Die letzte Hexe
Inhalt:
Anna Göldin hat eine sehr schwere Jugend. Anna ist eine von vielen Töchtern eines Bauern. Sie sind sehr arm. Der Vater stirbt schon sehr früh und hinterlässt eine Mutter und 2 Töchter. Annas Mutter kränkelt immer etwas, daher geht es ihnen sehr schlecht. Mit zunehmendem Alter ist Anna immer noch nicht verheiratet. Sie zieht umher und wird als Magd bei den Tschudis angestellt. Herr Tschudi ist Arzt und hat fünf Kinder. Nachdem Anna sich vorgestellt hat, wird sie eingestellt. Die Kinder halten sehr viel von der neuen Magd. Besonders Anna Migeli mag sie sehr. Die Mutter ist nicht einverstanden, dass die Kinder Anna so mögen. Eines Tages findet Anna Migeli eine Stecknadel in der Milch. Noch wird kein Verdacht geschöpft, jedoch als es zur Gewohnheit wird, wird Anna entlassen und vertrieben. Sie muss flüchten. Anna Migeli beginnt täglich zwei bis drei Stecknadeln zu erbrechen. Ihr rechtes Bein wird kürzer. Die Magd sucht Unterschlupf bei ihrer Schwester, muss jedoch weiterziehen und darf bei dem Pfarrer und seiner Gattin bleiben. Sie arbeitet dort ebenfalls als Magd. Sie trifft Jakob, einen Gesellen, der sie schwängert. Sie gebärt ihr Kind, ohne dass die Gattin des Pfarrers davon weiss. Das Kind stirbt kurz nach der Geburt. Es gibt ein Gerichtsverfahren, bei dem ihr vorgeworfen wird, sie habe das Kind getötet, doch nach einem Freispruch flieht sie in ein anderes Dorf und wird dort abermals als Magd eingestellt. Doktor Tschudi wird geraten Anna zu suchen um sie zu heilen und kurz darauf wird sie gefunden und zurück nach Glarus geschafft, wo sie eingesperrt wird. Der Doktor bittet sie, seine Tochter zu heilen. Sie willigt ein und kurze Zeit später ist Anna Migeli geheilt. Es gibt ein Verhör. Man will wissen, woher sie die Stecknadeln habe. Anna wird gefoltert, da sie schweigt. Sie belastet Steinmüller, einen Schlosser, ihr die Guffen beschafft zu haben. Dieser erhängt sich. Als Anna weitere Fragen nicht beantwortet, wird sie schließlich zum Tod durch das Schwert verurteilt. Die Strafe wird vollstreckt.
Charakterisierungen:
Anna Göldin:
In Eveline Haslers Roman "Anna Göldin Letzte Hexe" ist Anna Göldin eine arme Magd, die in ihrem Leben nie etwas besessen hat. Das Werk ist im September 1985 erschienen und basiert auf einer wahren Geschichte.
Anna Göldin ist die Tochter eines sehr armen Bauern. Zusammen mit ihren Geschwistern ist sie groß geworden, musste aber sehr viel mitarbeiten um die Familie durchzubringen. Schließlich wird sie eine Magd bei den Tschudis.
Von den Kindern wird sie herzlich aufgenommen, besonders von Anna Migeli, der ältesten Tochter. Die meisten Gäste der Tschudis haben eine sehr kritische Meinung über die neue Magd. "Eine eitle Person, diese Göldin, sagt Frau Becker. Frau Tschudi nickt. Die Göldin bringt es nicht zustande, über den Flur zu gehen, ohne in den Spiegel zu schauen."( B.S.38) Nach einiger Zeit fällt Frau Tschudi auf, dass die Kinder sich in Anna Göldins Gegenwart sehr wohl fühlen und ist nicht sehr glücklich darüber. "Anna! Ein für allemal: Die Kinder werden nicht angerührt! Aber, Frau Tockter, ich hab's ja... Der Rest des Satzes geht unter in Geheul. Verstanden, Anna? Aber, Frau Tockter... Kein Aber, Anna." (B.S. 72) Sie protestiert dagegen und will, dass der Herr Tschudi sie "rausschmeiße", wird jedoch von ihm überredet, sie zu behalten. Eines Tages tritt ein eigenartiges Ereignis auf, Anna Migeli findet in ihrer Milch eine Stecknadel. Alle hoffen es sei ein Zufall gewesen, doch als der Fall sich wiederholt, wird Anna Göldin beschuldigt etwas mit diesen Vorfällen zu tun zu haben. Sie flüchtet von dort und begibt sich zu dem Pfarrer und seiner Frau, wo sie eine Fehlgeburt hat. Anna Migeli erbricht inzwischen täglich Stecknadeln, ihr Zustand verschlimmert sich. Doktor Tschudi lässt Anna Göldin suchen, um sein Kind von ihr heilen zu lassen. Als Anna nach Glarus zurückgebracht wird, heilt sie das kranke Mädchen und wird der Hexerei bezichtigt. Sie wird gefoltert und getötet.
Anna Migeli Tschudi:
In diesem Roman ist Anna Migeli die älteste Tochter des berühmten Doktor Tschudi.
Anna Migeli ist eine der ältesten weiblichen Kinder im Hause Tschudi. Sie hat ein sehr angenehmes Leben, wohnt in einem noblen Haus zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern. Migeli kann nicht älter als zehn oder zwölf Jahre sein.
Anna Migeli ist sehr angetan von der Idee Anna Göldin als Magd einzustellen. Sie sieht in ihr eine zweite Mutter. Sie hat nicht viel Zuneigung oder Liebe von ihrer eigenen Mutter erfahren, also sucht sie sich eine Ersatzperson. Sie vertraut der neuen Magd ihre innersten Ängste an, die Frau Tschudi, nie wahrnehmen wollte. Eines Nachts kommt sie sogar in das Zimmer der Magd, da sie sich vor Unwettern fürchtet. "Anna ich fürchte mich. Das wilde Heer reitet durchs Haus, die Stini hat mir davon erzählt. Anna rückt im Bett zur Seite, das Kind wird in ihrer Atemnähe weich und schlafschwer." (B.S. 72) Nach einiger Zeit ist die Mutter nicht mehr einverstanden, dass Anna Göldin so viel Zeit mit den Kindern verbringt.
Eines Tages findet Anna Migeli eine Stecknadel in ihrer Milch. Zuerst denkt sie sich nichts dabei, doch als der Fall zur Gewohnheit wird, beginnt sie sich Sorgen zu machen. Anna Göldin wird gefeuert und wenig später erbricht Anna Migeli die erste Stecknadel. Ihr Zustand wird kritischer - täglich kotzt sie mehrere Stecknadeln und ihr rechtes Bein verkürzt sich um einige Zentimeter. " Das arme Kind lag da -ohne Verstand, entkräftet ringend mit Noth und Tod und seinem schrecklichen Gefolge, und preßte jedem Zuschauer Thränen des Mitleids ab." ( B.S.141) Anna Migelis Vater macht sich immer mehr Sorgen. Er hat schon alle Doktoren zu Rate gezogen, doch keiner weiß eine Erklärung dafür. Ihm wird geraten Anna Göldin suchen zu lassen. Als sie gefunden wird, fordert er sie auf seine Tochter zu heilen. Sie stimmt zu und macht das Kind während einer Zeremonie wieder gesund. Anna Migelis Bein wird wieder länger und ihr Fieber weicht. Sie speit keine Stecknadeln mehr.
Doktor Tschudi:
In Eveline Haslers "Anna Göldin Letzte Hexe" ist Doktor Tschudi das Oberhaupt der Familie. (Sein voller Name lautet Tockter Tschudi)
Wir begegnen ihm das erste Mal als Anna Göldin sich um die Stellung als Magd bewirbt. Sie wird eingestellt. Doktor Tschudi ist der Vater von 5-6 Kindern. Er hat seine Frau schon vor langer Zeit geheiratet. Doktor Tschudi ist, abgesehen von seiner hervorragenden Stellung als Doktor, ein sehr angesehener und erfolgreicher Mann. Er ist außerdem ein sehr guter Vater, der sehr um das Wohlergehen seiner Kinder besorgt ist.
Anna Göldins Gegenwart scheint ihn nicht allzusehr zu stören. Er scheint sich sogar sehr wohl zu fühlen, wenn sie da ist. "Anna rubbelt sich mit dem Tuch trocken, flicht die Zöpfe auf, kämmt das Haar, merkt nicht, dass der Herr, den man zu einem Notfall gerufen hat, auf der Schwelle steht und sie betrachtet. Dieser rosige, von Wärme durchpulste Körper, die vollen, festen Brüste, das offene Haar.. [...] Noch immer starrt er, der Herr. Er nimmt sich das Recht. Die Anna ist ein Teil seines Hausstandes, so drückt er sich, Monate später, vor Gericht aus." (B.S. 70)
Doktor Tockter Tschudi macht sich ernsthafte Sorgen, als seine älteste Tochter, Anna Migeli, schwer krank wird und er nicht das Geringste für sie tun kann. Seine Pflicht als Vater befiehlt ihm, sämtliche Fachärzte zu Rate zu ziehen. Doch als diese nicht weiter wissen, wird ihm geraten Anna Göldin suchen zu lassen. Er kann seine Tochter nicht sterben lassen, also schickt er eine Fahndung aus. Als sie gefunden wird, bittet er sie seine Tochter zu heilen, da er versagt habe. Sobald seine Tochter geheilt ist, hält er sich aus dem weiteren Verfahren heraus.
Frau Tockter Tschudi:
In diesem Roman nimmt Frau Tockter Tschudi den Platz der Mutter ein.
Sie hat 6 Kinder zur Welt gebracht, seitdem sie mit Doktor Tschudi verheiratet ist. Die Mutter wirkt etwas kühl in Bezug auf ihre Kinder. Sie erzieht ihre Kinder in ordentlicher Manier und duldet keinerlei schlechtes Benehmen. Als Anna Göldin sich um die freie Stellung als Magd bewirbt, erklärt sie ihr klar und deutlich, dass sie sämtliche Hausarbeiten verrichten muss, sich aber aus der Erziehung der Kinder raushalten sollte. "Sie lege Wert darauf, dass Anna mit den Kindern auskomme, sonst pfeife sie auf eine Hilfe, eine halbbatzige Magd sei eine pure Narretey!"(B.S. 16) Frau Tocktor Tschudi stellt Anna ein, muss sie aber des Öfteren ermahnen, da die Göldin ihre Pflichten nicht sorgfältig genug ausführe. Sie will nicht, dass Anna irgendwelche männlichen Reize durch ihr Auftreten verursacht, speziell nicht bei ihrem Mann. Sie maßregelt Anna. " Und: Wo Haar ist, ist Lust. Anna, hatte Frau Tschudi am ersten Abend gesagt, Ihr tragt, wenn Ihr die Hausgeschäfte verrichtet, immer eine Haube, so will es Brauch und Anstand. Jawohl, Frau Tockter." (B.S. 71)
Des Öfteren fällt Frau Tschudi auf, dass Anna Göldin sehr eitel wäre, da sie bei jeder Gelegenheit ihr Aussehen nachprüfe. "Diese Schwäche für Spiegel, für das zitternde, verschwimmende Bild, das man befragt: Wo fängst du an, wo hörst du auf." (B.S.38) Nach einiger Zeit wird die Mutter stutzig, da die Kinder sehr viel von Anna halten. Sie will nicht, dass sie so viel Zeit mit den Kindern verbringt. Als Anna Migeli eine Stecknadel in ihrer Milch findet und nach und nach, jeden Morgen eine "Guffe"(= Stecknadel) in ihrer Frühstücksmilch vorfindet, wird Anna Göldin von der Mutter fristlos entlassen.
Biographie:
Eveline Hasler wurde in Glarus geboren. Sie studierte Psychologie und Geschichte in Fribourg und Paris, war einige Zeit lang als Lehrerin tätig und lebt heute im Tessin.
Eveline Hasler gehört zu jenen immer zahlreicher werdenden Autoren und Autorinnen, die für Erwachsene und für Kinder schreiben. Am Anfang standen Kinder- und Jugendbücher, die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, verfilmt und in fünfzehn Sprachen übersetzt wurden. Das erste Buch für Erwachsene, die Erzählung "Novemberinsel", erschien 1979 und erhielt den Preis der Schweizerischen Schillerstiftung. "Es folgten die Romane "Anna Göldin. Letzte Hexe", "Ibicaba. Das Paradies in den Köpfen", "Der Riese im Baum" und "Der Zeitreisende". In ihnen bestätigte sich Eveline Haslers große Fähigkeit, sich historische Stoffe auf eine Weise anzueignen, die für unsere Zeit aussagekräftig ist. Eveline Haslers bislang erfolgreichster Roman, "Die Wachsflügelfrau". Geschichte der Emily Kempin-Spyri", erschien 1991 (16. Aufl. 1998). Über ihn schrieb die Presse: "Es ist von bestürzender Eindringlichkeit, wie Eveline Hasler das Ikarusschicksal der ersten europäischen Juristin Dr. Emily Kempin-Spyri darstellt... Ein zutiefst aufrüttelndes Buch." Auch in ihrem jüngsten Roman, "Die Vogelmacherin. Die Geschichte von Hexenkindern", greift die Autorin wieder einen historischen Stoff auf, der auf bestürzende Weise aktuell ist: Kinder als Opfer der eigenen, noch ungebändigten Phantasie und der sexuellen Projektionen der Erwachsenen. Im Herbst 1999 erscheint Eveline Haslers neues Buch "Die namenlose Geliebte", Geschichten und Gedichte.
http://www.klik.ch/Firmen/naki/AutorenWerke/Autoren/Hasler.HTML
am 03.11.1999
Historischer Hintergrund:
Der Prozess hatte eine unermessliche Publizität ausgelöst. Am 4.Jänner 1783 wurde im "Reichspostreuter" im Zusammenhang mit den Hexenprozessen zum ersten Mal das Schlagwort "Justizmord" geprägt, ein gewisser August Ludwig Schlözer (Historiker) druckte diesen Artikel im Februar des gleichen Jahres in den Göttinger "Staatsanzeigen" ab.
Sprache :
Das gesamte Werk ist in Prosa geschrieben (Es sind keinerlei Reime zu finden). Es werden eher lange Sätze angewandt, die trotzdem nicht schwer zu verstehen sind. "Nachmittags hielt sich Pfarrer Breitinger bei gutem Wetter im Freien auf, am liebsten in seinem Weinberghäuschen, das er, wie es an den Rebhängen des Zürichersees Mode war, zu einem Lusthäuschen hatte umbauen lassen." (B.S.113)
Es sind unzählige Dialoge, direkte Reden vorhanden. "Au! A... Ruft es nach der Anna?" (B.S. 109) "Die Frau Landvogt! Welche Ehre!" (B.S.108)
Einige Briefe sind in den Text gemischt worden, was darauf schließen lässt, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt. ( alle Briefe sind mit dem Namen des Verfassers und mit dem damaligen Datum versehen.)
Ellipsen werden hier auch deutlich sichtbar. z.B. "Sie war wie angewurzelt stehengeblieben, die Hand auf die Brust gepreßt." (B.S.93)
Wortwiederholungen sind in diesem Roman kaum zu finden, was den Text sehr flüssig werden lässt. Mit inneren Monologen wurde sehr gespart.
Das Erzählverhalten variiert zwischen auktorial und neutral. Zum Großteil wird die ER-Form verwendet. Die Sichtweise ist hauptsächlich die Außensicht. Man kann nur durch Handlungen innere Zustände deuten.
Milieu:
Der Großteil der Handlung findet in einer eher ländlicheren Umgebung statt. Es sind hauptsächlich abergläubische Bauern, die leicht durch die Umstände beeinflusst werden und Anna Göldin zur Hexe erklären. Im Kontrast dazu gibt es die höherstehende, reiche Gesellschaft. Dazu gehören die Tschudis, der Pfarrer und seine Frau,...
Ort/ Zeit der Handlung:
Die Handlung wird in zwei Ebenen gespalten. Die eine Zeitebene ist Anna Göldins Kindheit, die immer wieder im Geschehen eingeblendet wird. Diese Ebene spielt 1734. Die andere Zeitebene ist die derzeitige Handlung die im Jahre 1780 stattfindet. Der Großteil der Handlung spielt in Glarus.
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