Biedermeier und Vormärz
(1815 1848)
Das Biedermeier wurde vom österreichischen Staatskanzler Fürst Metternich und dessen wieder eingeführten Absolutismus ("Restauration") geprägt. Das Bürgertum hatte keine politische Macht. Freiheitliche Bewegungen (wie Burschenschaften) wurden verfolgt, Mitglieder verhaftet. Der Staat besaß einen umfangreichen Polizeiapparat mit angeschlossenem Spitzelwesen: Literarische Werke, Zeitschriften und Zeitungen wurden von der Zensur kontrolliert, Landesgrenzen bewacht und Ein- und Ausreise erschwert.
Nach den Unruhen der Französischen Revolution und zahlreichen Feldzügen gegen Napoleon bedeutete das System Metternichs militärisch Friede. Die Staaten gewannen innere Stabilität, der Handel und das Gewerbe erblühen zu seiner Höhe, kurz: das Biedermeier galt später als die gute alte Zeit".
Die Reaktion des Bürgertums und der studentischen Jugend war unterschiedlich:
Ein Teil fand sich damit ab, nützte sogar die positiven Seiten
Ein anderer Teil revoltierte dagegen und probierte permanent Aufstände
Biedermeier:
Als Name für Spottfigur in Münchner Zeitschriften
(= zufriedener, unpolitischer, zurückgezogener, Verse reimender Philister")
Im 20. Jahrhundert: positiv verstanden für Kleidermöbel, Wohnstil (schlicht und behaglich)
Auch Name für Portrait- und Landschaftsmalerei; Literatur
Dichter des Biedermeier:
Österreicher: Franz Grillparzer, Ferdinand Raimund, Johann Nestroy, Adalbert Stifter, Nikolaus Lenau
Deutsche: Annette von Droste- Hülshoff, Eduard Mörike, Karl Immermann
Schweizer: Jeremias Gotthelf
Ludwig Tieck und Joseph Eichendorff stehen dem Biedermeier nahe. Die Dichter sind Einzelgänger, politisch zurückhaltend und spüren das Zwangssystem, doch sie versuchen den Zwiespalt zwischen Wunsch und Wirklichkeit zuzudecken, Gegensätze zu harmonisieren. Grund dafür: Österreicher kennen das Chaotische, Abgründe in der menschlichen Psyche, zerstörende Wirkung der Leidenschaften. Ihr Ziel ist, durch Ordnung, Selbstbeherrschung und Verzicht trotz aller Gefahren ein ausgeglichenes Leben zu ermöglichen. Sie suchen für sich und ihre Figuren nach sicheren Umständen im Dasein: Religion, Heimat, Familie. Sie verzichten aufs große Leben" (öffentlicher Ruhm; Sichausleben,...). Sie klammern sogar die Erotik als zu starke Gemütsbewegung in ihren Geschichten aus. Dafür schätzen sie den inneren Frieden und das häusliche, private Glück.
Das Biedermeier hat eine Vorliebe fürs Familiäre, Idylle im Heim und den Hang zum Musealen: altes Hausgerät, verschollener Trödel", Steine Pflanzen und Insekten werden liebevoll gesammelt und gepflegt.
Themen und Motive
Stammen meist aus der privaten Umwelt. Das Handeln der Menschen dringt nicht in die Öffentlichkeit, gefährlich wird dies bei Personen, die zu öffentlichem Handeln berufen sind (Kaiser Rudolf in Bruderzwist", Grillparzer).
Schwermut und Melancholie gelten als Lebensgrundstimmung (Grillparzer, Raimund, Lenau, Stifter). Sie schauen wehmütig in Erinnerungen zurück. Daher in ihrer Prosa die vielen Kindheitsgeschichten, Sehnsucht nach dem einfachen Leben, die Vorliebe für Einsame, Eigenbrötler, Käuze. Dabei greift die Handlung nicht in die weite Welt hinaus, sie beschränkt sich auf engen Raum: Garten, Haus, Familie, nächste Umgebung. Viele Werke sind von der Umwelt ihres Dichters geprägt, Stifters vom Böhmerwald; Raimund und Nestroys von der Wiener Vorstadt, Gotthelfs vom Berner Oberland. Beschrieben wird das Leben einfacher Handwerker und Bauern, über deren Armut, die als Tugend galt, die Dichtung hinwegtrösten soll. Die Probleme der Arbeiterschaft werden ausgespart. Breiten Raum nimmt die Landschaftsschilderung ein (bei Stifter, Gotthelf), denn die Landschaft ist unpolitisch. Es ist nicht mehr die romantische Landschaft, sondern eine erlebte, reale und beobachtete Landschaft. Dabei zeigt sich ein Hang zu Kleinen, zu Naheinstellung". Ähnlich wie die Landschaften werden genau Innenräume geschildert.
Biedermeier ist die Zeit geselliger Kleinkunst: in der Malerei herrscht die Vorliebe für Miniatur, in der Literatur werden epische Kleinformen bevorzugt. Es wird wieder viel gereimt, Gedichte werden zu Zyklen zusammengeschlossen. In der Ballade verzichtet man aufs Heroische zugunsten des Stimmungshaften und Volkstümlichen. Die romantische Liedtradition wird fortgesetzt, viele Gedichte werden vertont (Schubert, Schumann).
Beliebt ist das Kleinformat des Buches:
Gedichtsammlungen
Almanache
Kalender
Poesiealben im handlichen Taschenbuchformat
Die Sprache kennzeichnet in der Lyrik ein leiser, wehmütiger Ton, in der Prosa ein Zug zur Genauigkeit und Sachlichkeit. Das stellt einen markanten Unterschied zur Romantik dar. Der Wortschatz ist konservativ. Man will keine sprachlichen Neuerungen, keine Experimente. Bei manchen Dichtern (Gotthelf) kommen dialektische Wörter und Wendungen vor. Durch die Vorliebe für Verkleinerungsformen erhält die Sprache etwas Niedliches, Sanftes. Sie knüpft eher an Formen des Rokoko an und steht im Gegensatz zur Sprache des Sturm und Drang.
Die Hochliteratur des Biedermeier fand kein sehr großes Publikum. Grillparzer und Stifter feierten anfangs spektakuläre Erfolge. Lenau, Mörike, Droste Hülshoff kamen über ihren Bekanntenkreis kaum hinaus. Erst nach 1900 beschäftigte man sich wieder mit Biedermeierliteratur. Die Lesergunst gehörte auch im 19. Jahrhundert vor allem der trivialen Romanliteratur, dann auch realistischen und gesellschaftskritischen Schilderungen, wie sie die Franzosen seit der Mitte des Jahrhunderts lieferten.
Die Merkmale der Biedermeierkultur:
Die Menschen wichen der unmittelbaren politischen Konfrontation aus
Sie suchten eine Veränderung ohne Umsturz und Verwirrung, daher rührt auch die Vorliebe fürs Detail
Die Lebensfülle äußert sich im langsamen Suchen und Ordnen
Das Biedermeier beschränkt sich nicht auf eine spießbürgerliche Denkweise, sondern die heitere Gelassenheit täuscht und der Friede ist schwer erkämpft
Deshalb ist das österreichische Biedermeier eine tragische Geistesepoche
Eine gewaltige Ausweitung literarischer Mittel wie z.B.: Tagebücher, Briefe, Memoiren;
Die Biedermeierkultur war eine Lesekultur, die Zeitschrift Gartenlaube" wird zur literarischen Großmacht.
AUTOREN DES BIEDERMEIER
Johann Nepomuk Nestroy
1)Biographie
Nestroy wurde am 7. Dezember 1801 als Sohn einer angesehenen Wiener Bürgerfamilie geboren und sollte eigentlich wie sein Vater Jurist werden. Er studierte aber Philosophie an der Universität Wien. Etwas später auch Jus, aber nur zwei Semester. Dann wandte er sich der Bühne zu und trat zunächst auf Liebhaberbühnen mit Gesangs- und Sprechrollen auf. 1822 debütierte Nestroy erfolgreich als Sarastro am Hoftheater. Im Alter von 22 Jahren heiratete er Wilhemine, die ihn jedoch 1827 verließ. Von da an lebte er mit Marie Weiler zusammen. 1823-1825 wurde er am Deutschen Theater in Amsterdam engagiert. 1825/26 wurde er an das Nationaltheater in Brünn verpflichtet, wo er das erste Mal Schwierigkeiten wegen ehrenrührigen Extemporierens" mit der Polizei bekam. 1831 fasste Nestroy als Komiker und Bühnenautor im Theater an der Wien festen Fuß und schloss mit Carl, dem Direktor, einen Vertrag ab. Schon bald zählte er zu den beliebtesten Volksschauspielern und Possendichtern. 1836 verbüßte er eine fünftägige Arreststrafe wegen seines Extemporierens. 1845 siedelte er mit Direktor Carl, der ihn einst entdeckte, in das Theater in der Leopoldstadt über, an dessen Stelle nach zwei Jahren das Carltheater trat. Dieses leitete Nestroy nach Carls Tod von 1854-1860. Dann zog er sich zurück und erlitt am 18.5.1862 einen Schlaganfall, an dessen Folgen er eine Woche später starb. Zuvor sahen ihn die Wiener in zwei längeren Gastspielen wieder, seine letzte Rolle war der Knieriem in Lumpazivagabundus". Bei seiner Beerdigung war ganz Wien auf den Beinen um einem seiner größten Lieblinge das letzte Geleit zu geben.
Über Nestroys Bedeutung für das Wiener Volksstück wird man sich am besten klar, wenn man ihn mit Ferdinand Raimund vergleicht, der ebenfalls Dichter und Schauspieler war. Beide gingen vom Zaubermärchen und der Zauberposse aus. Nestroy war aber nicht etwa ein Nachahmer seines Konkurrenten. Die Komik von Nestroy ist im Gegensatz zu Raimunds Humor ausgesprochen aggressiv. Die Schöpfergaben von Raimund strömten aus der Kraft des Gemüts und der poetischen Anschauung.
Die von Nestroy aus der Schärfe seines kritischen Intellekts, jedoch auch aus der Fülle reger Phantasie. Den Boden der Zauberposse hat Nestroy, nach dem ersten großen Erfolg mit Lumpazivagabundus", bald verlassen und seine Stücke in ein realistisches Gegenwartsmilieu mit Wiener Lokalfärbung gestellt. Sie spielen im nüchternen Alltag des vormärzlich-biedermeierlichen Wien; scharfer Witz, zersetzender Spott, skeptische Gebrochenheit und beißende Satire sind verbunden mit urwüchsiger Komik und Humor. In seiner Sprache sind türkische, jüdische, polnische und vulgär-französische Elemente eingemischt, wobei jedoch das Dialektale mehr angedeutet als ausgeführt bleibt.
Unter der volkstümlich-lebensbejahenden Fassade schimmert eine tief abgründige, problematische Welt hindurch, eine Sicht von solchem Pessimismus, dass man Nestroy nicht zu Unrecht den Schopenhauer der Posse" genannt hat. Seine dramaturgische Technik, obwohl unmittelbar aus der Praxis des Theaters entwickelt, ist verhältnismäßig einfach, seine Stoffe werden meist fremden Vorlagen entnommen, jedoch durch ihre geniale Verarbeitung ganz sein eigen. In seinen Werken, rund 80 Theaterstücken, prägt sich ein gesellschaftskritisches Element aus.
Einige Werke:
Der konfuse Zauberer (1832)
Der böse Geist Lumpazivagabundus (1833)
Die beiden Nachtwandler (1836)
Der Talisman (1840)
Das Mädel aus der Vorstadt (1841)
Einen Jux will er sich machen (1842)
Der Zerrissene (1844)
Höllenangst (1849)
Vom 1.1. 1881 18.2.1881 wurde am Carltheater ein großer Nestroy- Zyklus gegeben. Durch das Aufmerksammachen von Karl Kraus auf den Wert der Nestroywerke kam es 1901 zu einer Nestroy-Renaissance.
2)Der Talisman
Titus Feuerfuchs und Salome Pockerl werden aufgrund ihrer roten Haare von der Gesellschaft verstoßen. Da beide wegen ihrer Haarfarbe sehr unglücklich sind, fühlt sich Salome zu ihrem Leidensgenossen hingezogen.
Eines Tages rettet Titus einem Friseur das Leben. Als Dank schenkt Monsieur Marquis dem Rothaarigen eine schwarze Perücke.
Kurz darauf bewirbt sich Titus auf einem Schloss als Gärtner. Er gewinnt sofort das Herz der Gärtnerswitwe Flora Baumscheer. Sie kleidet Titus in die Kleider ihres verstorbenen Gatten und stellt ihn als Gartenaufseher ein. Daraufhin erblickt ihn die Kammerfrau Constantia, die ebenfalls Witwe ist, und auch sie findet Gefallen an ihm. Kurzerhand ordert Constantia Titus als Obstlieferanten ins Schloss. Dabei läuft er deren langjährigen Verehrer, Monsieur Marquis, über den Weg. Dieser sieht in Titus einen Rivalen und stiehlt ihm, während er schläft, die schwarze Perücke. Als Titus aufwacht bemerkt er dies und eignet sich eine blonde Perücke an. Als Blondschopf verkleidet, trifft er die schriftstellernde Freifrau. Er gefällt ihr, also stellt sie ihn als Sekretär ein.
Eines Abends aber wird Titus als Perückendieb entlarvt und aus dem Haus gejagt. Zufällig kommt aber zur selben Zeit Titus'Onkel, der Spund, aufs Schloss. Titus wird zurückgeholt. Zuvor aber verbirgt er seine roten Haare unter einer grauen Perücke des Gärtners. Voll Freude will der Spund Titus zu seinem Universalerben einsetzen, doch bevor der Notar das Testament ratifiziert, wird Titus abermals entlarvt. Sein Onkel wird zornig, aber Titus verzichtet auf die Erbschaft, wenn der Spund ihm zu einem Barbierladen verhilft. Da er ein rothaariger Erbe ist, wählt er seine Leidensgenossin Salome zu seiner Frau.
Georg Büchner
1)Biographie
Büchner wurde am 17. Oktober 1813 im hessischen Ort Goddelau bei Darmstadt als Sohn eines Arztes geboren. Er wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf und erfuhr durch den Vater erhebliche Förderung im naturwissenschaftlichen Bereich, durch die Mutter im literarischen Bereich. 1825 trat Büchner in das Humanistische Gymnasium in Darmstadt ein, das er im März 1831 mit einer Abiturientenrede erfolgreich abschloss. Danach begann er das Studium der Medizin an der Universität in Straßburg.
Als er nach Straßburg kam, war er an politischen Fragen brennend interessiert. In der Studentenverbindung Eugenia zählte er bald zu den Radikalen, denen die politischen Veränderungen der Französischen Revolution von 1830 nicht weit genug gingen und die darüber hinaus eine soziale Revolution im Interesse der armen Bevölkerungsmassen befürworteten.
1833 musste Büchner Straßburg verlassen, um sein Studium an der hessischen Universität Gießen beenden zu können. Die Enge Gießens bedrückte ihn, er wurde krank. Er entzog sich dem Umgang mit den Burschenschaften und widmete sich den medizinischen Studien.
1834 baute Büchner in Darmstadt einen revolutionären Geheimbund mit dem Namen Gesellschaft der Menschenrechte" auf. Im Juli ging seine erste Flugschrift, der Hessische Landbote" in Druck. Daraufhin musste er fliehen, schrieb aber vorher noch das Drama Dantons Tod".
Zurück in Straßburg arbeitete Büchner an seiner Doktorarbeit über das Nervensystem der Fische. Im September 1836 erhielt er die Doktorwürde der Universität Zürich.
Im Winter 1836 begann Büchner an der Niederschrift von Woyzeck", im Februar 1837 schrieb er Leonce und Lena".
Am Abend des 2. Februar klagte er über erste Anzeichen des tödlichen Faulfiebers". Am 19. Februar verstarb Büchner im Beisein seiner Braut und wurde zwei Tage später auf dem Züricher Friedhof beerdigt.
Obwohl Büchner nur vier umfangreichere Texte geschrieben hat, ist er sehr berühmt geworden.
3 dramatische Texte:
Woyzeck"
Dantons Tod"
Leonce und Lena"
Novelle:
Lenz"
2)Woyzeck
Woyzeck, die Hauptfigur in diesem Stück, stammt aus der untersten Schicht der Gesellschaft, nämlich zur Arbeiterklasse. Er verdient sein Geld, indem er den Hauptmann rasiert und sich dem Doktor als Versuchskaninchen verschreibt. Diese niedrige Arbeit nimmt Woyzeck nur auf sich, um seine Geliebte Marie und ihr gemeinsames Kind ernähren zu können. Trotz schlechter Schulausbildung und ärmlichen Verhältnissen ist Woyzeck der einzige Mensch in seiner Umgebung, der wirklich liebt. Er liebt seine Geliebte und sein Kind so sehr, dass er Demütigungen seines Vorgesetzten und vor allem des Doktors ertragen muss. Besonders der Doktor wirft ihm immer wieder vor, seine sexuellen und natürlichen Triebe nicht unter Kontrolle halten zu können. Woyzeck kann sein Bewußtsein nicht mehr unter Kontrolle halten, aufgrund des Experimentes, das der Doktor an ihm erprobt hat. Er leidet neben Wahrnehmungen von Geisteserscheinungen und Geistesverwirrung auch an Eifersucht. Er ist eifersüchtig, da ein Tambourmajor um Marie wirbt, mit ihr tanzt und ihr Schmuck schenkt. Eines Nachts lauert Woyzeck Marie in der Nacht auf und ersticht sie. Anschließend ertränkt er sich in einem Teich.
Adalbert Stifter
Biographie
Adalbert Stifter kam am 23. Oktober 1805 in Oberplan (Böhmerwald) zur Welt. Kaum 12- jährig widerfuhr dem jungen Adalbert der erste tiefe Schmerz: Auf einer Handelsfahrt wurde sein Vater von dem eigenen umstürzenden Wagen getötet.
Nachdem er das Gymnasium am Benediktinerstift Kremsmünster (1818-1826) glanzvoll absolvierte, begab sich Stifter nach Wien und begann mit dem Jurastudium. Während eines Ferienaufenthaltes im Böhmerwald lernte er Fanny Greipl, die Tochter eines wohlhabenden Kaufmannes, kennen. Sie war die erste und wohl die einzige große Liebe in Stifters Leben.
Zunächst besuchte Stifter noch juristische, astronomische und physikalische Vorlesungen, glaubte an seine ureigenste Berufung als Maler und verdiente sich den Lebensunterhalt als Hauslehrer. Diese Einstellung zum Leben war den als Kaufleuten real denkenden Eltern der Fanny Greipl keine Gewähr für eine gesicherte Zukunft ihrer Tochter. Daher sah sich Stifter nach einer bürgerlichen Existenz" um und bewarb sich um die Stelle eines Physiklehrers in Prag. Fannys Eltern zweifelten an dem ehrlichen Bemühen und verweigerten ihrer Tochter die Ehe mit Stifter. Fanny Greipl musste schließlich 1836 einen Kameralbeamten heiraten.
Ein Jahr später führte Stifter die schöne Modistin Amalia Mohaupt zum Altar. Geliebt hat Stifter Amalia nie.
1839 starb Fanny Greipl nach der Geburt eines Knaben.
1849 übersiedelte Stifter nach Linz und trat in höchster finanzieller Bedrängnis erstmals in einen bürgerlichen Beruf ein.
1850 wurde er mit der Inspektion der Voksschulen dieses Landes betraut.
1853 wurde Stifter Konservator für Oberösterreich.
Innerhalb weniger Jahren kam das Schicksal Schlag auf Schlag: der Tod seiner geliebten Mutter, der Freitod seiner Tochter Juliane, der Tochter seiner Ziehtochter Josefine, das beginnende Siechtum. Am schwersten mag ihn wohl das Bewusstsein belastet haben, von der Umwelt nicht mehr verstanden zu sein.
Am 25. November 1865 wurde Stifter nach 15 Dienstjahren in den dauernden Ruhestand versetzt.
Die Legende um den Tod Stifters wird wohl nie eine letzte Klärung finden. Der von wahnsinnigen Schmerzen gepeinigte Dichter hat sich in der Nacht zum 26. Januar 1865 mit dem Rasiermesser einen Schnitt am Hals zugefügt, der aber den Tod nicht herbeiführte. 36 Stunden später, am 28. Januar 1865, starb Stifter an den Folgen seines unheilbaren Leberleidens.
Werke:
Abdias"
Bunte Steine"
Witiko"
Brigitta"
Feldblumen"
Zwei Schwestern"
Zuversicht"
Stifters Heldinnen sind kapitale Wunschprojektionen, Muster an Sittenreinheit und körperlicher Schönheit. Zwischen den vorbildlichen Liebenden gibt es keine Leidenschaft, nur Hochachtung. Ihre Zuneigung ist immer ewig". Stets ist man schon bereit zur Resignation und zum Verzicht.
Nikolaus Lenau (1802-1850)
Nikolaus Franz Niemsch, Edler von Strehlenau, wie Lenaus richtiger Name lautet, lässt sich als Dichter schwer einordnen. Er lehnt die Tendenzdichtung kategorisch ab, begeistert sich jedoch an nationalliberalen Ideen und schreibt Gedichte gegen den Adel und gegen die Untertanenmentalität.
Viele seiner Gedichte sind von Melancholie, von nihilistischen bis hin zu atheistischen Gedanken geprägt. Persönliches Unglück und seine Verzweiflung über die
Gesellschaftspolitischen Zustände in Europa lassen ihn nach Nordamerika auswandern, von wo er aber nach einem Jahr enttäuscht zurückkehrt. 1844 zeigen sich erste Anzeichen von Wahnsinn. 1850 stirbt Lenau in geistiger Umnachtung in der Anstalt Oberdöbling in Wien.
Werke:
Schilflieder"
Faust-Bearbeitung"
Ferdinand Raimund (1790-1836)
Ferdinand Raimund, der nichts wissen will von Volkstheater" und immer um Anerkennung als echter Dichter" ringt, trachtet danach Originalstücke" zu schreiben und damit die traditionellen und regionalen Grenzen zu sprengen. Er hat selten Probleme mit der Zensur (Metternich), da seine Texte ähnlich wie die anderer österreichischer Dichter des Biedermeier davon sprechen, dass das wahre Glück, die wirkliche Größe des Menschen in der Selbstbescheidung und im Verzicht liegt. Raimund ist somit kein gesellschaftskritischer Dichter wie Nestroy. Dieser wirft Raimund auch vor, das Volksstück zu verraten und das Volkstheater aufzulösen, weil er ein neues Genre erschaffe: die Allegorienspiele". Andere Kritiker meinen hingegen, Raimund sei Erneuerer und Vollender der Tradition des Wiener Volksstücks, da er Ernst und Komik, sozialen Alltag und märchenhaften Zauber, Possenspiel und humanes Lehrstück, lokalen Dialekt und Hochsprache verbinde. Das macht ihn auch im gesamten deutschen Sprachraum populär.
Raimunds erste Stücke: Der Barometermacher auf der Zauberinsel" (1823) und Der Diamant des Geisterkönigs" (1824), stehen in der Tradition der alten Wiener Zauberposse. Diese Art von Dramatik ist eine Reaktion der Dichter auf die Zensur. Das Zauberspiel bietet die Möglichkeit, über Gesellschaftliches zu schreiben, ohne dass die Stücke verboten oder zensuriert werden. Im Biedermeier ist es nicht erlaubt, über Angehörige höherer Stände auf der Bühne (und im Leben) Negatives zu sagen. Das Reich der Feen und Zauberer bietet dem Autor aber die Möglichkeit, gesellschaftliche Zustände zu beschreiben wenn auch verfremdet und damit distanziert -, da es zwischen der Welt und Gott angesiedelt ist und somit außerhalb des Zensurverbots steht.
Spätere Stücke Raimunds, Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär" (1826), Der Alpenkönig und der Menschenfeind" (1828) oder Der Verschwender" (1834), sprengen die Grenzen des vorwiegend komischen Volkstheaters, sie rücken in die Nähe des Besserungsstückes und versuchen, Lösungen des Konflikts zwischen Wunschbild und Wirklichkeit zu zeigen.
Der Verschwender
Der reiche Edelmann Julius von Flottwell hat seit 17 Jahren eine Liebesbeziehung mit dem Bauernmädchen Minna, das in Wahrheit die Fee Cheristane ist und Flottwell zu seinem Reichtum verholfen hat. Diese klärt ihn nun über den wahren Sachverhalt auf, weil sie in das Feenreich zurückzukehren muss. Flottwell verschwendet in glanzvollen Festlichkeiten seinen Reichtum und verliebt sich in Amalie, die Tochter des Präsidenten von Klugheim, der sich aber gegen diese Verbindung ausspricht. So flieht Flottwell mit Amalie nach England, von wo er nach deren und des gemeinsamen Kindes Tod 20 Jahre später verarmt zurückkehrt. Sein ehemaliger Diener, der nunmehrige Tischlermeister Valentin, der mit seiner Frau Rosa und seinen Kindern zufrieden in seiner kleinbürgerlichen Welt lebt, nimmt Flottwell auf. Dieser findet in der Ruine seines alten Schlosses den großen Geldbetrag, den er vor Jahren einem Bettler, der in Wahrheit ein von Cheristane gesandter Schutzgeist Flottwells ist, gegeben hat. Valentin trifft nun wieder in die Dienste seines früheren Herrn, die kurz erscheinende Fee Cheristane verheißt dem nun geläuterten Flottwell ein Wiedersehen in der Liebe grenzenlosem Reich".
Franz Grillparzer(1791-1872)
Grillparzer verbringt sein Leben als Hauslehrer und Finanzbeamter ( er steigt bis zum Hofrat auf und wird sogar Leiter des Hofkammerarchivs ).
Er schreibt Dramen teilweise nach spanischem Vorbild.
Grillparzers dramatisches Schaffen wurzelt im Josephinismus (Österreichische Ausprägung der Aufklärung), in der theatralischen Barocktradition, im Humanitätsgedanken der Weimarer Klassik und im spanischen Barockdrama eines Calderon de la Barca (1600-1681) oder Lope de Vega (1562-1635).
Grillparzer schreibt im Gegensatz zu seinen großen österreichischen Dichterkollegen Raimund und Nestroy, die für die Vorstadtbühnen arbeiten, für das Burgtheater.
Grillparzers Prosawerk umfaßt neben einer Selbstbiographie, Tagebüchern, Briefen und Studien zur Geschichte und Literatur zwei Erzählungen:
1828 entsteht die Rahmennovelle Das Kloster bei Sendomir", die wie das Trauerspiel Die Ahnfrau" (1860) dem Unheimlichen der Spätromantik verpflichtet ist.
Den Hintergrund für seine zweite Novelle, Der arme Spielmann" (1848), bildet Wien mit seinen Vororten. Die Erzählung besitzt autobiographische Züge, sowohl der Erzähler, als auch der Spielmann besitzen Eigenschaften des Dichters. Die Binnenhandlung konzentriert sich auf den Spielmann, einen Hofratssohn, der infolge familiärer Schicksalsschläge und wegen einer unglücklichen Liebe zum Straßengeiger wird.
Werke:
Die Ahnfrau"
Sappho"
König Ottokars Glück und Ende"
Die Jüdin von Toledo"
Ein Bruderzwist in Habsburg"
Jeremias Gotthelf (1797-1854)
Der Schweizer protestantische Pfarrer Jeremias Gotthelf, eigentlich Albert Pitzius, ist der Begründer des realistischen Bauernromans. Seinen Schriftstellernamen entnimmt er seinem 1837 erscheinendem Erstlingswerk Der Bauernspiegel oder Lebensgeschichte des Jeremias Gotthelf. Von ihm selbst geschrieben."
In Uli, der Knecht"(1846) und Uli, der Pächter" (1849), zwei Dorfromanen, kritisiert der Dichter menschliche Probleme seiner Zeit aus traditionell christlicher Sicht. Wünsche nach sozialpolitischen Veränderungen bedeuten für Gotthelf vor allem Genußsucht und Eigennutz. Erfolglosigkeit und Armut entspringen nach Meinung des Dichters einer Selbstverschuldeten Gottlosigkeit. Dem stellt er ein gläubiges Leben, Bescheidenheit und eine christliche Erneuerung der Gesellschaft gegenüber. Damit nimmt Gotthelf eine eindeutige religiöse Gegenposition zum radikalen, antikirchlichen und zum Teil atheistischen Liberalismus der Vormärzzeit ein.
Als ein Meisterstück der Novellenkunst gilt Die schwarze Spinne". Der Rahmen zeigt die heile Welt der Berner Bauern, die Erzählung von der schwarzen Spinne (Binnenhandlung) die von gottlosen Menschen verschuldete Herrschaft des Bösen. Die Novelle zeigt, dass das materielle und das ideelle Glück des Menschen von einer christlichen Bekehrung, die Gottes Segen nach sich zieht, abhängig ist.
Annette von Droste- Hülshoff (1797-1848)
Droste- Hülshoffs poetisches Werk findet zu ihren Lebzeiten wenig Beachtung. Neben Versepen, Natur- und Bekenntnislyrik sowie Balladen schreibt die traditionell katholische Dichterin die kriminalistische Novelle Die Judenbuche"
Zu dem Bekenntnis Im Grase" wird die Dichterin durch ihre erwachende Liebe zu einem 17 Jahre jüngeren Mann angeregt.
Eduard Mörike (1804-1875)
Eduard Mörike, der nie über die Grenzen seiner engeren Heimat Schwaben hinauskommt, ist ein Erzähler und Lyriker im Spannungsfeld zwischen romantischer und realistischer Poesie. Sein Jugendroman Maler Nolten" (1832) weist spätromantische Züge auf (Künstlerproblematik, Schauerromantik, lyrische Einlagen) und ist den Vorbildern Goethe, Eichendorff, E.T.A. Hoffmann und Jean Paul verpflichtet. 1855 erscheint Mörikes bekannteste Novelle Mozart auf der Reise nach Prag", in der der Dichter ein Bild der Persönlichkeit und des Lebens Mozarts zeichnet.
Viele von Mörikes Gedichten gestalten den Übergang von der Nacht zum Morgen, für den Dichter Symbol für Lichtblicke in seinem von Krankheit, Ängsten und Depressionen heimgesuchten Leben.
Das junge Deutschland
Als junges Deutschland bezeichnet man eine lose Vereinigung von politisch engagierten Schriftstellern, denen Ludolf Wienbarg (1802-1872) den Namen gibt: Dem jungen Deutschland, nicht dem alten widme ich dieses Buch."
Die wichtigsten Vertreter dieser Richtung sind Karl Gutzkow (1811-1878), Heinrich Laube (1810-1876), Theodor Mundt (1808-1861) und Anastasius Grün, eigentlich Anton Alexander Graf Auersberg (1806-1876). Die nach Paris emigrierten Dichter Ludwig Börne (1786-1837) und Heinrich Heine (1797-1856) sind ihre Leitbilder.
Die Jungdeutschen haben das gemeinsame Ziel, die Literatur zu erneuern (Überwindung von Klassik und Romantik), das Recht auch der Frauen auf Bildung und Selbständigkeit und die Emanzipation des Fleisches" durchzusetzen. Sie schreiben gegen die Zensur und für die Pressefreiheit, gegen die Willkür der absoluten Herrscher und für das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Bürger, gegen die Kleinstaaterei und für eine demokratische Verfassung. Sie treten für eine Trennung von Staat und Amtskirche ein.
Die Jungdeutschen (ebenso ihre Dichterkollegen im eigentlichen Vormärz nach 1840) verstehen sich als Schriftsteller, deren Kunst weder zweckfrei- idealistisch (wie in der Klassik) noch mystisch- verklärt (wie in der Romantik), sondern eine poetische Verarbeitung und Widerspiegelung politischer und kultureller Ereignisse sein soll. Neben lyrischen Texten, Romanen (z.B. Frauenroman) und Novellen erscheinen literarische Zweckformen wie Briefe, Reiseberichte, Memoiren, Flugblätter, journalistische Texte und Feuilletons.
Am 10. Dezember 1835 werden die gesamten Schriften des Jungen Deutschland durch den deutschen Bundestag verboten, womit zum erstenmal in der deutschen Geschichte eine gesamte literarische Richtung von der Zensur betroffen ist. Den jungen Literaten wird vorgeworfen, die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden sozialen Verhältnisse herabzuwürdigen und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören". Das Verbot und die damit verbundenen Repressionen bewirken, dass die jungdeutschen Autoren den Glauben an Recht und Freiheit verlieren und viele von ihnen die gesellschaftspolitische Arbeit beenden.
Heinrich Heine Spötter, Zerrissener und Revolutionär
Heines erste Gedichtsammlung, Buch der Lieder" (1827 veröffentlicht), begründet seinen Ruhm als romantisierender Volksdichter. Die Gedichte, häufig ohne Überschriften, zeigen, dass Heine die romantischen Stimmungs- und Stilmittel beherrscht; Vorbilder sind J.W. Goethe, Achim von Arnim und Joseph von Eichendorff. Gleichzeitig wird in den Gedichten sein jede Illusion zerstörender Zynismus deutlich und damit seine Zerrissenheit zwischen Sentimentalität und kritischer Distanzierung. Heines Werk spiegelt so auch die Brüchigkeit der Konventionen seiner Zeit und seine Rebellion gegen das zweckfreie Stimmungsgedicht wider.
Im Pariser Exil (seit 1831) verfaßt Heine seine großen Versdichtung Atta Troll". Ein Sommernachtstraum" (1843) und Deutschland. Ein Wintermärchen" (1844).
In Deutschland. Ein Wintermärchen" verarbeitet der Dichter seine erste Deutschlandreise (1843), nachdem er seine Heimat 1831 verlassen hat. Der Text bietet Heine die Gelegenheit, die Auswirkungen der Restauration (Zensur, Militarismus, Staatskirche, geistige Erstarrung des Bürgertums) kritisch zu betrachten und zu beschreiben.
In seinen letzten Lebensjahren ist Heine durch ein Rückenmarksleiden ans Bett gefesselt, an seine Matratzengruft". 1854 entsteht der Gedichtband Romanzero". Diese dritte Säule meines lyrischen Ruhms", wie Heine sagte, sprengt traditionelle lyrische Formen. Man findet darin Erzählgedichte und balladenhafte Verse, die sowohl persönliche, allgemein menschliche und gesellschaftliche Probleme und Widersprüche beinhalten.
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