Biedermeier und Vormärz

Wenn man die konservativ orientierten Autoren der Restaurationszeit unter dem Begriff Biedermeier zusammenfaßt, kann dies nicht im herkömmlichen Sinn geschehen. Diese Autoren weisen weder einen eigenständigen Stil auf, noch können sie ohne einen Rückgriff auf die sie weit überreichende historische Rahmensituation der Restaurationszeit überhaupt zureichend verstanden werden. Andererseits weisen diese unten angeführten Autoren nicht nur eine gemeinsame weltanschauliche, sondern auch eine gemeinsame ästhetische Grundorientierung auf.

Der Begriff "Biedermeier"

Der Name "Biedermeier" ist abgeleitet von Ludwig Eichrodts Parodie auf den treuherzigen Spießbürger, den "Schwäbischen Schullehrer Gottlieb Biedermaier" (1850-1857). Übertragen auf bürgerliche Wohnkultur und Malerei, dann Schlagwort für die restaurative Phase bürgerlicher Beschaulichkeit zwischen dem Wiener Kongreß (1814/15) und der Revolution 1848. Das Biedermeier läuft zum Teil parallel zur Spätromantik und zu der politischen engagierten literarischen Bewegungen des "jungen Deutschland" oder des "Vormärz".

Historischer Hintergrund

Politisch wurde diese Zeit vom österreichische Staatskanzler Fürst Metternich geprägt. Er setzte, im Wiener Kongreß (1814/15), eine Neuordnung Europas im Sinne eines wiedererstarkten fürstlichen Absolutismus, durch ("Restauration"). Metternich konnte seine Machtposition bis zur Revolution 1848 behaupten, nach dieser wurde er vertrieben.

Das Bürgertum hatte keine Möglichkeit, sich politisch zu betätigen, und war von jeder Beteiligung an der Macht ausgeschlossen. Freiheitliche Bewegungen, wie die Burschenschaften, wurden verfolgt und ihre Mitglieder inhaftiert. Dieses System funktionierte aufgrund eines umfangreichen Polizeiapparates mit angeschlossenem Spitzelwesen. Es wurden auch literarische Werke, Zeitschriften und Zeitungen von der Zensur kontrolliert. Durch die Bewachung der Landesgrenzen wurde die Ein- und Ausreise erschwert. Obwohl dieses System die persönliche Freiheit des Einzelnen einschränkte, hatte es auch positive Merkmale. Es herrschte militärischer Friede nach den zahlreichen Feldzügen gegen Napoleon und nach den Unruhen der Französischen Revolution. Die Staaten gewannen innere Stabilität, der Handel und das Gewerbe erreichten eine hohe Blüte. Der Wohlstand unter den Unternehmern im Bürgertum stieg stark an. Daher galt das Biedermeier, später, allgemein als "gute alte Zeit".

Ein Teil des Bürgertums und der studentischen Jugend fand sich mit den politischen Verhältnissen in Wien und den deutschen Kleinstaaten ab, oder nützte die positiven Seiten aus. Ein anderer Teil revoltierte dagegen und probierte den Aufstand..

Wissenschaftliche Errungenschaften

Die Dampfmaschine wurde in vielfältiger Weise eingesetzt (Fabriken, Eisenbahn, Schiffahrt).

Die Elektrizität und ihre technischen Anwendungen, sowie die Telegraphie wurden in dieser Zeit entdeckt und erfunden. Justus Liebig gelang es den synthetischen Harnstoff herzustellen.

Bedeutende Autoren und deren Werke

Österreichische Autoren:

1. Adalbert Stifter (23.10.1805 - 28.1.1868)

Stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Er wurde bei den Benediktinern im Stift Kremsmünster ausgebildet und studierte anschließend in Wien Jura, dann Mathematik und Naturwissenschaften. Stifter erhielt eine Hofmeisterstelle in Wien und gab Privatstunden in den Kreisen des Hochadels. 1850 wurde er Schulmeister in Linz. Wegen der Qualen eines Leberleidens beging er wahrscheinlich Selbstmord. Seine frühen Werke stehen noch weitgehend unter romantischen Vorzeichen. In ihnen stellt sich auch die souveräne Kunst der Landschaftsbeschreibung dar. Später setzt die Wendung zum Dichter der Ruhe, der Ordnung und des Maßes auch stilistisch ein.

Werke: Bunte Steine

Nachsommer

Das sanfte Gesetz

2. Franz Grillparzer (15.1.1791 - 21.1.1872)

Franz Grillparzer wurde als erster von vier Söhnen des Advokaten Wenzel Grillparzer und seiner Frau Anna Franziska (geb. Sonnleithner) geboren. Nach Abschluß des Gymnasiums, beginnt er ein Studium an der Wiener Universität. 1807 beginnt er das Studium der Staats- und Rechtswissenschaften. Nach dem Tod seines Vaters wurde er Erzieher junger Adliger. 1815 wurde er Konzeptionspraktikant bei der Hofkammer. 1818 wurde er zum Theaterdichter des Burgtheaters ernannt. 1832 wurde er Direktor des Hofkammerarchivs. Nach 1850 erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und wurde in die Wiener Akademie aufgenommen. In seiner Lyrik überwiegt ein rational-reflektierender Ton. Er vereinigte in seiner Dichtung Elemente des spanischen und österreichischen Barock, der deutschen Klassik und des Wiener Volkstheaters mit einer spezifisch modernen Sensibilität und einem hellsichtigen, differenzierten psychologischen Realismus, der der humanen Harmonie der deutschen Klassik skeptisch begegnet.

Werke: Sappho

Medea

König Ottokars Glück und Ende

Ein Bruderzwist in Habsburg

Der arme Spielmann

3. Ferdinand Raimund (1.6.1790 - 5.9.1836)

Sohn eines böhmischen Drechslermeisters. Er brach seine Lehre als Zuckerbäcker ab und wurde 1808 Schauspieler bei Wandertruppen in Preßburg und Ödenburg. Später kam er nach Wien ans Theater in der Josefstadt, anschließend war er im Theater in der Leopoldstadt. Er hatte sowohl in klassischen als auch in komischen Charakterrollen eine glänzende Karriere. Raimund neigte trotz großer Erfolge zu Schwermut und Hypochondrie. Er beging aus Furcht vor den Folgen eines Hundebisses Selbstmord.

In seinen Bühnenwerken verbindet er vielfältige Einflüsse der Tradition: Volkstheater, Wiener Zauberstück, Lokalposse, Stegreifspiel, Gesangsstück u. a. Die Stücke zeigen im romantischen Realismus mit den Mitteln von Humor und Melancholie psychologische Einsichten und einen ethisch-erzieherischen Gehalt, der nach den biedermeierlichen Tugenden Treue, Redlichkeit und Maßhalten ausgerichtet ist.

Werke: Der Bauer als Millionär

Der Verschwender

Das Mädchen aus der Feenwelt

Der Barometermacher auf der Zauberinsel

4. Nikolaus Lenau (13.8.1802 - 22.8.1850)

Studierte in Wien, Preßburg und Heidelberg Philosophie, Jura und Medizin. Er ging 1832 nach Amerika, kam aber ein Jahr später wieder zurück. Eine aussichtslose Liebe steigerte seine Schwermut bis zum geistigen Zusammenbruch. Ab 1844, bis zu seinem Tod, lebte er in einer Heilstätte.

Seine seelische Zerrissenheit und Ruhelosigkeit spiegelt sich in der vom Weltschmerz bestimmten Lyrik wieder. Die musikalisch empfundene, romantische Naturbeseelung seiner landschaftlichen Stimmungsbilder, ist ebenfalls Ausdruck seiner Melancholie.

Werke: Schilflieder

Doktor Faustus

Der Postillon

Deutsche Autoren:

Annette von Droste-Hülshoff (10.1.1797 - 24.5.1848)

Entstammt einem altwestfälischem streng katholischem Geschlecht. 1812-1819 wurde sie durch A. M. Sprickmann literarisch gefördert. Sie übersiedelte nach dem Tod ihres Vaters auf den Witwensitz der Mutter. Abgesehen von früheren Versuchen, setzte ihre Dichtung um 1820 ein. Das charakteristische ihrer Gedichte ist das Ineinandergleiten von Traum und Wirklichkeit. Die halluzinatorischen Wachträume können beängstigen oder beseligen bis hin zur "tief tief trunkenen Flut" gnadenhaften Aufgenommenseins in die Natur, die sonst, sprachlich präzise beschrieben, vor allem von ihrer unheimlichen Seite gezeigt wird.

Werke: Die Judenbuche

Bei uns zu Lande auf dem Lande

Liberale und Revolutionäre:

Ein Beschluß des Deutschen Bundestages von 1835 verbot und beschlagnahmte Schriften von Heinrich Heine, Karl Gutzkow, Heinrich Laube und anderen. Diese schlossen sich zusammen und nannten sich die "Jungdeutschen". Sie traten gegen die herrschenden literarischen Autoritäten, die Klassiker und die Romantiker, auf. Ihrer Auffassung nach darf die Kunst weder zweckfrei noch absolut sein noch mystischer Weg nach innen. Vielmehr sollten die jeweiligen Gesellschaftszustände in der Literatur widergespiegelt werden. Die Jungdeutschen waren der Auffassung, dass die Kunst Mittel zum Zweck ist. Der Zweck ist die "poetische Umgestaltung des Lebens". Der Dichter soll seine Arbeit für eine Erneuerung des Lebens einsetzen. Dabei geht es nicht um politische, sondern um poetische Umgestaltung. Den Jungdeutschen war die Demokratisierung der Literatur, der Kampf gegen religiöse Bevormundung, die Liberalisierung der Sexmoral und die Emanzipation der Frau sehr wichtig.

Bevorzugte Gattungsformen waren der Roman und die Novelle, jedoch auch literarische Zweckformen, wie der Brief, Memoiren und Reisebilder.

Eine zweite Gruppe von Schriftstellern, zu denen Hoffmann von Fallersleben, Ferdinand Freiligrath, Georg Herwegh und Georgh Weerth gehörten, hatte revolutionäre Ziele. Unentschiedener Liberalismus und mangelnde politische Konsequenz wurde den Jungdeutschen von dieser Gruppe vorgeworfen. Einige der Revolutionäre setzten sich für eine Änderung der politischen Verhältnisse ein und machten als erste auf das Elend der Industriearbeiter aufmerksam.

Themen und Motive

Die meisten Themen sind aus der privaten Umwelt der Dichter. Daher sind auch die Werke von dieser geprägt, Stifters vom Böhmerwald, Raimunds und Nestroys von der Wiener Vorstadt und Gotthelfs vom Berner Oberland.

Die melancholische Lebensgrundstimmung der Dichter lässt sie wehmütig auf Erinnerungen zurücksehen. Kindheitsgeschichten, die Sehnsucht nach dem einfachen Leben, die Vorliebe für Einsame, Eigenbrötler und Käuze sind daher sehr häufig in ihrer Prosa. Die Handlungen beschränken sich auf engen Raum, wie Haus und Garten, die Familie, die nächste Umgebung. Sie greift nicht in die weite Welt hinaus. Die Personen sind einfache Handwerker und Bauern, über deren Armut die Dichtung hinwegtrösten soll. Armut wird als Tugend dargestellt. Die Probleme der Arbeiterschaft werden ausgespart. Da eine Landschaft unpolitisch ist, wird für die Schilderung derselben breiter Raum eingenommen. Es ist keine romantische Ideallandschaft mehr, sondern eine erlebte, reale Landschaft mit genauer Wiedergabe der Dinge, die zu beobachten sind. Ähnlich konkret wie Landschaften werden Innenräume, mit Hang zum Kleinen, zur "Naheinstellung", geschildert.

In der Malerei herrscht ebenfalls eine Vorliebe für die Miniatur.

So wie in der Mitte des 18. Jahrhunderts wird wieder viel gereimt. Viele Gedichte werden vertont. Auf das heroische in den Balladen wird verzichtet, zugunsten des Stimmungshaften und Volkstümlichen.

Gedichtsammlungen, Almanache, Kalender und Poesiealben, im Kleinformat oder im handlichen Taschenbuchformat, sind in Mode.

Ton und Wortschatz

Ein wesentlicher Unterschied zur Romantik, ist durch einen leisen, wehmütigen Ton in der Lyrik, und einen Zug zur Genauigkeit und Sachlichkeit in der Prosa, gekennzeichnet. Keine sprachlichen Neuerungen und Experimente, daher ist der Wortschatz sehr konservativ. Manche Dichter verwenden dialektische Wendungen und Wörter. Ähnlich des Rokokos erhält die Sprache etwas Niedliches, Sanftes, durch die Vorliebe für Verkleinerungen.

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