Schöne Tage

Franz Innerhofer wurde am 2. Mai 1944 in Krimml bei Salzburg als unehelicher Sohn einer Landarbeiterin geboren. Mit sechs Jahren kam er auf den Bauernhof seines Vaters, wo er von 1950 bis 1961 lebte und arbeitete. Anschließend absolvierte er eine Schmiedelehre bis er zum Militärdienst einberufen wurde. Ab 1966 besuchte er das Gymnasium für Berufstätige und studierte einige Semester Germanistik und Anglistik an der Universität in Salzburg. Er lebte von 1973-1980 als freiberuflicher Schriftsteller, u. a. in Arni bei Zürich ( Schweiz ). Danach übte er verschiedene Tätigkeiten unter anderem auf einer Bauhütte und im Buchhandel aus. Franz Innerhofer erhielt auch verschiedene Preise:

1973: Österreichisches Staatsstipendium für Literatur

1975: Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen und den Rauriser Literaturpreis

1976/77: Förderaktion für zeitgenössische Autoren des Bertelsmann Verlages

Franz Innerhofer brachte "sprachloses Leiden" zur Sprache. Er hat von sich und von denen, die lebten wie er, die arbeiteten wie er und die litten wie er, gesprochen. Er hatte die Worte wie das Brennholz eingesammelt, um der sprachlosen Wut, der ohnmächtigen Empörung und dem stummen Leiden einen Namen zu geben. Er beschrieb in der Figur Holl:

seine Kindheit

seine Jugend

sein Dasein als "Leibeigener" auf dem Bauernhof seines eigenen Vaters Franz Innerhofer war elf Jahre lang: Knecht, dann Lehrling, Arbeiter, Abendschüler und Student. "Schöne Tage" hieß Franz Innerhofers erster Roman, mit dem er auf Anhieb berühmt wurde.

F. Innerhofer hat mit Sprachphilosophie nichts im Sinn. Ihn bedrückt, bedrängt, überwältigt die Wirklichkeit. Solange die Realität wie ein Druck auf ihm lastet, stellt sich die Frage nicht, wie die Realität bestimmt wird. Der Druck der realen Verhältnisse hat einen Eindruck hinterlassen:

Spuren

Narben

Ränder Diesen Eindruck zu beschreiben hat sich Innerhofer vorgenommen. Mit "zu beschreiben" meint er aber: sie zur Sprache zu bringen. Insofern hat Innerhofer, und so vielleicht doch etwas mit Philosophie zu tun. Franz Innerhofer hat sich dazu verpflichtet, die wesentliche Intention (= das sprachlose Unrecht, das Schweigen, hinter dem sich das Leiden verbirgt), zur Sprache zu bringen. Das sprachlose Leiden ist nicht zuletzt sein Leiden. Ihn bedrängt, bedrückt die Wirklichkeit, seine Wirklichkeit. Er bringt sie zur Sprache, gibt dem Leiden Ausdruck, dem Schweigen Worte und er stellt zunehmend Fragen, nach dem Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit. Die drei Romane Innerhofers können nur begriffen werden, wenn sie als Einheit begriffen werden:

Als Beschreibung eines Prozesse, der gleichsam auf zwei Ebenen verläuft, weil erst das Resultat dieser Entwicklung ihre Beschreibung ermöglicht, also das, was im dritten, bislang letzten Buch beschrieben ist, die Voraussetzung des ersten darstellt.

1. "Schöne Tage"

Innerhofer ist wie Holl, die Figur seiner Romane, als Sohn einer Landarbeiterin in der Nähe von Salzburg geboren, unehelich. Mit sechs Jahren wurde er auf den Hof seines Vaters gesteckt, weil ihn seine Mutter nicht einmal mehr durchbringen konnte. Elf Jahre lebte er dort als Knecht, als "Leibeigener". Und "lebte", das heißt hier einzig und allein "arbeitete", obwohl noch ein Kind, vom Sonnenaufgang bis in die späten Abendstunden. Jeglicher Willkür wehrlos ausgesetzt, von den Kindern, seinen Halbgeschwistern, als Knecht gedemütigt, von den Knechten als Bauernsohn verachtet, eben der letzte Dreck, gerade gut genug zum Arbeiten. Leben und Arbeiten waren unmittelbar eins. Das sprachlose Kind, einfach Holl genannt, ohne Vornamen, hat sich seine Identität im direkten Sinn des Wortes, der Not und dem Zwang folgend, erarbeitet. Sein Leben war Arbeit. Im Zuge der immer mehr fortschreitenden Technisierung der Landwirtschaft machte er sich notgedrungen mit den Maschinen, die Stück für Stück auf dem Hof angeschafft wurden, vertraut und schließlich war er der einzige, der wirklich etwas davon verstand. Das einseitige Abhängigkeitsverhältnis begann sukzessive in ein wechselseitiges umzuschlagen. Das bloße Objekt, in fremden Händen, begann sich freizuarbeiten. Aus Holl, "man dachte die Menschen auch nur im Zusammenhang mit Handgriffen" wurde allmählich FRANZ Holl, ein ICH, mit dem Recht auf (s)einen eigenen Namen.

"Arbeiten, das Beherrschen von Arbeitsgängen und das Lernen und Beherrschen von Arbeitsgängen und der völlige Verzicht auf sich selbst waren das Um und Auf. Dazu gehörte das Bescheidwissen, das Wissen um jedes Gerät, das Wissen um alle Aufbewahrungsorte, im Haus, in den Geräteschuppen um das Haus, auf dem Zulehen auf den Almen, das Im-Kopf-haben von Grundstückslagen, von Hängen, Nocken, Steinen, Pfützen, Gräben, das Im-Kopf-Haben von Viehbeständen, das Wissen um Viehverhalten, um Mensch-Vieh und um Vieh-Mensch-Verhalten.

Nur indem Holl gelernt hatte, in der ärgsten Sommerhitze, Nachmittag für Nachmittag den übelsten Launen ausgesetzt, barfuß die schwierigsten Situationen zu meistern oder nicht zu meistern und dann noch zu meistern, war es ihm nun möglich, trotz Arbeit seine Welt mit etwas Licht zu beschicken.

Nur indem er sich bis um die Ohren mit Arbeit überzog, konnte er sich wenigstens bei Tag vor den gröbsten Zugriffen der Natur in Sicherheit bringen. Zwar hatte es vieler blutig gestoßener, aufgerissener Ohrläppchen, brennender Wangen, Hautabschürfungen, gehirnlähmenden Geschreis und anderer Unannehmlichkeiten bedurft, bis der Bauer ihn soweit hatte, aber nun Holl diese Hürden hinter sich, so dass er sich gegen die anderen Schikanen wenden konnte. Die Arbeit war seine Rückendeckung und Gesichtsmaske zugleich."

Die seit 1974 umlaufende Trendformel von der "neuen Subjektivität" erscheint, von Innerhofer her betrachtet, in einem anderen Licht: der Rückbezug auf das Subjekt stellt sich nicht als Abkehr von der Politik dar, im Gegenteil. "Schöne Tage", "Schattseite" und "Die großen Wörter", alle drei Romane autobiographisch bis in die letzten Details hinein, erweisen es (wie kaum ein anderes Werk der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur). Es geht nämlich, kaum anders als im traditionellen bürgerlichen Bildungsroman, um den Prozeß einer Subjekt-Werdung, allerdings unter den (veränderten) Bedingungen gegenwärtiger Gesellschaft und den entsprechenden Folgen dieser Bedingungen auf das, was sich als Subjekt begreifen, was sich (s)eine Subjektivität erarbeiten will.

2. "Schattseite"

"Schattseite", der zweite Roman, setzt an, wo die "Schönen Tage" enden. Allerdings mit einer bemerkenswerten Modifikation. Der Eindruck von Unmittelbarkeit des ersten Buches, das so faszinierend wie bedrückend einen (uns Urlaubsgästen) exotisch anmutenden Zug der ländlich-alpinen Idylle entwirft, die grausame Brutalität eines "gemütlichen Knechtschaftsverhältnisses" (Marx) enthüllt, verdankt sich einem erzählerischen Kunstgriff. Innerhofer schreibt in der dritten Person.

Er schafft sich damit den Abstand, der zwar kaum denkbar erscheint, jedoch notwendig ist, um das ganze sprachlose Elend zur Sprache zu bringen. Erst durch diesen Kunstgriff konnte es ihm gelingen, eine eben vermittelte Unmittelbarkeit zu erzeugen. Mit dem Wechsel der Erzählerhaltung in der "Schattseite", von der dritten zur ersten Person, verzichtet Innerhofer auf dieses Mittel. Das Ich hat sich herausgearbeitet, und nun muss es sich auch präsentieren: als Ich. "Schattseite" ist erklärtermaßen die Fortsetzung der "Schönen Tage" - mit anderen Mitteln und einem anderen Resultat, das wieder rückbezogen sein will auf den Ausgangspunkt.

Holl geht. Er verlässt den Hof seines Vaters, um eine Lehre zu beginnen, um Arbeiter zu werden. Er hat es jedoch nicht einfach, denn er erkennt bald: "Nichts ist leichter, als einem Lehrling mit dem Arbeitsgang gleichzeitig auch zu zeigen, dass er ein Idiot ist. Aber diese Einsicht in konkrete Abhängigkeitsverhältnisse, in die Wirkungsweisen sozialer Zwänge, denen er wie die anderen unterworfen ist, bringt bzw. hält den Prozeß in Gang. Er erkennt zunehmend, nicht ohne fremde Hilfe, nicht ohne neues Leiden, setzt seine Erkenntnisse in Sprache um, begreift und zweifelt an den Begriffen, die ihm vorgesetzt werden. Er reflektiert, spiegelt sich in seinen Erfahrungen, die zunehmend zu solchen werden. Er begründet sich denn auch die veränderte Erzählhaltung: aus dem Objekt wird ein sehendes, lesendes, denkendes, sprechendes, erfahrenes Subjekt. Franz Holl lernt. Erst arbeiten, dann lesen, dann sprechen und schließlich: fragen. Er lernt weiterfragen - nach den Bedingungen der Herrschaft, auf dem Lande, in der Stadt, auf dem Bauernhof, in der Fabrik.

Die scheinbare Unmittelbarkeit der "Schönen Tage" war in Wahrheit reflexiv gebrochen: das Resultat einer Vermittlung, deren Bedingungen zum Teil in "Schattseite", vor allem in "Die großen Wörter" beschrieben wird. Mit allen Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch einstellen: das Signal erwachte, sich sukzessive entwickelnde Ich festzuhalten. Der Erfolg des Buches wurde von der heimischen Alpen-Almhütten-Sennebuben-Urlaubslandschaft mitbestimmt. Nicht nur die lebensgeschichtlichen, auch die literarischen Konsequenzen liegen eigentlich auf der Hand.

Holl und sein Autor, der biographisch dahintersteht, sind beide gleichermaßen Ausdruck und Resultat der Entwicklung zur scheinbaren Befreiung hin, in der doch nur die Formen der Unterdrückung und Herrschaft gewechselt haben. Die zunehmende Reflexivität, die sich Holl, nicht zuletzt durch die fortschreitende Desillusionierung erarbeitet, demonstriert die Ausweglosigkeit des ganzen Unternehmens. Aber einmal in Gang gekommen, lässt sich der Prozeß nicht mehr anhalten. Es gibt kein zurück.

"Die Milieuwechsler waren ganz auf sich selber angewiesen. Kehrte eine oder einer gebrochen zu seinem Ausgangsort zurück, lief dort sofort alles zusammen und verbreitete die Nachricht, dass der oder die gescheitert sei. Hörte Holl von einem solchen Fall, wurde er jedesmal wütend, tobte und schwor sich, eher würde er jämmerlich in der Redewelt verenden, als nur mit einem Schritt in sein früheres Milieu zurückzukehren."

Kein Zurück im sozialen und keines im kognitiven Sinn. Er hat sich auf Erfahrungen eingelassen, und nun muss er sie machen.

"Aber Holl sah Zusammenhänge, zumindest versuchte er, unabhängig von den Meinungen, die auf ihn einwirkten, zu Zusammenhängen zu kommen, die er von seinen Erfahrungen herleiten konnte."

Ein mühsames Geschäft. Denn was Holl einsieht, erkennt, an Erfahrungen macht, muss all denen, die in der "Redewelt" aufgewachsen sind, trivial erscheinen. Holl macht sich über vieles Gedanken. Neuartig, faszinierend erscheint ihm, dem Ausgeschlossenen, Bildung und Wissen. Doch schon die ersten Repräsentanten dieser neuen Welt, auf die er bald trifft, seine Lehrer am Abendgymnasium, nehmen ihm viele der Illusionen.

"Voller Hoffnung, ehrfürchtig interessiert hatte Holl die Schwelle in die Welt des Redens überschritten und sich schüchtern in die letzte Bank gesetzt, um sie jederzeit ohne viel Aufsehens wieder verlassen zu können."

Der überangepaßte und zugleich kritische soziale Aufsteiger Holl sieht richtig, dass sich ein wirklicher sozialer Aufstieg nur über den Eintritt in die Redewelt vollziehen lässt. Dabei lernt er aber auch, dass die Beherrschung der Sprache wohl Einsichten in die Sprache der Herrschaft ermöglicht, aber nichts an den Herrschaftsverhältnissen ändert. Diese, seine tiefste Desillusionierung wirft ihn faktisch an seinen Ausgangspunkt zurück.

"Auch seine Gänge zu den Vorlesungen irritierten ihn, er, der von den Arbeitern weg in die Welt des Redens gelockt wurden, konnte auf die Dauer nicht übersehen, dass außer den Unternehmern auch die Welt des Redens auf ihnen lastete."

Er steht, am Ende, zwischen den Fronten, ratlos und erst recht gebrochen - bewußt, d.h. von der Einsicht durchdrungen, dass es für ihn keine Alternative gibt. Der kleine Holl, der uneheliche Sohn einer Landarbeiterin, ist auf seinem Gang durch die bürgerliche Welt zum Subjekt geworden. Ein Emanzipationsprozeß ist (vorläufig) abgeschlossen. Da steht eine ratlose, zerrissene Figur, die sich verzweifelt zu begreifen versucht - sich und die gegenwärtige Welt.

Innerhofers Romane sind autobiographisch gesättigt, bis in die letzten Details hinein. Jetzt aber trennen sich die Wege des Autors und seiner Gestalt.

Franz Holl, unterdessen Student, steht fragend vor dieser Welt, ratlos, ohne Illusionen und ohne Hoffnung. Franz Innerhofer hat sich von Holl befreit: er hat ihn, seinen Weg durch die Welt beschrieben.

Das war 1987. Danach wurde es erst einmal still um Innerhofer; er hat lange geschwiegen, zumindest nichts publiziert. Es lief das Gerücht um, es gehe ihm schlecht. Es ging ihm tatsächlich schlecht, und das war keineswegs nur eine Privatsache. Innerhofer musste nämlich den Preis bezahlen für seinen frühen und großen Erfolg. "Schöne Tage", "Schattseite" und "Die großen Wörter" waren seine Lebensgeschichte.

Allein die Tatsache, dass ein "Leibeigener", der es geschafft hatte, Arbeiter zu werden und schließlich sogar Student, allmählich die Worte findet, seine eigene Geschichte aufzuschreiben, ist großartig. Das Material, das Innerhofer in seines Texten verarbeitet hat, ist sein eigenes Leben.

3. "Der Emporkömmling"

Von dieser Zeit nach dem Abschluß der Trilogie, von den Schwierigkeiten dieser Zeit berichtet die 1982 erschienene Erzählung "Der Emporkömmling".

Lambrecht, der Ich-Erzähler, berichtet von den Folgen des Erfolgs, er beschreibt den Weg zurück.

"Herbert Takuner", ein Freund, "war damit nicht einverstanden, dass ich jetzt ging. Er beschwor mich, doch endlich zu akzeptieren, dass ich ein Intellektueller sei. Ob ich es nun wahrhaben wolle oder nicht, Tatsache sei, dass ich zu den Intellektuellen gehöre. Es sei nun wirklich an der Zeit, mir diesen Umstand einmal deutlich vor Augen zu halten. Es sei eine Illusion, zu glauben, ich könne mich als Arbeiter besser entfalten."

Doch Lambrecht sieht keine anderen Möglichkeiten mehr. Sein Entschluß steht fest.

"Ich schwitze am ganzen Körper. Das Aufräumen strengte mich an, aber ich gönnte mir keine Pause. Ich musste die Reste meines Irrtums loswerden. Es roch nach Staub und trockenem Papier. Es ekelte mich. Es war ein Ekel vor der Sinnlosigkeit, der Leere, dem Nichts, in das sich die ganze Anstrengung plötzlich auflöste."

Er packte alles zusammen, schmeißt einen Teil seiner Bücher in die "Mülltonne" und verkauft den Rest an einen Antiquar. Und er geht zurück. Zurück in seine eigene Vergangenheit: "Damals war es mir unverständlich gewesen, wie sich ein junger Mensch damit abfindet, sein Leben lang Arbeiter zu bleiben. Jetzt war ich froh, es selbst noch einmal als Arbeiter versuchen zu können."

Und so findet er langsam wieder zu sich selbst zurück. "Ich fing auf einmal wieder an zu leben. Ganz winzig und elend kroch ich zu mir zurück. Es darf nicht wahr sein, dass ich mich umsonst geplagt habe", ruft er sich zu: "Du musst dir deine Hände zurückerobern. Die Hände sind dein Ausweg. Nur über sie kannst du vielleicht zu dir finden."

Diese Beschreibung, genau und aufrichtig, durchsetzt mit kräftigen und auch schönen Bildern, zeigt womöglich doch einen Ausweg - für Innerhofer. Als Innerhofers "Schöne Tage" erschienen ist, haben alle Kritiker gejubelt, ohne auf den Preis zu achten, den der Autor für dieses Buch zahlen musste.

Als Innerhofer die weiteren Stationen seiner Lebensgeschichte, also die Voraussetzung der "Schönen Tage" beschrieb, da fingen die Kritiker an zu mäkeln, ohne zu sehen, dass die Voraussetzung notwendigerweise eingeholt werden musste. Innerhofer ist dabei zum Opfer des Literaturbetriebes geworden, der ihn erst hochgejubelt, dann fallengelassen hat. Dagegen kommt auch keine Empörung an.

Dort, wo das Ressentiment beginnt, hört das Verständnis auf, dort wo das Opfer selbst zum Täter wird, endet jedes Mitleid. Innerhofer hat im Frühjahr 1993, nach über zehn Jahren, mit "Um die Wette leben" ein neues Buch vorgelegt, das er "Roman" nennt:

ein durch und durch mißlungenes Buch, das Innerhofers langes Schweigen nur mittelbar erklärt, seine Ressentiments dafür um so direkter vorführt. So macht der "Roman" keinen Unterschied zwischen Held und Autor, sondern beginnt mit einem Gespräch zwischen dem "Autor" und seinem "Verleger". Schon der erste Satz demonstriert, in welche Richtung das Buch führt:

"Schauen Sie, dass Sie nicht zu sehr ins Autobiographische kommen", so der Verleger. Und gleich darauf: "Fabriken nicht mehr, Arbeiter nicht mehr", so die Kritiker zum Verleger und so der Verleger zum Autor. Aus dieser Aufforderung, die zum Leitmotiv des "Romans" wird, entsteht das Ressentiment des Autors, das sein Buch beherrscht. "Dieser elende Marktblödsinn", so ging es ihm "durch den Kopf".

Unterdessen hatte er das Büro des Verlegers verlassen, war einen engen Gang entlang, Richtung Ausgang, gegangen, und zwar "am Packer" vorbei: "Sie grüßten sich natürlich, der Autor als der viel Jüngere und zum Grüßen Erzogene, der Packer, weil er musste, aber ihr Aneinandervorbeimüssen war in erster Linie gebäudetechnisch bedingt, was der Autor als durchaus sympathisch empfand. Das Außersichtweitehalten und Verstecken von Menschen haßte er."

Unverständlich, dass ein Lektorat solche Sätze mit seinem Autor nicht diskutiert. Denn unverständlich ist, worauf der Autor hinauswill. Es lässt sich hier, ebenso wie beim zentralen Motiv des "Romans" allenfalls ahnen.

Freilich wird deutlich, woher der Haß kommt: "Elender Marktblödsinn, fluchte der Autor in sich hinein. Scheiß deutsches Kritikertum! Scheiß deutsches Verlegergesindesl! Scheiß Aktionäre! Scheiß feige anonyme Machtbagage! Tatsächlich fühlte er sich auf die Schulbank zurückversetzt, ja mehr, er war aus freien Stücken auf ein Glatteis gegangen und wollte es noch nicht einmal richtig wahrhaben."

Innerhofer hatte sich, 1982, mit "Der Emporkömmling" aus der Literatur verabschiedet. Er war, wie er zuvor einmal für sein alter Ego Franz Holl befürchtet hatte, zum - gescheiterten - Milieuwechsler geworden: "Hörte Holl von solch einem Fall, wurde er jedesmal wütend, tobte und schwor sich, eher würde er jämmerlich in der Redewelt verenden, als nur mit einem Schritt in sein früheres Milieu zurückkehren."

Diesem Schwur verdankt sich der neue "Roman". Er war der endgültige Abschied des Franz Innerhofers aus der Literatur.

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