Ohne einander
1.1 Die Darstellung der Thematik
Martin Walsers Roman "Ohne einander" erschien 1993 und knüpft thematisch an seine Novelle "Ein fliehendes Pferd" und den Roman "Brandung" an, indem er den Problemkreis der Vereinsamung, der Entfremdung des Individuums, der Beziehungslosigkeit, der Sexualität und vor allem der Kommunikationslosigkeit wieder aufgreift.
Weiterhin lässt sich in Walsers Roman die Kritik an der Gesellschaft als Thema wiederfinden.
In Walsers Roman "Ohne einander" spiegeln sich die aufgezählten Problemkreise im Leben der einzelnen Figuren des Romans wieder.
Allein wie es schon der Romantitel "Ohne einander" ausdrückt, gibt es kein Leben miteinander mehr, bzw. zwischen den Romanfiguren sonder es lebt jeder sein eigenes Leben, so dass es zu keiner Kommunikation zwischen den Romanfiguren mehr kommt.
1.2 Die Skizze des Inhalts
Der Roman "Ohne einander"(1993) handelt von einer Tragödie, der Familie Kern, in der es kein Miteinander mehr gibt. Die Handlungen des Romans spielen sich in München und am Starnberger See ab. In sich ist de Roman in drei Kapitel aufgeteilt, Ellen, Sylvi, Sylvio.
Ellen ist eine Mitarbeiterin beim Magazin DAS. Ihr Mann Sylvio ist von Beruf Apotheker, wurde jedoch Romanschriftsteller.
Als Ellen beauftragt wird einen philosometischen Bericht über den Film "Hitlerjunge Salomon" zu schreiben ist sie jedoch nur in Gedanken beim Ernest- Müller- Ernest (EME), der ein erfolgreicher Geschäftsmann ist. Unterstützung zu diesem Bericht, bekommt sie daher von Wolf Koltzsch, dem Fehlerverbesserer des Magazins, der als Gegenleistung jedoch die sexuelle Hingabe von Ellen verlangt.
Sylvi, die Tochter der Familie Kern, hat schon verschiedene Berufe hinter sich und hat sich nun schließlich für eine Sportart, das Surfen entschieden.
Eines Tages erhält Sylvi von ihrer Mutter den Auftrag, ihren Vater Sylvio und den Bruder Alf aus dem Haus zu schaffen, bevor Ernest bei ihnen zu Hause eintrifft. Sylvi schafft es jedoch nicht den Bruder und den Vater aus dem Haus zu schaffen und so kann sie ein Aufeinandertreffen von Sylvio und Ernest nicht verhindern. Das Aufeinandertreffen von Sylvio und Ernest verläuft jedoch so gut, dass es sogar zwischen den beiden zu einer freundschaftlichen Beziehung kommt, in der sich Ernest sogar um Sylvio kümmert, der sich nämlich den Knöchel verstaucht hat
Eines Tages nimmt Sylvi, Ernest mit zum Surfen an den Starnberger See mit, wo Ernest sich auch gleich in Sylvi verliebt. Als Ernest sich beim Surfen zuviel zutraut, ertrinkt er in dem vom Sturm aufgewühlten See.
Sylvio wird als Romanschriftsteller stets von dem Kritiker König, "Erlenkönig" genannt kritisiert, der auch großen Einfluß bei Sylvios Verleger Herzog hat. Zudem ist Sylvio noch Alkoholiker und nimmt auch von den Seitensprüngen seiner Frau Ellen kaum Kenntnis, oder sieht sie eher gelassen. In seinen Romanen verarbeitet er seine Erlebnisse und verleiht ihnen dabei wie er meint, erst die echte Wirklichkeit. Immer wieder bricht er in seitenlange Erfindungen mit seinen Romanfiguren aus, die alle der Wirklichkeit nachgebildet sind.
Als Annelie Franz hinzukommt, die Sylvios Romane gelesen hat, verführt sie ihn, woraus jedoch nur eine kurze Affäre wird, denn auch Sylvio ist Seitensprüngen, vor allem mit Bewundern seiner Romankunst durchaus nicht abgeneigt.
Der Alf Bruder ist eher eine Nebengestalt, da er tagelang in einer Halle, in seinem Lehnstuhl sitzt und nur vor sich hinträumt. Arthur, ein Posaunenspieler, der in Sylvi verliebt ist, spielt genauso wie seine Schwester Katharina, die mit ihren fünfzehn Jahren leichtlebig und unerfahren ist eine weitere Nebengestalt.
Die Charakteristik der sprachlichen Gestaltung des Werkes insgesamt
Martin Walsers Roman "Ohne einander" zeichnet sich besonders durch wortreiche Kleinheit aus. Denn auch dieser Roman lebt von einer Fülle von Details und Winzigkeiten.
Als Beispiel könnte man in dem Roman die genaue Beobachtung der Körperdetails hervorheben, der Hände (Seite 88), aber vor allem der Gesichtspartien, Augen, Nase, Mund und Ohren. Wie in einer Großaufnahme beschreibt Walser Sylvios Bewegung mit dem Mund und seine Ohren: "seine Lippen zu diesem Kußmündchen zusammenschob",
(Seite 110) oder "...diese großen Ohren..., die Ohren ihres Vaters seien noch nie so groß gewesen" (Seite 110).
Bei der Beschreibung der Surfpartien greift Walser, selbst Segler, auf die Fachsprache zurück, wobei der Leser mit Begriffen, wie "Schot", "Gabelbaum" (Seite 131), "pumpen" (Seite 149) und "Halse" (Seite 150) konfrontiert wird.
Vor allem schenkt Walser seine volle Aufmerksamkeit Nomen und Adjektiven bei Beschreibungen der Personen, wie: "...junger, freier, entwickelter, mutiger, fortschrittlicher" (Seite 182), "...vollkommen, unglaubwürdig, überwältigend" (Seite 183), bei einigen anderen Aufzählungen kann man auch von einem Nominalstil sprechen, wie: "Kapitalist, Kommunist, Anarchist, Atheist, Nationalist, Militarist, Pazifist, Satanist, Sadist, Masochist, Liberalist, Bestialist (Seite 20) und "... die Psychoanalyse, den Marxismus, Strukturalismus, Dekontruktivismus..." (Seite 187).
Seit seinem Schwächeanfall hat die Syntax bei ihm eine neue Bedeutung bekommen.
In der einfachen Parataxe, in Satzfetzen und Ellipsen ist das assoziative Denken der Figuren sprachlich umgesetzt, wie das folgende knappe Zitat belegen kann: "Die Verbindung war trostloser jetzt. Sie war trostlos. Eine reichwirkende Trostlosigkeit." (Seite 163).
Walsers bildreiche Sprache umfaßt Metaphern, Vergleiche, Wortspiele, Wortneuschöpfungen wie: "Selbstdurchschauungsunfähigkeit" (Seite 63), "Abwesenheitsdemonstration" (Seite 108) und "Restlosverschmelzungsphilosophie" (Seite 185).
Diese Wortschöpfungen bekommen besonders durch die Länge der Komposita besonderes Gewicht.
In diesen Neuschöpfungen und Metaphern formulieren die Personen Ihre momentanen Stimmungen, ihre Lebenssituation und die Deutung des Gegenübers.
Auffällig sind auch die häufigen Wortwiederholungen, die dabei mehrere Funktionen übernehmen.
Besonders gut lässt sich das an einem Beispiel zeigen wie: "Die Welt nicht liefern als Scheußlichkeit... nicht Scheußliches mehr sehen... als etwas scheußliches seine Scheußlichkeit (Seite 134).
Walser formuliert einen Gedanken mehrfach um, wenn ihm dieser besonders wichtig erscheint.
Die Wortwiederholungen verleiht dem Gedanken besonderen Nachdruck und macht auch bei einigen auf Schlüsselworte aufmerksam. "Aussicht" (Seite 82)", "Hexe" (Seite 141).
Eine weitere Besonderheit fällt auch immer wieder im Roman auf:
Die Umgangssprache, die zwischendurch immer wieder im Roman auftaucht. "Na dann machen Se' s doch passend, ich wart' derweil." (Seite 219), "Feigling find' ich 'ne großes Buch." (Seite 219).
2.2 Die detaillierte sprachliche Analyse einer typischen Passage
...,,Es klopfte, eintrat der Studienrat.
Ex officio komme er, aber con amore. Zu diesem Spruch verbeugte er sich so gut es ging.
Wenn sie hier Namen zu vergeben hätte, hieße der Alberich oder Mime. Dass das zwergenhafte boshafte herausgekommen wäre. Studienrat, dieses durchaus harmlose Wort erhielt in Verbindung mit diesem heuchlerischen Finsterling eine geradezu dämonische Ladung.
Ellen kritisierte jeden, der Wolf Koltzsch in ihrer Gegenwart Studienrat nannte.
Ellens Vater war Oberstudienrat gewesen. Französisch und Latein. Ihr geliebtes Französisch hatte sie von ihm.
Er hatte sich frühzeitig pensionieren lassen müssen. Zu wenig Humor hatte er gesagt. Ihm sei der Humor vergangen.
Und war gleich gestorben.
Il faisait ses adieux. Die Mutter hatte die Todesursache Seeleninfarkt genannt.
Koltzsch sollte man nicht Studienrat nennen, sondern Tartuffe. Aber darin käme das körperliche zu wenig vor. Die kurzen Beine, der lange Oberkörper, dieser riesige Kopf, der schleichende Gang, die lauernde Haltung.
Und dazu noch dieser komische Bart, der auf dem sonst so spiegelglatt rasiertem Gesicht so umgehängt wirkte. An den Ohren aufgehängt -, so sah dieser Bart aus. Eigentlich wartet man andauernd darauf, dass Koltzsch diesen Bart lachend abnehme und in den nächsten Papierkorb werfe. Man wartete vergeblich. Und wie der dieses Gesicht, dass er meistens leicht nach vorne gesenkt trug, plötzlich heraufschraubte. Er hob es nicht einfach, sondern beschrieb eine Kurve, als müsse er, um aus seiner Lauer aufzutauchen, Schwung nehmen"...
In der voran aufgeführten Passage lassen sich einige besonders auffällige sprachliche Besonderheiten feststellen. Zuerst einmal fällt auf, dass es sich um einen Kurzsatzstil handelt, der unter anderem durch die Anhäufung von Parataxen zu erkennen ist. "Die kurzen Beine, der lange Oberkörper, der riesige Kopf...". Durch diese Schreibform wird das Aussehen und die Bewegung der Person Koltzsch genauestens beschrieben und auch gleichzeitig damit charakterisiert. Auch die äußerst knappen sprachlichen Mittel sind besonders auffällig, welche oft dann eine bestimmte Kommunikationssituation betreffen. "Man wartete vergeblich. Und wie der dieses Gesicht,..."
Die Mimik und die Gestik der Figuren, werden durch Anhäufungen von Adjektiven besonders deutlich dargestellt und beschrieben. Wie zum Beispiel: "Der riesige Kopf," "...schleichende Gang..." "... lauernde Haltung..." drücken eine gewisse Gestik aus.
Besonders deutlich hervorgehoben werden die Körperdetails, weshalb man hier auch von einer bildhaften Sprache sprechen kann. "An den Ohren aufgehängt -, so sah dieser Bart aus."
Durch diese bildhafte Sprache sind die Figuren viel leichter für den Leser vorzustellen.
Einige Wortwiederholungen, wie sie aber nicht nur hier in der typischen Passage auftauchen, sollen auf besondere wichtige und bedeutende Sachen aufmerksam machen. Wortwiederholungen tauchen meist in Sätzen hintereinander auf. "Zu wenig Humor...". "Ihm sei der Humor...". Dieses Wort "Humor" hat im Bezug auf Ellens Vater eine hohe Bedeutsamkeit, da er ja anscheinend an seinem ihm schon längst vergangen Humor gestorben war. Somit hat dieses Wort "Humor" eine sehr bedeutende Funktion für Ellens Vater gehabt.
Außergewöhnlich in dieser Sprachform sind die Fremdspracheneinschübe, wo es sich einmal um Französisch "Il faisait ses adieux" und dann noch mal um Latein "Ex officio komme er, aber con amore" handelt. Diese Fremdspracheneinschübe kommen jedoch nicht nur in dieser Passage vor, sondern tauchen immer wieder im ganzen Roman auf. Weiterhin fällt auf, dass in Sätzen, wo Ellen von W. Koltzsch redet der Konjunktiv gebraucht wird, womit deutlich ausgedrückt wird wie es vernünftiger oder besser wäre ihn zu nennen. "Koltzsch sollt...".
2.3 Die Frage nach der Angemessenheit der sprachlichen Mittel
Die sprachlichen Mittel sind im Bezug auf den Inhalt schon angemessen, da sie auf den Inhalt deutlich bezogen sind und auch Zusammenhänge klar machen. Dies kommt zum Beispiel bei den Fremdspracheneinschüben vor, welche im Roman von Ellen ausgehen und somit ihre Fremdsprachenkenntnis mit einbeziehen. Eine hohe Bedeutsamkeit haben diese Fremdspracheneinschübe besonders für den Leser, da er dadurch auf eine wichtige Stelle im Text hingewiesen wird und zwar ohne eine Vorankündigung. Die Wiederholungen einiger Sätze machen auf inhaltlich wichtige Aspekte aufmerksam und sind durch diese Wiederholung für den Leser kaum zu übersehen.
Aufgrund der kurzen Sätze, die für diesen Roman typisch sind, kann es schon mal vorkommen, das der Leser den Satz noch einmal lesen muss, um den Inhalt richtig erfassen zu können.
Allgemein lässt sich trotz einiger sprachlichen " Hindernisse" für den Leser der Inhalt erfassen, da der Leser immer wieder aufs Wichtige hingewiesen wird.
3.1 Die Biographie des Autors
Martin Walser wurde am 24. März in Wasserburg am Bodensee geboren. Walsers Eltern besaßen einen kleinen Gasthof und so wurde der wirtschaftliche Konkurrenzkampf einer der stärksten Kindheitserinnerungen denen er im Familienleben ausgesetzt war. Außer der Gastwirtschaft betreiben die Walsers nebenbei einen kleinen Kohlehandel, wo von dem 11 Jahre alten Martin auch körperlicher Einsatz für seine Familie abverlangt wurde, als sein Zuckerkranker Vater mit 49 Jahren starb. Walsers Mutter, die von einem Bauernhof stammte, übernahm das Geschäft und führte es mit Ihren drei Söhnen weiter.
Das der junge Martin sich so unsicher und minderwertig fühlte, lag wohl an dem, auf die Familie demütigend wirkende, Schicksal des Vaters.
Die persönlichen und familiären Erlebnisse erklären wahrscheinlich Walsers einfühlsame Porträts von sozial verunsicherten und Versagern in seinen Hörspielen, Theaterstücken und Romanen.
Martins Mutter überstand die Krisen mit Hilfe ihres katholischen Glaubens, der ihr auch über den Nationalsozialismus hinweggeholfen hatte.
Von 1938- 1943 besuchte Walser die Oberschule in Lindau und kam dann 1944-45 zum Arbeitsdienst und zum Militär.
1946 holte Walser sein Abitur nach, da er 1943 als Flakhelfer eingezogen worden war.
Im September 1946 immatrikulierte sich Walser an der theologisch- philosophischen Hochschule Regensburg, wo er sich besonders eng dem Studententheater anschloß und ihm die Studentenbühne wichtiger wurde als das Studium.
1951 wurde er bei Friedrich Beissner mit der Beschreibung einer Form, Versuch über die epische Dichtung Franz Kaffkas (Tübingen 1952) promoviert.
Durch die Arbeit am auf der Bühne verschaffte Walser sich Kontakte, als er dann im April 1948 nach Tübingen wechselte.
Durch Heinz Schoeppes Fürsprache wurde Walser in das Tübinger Ensemble aufgenommen, wo er sich als Schauspieler, Texter und Organisator betätigte.
Im Jahre 1948 fand die Währungsreform statt, was zur Folge hatte, dass seine Mutter ihm das Studium nicht mehr bezahlen konnte. Durch seine Theaterbeziehungen bekam er das Angebot nach Stuttgart in den Rundfunk zu gehen um selber Geld zu verdienen.
Die Notwendigkeit Geld zu verdienen verstärkte sich, als er 1950 Katharina Neuner- Jehler, die wie Walser aus einem Gasthaus stammte, heiratete und dann auch 1952 ihre erste Tochter geboren wurde.
Von 1949-57 war Walser Mitarbeiter beim Süddeutschen Rundfunk und Fernsehen, was für ihn auch eine willkommene Einkommensquelle war.
Walsers Tätigkeit für den SDR war sehr vielschichtig.
Da man ihn im Kabarett in Tübingen kennengelernt hatte, wurde er zuerst in die Unterhaltungsabteilung geschickt, dann arbeitete er in der politischen Abteilung als Reporter, bevor er dort kurzfristig Redakteur wurde.
1953 stieß Walser zur Gruppe 47, wo er des Kaffka- Epigonentums bezichtigt wurde.
Zwei Jahre später jedoch wurde er für seine Erzählung des Bandes "Ein Flugzeug über dem Haus und andere Geschichten (1955) mit dem Preis der Gruppe ausgezeichnet.
In der Folgezeit führten ihn Vorlesungsreihen zur Poetik u.a. in die USA, eine Erfahrung, die sich vor allem im Roman Brandung (1985) niederschlug.
1981 erhielt Walser den Georg- Büchner- Preis und 1987 das Bundesverdienstkreuz.
Walsers erster Roman "Ehen in Philipsburg"(1937), beschreibt die Karrieregesellschaft in einer süddeutschen Großstadt.
Ein weiterer Roman wo der Antiheld Anselm Kristlein heißt ist der Roman "Halbzeit"(1960).
Erweitert wurde die Trilogie mit:,, Das Einhorn"(1966) "Der Sturz" (1973). Im Roman "Halbzeit", ist eine spöttische Bestandsaufnahme der bundesrepublikanischen Gesellschaft der 50-er Jahre.
Um Anpassung und gesellschaftliches Fortkommen geht es auch in Walsers Theaterstück "Eiche und Angora"(1962). Ein weiteres Stück "Zimmerschlacht" (zusammen mit " Der Abstecher"; 1967), karikierte Walser das Rollenverhalten in einer Ehe.
Der Roman " Brief an Lord Liszt"(1982)ist die Selbsttherapie einer schweren narzißtischen Störung, der Abstieg in einer Privathöhle. Walsers Helden schämen sich unentwegt kleinster Vergehen und entwickeln Schuldgefühle, die ihnen schließlich über den Kopf wachsen.
In "Verteidigung der Kindheit" (1991), lässt W. seinen Helden Alfred Dorm das Leben als
Erwachsenen verweigern.
Weitere Werke:
- Prosa Lügengeschichten nach 1964: Fiction 1970; Die Gallistl'sche Krankheit 1972; Jenseits der Liebe 1976; Ein fliehendes Pferd 1978; Seelenarbeit 1979; Das Schwanenhaus 1980; Brandung 1985; Dorle und Wolf 1987; Jagd 1988; der Gedichtband Zauber und Gegenzauber (1995).
- Dramen: Überlebensgroß Herr Krott (1964); Der Abstecher(1967); Ein Kinderspiel (1970); In Goethes Hand (1982) und Die Ohrfeige (1986).
Zahlreiche Werke Walsers wurden auch verfilmt, darunter: Eiche und Angora (1964), Das Einhorn (1977), Der Sturz (1978), Ein fliehendes Pferd (1986).
3.2 Die Stellung des Werkes in der Vita des Autors
Martin Walsers Roman " Ohne einander" erschien 1993 und wurde vom Suhrkamp Verlag veröffentlicht. Thematisch knüpft der Roman "Ohne einander" an Walsers vorherigen Werke, der Novelle, ein fliehendes Pferd und dem Roman Brandung an. Die Novelle und der Roman gelten auch als zwei seiner besten Arbeiten.
Weiter ist jedoch leider nichts über die Stellung des Werkes in der Vita bekannt.
Ist die Thematik ein abstruser Einzelfall oder wird mit dem Besonderen auch Allgemeines erfaßt?
Die Thematik des Romans " Ohne einander" ist kein Einzelfall, sondern erfaßt auch Allgemeines.
Allein wie es der Titel des Romans " Ohne einander" schon ausdrückt, gibt es unter den Figuren im Roman kein leben miteinander mehr, sondern jeder isoliert sich vor dem anderem und lebt nur noch für sich. Diese Isolation der Menschen und das jeder nur noch für sich im Leben kämpft, spiegelt der Roman auf die heutige Gesellschaft bezogen sehr gut wieder. Denn auch heute ist immer deutlicher zu sehen, dass es nur noch um den Kampf des Einzelnen in unserer Gesellschaft geht und nicht mehr der gemeinsame Kampf und Zusammenhalt unter einander besteht.
Sehr deutlich sieht man diese "Kämpfe" untereinander in der Berufswelt, wo jeder Einzelne darauf bedacht ist Karriere zu machen und dabei das Miteinander leben gar nicht mehr beachtet. Auch dieses Thema, der Kampf des Einzelnen im Berufsleben wird im Roman sehr gut wieder gespiegelt. Ganz besonders deutlich wird das an den Figuren, Ellen, die als Redakteurin versucht weiter auf zusteigen und ihr Mann Sylvio der mit seinen Romanen erfolgreich werden möchte. Obwohl Ellen und Sylvio sich gegenseitig unterstützen könnten kämpft jeder für sich alleine.
Ein weiteres zentrales Thema im Roman ist das Fremdgehen der Figuren untereinander, wie es bei Ellen und Sylvio vorkommt, obwohl sie ja verheiratet sind. Aber wie auch schon im Roman geschildert ist es für Sylvio und Ellen unbedeutend, ob einer von ihnen ein Verhältnis mit jemand anderem hat.
Diese Gleichgültigkeit wie sie in Sachen Beziehung im Roman dargestellt werden, ist auch heut zu Tage kein Einzelfall mehr, sondern schon fast alltäglich. In unsere Gesellschaft wird das Thema "Fremdgehen" in den meisten Beziehungen nicht mehr groß angesprochen, sondern wird einfach geduldet.
Auch die Ehe an sich, wie sie im Roman zwischen Ellen und Sylvio dargestellt wird, ist in der heutigen Zeit schon normal. Dieses aneinander vorbei leben und das Desinteresse gegenseitig, wie es die Ehe von Sylvio und Ellen widerspiegelt, kommt in vielen Ehen unserer Gesellschaft auch vor.
Gelingt über die gewählten Inhalte die Kontaktaufnahme zur Leserin / zum Leser ?
Meiner Meinung nach gelingt die Kontaktaufnahme zur Leserin / zum Leser recht gut, da die Themen die im Roman dargestellt werden auch noch heute sehr aktuell sind. Die Themen die auch noch in der heutigen Gesellschaft auftauchen sind sie somit für den Leser / die Leserin auch interessant.
Da der Autor sehr bildlich und detailliert schreibt, kann sich der Leser /die Leserin alles genau vorstellen und vielleicht auch in die eine oder andere Figur hineinversetzen.
Anhand der aufgezählten Kriterien würde ich den Roman nicht als sperrig, oder als eine Qual ansehen.
Die Bedeutung der Stilistik für die Rezipienten: "lesbar" oder nicht ?
Um Wiederholungen zu vermeiden lesen Sie sich bitte den Punkt 2.3 und den Punkt 4.1.1 durch.
Dabei finden Sie die Antworten auf die in der Ãœberschrift formulierte Frage.
Skizze eines produktorientierten Interpretationsansatzes
Zu dem Roman " Ohne einander" lassen sich einige Biographische Bezüge zwischen M. Walsers Leben und dem Roman ziehen.
Schon in früherer Kindheit lernte Walser das Konkurrenzdenken. Seine Eltern besaßen einen Gasthof und als sein Vater stirbt muss er den Kohlehandel weiterführen den sein Vater nebenbei betrieben hatte.
Und diesen Aspekt des "Konkurrenzdenkens" in der Gesellschaft greift Walser in seinem Roman wieder auf, was sich sehr deutlich an den Figuren Sylvio und Ellen widerspiegelt. Die Figuren Sylvio und Ellen sind nämlich auch sehr deutlich vom Konkurrenzdenken geprägt, da jeder nur an seinen eigenen Erfolg und sein eigenes Wohl denkt und nicht dabei dem anderem hilft.
Ein weiterer Aspekt der zu vergleichen ist, ist Walsers Heimat, die er in dem Roman mit einbezieht
Geboren ist Walser nämlich in Wasserburg am Bodensee.
In dem Roman gibt Walser den Starnberger See und München als Schauplatz an, welche sich in gewisser Weise mit seiner Heimat vergleichen lassen, da sie von der Umgebung und Lage ähnlich sind.
Das Haus der Familie Kern liegt direkt am See, wie es im Roman genaustens beschrieben wird.
Es lässt sich auch ein Bezug zwischen Walsers Hobby, dem Segeln und dem Roman finden.
Die Romanfigur Sylvi ist nämlich leidenschaftliche Surferin und kann durch das Surfen mit Walsers Hobby gleichgesetzt werden. Im Roman lässt sich nämlich gut der Bezug vom Surfen zu Walsers Segeln zeigen, da er Fachwörter ohne weiteres mit einbezieht und auch ansonsten über die Sportart genauste Informationen liefert.
Zum Schluß lässt sich noch eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen Walsers Jugend und der Romanfigur W. Koltzsch zeigen. Früher hatte Walser immer Angst vor der Schule, wo auch noch Minderwertigkeitsgefühle hinzu kamen. Und da diese Ängste des Jugendalters mit der Midlife-crisis eng zusammenhängen, versucht Walser seine Gefühle mit der Figur W. Koltzsch auszudrücken, wo möglich zu verarbeiten. Denn W. Koltzsch will immer noch jung und sportlich bleiben, was sich im Roman sehr deutlich an den Gefühlen zu der jungen Sylvi zeigt, mit der er auch später noch surfen geht, trotz seines hohen Alters.
Allgemein lässt sich sogen, dass es viele Figuren im Roman gibt die Bezüge zu Walsers Leben darstellen und somit auch verkörpern.
Zusammenfassende Darstellung der Rezeptionsgeschichte
Zu diesem Roman, gab es aus Gründen des späten Erscheinungsdatums (1993) keine Materialien zur Erfassung der Rezeptionsgeschichte.
Zusammenfassendes Urteil
Insgesamt lässt sich zu dem Roman " Ohne einander" sagen, dass es in Sprache, Aufbau und Inhalt ein eher traditioneller Roman ist, in dem die Realität der heutigen Zeit widergespiegelt wird.
Es ist jedoch ein anspruchsvoller Roman, der den Leser/ die Leserin auch mal zum wiederholten lesen zwingt und damit auch zum nachdenken anregt, was es zum Beispiel mit der Umgangssprache, oder den Fremdsprachen im Roman auf sich hat.
Trotz einiger "Leserhindernisse" erfaßt der Leser/ die Leserin jedoch immer wieder den Inhalt des Romans und wird auf die wirklich wichtigen inhaltlichen Sachen hingewiesen. (siehe 2.3)
Weiterhin ist der Roman teilweise auch spannend geschrieben, da er folgendes erst einmal dem Leser /der Leserin vorenthält und damit Anregungen zur eigenen Phantasie lässt.
Allgemein lässt sich der Roman weiter empfehlen, wobei er nicht als Bettlektüre geeignet ist, da er wie schon die oben angesprochenen "Leserhindernisse" enthält und der Leser/ die Leserin dabei schon etwas tiefgründiger lesen muss, um den Inhalt auch richtig erfassen zu können.
8. Literaturverzeichnis
Autorenbücher: Herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold und Ernst- Peter Wilckenberg
Herausgegeben von C. H. Beck' sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck) München 1980.
Marcel Reich- Ranicki: Martin Walser
Herausgegeben 1994 vom Amman- Verlag und Co. Zürich
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