Die schlimmen Buben in der Schule
Johann Nepomuk Nestroy: * 7. 12. 1801 in Wien, † 25. 5. 1862 in Graz;
Er schrieb viele seiner Werke vor der Revolution im Jahre 1848 und kritisierte darin die Gesellschaft des Metternichsystems. In dieser Zeit entstanden auch nahezu alle seiner Possen[1], die sich in Zauberpossen (z.B. "Der böse Geist des Lumpazi Vagabundus", 1833), Charakter - possen (z.B. "Der Talisman", 1840; "Einen Jux will er sich machen", 1842) und Revolutionspossen (z.B. "Zu ebener Erd und im ersten Stock", 1835) einteilen lassen.
Das Stück "Die schlimmen Buben in der Schule" ist eine Burleske[2]. Wie bei den meisten seiner Werke hat Nestroy den Stoff aus Frankreich übernommen und ihn dann weiter bearbeitet. In diesem Fall diente Locroys "Maître d'école" zur Vorlage. "Die schlimmen Buben in der Schule" wurde am 10.12.1847 zur Feier der Eröffnung des Wiener Carl-Theaters uraufgeführt.
Die Hauptpersonen der Handlung sind der Baron von Wolkenfeld, ein Gutsbesitzer, Wampl, der provisorische Lehrer in der Schule des Gutsbesitzers, Landrat Sternau, der Schulaufseher Franz Rottmann sowie die Schüler Stanislaus, der Sohn des Gutsverwalters Wichtig und Willibald, der Sohn der Wirtschafterin Schnabel.
Die Schule am Gutshof soll nach dem Willen des Gutsbesitzers aufgelöst werden, wodurch Wampl seine Stelle verlieren würde. Wampl schafft es kaum, seine Schüler dazu zu bringen, ihre Pflichten zu erfüllen. Besonders von Wampl gehaßt ist Willibald, den er in Gegenwart von Willibalds Mutter prüft.
Als nun eines Tages an einige Schüler zur Belohnung Bücher verteilt werden sollen, will Wampl alle Bücher Stanislaus schenken. Dieser ist zwar auch ein miserabler Schüler, jedoch erhofft sich Wampl dadurch, den Gutsverwalter für sich zu gewinnen und so eine Gehaltserhöhung zu bekommen und den Weiterbestand der Schule zu sichern. Daraus wird jedoch nichts, denn der Baron kündigt an, selbst alle Schüler zu prüfen und dann die Bücher an die besten Schüler zu verteilen. Da keiner von Wampls Schülern die Prüfung bestehen würde, und damit seine Unfähigkeit bewiesen wäre, bittet dieser den Aufseher Rottmann um Hilfe. Rottmann schlägt vor, den Schülern die Fragen aus der Liste in festgelegter Reihenfolge zu stellen. Jeder soll einen Zettel mit der Antwort auf seine Frage in der vor ihm auf dem Tisch liegenden Kappe unterbringen. Falls der Schwindel gelingt, würde Rottmann Nettchen, Wampls Tochter zur Frau bekommen. Willibald bringt die anderen Schüler dazu, die Zettel zu vertauschen, um so den Lehrer zu blamieren. Während der Prüfung stellt sich allerdings heraus, dass Wolkenfeld taub ist. Deshalb hält er alle Antworten für richtig und gibt so jedem Schüler ein Buch. Wampl will nun Stanislaus mit einer Medaille auszeichnen, um doch noch sein Ziel zu erreichen. Aber auch das versteht der Baron falsch und gibt die Medaille dem Schüler Ries, der am selben Morgen dabei erwischt wurde, als er Birnen stahl. Wolkenfeld gibt nun bekannt, dass die Schule aufgelöst wird, jedoch wird Wampl mit seinem vollen Gehalt in Ruhestand versetzt und Rottmann wird als Lehrer in die Schule der nächsten Stadt versetzt und darf außerdem Nettchen heiraten.
Die eben erzählte Handlung ist jene der Originalfassung. Diese Fassung wurde von der strengen Zensur des Metternichsystems abgewiesen und so war Nestroy gezwungen, das Stück so umzuschreiben, dass nicht die Schule kritisiert wurde, sondern der Lehrer als Betrüger dargestellt wird. Um den Eindruck der Kritik am Staat weiter abzuschwächen, hat Nestroy bereits in der Originalfassung eine private Schule als Ort der Handlung gewählt. Nestroy hat allerdings, nachdem sein geändertes Stück die Zensur passiert hatte, in vielen Aufführungen wieder - eigentlich verbotene - Teile der Originalfassung verwendet.
Nestroy hat in vielen seiner Stücke versucht, die Gesellschaft und ihre Institutionen, in diesem Fall die Schule, zu kritisieren. Hier stellt er die Schule als "verkehrte Welt" dar.
Nestroy deutet auch an mehreren Stellen an, dass man den Großteil des Wissens, das in der Schule vermittelt wird, im Leben nicht braucht, hingegen jenes Wissen, das man im Leben oft dringend brauchen würde, in der Schule nicht gelehrt wird.
Der Kritiker des Schulsystems tritt in diesem Stück in der Person des Schülers Willibald auf, der dem Lehrer mit Lebensweisheit anstatt stur auswendig gelernten Lektionen begegnet, was diesen völlig aus der Fassung bringt. Außerdem durchschaut Willibald das herrschende System der Lügen, Protektion und Korruption. In diesem Punkt hat Nestroy die Schule nur als Beispiel genommen, die eigentliche Kritik gilt dem gesamten Staatsapparat, der gesamten Gesellschaft. Er zeigt hier, dass die Schule nicht ausschließlich eine "verkehrte Welt" ist, sondern auch ein Spiegelbild der Gesellschaft.
[1] Posse: volkstümliches, komisches Theaterstück ohne Anspruch auf Belehrung
[2] Burleske: Schwank, Posse
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