Realismus

Historischer Hintergrund

Zu Beginn des Realismus gab es beinahe in jedem Staat Europas Revolutionen. Am schlimmsten betroffen waren davon Österreich, Deutschland und Frankreich.

Die Nachricht von der Februarrevolution, die die konservativen Regierungen in Wien und Paris gestürzt hatte, löste auch in Preußen eine Revolution aus. Hier verband sich der Wunsch nach einer liberalen Politik mit dem Wunsch auf einen deutschen Nationalstaat, da es bis zum Aufstand nur Wohlhabenden und Adeligen gestattet war zu wählen.

In Österreich war ebenfalls nur ein kleiner Teil der Bevölkerung wahlberechtigt. Durch den Aufstand der Bürger konnte Fürst Metternich im März 1848 gestürzt werden. Der damalige Kaiser Ferdinand richtete nun eine neue liberale Regierung ein, die eine neue Verfassung erarbeitete. Diese schloß jedoch wieder Bürger und Arbeiter von den Wahlen aus. Deshalb wurde die neue Verfassung nicht anerkannt, und in der sogenannten Sturmpedition forderten die Bürger und Arbeiter das Wahlrecht für Männer. Kaiser Ferdinand stimmte dieser, aufgrund der innenpolitischen Situation zu. Im Juni 1848 trat dann zum erstenmal der erste öffentlich gewählte Reichstag zusammen.

1862 übernahm dann der deutsche Ministerpräsident Otto von Bismarck die preußische Regierung. Es kam dann zum Krieg mit Dänemark, an dem Österreich und Preußen noch Seite an Seite kämpften. Nach Kriegsende erhielten Österreich und Preußen die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg.

Schon bald kam es jedoch zu einenm Konflikt zwischen den beiden Staaten, da Bismarck die alleinige Herrschaft über Schleswig und Holstein wollte. 1866 ließ er deswegen preußische Truppen in Böhmen einmaschieren. Er gewann die Schlacht bei Königgrätz und Österreich akzepktierte die Bedingungen. Kurz darauf kam es zur Gründung des Norddeutschen Bundes, dessen erster Bundeskanzler Otto von Bismarck war.

2. Philosophischer Hintergrund

Die Welt realistisch, das heißt wirklichkeitsnah und den Tatsachen gemäß zu betrachten und darzustellen, ist eine Erscheinung, die in der Literatur zu manchen Zeiten mehr oder weniger ausgeprägt hervortritt. Das Streben nach Wirklichkeit hebt sich ab von jenen Epochen, in denen der Mensch noch im Mythos oder in einer vergeistigten Religosität wurzelt, in denen er einem verklärenden Idealismus oder einem romantischen Traumreich huldigte.

Nach der anderen Seite scheidet sich der Realismus, wenn auch weniger scharf, vom bloßen Abschildern einer meist dürftigen Wirklichkeit, wie der Naturalismus es übte und forderte.

Für das neue Weltbild waren die Fortschritte der Naturwissenschaften, die Anfänge der Technik und Industrialisierung von großem Einfluß. In gleicher Weise trugen der philosophische Materialismus und Pessimismus dazu bei, das Diesseits als einzige erfahrbare Wirklichkeit anzuerkennen. Eine Verzichtsstimmung, Glaubens- und Illusionslosigkeit machten sich breit, noch aber wirkte die Tradition europäischer Christlichkeit und Humanität als starkes Gegengewicht.

Die Dichter des Realismus sahen noch Möglichkeiten, die Menschheit im irdischen Bereich zu verwirklichen, sie gelangten zu letzlich gütigen Lebenseinsichten und edler Diesseitsfreude. Gegen die überall spürbare Bedrohung des Daseins führten sie gern den Humor als Waffe ins Feld.

3. Kennzeichen des Realismus

Der Realismus dieser Zeit lässt sich in Gattungen einteilen:

1) der Poetische Realismus

2) der Kritische Realismus

3.1 Poetischer Realismus

Hier war man daran interessiert, den Menschen in seinem alltäglichen Leben darzustellen. Die Hauptfiguren waren meistens Handwerker, Kaufleute und Bauern.

Gekennzeichnet wurde der poetische Realismus durch die sogenannte Rahmentechnik. Das bedeutet, dass sich ein Erzähler an eine Begebenheit aus seinenm Leben erinnert, die in der Geschichte dann erzählt ist. Die Erzählung bekommt dann durch diese Technik den Anschein als ob es sich um einen Bericht über ein vergangenes Geschehen handelt. Beim poetischen Realismus unterscheidet man folgende Gattungsformen.

3.1.1 Die Novelle

Die Novelle erfreute sich während des Realismus einer ungeheuren Beliebtheit. Der Grund lag in Popularität der literarischen Zeitschriften und Familienblätter, in der Schriftsteller publizieren konnten. Außerdem bot die Novelle die Möglichkeit modellhafte Situationen zu gestalten, in denen sich der Leser und ihre Zeit wiedererkennen konnte.

3.1.2 Der Roman

3.1.2.1 Der Individualroman

Das stets wiederkehrende Thema des Individualromans war das Verhältnis zwischen Individium und Gesellschaft, das im Zeitalter des Industrialisierung und der beginnenden Vermassung zunehmend zum Problem wurde.

3.1.2.2 Der Gesellschaftroman

Die Schauplätze des Gesellschaftsromans sind meist gesellschaftliche Veranstaltungen, bei denen der Autor seine Person in strenger Objektivität im Dialog sich selbst darstellen lässt.

3.1.3 Das Drama

Das Drama ließ in anderer Weise, als wie in der Epik, die Zwiegspältigkeit und Glaubenslosigkeit des 19. Jahrhunderts offenbar werden. Von der heute vergessenen Gesellschaftsdramatik der Zeit abgesehen, entstanden jene Tragödien, die durch keine Zuversicht oder Güte gemildert sind und den Menschen erbarmungslos dem Untergang ausliefern.

3.1.4 Die Lyrik

Das lyrische Werk kennzeichnet das Streben nach Anschaulichkeit, bildhafter Wirkung und strenger Objektivität. Gleich einem Bildhauer will der Dichter dadurch die seelische Vorgänge aus der allein dargebotenen äußeren Erscheinung aufleuchten lassen.

3.2 Der kritische Realismus

Der kritische Realismus wurde in Frankreich im 19. Jahrhundert ausgelöst. Hier nahm man das naturwissenschaftliche Weltbild als Grundlage zur Darstellung des Menschen. Der Erzähler will dadurch das Geschehen möglichst objektiv darstellen. Man unterscheidet daher zwei Erzählverhalten:

1) Aukoriales Erzählverhalten:

Hier tritt der Erzähler als Vermittler zwischen Geschichte und Leser auf.

Er erläutert und beurteilt dadurch das Geschehen, das einen direkten

Kontakt zum Leser herstellt.

2) Neutrales Erzählverhalten:

Die Beurteilung wird dem Leser überlassen. Der Erzähler ist nicht unmittelbar wahrzunehemen.

4. Autoren und ihre Werke

4.1 Österreich

4.1.1 Marie von Ebner Eschenbach

Marie von Ebener Eschenbach wurde am 13. September 1830 auf Schloß Zdislavic bei Ungarisch-Hradisch in Mähren geboren. Ihr Vater war der Graf Franz Dubsky. 1848 ehelichte sie ihren Vetter, den späteren Feldmarschall, Moritz von Ebner-Eschenbach.

1860 folgten die ersten Erscheinungen, und zwar "Maria von Schottland" und das Drama "Die Schauspielerin.

1863 übersiedelte sie nach Wien, wo sie bis zu ihrem Tod am 12. März 1916 geblieben war. Sie war sehr von ihren sozialen Empfindungen geprägt, da sie mit Bauern, Bürgern und dem Adel vertraut war. Daher schrieb sie ihre Romane und Erzählungen in schlichter, eindringlicher Sprache.

1900 wurde ihr das Ehrendoktorat der Universität-Wien verliehen. Während ihres Lebens schrieb sie eine Vielzahl von Erzählungen und Romanen. Zu den bekanntesten zählen:

"Bonzena" (1836)

"Dorf und Schloßgeschichten" (1883)

"Das Gemeindekind" (1887)

"Lotti, die Uhrmacherin" (1889)

"Glaubenslos" (1893)

"Meine Kinderjahre" (1906)

4.1.2 Ferdinand von Saar

wurde am 30. September 1833 in Wien geboren. Vor seiner literarischen Karriere war er Berufsoffizier.

Ferdinand von Saar war der wehmütige Chronist des fanzisko-josephinischen Österreich mit seinen krisenhaften Untergangserscheinungen. Als Hauptfiguren wählte er meist veinsamte, vom Leben unterdrückte Menschen, da er selbst dieses Leid erfahren musste, oder er charakterisierte die Wiener Gesellschaft um 1900. Er selbst war ein großer Anhänger der pessimistischen Philosophie Schopen hauers. Deswegen beging er am 24. Juli 1906 nach einem langem Krebsleiden in Wien Selbstmord.

Seine bedeutensten Werke waren:

"Die Steinklopfer" (1873)

"Novellen aus Österreich" (1876)

"Schloß Kostenitz" (1892/93)

"Wiener Elegien" (1893)

"Requiem der Liebe" (1895)

"Herbstreigen" (1897)

4.1.3 Ludwig Anzengruber

Ludwig Anzengruber wurde am 20. November 1839 in Wien geboren. In jungen Jahren versuchte er sich als Schauspieler, ehe er, zuerst ohne großen Erfolg, sich auch als Autor versuchte.

Seinen ersten großen Erfolg landete er mit der "Pfarrer von Kirchfeld" im Jahre 1870. Bis zu seinem Tod am 10. Dezember 1889 schrieb er für das humoristische Wochenblatt "Figaro".

Zu seinen bekanntesten Werken zählen:

"Die Märchen des Steinklopferhanns" (1874/75)

"Der Schandfleck" (1876)

"Sternsteinhof" (1884)

4.2 Schweiz

4.2.2 Gottfried Keller

Gottfried Keller wurde am 19. Juli 1819 in Zürich geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters, einem Drechslermeister, lastete die Sorge für die Erziehung und Ausbildung auf der Mutter. Daher besuchte er die Armenschule, dann eine Realschule und später die Kantonschule. Die Erlebnisse und Schauplätze seiner Ferienaufenthalte in Glattfelden gingen später dichterisch verwandelt in seinen "Grünen Heinrich" ein. Nach dem nutzlosen Studium der Malerei musste er in bitterer Not zur Mutter zurückkehren.

Danach gab er die Malerei auf und schrieb von nun an Verse, die in den liberalen Kreisen großen Anklang fanden. Durch deren Förderung brachte er 1848 einen Gedichtsband heraus. Mit einem Stipendium begann er die Weiterbildung an der Universität von Heidelberg.

Trotz einiger Werke geriet Gottfried Keller immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten. Doch gerade in dieser schwierigen Zeit schrieb er seine Romane und Novellen. 1855 kehrte er aus Zürich zurück und wurde 1861 erster Staatsschreiber. 1876 ging er in Ruhestand, nachdem er viele Ehrungen erhalten hatte.

Am 15. Juli 1890 verstarb er nach längerem Leiden.

Die wichtigsten Werke waren:

"Romeo und Julia auf dem Dorfe" (1856)

"Die sieben Legenden" (1872)

"Die Leute von Seldwyla (Band II)" (1874)

"Martin Salander" (1886)

4.3 Deutschland

4.3.1 Friedrich Hebbel

Als Sohn eines Bauern am 18. März 1813 in Wesselburen geboren. Nach der Volkschule trat er in den Dienst des Kirchenvogt. 1835 übersiedelte er nach Hamburg und besserte dort seine Schulkenntnisse soweit auf, dass er 1836 ein Semester Jura und Geschichte studieren konnte. Danach entschied er sich, sein Leben der Literatur zu widmen.

1842 verließ er, mit einem Stipendium des dänischen Königs, Hamburg. Die wichtigsten Stationen waren Paris und Rom. Die Rückreise über Wien wurde 1845 zur Schicksalswende. Kurz vor seinem Tod erhält er für seine "Nibelungen" - Trilogie den Schillerpreis, ehe er am 13. Dezember 1863 in Wien stirbt.

Seine bekanntesten Werke waren:

"Maria Magdalena" (1844)

"Herodes und Marianne" (1849)

"Gyges und sein Ring" (1856)

"Die Nibelungen" (1855 - 1860)

4.3.2 Gustav Freytag

Gustav Freytag war der Sohn eines Arztes und späteren Bürgermeisters. Am 13. Juli 1816 wurde er in Kreuzburg geboren. Nach dem Gymnasium in Oels studierte er in Breslau und Berlin. In Breslau wirkte er von 1839 bis 1844 als Privatdozent für deutsche Sprache und Literatur.

1847 übersiedelte er nach Sachsen. Zwei Jahrzehnte lang betätigte er sich als Schriftsteller und Mitherausgeber der Zeitschrift "Die Grenzboten". 1870/1871 wirkte er als Kriegsberichterstatter im Hauptquartier des preußischen Kronprinzen. In der Nähe von Gotha besaß Freytag ein Landgut auf dem er seit 1851 häufig weilte.

Seinen Lebensabend verbrachte er ab 1879 in Wiesbaden, ehe er am 30. April 1895 verstarb.

Seine bedeutensten Werke waren:

"Die Brautfahrt" (1841)

"Der Gelehrte" (1844)

"Graf Waldemar" (1847)

"Die Journalisten" (1852)

"Die Fabier" (1859)

4.3.3 Otto Ludwig

Otto Ludwig wurde am 12. Februar 1813 in Eisfeld als Sohn eines Stadtsyndikus und herzoglich-hildburghausischen Hofadvokaten geboren. Nach der Stadtschule in Eisfeld besuchte er das Gymnasium in Hildeburghausen.

Mit einem Stipendium begann er Musik und Literatur zu studieren. Nach seinem Studium wohnte er wieder in Eisfeld. Danach weilte er abwechselnd in Leipzig, Dresden und Meißen. 1849 wählte er schließlich Dresden zu seinem festen Aufenthaltsort, um dort als freier Schriftsteller zu agieren.

Otto Ludwig prägte den Begriff "Der poetische Realismus". Nach schwerem Leiden starb er am 25. Februar 1865 in Dresden.

Zu seinen bekanntesten Werken zählen:

"Die Pfarrose" (1845)

"Der Erbförster" (1850)

"Die Makkabäer" (1852)

5. Kunst und Musik

5.1 Kunst

In der bildenden Kunst versteht man unter Realismus meist jene Gestaltungsweise, deren Ergebnis ein getreues Abbild der Wirklichkeit ist.

Wirklichkeitsnähe, enge Anlehnung an das darzustellende Objekt, ist das Hauptkennzeichen eines realistischen Kunstwerkes.

Die wichtigsten Maler zur Zeit des Realismus waren die Franzosen Jean-Francois Millet (1814 - 1875), Honore Daumier (1808 - 1879), Gustave Courbet (1819 - 1877)

und der Deutsche Adolph von Menzel.

5.2 Musik

Die Komponisten des Realismus führten immer noch die Linie der Romantik weiter. Zu den Bekanntesten zählten Franz Liszt (1811 - 1886), in Österreich Anton Bruckner (1824 - 1896) und der Wahlwiener Johannes Brahms (1833 - 1897).

In Italien war der bedeutenste Komponist Guiseppe Verdi (1813 - 1901). Weitere Vertreter waren die Tschechen Friedrich Smetana (1824 - 1884) und Antonin Dvorak (1841 - 1904), die Russen Peter I. Tschaikowskij (1840 - 1893) und Modest Mussorgskij.

Richard Wagner (1813 - 1883) erschuf zu dieser Zeit einen neuen Opernstil, da besonders im Realismus die Oper und das Burgtheater ihre Blütezeit hatten.

1885 Worte in "deutsch"  als "hilfreich"  bewertet