Abschied von Sidonie
A)ALLGEMEINE EINFÃœHRUNG:
1.Titel: Die Erzählung trägt den Titel "Abschied von Sidonie", weil eine der Hauptgestalten- ein Zigeunermädchen namens Sidonie - ihren Pflegeltern weggenommen und ins Konzentrationslager nach Ausschwitz gebracht wird, wo sie wenig später stirbt.
2.Art: keine reine Erzählung, weil sehr umfangreich (tendiert zum Entwicklungsroman).
3.Orte der Handlung: Steyr, Sierning, Linz, Hopfgarten in Salzburg;
4.Zeit: 1934- 1939 vor dem Zweiten Weltkrieg.
5.Entstehung/Quellen: siehe beiliegender Zettel!
B) INHALTLICHES:
1.Inhalt:
Vor einem Krankenhaus in Steyr wird eines Tages im Jahr 1834 ein Zigeunerkind von seiner Mutter weggelegt. Josefa Breirather, die vor einiger Zeit beantragt hat, dass sie ein Kind in Pflege nehmen würde, weil sie Kinder gern hat und etwas Geld in dieser schwierigen Zeit gut brauchen könnte, nimmt das Mädchen namens Sidonie Adlersburg bei sich zu Hause auf. Wenig später wird Hans Breirather, ihr Mann ohne besonderen Grund verhaftet und kommt für längere Zeit ins Gefängnis. Nun hat es Josefa noch schwerer, denn ohne verdienenden Mann war es schwer, ihre beiden Kinder- ihren leiblichen Buben und Sidonie durchzubringen. Wenig später bekommt die Familie Breirather auch Probleme mit der Kirche. Sie muss Manfred, ihren Buben taufen lassen, selbst der Kirche wieder beitreten und kirchlich heiraten, weil ihr Sohn in der Schule schlechte Noten bekommt, nur, weil er ein Heide ist.
Nach einiger Zeit nimmt Josefa noch ein zweites Kind in Pflege Hilde. Kurz darauf wird Hans frühzeitig aus der Haft entlassen. Mittlerweile geht auch Sidonie schon in die Schule, und Manfred beginnt eine Lehre. Das Mädchen muss sich, obwohl es sehr liebenswürdig und nett ist, oft gegen Vorurteile- auch
in der Schule- wehren, und obwohl sehr schlechte Zeiten herrschen und es schon Unruhen und erste Anzeichen für den Zweiten Weltkrieg gibt, scheint in der Familie Breirather alles in Ordnung zu sein. Bis Josefa Breirather eines Tages ein Schreiben mit der Anweisung erhält, Sidonie unverzüglich ihrer leiblichen Mutter, die ausfindig gemacht werden konnte, zu übergeben. Der Schock ist groß, und Hans und Josefa versuchen mit allen Mitteln, das Unheil abzuwenden. Josefa beschwört den Bürgermeister und die Fürsorgerin, etwas zu unternehmen, doch beide besitzen zu wenig Zivilcourage. Also reist Sidonie in Begleitung der Erzieherin nach Hopfgarten; doch als sie ihre leibliche Mutter sieht, sträubt sie sich, mit ihr zu gehen. Der leibliche Vater, der will, dass das Kind bei Josefa bleiben darf, trägt das weinende Mädchen schließlich aus dem Zimmer.
Ein Jahr später, als er sich beim Bürgermeister von Hopfgarten nach dem Befinden von Sidonie erkundigt, erfährt Hans Breirather, dass seine geliebte Pflegetochter nach Ausschwitz ins Konzentrationslager abtransportiert wurde und dort gestorben ist.
Hans Breirather wurde schließlich Bürgermeister von Sierning. Seine Frau starb nach ihm mit 84 Jahren. Verwunden haben die beiden das Schicksal von Sidonie nie.
2.Gedanken/Aussage:
a)Ideen:
Ein Regim, das Einzelschicksale übergeht, führt ins Unglück!
Wir sollen anderen gegenüber tolerant sein!
Alle Menschen sind gleich, egal, welche Hautfarbe sie auch haben!
Auch in schweren Situationen sollen wir versuchen, Zivilcourage zu beweisen!
Jeder von uns kann und muss gegen Gruppenzwang ankämpfen!
Hilfsbereitschaft ist im Leben sehr wichtig! (besonders ,wenn es uns gut geht).
Wir sollten immer wir selbst sein und unsere Gefühle nie ausschalten!
Es ist wichtig, Herr seiner selbst zu sein!
Niemand hat das Recht, andere zu verachten!
Es ist von Bedeutung, die politische Situation immer zu beobachten und kritisch zu sein!
Politische Gruppen sollten zusammenarbeiten, statt einander zu bekämpfen!
b)Konflikte:
*Äußere Konflikte:
Josefa Erzieherin Grimm ( Josefa ist verzweifelt und kann nicht glauben, dass die Fürsorgerin nichts gegen den Abtransport von Sidonie tun hätte können.)
Josefa Arzt ( Als sie mit Sidonie zu ihm kommt, weil das Kind krank ist, will er das Mädchen nicht behandeln, weil es ein Zigeunerkind ist. )
Josefa ausländerfeindliche Menschen ( Sie muss mit Sidonie immer wieder erfahren, wie rassistisch viele Menschen ihr gegenüber sind und sie gegen diese Vorurteile verteidigen.)
Hans ein Freund ( Hans schlägt ihn, als dieser ihm sagt, er solle sich nicht solche Sorgen um den Abtransport von Sidonie machen, weil sie doch nur ein Zigeunermädel sei.)
Hans Pfarrer ( Der Pfarrer bedrängt Hans, sich mit Josefa endlich kirchlich zu vermählen. Hans will sich nichts einreden lassen, gibt jedoch der Kinder zuliebe nach.)
Sidonie Kinder aus ihrer Klasse ( Sidonie hat einige Male mit Vorurteilen der Kinder gegen Zigeuner zu kämpfen.)
*Innere Konflikte:
Hans: Als der Pfarrer ihm nahelegt, sich endlich kirchlich mit Josefa zu vermählen, gerät er ihn einen inneren Konflikt. Einerseits sieht er nicht ein, warum er, wie ihm der Geistliche erklärt, wie ein Heide lebt, andererseits will er aber seinen Kindern nicht schaden, die in der Schule durch seine nicht- kirchliche" Verbindung schon benachteiligt werden.
c)Motive:
*Hauptmotive:
Josefa Breirather: wirkliche Mutterliebe, Bereitschaft, auch in einer schweren Lage noch anderen, noch ärmeren zu helfen, Gerechtigkeitssinn ;
Hans Breirather: Vaterliebe, Gerechtigkeitssinn, Bereitschaft zum Widerstand gegen das bestehende System;
*Nebenmotive:
Cäcilia Grimm: fehlende Zivilcourage, Unüberlegtheit;
Bürgermeister von Sierning und Hopfgarten : fehlende Zivilcourage, Vorschriftsbewusstsein ohne Hinterfragung;
d)Problem: Das Problem in diesem Roman ist, dass ein zehnjähriges Mädchen aufgrund seiner Abstammung sterben muss lediglich aus dem Grund, dass Menschen, die es davor bewahren könnten ,aufgrund fehlender Zivilcourage nichts dagegen unternehmen, obwohl sie selbst nicht einmal Probleme zu erwarten hätten. ( Bürgermeister von Sierning, Cäcilia Grimm)
e)Thema: Leben und Tod eines Zigeunermädchens in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
f)Werte: Toleranz, Zivilcourage, Hilfsbereitschaft, Gefühl, Achtung aller Menschen, Bereitschaft zur Hinterfragung und zum Widerstand gegen sinnlose Vorschriften, Nächstenliebe, Vertrauen, aufopfernde Liebe.
C)PERSONEN:
1.Charakteristik der Hauptgestalten:
a) Sidonie Adlersburg: Sidonie wurde von ihrer leiblichen Mutter weggelegt und von Josefa Breirather als Pflegekind angenommen. Sie ist ein Zigeunerkind.Sidonie ist von einer heimlichen und doch lebhaften Schönheit, hat dunkle Haare und dichte Augenbrauen. Sie ist liebenswürdig, nett, lustig, kurzum ein gut erzogenes und lebenslustiges Kind. Sidonie hat wegen ihrer sichtbaren andersartigen Abstammung mit zahlreichen Vorurteilen zu kämpfen. Sie geht sehr gerne in die Schule und versteht sich mit ihrer Ziehschwester Hilde sehr gut. Sidonie stirbt im Alter von zehn Jahren im Konzentrationslager in Ausschwitz.
b) Josefa Breirather: Sie ist verheiratet mit Hans Breirather und hat einen leiblichen Sohn und zwei Pflegekinder Sidonie und Hilde. Sie ist größer als ihr Mann, hat braunes, glattes Haar, braune Augen, breite Backenknochen und ein festes Kind. Bevor sie Hans heiratete, arbeitete sie als Köchin bei einem Wirt. Zum Zeitpunkt der Handlung lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in einem Wohnhaus an der Letten- Straße in Sierning.
Sie ist eine liebevolle und fürsorgliche Mutter und setzt sich sehr für Sidonie ein. Josefa passt sich nicht dem System vor dem Zweiten Weltkrieg ohne Fragen an, sondern ist kritisch und lässt sich nicht unterdrücken. Sie zeigt Zivilcourage und hat Ausländern und Menschen anderer Abstammung gegenüber keine Vorurteile. Josefa ist gefühlvoll, verständnisvoll, fürsorglich und stark im Einsatz für ihre Kinder. Sie ist trotz ihrer schlechten finanziellen Lage bereit, Sidonie bei sich aufzunehmen. Josefa ist eine Person, die in dieser schrecklichen Zeit noch Menschlichkeit ins Leben bringt.
c) Hans Breirather: Er ist als jüngstes von sechs Kindern eines Landarbeiterehepaares 1899 geboren worden. Seine Mutter starb früh. Er hatte eine schwere Kindheit, durfte jedoch vier Jahre seines Lebens in die Schule gehen, die er aber schließlich, um zu Hause zu arbeiten, verlassen musste. Mit 17 Jahren wurde er zum Krieg einberufen, von dem er gesundheitlich geschwächt später zurückkehrte und in einer Waffenfabrik zu arbeiten begann.
Hans ist ein liebevoller und ebenfalls fürsorglicher Vater. Auch er passt sich nicht ohne nachzudenken, an den Nationalsozialismus an. Er zeigt Zivilcourage und setzt sich sehr für Sidonie ein. Hans ist seiner Frau sehr ähnlich.
2.Charakteristik der Nebengestalten:
Allgemeine Charakteristik der Nebengestalten: Bis auf die leiblichen Eltern von Sidonie, einer netten Nachbarin und den Geschwistern von Sidonie sind die Personen außer den Hauptgestalten unmenschlich und zeigen keine Zivilcourage, d.h. obwohl sie Sidonie, ohne dadurch selbst zu Schaden zu kommen, helfen könnten, berufen sie sich blind auf ihre Befehle und stürzen das arme Mädchen ins Verderben. Sie befolgen strikt ihre Anweisungen, sind überzeugt davon, dass die Regierung schon recht haben wird und machen es sich sehr bequem, in dem sie tatenlos zusehen, wie Sidonies glückliches Leben zerstört wird.
3.Gruppierung der Gestalten:
a) Menschen, die sich dem fanatischen Regim ohne nachzudenken unterordnen( Bürgermeister, Fürsorgerin, Pfarrer, Soldaten, die Zigeuner ins Konzentrationslager bringen) andere (Familie Breirather)
b) Menschen, die Zivilcourage beweisen (Familie Breirather) andere (Bürgermeister, Fürsorgerin)
D) FORM:
1.Aufbau der Handlung:
a) Sidonie wird weggelegt und von Josefa angenommen.
b) Abtransport Hans' ins Gefängnis:
c) Annahme von Hilde, Rückkehr von Hans.
d) Aufforderung zur Ãœbergabe von Sidonie an ihre leibliche Mutter.
e) Ãœbergabe.
f) Abtransport von Sidonie ins Konzentrationslager.
g) Leben von Familie Breirather nach ihrem Tod.
Die Handlung steigt bis zum Höhepunkt, der Aufforderung zur Übergabe von Sidonie an ihre leibliche Mutter. Die Haupthandlung ist die Handlung um das Schicksal Sidonies, die Nebenhandlung das Geschehen im Hintergrund um die Verurteilung vieler Menschen und die herrschenden Missstände.
In Abschied von Sidonie" finden wir eine streng gebaute, synthetische Handlung vor. Im letzten Kapitel fasst der Autor noch einmal alles zusammen und bringt einen Rückblick über das Geschehen.
Der Entwicklungsroman ist in elf Kapitel ohne Überschriften unterteilt. Es gibt keine Akte. Als Spiel und Gegenspiel könnte man die Beziehung zwischen der nach Gerechtigkeit strebenden Familie Breirather und den Großteil der Gesellschaft in ihrer Umgebung bezeichnen.
E) 1.WERKSTIL:
a)Literarische Strömung: Gegenwartsliteratur im 20. Jahrhundert.
Beim Werkstil ist mir aufgefallen, dass Erich Hackl am Ende des Romans Rückblicke auf die Handlung bringt. Ich konnte keine bühnenwirksamen Elemente finden.
Die Haltung des Autors ist optimistisch.
E) 2.SPRACHSTIL:
Wir finden sehr kurze, klare und überschaubare Sätze. Der Stil ist klar und leicht verständlich. Es gibt sehr viele direkte Reden, die jedoch nicht als solche durch Anführungszeichen gekennzeichnet sind z. B.: Ah so ist das, sagte Josefa. Es gibt weiters Sätze ohne Subjekt:z.B. Drehte sich um und ging hinaus." Sowie sonstige unvollständige Sätze wie Jetzt.Sofort."
Zu den Wörtern, die Erich Hackl verwendet, konnte ich herausfinden, dass er sowohl alte Ausdrücke wie z.B. buhlen" sowie Fremdwörter z.B."Alimentation" verwendet.
F) MERKSTELLE:
Seite 29 unten:
Als Josefa mit Sidonie im Arm ins Behandlungszimmer trat, schaute der Arzt kaum hin. Was soll ich verschreiben, wer zahlt denn das. Mein Mann, sagte Josefa. Wir sind Ihnen noch nie was schuldig geblieben. Schönauer winkte ab. Und Überhaupt. Wieso kommen Sie denn mit der Schwarzen zu mir. Gehört ja gar nicht her.
Ich habe diese Stelle als Merkstelle ausgewählt, weil sie zeigt, wie die meisten Nebengestalten in diesem Entwicklungsroman eingestellt sind: rassistisch. Sie haben sogar schon einem unschuldigen, kleinen Kind gegenüber Vorurteile, nur weil es anderer Abstammung ist.
Ich finde, niemand hat das Recht andere aufgrund ihrer Abstammung für geringer zu halten. Ich glaube, das wollte auch Erich Hackl auf eindrucksvolle Weise zeigen.
G) BESONDERHEITEN:
1.Inhalt: Teilweise finden wir eine nüchterne Beschreibung der Handlung, weil es sich nicht um ein Einzelschicksal handelt, das Sidonie ereilt, teilweise geht der Autor jedoch sehr genau auf Sidonie ein und wird subjektiv. Eine Besonderheit ist weiters, dass Erich Hackl uns zwischendurch immer wieder die Sicht des Kindes zeigt.Außergewöhnlich sind auch Einschaltungen von Hackl und die allgemeingültige Aussage, die er durch den Roman vermittelt (siehe Ideen).
2.Sprache: Wenn er objektiv beschreibt, verwendet Erich Hackl sehr kurze, klare, überschaubare Sätze. Er gebraucht außerdem viele Adjektive .
3.Form: Auf dem Deckblatt des Buches können wir lesen, dass Abschied von Sidonie" eine Erzählung sein soll. Die Darstellung und Aufbereitung der Handlung ähnelt aber vielmehr einem Entwicklungsroman.
H) WÃœRDIGUNG DES WERKES:
1.Stellung im Schaffen des Dichters:
Neben Abschied von Sidonie" verfasste Erich Hackl auch weitere Romane wie z.B. Sara und Simon" oder Auroras Anlass". Der Autor verarbeitet in seinen Werken mehrmals authentische Geschehnisse.
2.Stellung in der Literatur:
Abschied von Sidonie" ist sehr berühmt und wurde auch verfilmt, weil es auf packende Art und Weise das Schicksal vieler Menschen in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg darstellt.
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