber eigentlich hoffte man, sie als benachteiligte Restbevölkerung in die weiße Gesellschaft integrieren zu können. Man wollte sie zu "braunen Europäern" machen, zumal sie gezeigt hatten, wie anpassungsfähig sie waren. Solche Anpassung wurde durch Sprachkurse, landwirtschaftliche Hilfen, sogar gleichberechtigte Einstellung in die Polizei gefördert; bei den Maori entstand eine "Young Maori Party", die sich für die Übernahme der Pakeha-Kultur einsetzte. Die Teilnahme der Maori an der importierten Kultur der Europäer fand allerdings immer noch auf der Basis der eigenen Kultur statt: in Familiengruppen und nicht als Individuen. Die eigene kulturelle Tradition blieb stark genug, und die beiden Bevölkerungsgruppen lebten bis in die Mitte unseres Jahrhunderts auch noch weitgehend voneinander räumlich getrennt. Erst die starke Zunahme der Maori-Bevölkerung, die notgedrungen verbunden war mit einem Umzug in die Städte, führte zu stärkeren Kontakten der Kulturen untereinander, die aber im Prinzip immer noch die Anpassung der Maori zum Ziel hatten. Sie mussten sich in die Welt der Pakeha einfügen, um überleben zu können.

Es lohnt, kurz auf die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung der Rassen einzugehen. Man nimmt an, dass um 1800 etwa 100000 Maori in Neuseeland lebten. Wie gesagt, ging diese Zahl aufgrund der Kriege, durch Krankheiten u.ä. bis 1896 auf einen Tiefstand von 42000 zurück. Bei der ersten Volkszählung, die die Briten so gewissenhaft wie damals möglich 1857 durchführten, lebten bereits 59413 Europäer und noch 56043 Maori im Land. Durch verschiedene Einwanderungswellen (veranlasst vor allem durch den Goldrausch) stieg die europäische Bevölkerung weiterhin rapide an, 1908 wurde die Millionengrenze erreicht. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg kam es noch einmal zu starken Einwanderungen, dann erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Dazwischen lagen Perioden geringeren Zuwachses, ja es gab - zu Zeiten von Wirtschaftskrisen - gelegentlich sogar Auswanderungsüberschüsse. Nachdem gesichert war, dass die Maori als Rasse überleben würden - was vor der Jahrhundertwende nicht sicher war -, geschah, was man nicht erwartet hatte: Die Maori-Bevölkerung, deren natürliches Bevölkerungswachstum stets weit über dem der Pakeha lag, erreichte bereits um 1945 wieder die 100000-Grenze, 1966 waren es schon 200000.

5.6 Maori in der heutigen Gesellschaft

Neuseeland hat traditionell eine egalitäre Gesellschaft, in der Klassenunterschiede keine große Rolle spielen. Auch Rassendiskriminierung gibt es nicht - jedenfalls nicht offiziell.

Der Maori sieht das natürlich anders. Abgesehen davon, dass er die Europäer als Eindringlinge betrachtet, kann er mit Recht darauf verweisen, dass trotz aller egalitärer Tendenzen die Maori in der heutigen neuseeländischen Gesellschaft sozial und ökonomisch benachteiligt erscheinen. Sie weisen eine höhere Arbeitslosenrate auf, sind überwiegend Industriearbeiter, haben ein geringeres Durchschnittseinkommen und besitzen weniger Hauseigentum. Alle diese Kriterien der Benachteiligung entstammen freilich der importierten europäischen Kultur: Arbeitslosigkeit, Industriearbeit, Individualeinkommen oder Privatbesitz spielten in der voreuropäischen einheimischen Gesellschaft keine Rolle, ja waren unbekannt. Sie wurden erst zum Problem, als die Maori ihren Lebensraum verließen und in die Städte der europäischen Kultur zogen, wo sie allenfalls Restformen ihrer ehemaligen Kultur pflegen können.

Die Familien- und Altersstrukturen der Maori machen sich im Vergleich mit denen der Pakeha auch heute noch aus wie die der Bevölkerung eines Entwicklungslandes. Seit einiger Zeit sind allerdings Angleichungen zu beobachten. Die Lebenserwartung der Maori liegt zwar noch etwa um 7 (Männer) bis 8 (Frauen) Jahre niedriger als die der Nicht-Maori, ist aber in den letzten Jahren stark angestiegen. Die größere durchschnittliche Kinderzahl der Maori-Frauen (4,12 gegenüber 2,51 der Europäerinnen) verrät, dass die Familie bei den Maori in der Regel größer ist als bei den Pakeha. Gerade an der demographischen Entwicklung lassen sich noch bestehende Unterschiede der Kulturen wie auch die Anpassungstendenzen auf Seiten der Maori deutlich erkennen. Bis heute geht es ja nicht um eine eigenständige Weiterentwicklung der verschiedenen Kulturen, sondern um eine Einbindung der aus der ländlichen Subsistenzwirtschaft stammenden Maori in eine städtisch orientierte Marktwirtschaft.

Es ist also wahrscheinlicher, dass ein Maori die Mülltonnen leert, als ein Nicht-Maori. Gegen diese immer noch existierende Benachteiligung richten sich nun aber Tendenzen zur Restaurierung früherer Rechte, wie sie seit der verstärkten Diskussion um den Vertrag von Waitangi vor etwa zwanzig Jahren aufgekommen sind. Man muss etwas weiter ausholen, um die Maori-Diskussion um das Recht der "Erstsiedler" zu verstehen. Als solche betrachten sie sich im Vergleich mit den erst etwa 200 Jahre hier lebenden Pakeha allemal.

6. WIRTSCHAFT

6.1 Weidewirtschaft

6.1.1 Schafhaltung

Mit der Anlage von Schaffarmen in großem Maßstab begann man in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts. Um 1840 fing man mit der Schafhaltung im Wairarapa an, jedoch waren die Probleme auf Dauer zu groß (das Land war feucht und nicht ohne Schwierigkeiten zu beweiden), und erst der Wechsel auf die Canterbury-Ebene brachte den Durchbruch zu einer neuseeländischen Schafhaltung in großem Stil. Das ,,goldene Zeitalter" der Weidewirtschaft begann. Steigende Wollpreise in Übersee sowie gezielt günstige Pachtverhältnisse für Schaffarmer führten zu einer Ausweitung der Schaffarmen vor allem auf der Ostseite der Südinsel.

Wolle wurde zum Hauptprodukt und Haupthandelsgut Neuseelands, die Schafzahlen stiegen von 750000 im Jahre 1855 auf 10 Millionen im Jahre 1870! Die hohen Kosten zum Ausbau der notwendigen Infrastruktur auf beiden Inseln führten allerdings bald zu hoher staatlicher Verschuldung, und zusätzliche Preiseinbrüche brachten eine etwa 15 jährige Stagnation. In diese Zeit fiel nun aber eine für die weitere Entwicklung der Schafweidewirtschaft wichtige Erfindung: Kühltransporte für Fleisch, mit denen man neuseeländisches Lammfleisch auf den langen Seeweg nach Europa schicken konnte, ohne dass es verdarb. Andere Konservierungsmethoden waren bis dahin nie im großen Maßstab erfolgreich gewesen, und man setzte große Hoffnungen auf diese neue Technik.

Zunächst jedoch lief der Handel nur langsam an, und erst um 1890 kam den Durchbruch. 1892 gab es bereits 21 "freezing works" (Schlachtereien und Gefrierfleischfabriken), und in den folgenden Jahren stiegen die Einnahmen aus Fleischexporten auf jährlich über eine Million Pfund an, das war fast so viel wie die Wolle einbrachte. Neue Schafarten wurden eingeführt und gezüchtet, die sowohl Wolle als auch Fleisch lieferten, neue Farmen wurden angelegt und weite Bereiche der Nord- und Südinsel gerodet. In den Grundzügen bildete sich die neuseeländische Agrarlandschaft, wie man sie heute kennt, heraus: ausgedehnte Weiden, je nach Lage, Klima und Böden unterschiedlich dicht beweidet und mit ganz unterschiedlichen Schafrassen belegt, die entweder auf Wolle, auf Fleisch oder auf Wolle und Fleisch spezialisiert sind. Wolle wird in den höher gelegenen, kalten Regionen besser produziert, Fleisch eher auf den klimatisch günstigeren und intensiver zu nutzenden Weiden der Küstenebenen

6.1.2 Milchwirtschaft

1882 wurde Neuseelands erste ,,dairy factory" in Edendale in Southland eröffnet, und der Export von Milchprodukten profitierte ebenfalls von den neuen Verfahren des Langstreckentransports. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Waikato zu einer blühenden Milchwirtschaftsregion. Anders als bei der zum Teil sehr extensiven Schafweide (in den höher gelegenen Gebieten im Tussockgrasland kommt auf einen Hektar nur ein Schaf, die Schaffarmen umfassen mehrere tausend Hektar), ist Milchwirtschaft nur bei sehr intensiver Beweidung zu betreiben - dreimal täglich muss schließlich gemolken werden, die Milch muss zur Molkerei transportiert und verarbeitet werden können. Die Milchwirtschaftsregionen sind dementsprechend die am besten erschlossenen Gebiete Neuseelands. Hier findet man die dichteste Siedlungsstruktur, das am besten ausgebaute Straßennetz, die meisten Städte und - abgesehen von den Großstädten - den stärksten Verkehr. Es ist bezeichnend, dass die einzige jüngere Großstadt Neuseelands, Hamilton, im Waikato liegt. Sie ist die einzige Stadt mit mehr als 100000 Einwohnern, die nicht zugleich Hafenstadt ist.

6.1.3 Rinderhaltung

Auch die Rinderhaltung hat Tradition in Neuseeland, aber anders als die Schaf- und Milchviehhaltung hat sie nie eine so dominierende Rolle gespielt wie etwa in Argentinien. Die extensiveren Weiden werden besser mit Schafen bestockt und die intensiveren mit Lämmern und Milchvieh. Meist hält man die Rinder zusammen mit Schafen, da sie die Weiden besser abfressen: wo die Schafe die harten Gräser und Unkräuter stehen lassen, räumen die Rinder auf. Früher eigneten sie sich gut dazu, den nach den Rodungen noch nicht genügend gefestigten Boden der Weideflächen festzutreten. Rinderhaltung war und ist also in Neuseeland eine Begleiterscheinung der Schafhaltung. Auch heute noch nutzen viele Schaffarmer die Fressgewohnheiten der Rinder, um ihre Weiden zwischendurch einmal wieder zu verbessern. Die Rinder werden danach an die Schlachthöfe verkauft und das zusätzliche Einkommen gerne mitgenommen. Mit der Öffnung der Exportmärkte ist es allerdings zu einer Aufwertung der Rinderhaltung gekommen, und von 1950 bis 1970 haben sich die Bestände verdoppelt. Zwar ist der Zugang zum amerikanischen Markt durch Quotenregelungen nicht ganz einfach, bringt aber gute Einkommen. Schaffarmer halten sich daher nebenher auch gerne Rinder, da die Preise für Wolle relativ stark schwanken. Häufig wird auch das gute Steak für den heimischen Markt zurückgehalten und der Rest als Hackfleisch (Hamburger, Würstchen) in die USA verkauft.

6.2 Grundlagen der Weidewirtschaft

Schafzucht, Milchwirtschaft und Rinderhaltung sind die tragenden Säulen der neuseeländischen Weidewirtschaft - und damit auch die Hauptdevisenbringer, die Fundamente eines jahrzehntelang währenden Wohlstands. Die wohl bekannteste neuseeländische Statistik besagt, dass auf jeden Neuseeländer 20 Schafe kommen. 1988 wurden etwa 65 Millionen Schafe gehalten, dazu kommen etwa 5 Millionen Rinder und 3,2 Millionen Milchkühe. Bei einer Bevölkerung von etwas mehr als 3 Millionen sind das schon erstaunliche Zahlen, und es liegt auf der Hand, dass die landwirtschaftlichen Produkte nahezu ausschließlich exportiert werden. Wenn man bedenkt, dass Neuseeland "am Ende der Welt" liegt, dass also Transportkosten - ganz gleich wohin - eine nicht unerhebliche Rolle spielen, so müssen die Standortvorteile für die Weidewirtschaft schon ganz bedeutend sein. Hier ist in erster Linie das Klima zu nennen. Neben gemäßigten Temperaturen und ausgedehnten Niederschlägen ist es vor allem der Jahresgang von Temperatur und Niederschlag, der die betriebswirtschaftlichen Kosten der Tierhaltung reduziert: Nahezu ganzjähriges Graswachstum an den meisten Standorten in Küstennähe und im Hügelland ermöglicht es, dass der Farmer kaum Futter zu kaufen braucht, dass er selbst nur wenig Heu machen muss und das Vieh ganzjährig auf den Weiden bleiben kann. So trifft man in Neuseeland nur selten - in den gebirgigeren Lagen -Stallbauten an, auch Heuschuppen oder Futtersilos sind im Vergleich zu ähnlich intensiven Weidegebieten in Mitteleuropa selten. Damit vermindert sich der Arbeitsaufwand, die Kosten für Futterzukauf und Gebäude fallen weg, der Arbeitskräftebedarf einer Farm ist minimal. Selbst große Betriebe sind häufig Familienfarmen, vor allem bei der Milchviehhaltung, viele Arbeiten werden durch Kontraktarbeiter ausgeführt, die je nach Arbeitsanfall als Kolonnen auftauchen und die Zäune reparieren oder Schafe scheren. Auch der Einsatz von Düngemitteln ist perfektioniert: aus Flugzeugen wird der Dünger auf die Weiden ausgebracht (aerial topdressing). Unterstützt wird der nach strengen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführte Farmbetrieb von einer ausgeklügelten Vermarktung der Produkte, die meist in genossenschaftlicher Hand liegt (sogenannte Marketing Bords) und bei der darauf geachtet wird, dass die Produkte dann auf den Weltmarkt kommen, wenn die Preise am günstigsten sind. Staatlicherseits kümmern sich agrarwirtschaftliche Forschungseinrichtungen u.a. um die Verbesserung der Grassorten und die Züchtung angepasster Tiere. Die Notwendigkeit, auf dem Weltmarkt trotz hoher Transportkosten konkurrenzfähig zu bleiben, hat zu einer perfekt durchorganisierten Landwirtschaft geführt. Neuseeländische Butter, neuseeländischer Käse, neuseeländisches Lammfleisch wären auch bei uns konkurrenzfähig, wenn die EG nicht hohe Einfuhrzölle erheben würde.

6.3 Wirtschaftliche Entwicklung

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gingen 80 % der neuseeländischen Exporte nach Großbritannien, woher auch etwa 50 % der Importe kamen. Das ist angesichts der hohen Transportkosten erstaunlich. Wäre es doch schon immer wirtschaftlicher gewesen, größere Mengen von Gütern aus dem nahen Australien und den nicht so weit entfernten USA zu importieren. 1973 trat England der EWG bei und Neuseeland verlor dadurch seinen wichtigsten Handelspartner. Die europäische Wirtschaftsgemeinschaft hatte sich auf die Wahrung der Interessen der heimischen Landwirtschaft verschworen. Innerhalb der EWG wurden die Grenzen für den zollfreien Handel mit Agrargütern geöffnet, nach außen schottete man sich ab. Die EG-Landwirtschaftspolitik ist eben ein Bündnis zum Schutze der europäischen Bauern auf Kosten des ansonsten so hochgelobten freien Handels. Darunter leidet Neuseeland genauso wie die Entwicklungsländer: Es wird ihnen nicht nur der Zugang zu einem interessanten, weil kaufkräftigen Markt verweigert, es wird darüber hinaus auch noch der Weltmarkt mit subventionierten Überschuß-Produkten ruiniert.

Für Neuseeland war der Verlust seines traditionellen Absatzmarktes, der hinter den Schranken der EWG verschwand, wie ein Schock. Er wurde zwar dadurch etwas gemildert, dass Großbritannien für Neuseelands Produkte eine Übergangsfrist aushandeln konnten, aber im Endeffekt lief alles darauf hinaus, dass der Haupthandelspartner neuseeländische Produkte nicht mehr uneingeschränkt einführen durfte.

Man musste sich also nach neuen Märkten umsehen und entdeckte, dass es Länder gibt, die sehr viel näher liegen und die neuseeländischen Produkte genauso gut bezahlen können. Der Handel mit dem pazifischen Raum wurde enorm ausgebaut, und heute geht nur noch ein ganz geringer Teil der Ausfuhren nach Europa.

In den 60er und 70er Jahren hatte man sich in der Milchwirtschaft stark umstellen müssen; Konzentrationsprozesse, bedingt durch den technischen Wandel (Transporttechnologie, automatische Melkverfahren, Verarbeitungstechniken), hatten zur Schließung vieler "dairy factories" geführt, und nur Großbetriebe waren übrig geblieben. Insgesamt hat sich der Export von Milchprodukten in den letzten Jahren halten können, was angesichts der internationalen Probleme beachtenswert ist.

Die Diversifizierung der Produkte beschränkte sich aber nicht nur auf die Milchwirtschaft. Man hat auch andere landwirtschaftliche Exportprodukte neu auf den Markt gebracht und daneben auch Erzeugnisse der Forstwirtschaft und der Industrie (Aluminium, Methanol, pharmazeutische Artikel). Der Schwerpunkt der Entwicklung lag und liegt bei Produkten aus den natürlichen Ressourcen. So bringen z.B. die mittlerweile riesigen ,,exotischen" Aufforstungen von Pinus radiata, die bereits nach etwa 20-25 Jahren einschlagreif sind, hohe Erträge. Sie werden als Baumstämme oder als Papier exportiert, hauptsächlich nach Japan und Australien.

Als neues Weltmarktprodukt aus Neuseeland bekannt geworden sind bei uns vor allem die Kiwi. Mitte der 70er Jahre kamen die ersten Kiwi in den Handel. In den folgenden Jahren vergrößerte sich die Anbaufläche von 2173 auf 18900 ha, die Produktion von 9616 t auf 230000 t. Anbaugebiete sind überall auf der Nordinsel anzutreffen, der Schwerpunkt liegt in der Bay of Plenty. Wie bei den traditionellen Exportprodukten wurden auch hier Qualitätskontrollen eingeführt und eine moderne Vermarktungsorganisation aufgebaut, man bemüht sich um ein eigenes Produktimage, indem man die Früchte mit speziellen Aufklebern versieht, und wirbt gezielt in den Abnehmerländern.

Eine weitere Einnahmequelle stellt die Fischerei dar. Bisher wurde weitgehend nur Küstenfischerei für den Eigenbedarf betrieben. Seit der Ausdehnung der Fischereirechte auf eine 200 Seemeilen-Hoheitszone zu Beginn der 80er Jahre ist es dann zu einer enormen Steigerung der Fangerträge auch im Tiefseebereich gekommen. Der Aufbau der Fischereiflotte war zunächst mit ausländischer Hilfe geplant, zum Teil über Joint Ventures oder Lizenzen an ausländische Fischereiunternehmen, ist aber heute weitgehend eine Angelegenheit der einheimischen Fischer. Da man die Fanggründe nicht überfischen will, sind den Ertragssteigerungen hier allerdings Grenzen gesetzt.

Alle diese Entwicklungen trugen zu einer Diversifizierung der Exportprodukte bei und veränderten die traditionellen Handelsbeziehungen völlig. Großbritannien spielt dabei nicht mehr die frühere dominierende Rolle und wurde auch bei den traditionellen Exportprodukten an den Rand gedrängt. Neuseelands Export ist nicht mehr an einige wenige Produkte und an ein einziges Abnehmerland gebunden.

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