Narziß und Goldmund
1,1 Darstellung der Thematik
Der Schriftsteller und Dichter Hermann Hesse (1877-1962) gab nach einer bewegten Jugend, 1903 seinen erlernten Beruf als Buchhändler und Antiquar auf, um "Dichter oder gar nichts" zu werden[1]. 1930 veröffentlichte er, nachdem er sich als Schriftsteller durch seine Werke (u.a. "Der Steppenwolf") bereits einen großen Namen gemacht hatte, die Erzählung "Narziß und Goldmund". In diesem Roman führt Hesse den Leser an die Frage nach der Synthese des Lebens. Ähnlich wie in Goethes "Faust" wird die menschliche Existenz durch Extrema dargestellt. Hesse kommt zu dem Schluß, dass das Leben aus einer allumfassenden Antinomie besteht, primär bezeichnet als "Natur und Geist", man versteht darunter die Urtriebkräfte der Menschheit. "Natur und Geist" gilt als ewig konkurrierender, unvereinbarer Gegensatz. Die beiden Extrema ziehen sich zwar an, können sich jedoch niemals erreichen, somit halten sich diese Kräfte in einem wechselnden Gleichgewicht. Hermann Hesse versucht diese Gegensätze wertfrei und objektiv darzustellen, ohne sie in Gut - Böse zu beurteilen. Das Ziel von Hesse ist das Erkennen der jeweiligen gegenüberliegenden Kraft und somit die Toleranz des Anderen.
1,2 Skizze des Inhalts
Kapitel 1
Bereits im schlicht gehaltenen Titel des Werkes, "Narziß und Goldmund" stehen sich, wie man im Laufe des Romans herausfindet zwei Gegensätze gegenüber, die absolut unterschiedliche Lebensarten verkörpern. Der Leser findet sich in das Mittelalter zurückversetzt und steht zu Beginn vor den Toren des Klosters Mariabronn (viele der räumlichen Begebenheiten in Hesses Werk haben bedingte biographische Bezüge). In der folgenden Exposition wird eine zentrale Figur des Stückes angeführt. Narziß, ein junger Novize (Novize: Mönch während der Probezeit, vor der Aufnahme ins Kloster), der durch seine außergewöhnliche Begabung bereits das angestrebte Lehramt ausfüllen darf, fällt nicht nur durch seine Fähigkeiten, sondern auch durch sein perfektes "ritterliches Benehmen"(S.9)[2], welches er bis zur Arroganz treibt, auf. Er gilt als "Wunderknabe"(S.9) des Klosters, ist jedoch genau deshalb nicht unumstritten. Narziß hat die Gabe, besonders feinfühlig auf den Charakter seines Gegenübers reagieren zu können. In der Mitte des ersten Kapitels tritt ein neuer Klosterschüler auf. Goldmund wird auf Wunsch des Vaters im Kloster Mariabronn aufgenommen. Goldmunds Vater ist ein kaiserlicher Beamter, Goldmund selbst wuchs als Einzelkind ohne Mutter auf. Im Kloster lebt sich Goldmund schnell ein und wird akzeptiert.
Kapitel 2
Goldmund verehrt zwei Menschen im Kloster; Abt Daniel und Narziß, er hält jedoch vorerst Distanz zu beiden. Sie dienen ihm eher als Vorbild. Goldmund verfolgt das Ziel so bald wie möglich ins "Noviziat" aufgenommen und ein "stiller Bruder" zu werden, doch primär strebt er danach, "ein guter Schüler zu sein"(S.21). Nachdem mehr als ein Jahr vergangen ist, nimmt Goldmund an einem nächtlichen Ausflug ins Dorf teil, obwohl er in starke Gewissenskonflikte gerät, sagt er zu, um seine Ehre zu wahren. Der Ausflug, führt zu zwei Mädchen in ein Bauernhaus. Bei der Verabschiedung geschieht es dann, das die Jüngere der beiden Mädchen Goldmund einen Kuß gibt. Am nächsten Tag sind seine Schuldgefühle dann so groß, dass er vor Narziß zusammen bricht. Narziß kümmert sich um ihn und bringt ihn ins Krankenzimmer, dies ist der erste freundschaftliche Kontakt zwischen den beiden. Allerdings hatte Goldmund sich gewünscht, Narziß mit seiner Intelligenz für sich zu gewinnen, doch nun hatte er nur durch "Schwäche" seine Aufmerksamkeit erlangen können(S.31). Narziß hingegen sah deutlich, dass die Beschwerden seines Freundes psychosomatischer Natur sind.
Kapitel 3
Zwischen Narziß und Goldmund entwickelt sich eine Freundschaft, in der Narziß während den Zusammenkünften, seiner Natur gemäß, strukturierter denkend, die dominante Rolle einnimmt, jedoch hat er noch erhebliche Probleme das "Innere" Goldmunds zu erkennen. Nach einiger Zeit der Annäherung ist die Vertrauensbasis zwischen den Beiden so gewachsen, dass Goldmund seinem Freund das Problem, mit dem nächtlichen Ausflug erzählt. Narziß fängt an, zu verstehen was Goldmund quält, er merkt, dass sein Freund das Negative und die Sünde mit dem weiblichen Geschlecht gleichsetzt. Goldmund hat derweil nie das Gefühl, von Narziß als ein gleichwertiger Partner behandelt zu werden. Eine erneute Anfrage eines Mitschülers, ob er mit "ins Dorf" gehen möchte, lehnt er ab.
Kapitel 4
In der Bibliothek des Klosters kommt es nun zu einem Schlüsseldialog zwischen Narziß und Goldmund. Goldmund versucht Narziß davon zu überzeugen, dass sie nicht verschieden seien können, da sie die gleichen Ziele verfolgen würden. Narziß entgegnet darauf, dass es nicht in ihrer Natur läge einander näher zu kommen. Narziß ist der Auffassung, dass sie sich beide ergänzen würden. Er fügt an, dass Goldmund auf seine eigenen Gedanken und Wünsche achten soll und nicht darauf, was ein anderer in ihn projiziert.
Er solle nach seinem eigenen Charakter leben, "sich selbst finden" erst dann könne er seine wahren Stärken entfalten. Damit "öffnet" Narziß, Goldmund die Augen, das Gespräch sorgt bei Goldmund für eine starke seelische Erschütterung, so das er kurze Zeit später erneut zusammenbricht.
Kapitel 5
Die Unterredung hat bei Goldmund die Erinnerung an seine Mutter ausgelöst, mit diesem Mutterbild hat Goldmund auch sich selbst gefunden. Goldmund löst sich mehr und mehr von den auferlegten Bürden und erkennt seine eigene innere Stimme. Narziß ist einerseits erfreut über Goldmunds Fortschritt, andererseits erkennt er, dass das Ziel der Freundschaft nun erreicht sei und Goldmund das Kloster auf kurz oder lang verlassen würde. In einer Unterredung spricht Narziß darüber, dass er froh sei, dass Goldmund den Unterschied zwischen Seele und Geist erkannt habe.
Kapitel 6
Kurze Zeit später bekommt Goldmund von Pater Anselm den Auftrag, auf einem entlegenen Feld Johanniskraut zu sammeln. Nach der anstrengenden Suche legt er sich zum einem kurzen Schlaf auf ein Feld, als er wieder erwacht, befindet er sich in den Armen einer Frau. Goldmund ist gern bereit, sich von ihr verführen zu lassen und lernt von der Unbekannten den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Vor der Rückkehr ins Kloster verspricht er der Zigeunerin Lise noch, sie Nachts wieder zu sehen. Entschlossen das Kloster zu verlassen, reitet er zurück und sucht Narziß zu einer Unterredung auf und verabschiedet sich von ihm. Nach dem Abschied trifft sich Goldmund heimlich mit Lise und flieht mit ihr in den Wald, um dort die Nacht zu verbringen.
Kapitel 7
Am nächsten Morgen wird Goldmund von Lise verlassen, da sie dem Abenteuer keine besondere Bedeutung beimißt und es vorzieht, zu ihrem Ehemann zurück zu kehren. Enttäuscht, aber nicht entmutigt, tritt Goldmund seine Wanderschaft allein an. Erst nach zwei Tagesmärschen findet er ein Bauernhaus. Die Wanderung hat ihm gezeigt wie stark Hunger seien kann. In dem Bauernhaus bekommt er jedoch ausreichend Nahrung. Er übernachtet im Freien auf einem Heuhafen, die Bauersfrau bringt ihm noch Verpflegung und verbringen dort heimlich einige Liebesstunden.
Kapitel 8
Während der weiteren Wanderung hat Goldmund noch viele Liebschaften, aber keine der Frauen wollte länger bei ihm bleiben. Nach ein oder zwei Jahren seines Wanderlebens macht er an einen Rittershof rast, dort lernt Goldmund den gut situierten Hausherren, einen alten Ritter, kennen. Dieser bittet ihn ein paar Tage zu bleiben, um ihm bei dem Verfassen eines Berichtes über seine Pilgerfahrten zu helfen. Nachdem sich Goldmund eingelebt hat, gesteht er der älteren Tochter heimlich seine Liebe. Goldmund findet jedoch auch die jüngere Tochter Julie mit 16 Jahren sehr begehrenswert. Goldmund und Lydia, die ältere Tochter treffen sich Nachts heimlich und Goldmund akzeptiert ihren Wunsch "unangerührt" in die Ehe zu gehen. Als Julie ihrer Schwester auf die Spur kommt, stellt sie den Anspruch, auch mit in das Schlafgemach Goldmunds zu kommen. Ausgelöst durch Goldmunds Triebe kommt es Nachts zu einer Eifersuchtsszene, Lydia sieht sich gezwungen ihrem Vater alles zu beichten. Unter Androhung des Todes wird Goldmund aufgefordert nie wieder auf den Hof zurückzukehren.
Kapitel 9
Goldmund muss also wieder auf Wanderschaft. Lydia lässt ihm noch Kleidung und Verpflegung übermitteln, danach ist er wieder auf sich gestellt. Im nächsten Dorf hilft er bei einer Entbindung, und erkennt erstmalig, dass sich Schmerz und Freude ähneln, wenn sie sich in dem Ausdruck des Gesichtes widerspiegeln. In dem Dorf lernt Goldmund den Landstreicher Viktor kennen, der Nachts versucht, Goldmund zu bestehlen. In Notwehr ersticht Goldmund den Dieb und flieht halb wahnsinnig vor Angst, bis er Unterschlupf bei einer Bekannten findet.
Kapitel 10
Goldmund begibt sich bald weiter auf jahrelange Wanderschaft, von "Dorf zu Dorf" von "Frau zu Frau". Bis er eines Morgen ein Kloster erreicht bei dem er um ein Nachtlager bittet. Durch einen Zufall entdeckt Goldmund am nächsten Tag eine Seitenkapelle mit einer bildhübschen Figur der Mutter Gottes. Eine Figur wie er "so lebendig; so schön und innig und beseelt (...) nie (zuvor) gesehen zu haben meinte."(S.151 Kapitel 10) Von seinem Beichtvater erfährt Goldmund, dass die Figur von einem Meister Niklaus erschaffen worden ist. Goldmund erkennt erstmalig seit der Klosterzeit ein direktes Ziel, er möchte zur Bischofstadt aufbrechen, Meister Niklaus ausfindig machen und die Kunst des Bildschnitzens erlernen. Goldmund verfolgt sein Ziel unbeirrbar. Letztendlich, nach einiger Überzeugungskunst und einer Aufnahmeprüfung, wird Goldmund, zwar nicht als Lehrling, sondern als eine Art freier Mitarbeiter ohne vertraglichen Verpflichtungen aufgenommen.
Kapitel 11
Nun hat Goldmund vorübergehend eine gewisse innere Ruhe, seine Zeit in der Bischofsstadt scheint unbeschwert, er verrichtet mit Freude und Eifer seine Arbeit. Erstmalig nimmt sich Goldmund etwas für die Zukunft vor. Er möchte die Tochter von Meister Niklaus als Magdalena gestalten. Ferner spürt er das Verlangen eine Eva - Mutter zu schnitzen. Nach c.a. einem Jahr beginnt Goldmund damit, die Figur des Jünger Johannes zu schnitzen. Mit großer Liebe arbeitet er an dieser Figur, die eine direkte Nachbildung seines Freundes Narziß darstellt. Jünger Johannes bestätigt das große Talent, welches Goldmund in sich trägt, als es nun nach drei Jahren fertiggestellt werden kann, findet sie hohe Anerkennung des Meisters.
Kapitel 12
Nahezu melancholisch begibt sich Goldmund zum Hafen, Dort entdeckt er eine Spiegelung im Wasser, er meint das Gesicht der "Urmutter", die über allem Leben und allem Sterben steht, zu erkennen. Er weiß genau, dass er der Urmutter zu folgen hat, Somit nimmt er Abschied von seiner Geliebten und schlägt sogar das verlockende Angebot aus, das Meisterzeugnis zu erhalten und die ihm zur Heirat angebotene Tochter des Meisters zu ehelichen. Er zieht einmal mehr das Wanderleben den seßhaften Bürgerleben vor.
Kapitel 13
Erneut begibt sich Goldmund Jahr um Jahr auf Wanderschaft. Während seiner Wanderschaft schließt sich der reisende Pilger Robert an. Beide wandern gemeinsam und gelangen in ein Gebiet in dem die Pest wütet. Goldmund erfährt in dieser Zeit ein prägendes Ereignis. Als er ein abgelegenes Bauernhaus durchsucht bietet ihm dieses ein Horrorszenario, er findet fünf Pestopfer. Während ihres weiteren Weges treffen Robert und Goldmund bald überall auf den "schwarzen Tod", von dem das Land heimgesucht wird. In einer Stadt findet Goldmund das Dienstmädchen Lene und nimmt sie mit. Zu Dritt richten sie sich in einer abgelegenen Hütte ein.
Kapitel 14
In der Hütte verleben die Drei den Sommer, geschützt vor der Pest. Goldmund spielt mit dem Gedanken, für den Winter zu Meister Niklaus zurückzukehren, als Lene von einem infizierten Vergewaltiger angefallen wird. Goldmund erschlägt diesen, kann jedoch nicht verhindern, dass er Lene mit der Krankheit ansteckt. Er pflegt sie bis zu ihrem Tod, verlässt dann den Ort, um bei Niklaus wieder Arbeit zu finden. Auf der Reise begegnet er einer stolzen Jüdin, die ihn jedoch abweist.
Kapitel 15
Als er das von der Pest gezeichnete Dorf erreicht, wird ihm erklärt, dass der Meister tot sei und Lene schwer von der Pest geschädigt. Goldmund bleibt eine Zeitlang bei seinen damaligen Gastgebern, und zeichnet Bilder aus seiner Vergangenheit. Eines Abends entdeckt er die anmutige Frau des Stadthalters, Zu Agnes fühlt er sich in einer besonderen Weise hingezogen. Goldmund gelingt, es sich mit ihr zu Abends zu treffen.
Kapitel 16
Der Versuch Goldmunds sich ein zweites Mal mit Agnes zu treffen, zieht die Verhaftung von Goldmund nach sich, da der Ehemann Verdacht geschöpft hatte. Zum Tode verurteilt besinnt sich Goldmund und erkennt erneut das Mutterbild. So entfesselt er seinen Lebensinstinkt und ist bereit, den ihm zugewiesenen Priester zu erschlagen, um in dessen Kutte zu entfliehen.
Kapitel 17
Der Abt der Goldmunds Zelle betritt, entpuppt sich jedoch als sein alter Freund Narziß. Narziß heißt seit seiner Weihe Bruder Johannes. Er hat die Befugnis, Goldmund als freier Mann mit nach Mariabronn zu geleiten. Goldmund erfährt, dass sein Freund nun der Ordensführer ist. Narziß möchte seinem alten Freund nun eine Werkstatt im Kloster einrichten.
Kapitel 18
Goldmund arbeitet jetzt für das Kloster. Er restauriert und erschafft kunstvolle Schnitzereien. Nach einiger Zeit fühlt er sich stark genug, um bei "Abt Johannes" die Beichte abzulegen, er befolgt die Bußübungen akribisch genau.
Kapitel 19
Nach zwei Jahren geht Goldmund erneut fort, da er von der Natur "gerufen" wird. Er merkt jedoch, dass er um Jahre gealtert ist und nicht mehr viel Zeit für seine Abenteuer hat. Nach vollendeter Schnitzarbeit bricht Goldmund also wieder auf.
Kapitel 20
Goldmund wollte Agnes noch einmal Wiedersehen, doch sie wollte nichts mehr von ihm wissen. Bei dem Sturz in einen Bach, brach sich Goldmund die Rippen, kehrte aus Eitelkeit jedoch nicht um. Todkrank kehrte er letztendlich ins Kloster zurück. Narziß und er diskutierten in seinen hellen Augenblicken immer wieder um das Mutterbild. Narziß pflegt Goldmund bis in den Tod, seine letzten Worte sind: "Ohne Mutter kann man nicht sterben."(S.320)
2,1 + 2,2 Stilistik: Darstellung der Stilistik im Gesamtwerk inklusive einer detaillierten sprachlicher Analyse.
Die Thematik des Romans beeinflußt in einem hohen Maße die Ausdrucksweise und die Struktur von "Narziß und Goldmund". Hesse benutzt für die Darstellung der Polarität einen Zweischlagrythmus. Dieser zieht sich durch den gesamten Roman. In ihm vermischen sich zwei Sätze, der erste Satz ist wiederum in zwei Teile aufgespalten und rahmt den zweiten ein. Nimmt man den Eröffnungssatz als Beispiel, so erkennt man, dass dieser in spezieller Weise gegliedert ist. "Vor dem von Doppelsäulchen getragenen Rundbogen des Klostereingangs von Mariabronn, dicht am Wege, stand ein Kastanienbaum, ein vereinzelter Sohn des Südens, von einem Rompilger vor Zeiten mitgebracht..." Dieser Abschnitt ist der erste Teil des ersten Satzes, er lokalisiert den Ort des Geschehens, weiterhin führt den Hintergrund des Geschehens an. "...eine Edelkastanie mit starkem Stamm; zärtlich hing ihre runde Krone über den Weg, atmete breitbrüstig im Winde, ..." diesen Teil kann man als eine Art Satz im Satz bezeichnen, er stellt die Persönlichkeit, so wie das rein Äußerliche dar. Der zweite Teil des ersten Satzes "... ließ im Frühling, wenn alles ringsum schon grün war und selbst die Klosterbäume schon ihr rötliches Junglaub trugen, noch lange auf ihre Blätter warten, trieb dann um die Zeit der kürzesten Nächte aus den Blattbüscheln die matten, weißgrünen Strahlen ihrer fremdartigen Blüten empor, die so mahnend und beklemmend herbkräftig rochen und ließ im Oktober, wenn Obst und Wein schon geerntet war, aus der gilbenden Krone im Herbstwind die stacheligen Früchte fallen, die nicht in jedem Jahr reif wurden, um welche sich die Klosterschüler balgten und die der aus dem Welschland stammender Subprior Gregor in seiner Stube im Kaminfeuer briet." ( S.1 Kapitel 1 Anfang) verdeutlicht noch einmal die Besonderheit, so wie die Aktion/das Wesen des Objektes und die Reaktion der Umwelt auf, das angeführte Objekt. Dieser Rhythmus tritt zu häufig auf um als Zufall abgehandelt zu werden. Wie eingangs erwähnt, verdeutlicht Hesse ins Besondere durch diesen Satzbau die Gegensätzlichkeiten in dem Werk. Mit den Gegensätzlichkeiten von Stamm und Krone, von Frühling und Herbst, so wie Klosterbuben und Subprior ist schon von der ersten Passage an die Bandbreite des Werkes dargestellt. Die Tatsache, dass Hesses "Bandwurmsätze" nicht in ein völliges Chaos ausarten, liegt an der von Hesse perfekt beherrschten Kunst seine Gedanken in ihrer Einfachheit darzustellen und dennoch die Komplexität der Situation zu vermitteln. Roman gibt es einige Schlüsselsituationen, diese Schlüsselsituationen treten immer wieder doppelt auf. Goldmund erfährt zweimal, eine große Freundschaft mit Narziß, tötet zweimal aus Notwehr, ferner schafft er es zweimal in der Kunst aufzugehen und wird letztendlich zweimal wegen seinen Affären beinahe getötet. Diese Tatsache ist ein deutliches Indiz für die Ausgeglichenheit des Werkes, das sehr abgerundet wirkt. (Informationen über Stilistik siehe Fußnote)[3]
2,3 Stilistik. Frage nach der Angemessenheit der sprachlichen Mittel
Doch gerade der Schreibstil Hesses und seine Sprache ist der angreifbarste Teil seines Werkes. Anders als bei den übrigen Schriftstellern der Moderne, entpuppt sich Hesses Schreibweise in "Narziß und Goldmund" auf den ersten Blick als simpel und nahezu kitschig. Eine Tatsache, die immer wieder in der Kritik steht. Deschner schreibt dazu: "Mit diesem schlechten Stil verbindet sich eine ausgesprochene, unschöpferische Diktion, (...) die in der Romantik schon besser dargestellt wurde."[4]Bleibt nun die Frage, ob es nicht dieser Stil ist, den Hesse für den Roman beansprucht. Es ist doch nur legitim, wenn man das Komplizierte durch das Einfache auszudrücken sucht. Ferner paßt seine Sprache in die Epoche, in der sich die Erzählung abspielt. Zu einer Zeit, in der die Wissenschaft zum großen Teil verboten war und das gesamte Wissen der Bevölkerung in erster Linie auf dem Glauben fundierte, würde ein deutlich, klarer Sprachstil eher zu revolutionären Figuren wie (Berthold Brechts) Galilei passen. Hesses Werk wirkt durch seine Sprache nicht nur flüssiger, sondern auch plastischer und versetzt den Leser direkter in die Umgebung. Volker Michels sagt über Hesses Sprache: "Um so schreiben zu können, muss man zuerst so gelebt haben. Dann ergibt sich ungesucht eine Präzision des Ausdrucks,(...) die auch von (späteren) Generationen wiedererkannt und als gegenwärtig erlebt werden kann."[5]Klar ist jedoch auch, dass ein Goethe - Leser darüber enttäuscht sein wird, dass er keine Zeile hinterfragen braucht, vermissen wird er auch die Ironie, die außer bei der jüdischen Schönheit, höchst selten oder gar nicht vorkommt.
3.1 Die Biographie Hermann Hesses
Hermann Hesse verwendet für sein Werk "Narziß und Goldmund" einige starke biographische Bezüge, speziell in den Namenzusammenhänge der Orte. Es ist also ratsam seinen Blick auf Hermanns Lebenslauf zu richten, um Sinnzusammenhänge besser verstehen zu können. Geboren wurde der kleine Hermann am 2 Juli 1877 in Claw / Württemberg als Sohn des aus Estland stammenden Missionars Johann Hesse(1847-1916), der in naher Zukunft den Clawer Verlagsverein leiten würde. Seine Mutter ist Marie Hesse(1842-1902), eine geborene Gundert. Für Marie Hesse, war es bereits ihre zweite Ehe, nachdem ihr erster Mann ein Isenberg ( nicht zu verwechseln mit dem Gründer des gleichnamigen Modehauses "Isenberg") verstarb. Von 1881 bis 1886 lebt die Familie in Basel. In diesem Zeitraum erwirbt Johann Hesse die Schweizer Staatsangehörigkeit. Nach der Rückkehr nach Claw besucht Hermann das Reallyzeum. Von 1890 bis 1891 lernt er an der Göppinger Lateinschule und legt das Württembergische Landesexamen ab, um eine theologische Laufbahn einzuschlagen. Sein Vater erwirbt für ihn daher die württembergische Staatsbürgerschaft. Im September1891 tritt Hesse in das evangelische Klosterseminar Maulbronn ein, ein Bezug zu Mariabronn ist mit Sicherheit kein Zufall. Anfang 1892 ergreift er die Flucht, um "Dichter oder gar nichts" zu werden. Im Mai bricht er das Seminar endgültig ab. Mit Verdacht auf Satanismus wird er zu Christoph Blumhardt gebracht, um an "Teufelsaustreibungen teilnehmen zu können". Von dort aus wird er auf direktem Wege in eine Nervenheilanstalt in Stetten gebracht. Dies erklärt das, was eingangs als bewegte Jugend beschrieben worden ist. Wieder erholt, besucht er ab November das Gymnasium in Cannstadt, er besteht dort im Juli 1893 ein Einjährig-Freiwillig-Examen. Im Oktober verlässt er das Gymnasium und beginnt eine Buchhändlerlehre in Eßlingen, bricht sie aber nach zwei Tagen wieder ab. Von Juni 1894 bis 1895 ist er Praktikant bei einer Firma in Claw Namens Perrot, einer Turmuhrenfabrik. Die Jahre 1895/1896 verbringt er als Lehrling in der Buchhandlung J.J. Heckenhauer in Tübingen. Im Jahre 1899 veröffentlicht Hesse seine ersten Werke, hierbei handelt es sich um ein Gedichtband: "romantische Lieder" und das Prosawerk: "Eine Stunde hinter Mitternacht". Im Herbst wechselt Hermann Hesse als Buchhandlungsgehilfe nach Basel zu R. Reich. 1901 unternimmt er von dort aus seine erste Italienreise. Nebenbei veröffentlicht Hesse "Hinterlassene Schriften von Hermann Lauscher" und seinen eigenen Band "Gedichte", die seiner kürzlich verstorbenen gewidmet sind. Ein Jahr später (1903) reist er ein zweites Mal nach Italien, nachdem er seinen Beruf als Buchhändler aufgegeben hat. Auf den Wunsch eines Freundes wird Hesse vom Fischerverlag ( der, bei der vorübergehenden Übernahme durch den Chefverleger Suhrkamp im zweiten Weltkrieg, einen harten Schlag durch die Arisierung hinnehmen musste) gebeten, gelegentlich Werke einzureichen. Schon 1904 erscheint im Fischerverlag sein erster Roman "Peter Camenzind", der für Hesse den Durchbruch bedeutet. Der preisgekrönte Roman scheint ihm einen großen Auftrieb zu geben, noch im selben Jahr heiratet er die Baslerin Maria Bernoulli und bezieht mit ihr ein leerstehendes Bauernhaus am Bodensee. 1906 erscheinen seine Werke "Bocaccio/Franz von Assisi/Unterm Rad". 1907 zieht er in ein eigenes Haus am Bodensee. Von 1907 bis 1911 erscheinen zwar einige Romane, die jedoch bis auf den Erzählungsband "Diesseits", nicht alle der Erwähnung bedürfen. Erwähnt werden muss jedoch seine Reise nach Indien mit seinem Freund dem Maler Sturzenegger, bei der er viele Impressionen aufnimmt. 1912 verlässt Hesse Deutschland und zieht mit seiner Familie, seinen Kindern Bruno, Heiner und Martin in die Schweiz in ein Landhaus. Zu Beginn des Krieges meldet sich Hesse freiwillig, wird jedoch als untauglich in die deutsche Gesandtschaft in Bern abkommandiert. Dort kann er Kriegsgefangene mit Lektüren versorgen. 1916 ist ein schlimmes Jahr für Hesse, nach Nervenzusammenbrüchen wegen der Krankheiten von seiner Frau und seinem jüngstem Sohn, so wie der Tod des Vaters, muss er von Tiefenpsychologe J.B. Lang (ein Schüler von C.G.Jung) behandelt werden. Nach seiner Genesung warten bessere Zeiten auf ihn, 1919 bekommt er den Fontanepreis für sein Werk: "Demain". Der Preis galt ursprünglich einem Emil Sinclair, der dieses Werk verfaßt hat, doch Sinclair und Hesse sind eine Person, da "Demain" unter Hesses Pseudonym Emil Sinclair geschrieben wurde. Lächelnd gab Hesse den Preis zurück, da der Fontanepreis nur für Anfänger gedacht war. 1920 trennt sich Hesse nun endgültig von seiner Familie und lebt bis zu seinem Tode in Tessin.1922 wird seine Ehe aufgelöst 1923 heiratet er erneut, seine Frau heißt Ruth Wegener. 1924 erwirbt auch Hermann Hesse, wie c.a.40 Jahre vorher sein Vater, die Schweizer Staatsangehörigkeit. In der Zwischenzeit veröffentlicht Hesse einige Werke, wovon in diesem Text, wegen des begrenzten Platzes nur die Bedeutendsten erwähnt werden können.1927 lässt sich Hesse erneut scheiden.Ebenfalls1927 erscheint eines seiner bedeutendsten Werke mit Namen: "Der Steppenwolf". Drei Jahre später erscheint die Erzählung: "Narziß und Goldmund." datiert auf 1930.1931 heiratet er zum letzen Mal. Von 1939-45 gelten Hesses Werke in Deutschland als unerwünschte Literatur, folglich hat Hesse nicht die besten Chancen einem Boykott durch den arisch umstrukturierten Fischerverlag, unter dem neuen Namen Suhrkamp zu entgehen. Nach Beendigung des Krieges 1946 erhält Hesse den "Goethepreis" und den "Nobelpreis für Literatur". 1947 wurde er Ehrendoktor der Philosophie. Schon 1945 erklärte Suhrkamp seine Vorjahreshaltung für nichtig und weitere Ausgaben Hesses erscheinen bei Suhrkamp (dem überhaupt nicht in den Sinn kam, sein Versprechen den, Verlag nur über die Kriegszeiten zu leiten, zu halten und eine Rückgabe zu inszenieren).1954 wird Hesse in die Friedensklasse des Ordens "Pour le Mérite" aufgenommen. Ein Jahr später erhält Hesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.1962 wird er kurz vor seinem Tode zum Ehrenbürger von Montagnola ernannt. Wenige Tage später stirbt er an einem Gehirnschlag.[6]
3.2. Stellung des Werkes in der Vita des Autors
Hermann Hesse weißt in seinen Werken immer wieder auf die Problematik der Polarität des Lebens hin. Den Ausdruck der beiden Extrema gestaltete er schon in früheren Werken mit dem "Künstlermotiv" und dem "Mutterbildmotiv". Als Hesse nun 1927 mit dem ersten Skript seines Werkes begann, gab er zu Protokoll: "...,wie die meisten meiner größeren Erzählungen (stellt diese) nicht, (...) neue Probleme und neue Menschenbilder auf.(...) Die paar mir (persönlich) gemäßen Probleme und Typen variieren in ihnen(den großen Werken). Wenn auch von einer neuen Stufe der Erfahrung aus (geschrieben)." Seine Werke sieht Hesse selbst als "Seelenbiographien, in denen es nicht um Geschichten, Verwicklungen, Spannungen geht, sondern um Monologe einer Person (...) in ihrer Beziehung zu Welt und zu ihrem Ich." Damit verdeutlicht Hesse zwei Dinge: erstens erhebt er nicht den Anspruch, ständig neu eigenständige Charaktere zu erschaffen, die in einer Scheinwelt leben, sondern er setzt in den Figuren eigene Einstellungen, Erfahrungen, Eindrücke um. Dies ist wichtig schon an dieser Stelle zu erwähnen, da sich daraus der zweite Punkt ergibt. Seine Werke müssen Hesse alle gleich viel bedeuten, da sie ja im indirekten Bezug zu seiner Entwicklung stehen. Die Tatsache, dass dieses Werk beim Leser besser ankommt als andere, liegt zum großen Teil daran, dass Hesse durch seine Erfahrung die Dinge anders, sieht als noch einige Jahre zuvor und daher anders reflektiert. Auffällig ist auch, dass Hesse in einer Passage ein Menetekel auf die bevorstehende Judenvernichtung einfügt, dies kann als Zeichen seines Feingefühls der drohenden braunen Pest gegenüber gedeutet werden. "Narziß und Goldmund" erscheint drei Jahre nach dem "Steppenwolf" und findet einen eben solchen Erfolg. Das Werk wird in 33 verschiedene Sprachen übersetzt. Nach dem Krieg findet es großen Anklang aber auch scharfe Kritiker. Für Hesse ist es mit Sicherheit eine wichtige, aber nicht "die" Reflexion seines Lebens, eher eine Reflexion eines Lebensabschnittes.
4. Bewertungen
4.1,1 Bewertung der Thematik in Bezug auf die allgemeine Gültigkeit.
Hermann Hesse wirft in seinen Werken eine Frage auf, die jeder Mensch für sich individuell beantworten muss. Hesse skizziert zwei Grundeinstellungen, zwei Extrema des Lebens, bei denen er, (vermutlich unbewußt und ungewollt) Stellung bezieht. Auch wenn man nicht mit den Antworten Hesses in Übereinstimmung kommt, kann jeder Leser seine Sichtweise in Stücken des Werkes wiederfinden. Nimmt man zum Beispiel die Jüdin, die sich aus Ehre verweigert oder Goldmund selbst, in seinem "lockeren" Lebensstil, als absoluter Genußmensch. Die Tatsache, dass es Hesse gelingt, seine Sprache so klar und doch malerisch auszudrücken ermöglicht allen Gesellschaftsschichten den Zugriff zum Werk. "Narziß und Goldmund" ist in erster Linie auf Affekte aufgebaut und macht eine Analyse von Textstellen meines Erachtens nebensächlich. Genau das lasten ihm seine Kritiker aus der Literatur an. Doch gerade die dargestellte zeitlose Grundproblematik von Heranwachsen, Gesellschaftsform, herrschende Moral für alle zugänglich zu machen war und ist Hesses große Stärke. Die 50 Millionen verkauften Exemplare geben ihm bis heute recht, mit seiner Einstellung dem Publikum gegenüber. Bleibt jetzt noch die Frage nach dem Sinn der Epochenwahl in "Narziß und Goldmund". Dass Hesse nie ein Freund von Geschichte war, ist aus Erzählungen hinlänglich bekannt. Rudolf Schneider sagte einmal das Werk spiele sich in einer "zeitlosen Mittelalterlichkeit" ab. Das kann man nicht bestreiten, da (leider) jegliche historischen Bezüge fehlen. Es kommt einem so vor, als habe Hesse für seine Charaktere eine Scheinwelt erschaffen, in der sich die Charaktere nahezu unbegrenzt bewegen können. Die Tatsache, dass ausgerechnet das Mittelalter als Schauplatz erkoren wurde, zeigt ein Stück weit Hesses Geringschätzung der Massengesellschaft. Der Schauplatz ist jedoch in so fern verständlich, da sich viele Bürger in der neuartigen Demokratie nicht heimisch gefühlt haben und eine Monarchie vorgezogen hätten. Damit möchte ich Hesse jedoch keinerlei politische Absichten unterstellen. Es ist eher so, dass er die Gefühlswelt der Menschen darzustellen versucht.
4.1,2 Gelingt der Kontakt zu den Lesern?
Hermann Hesse erzielt deshalb so eine immense Wirkung bei seinen Lesern, weil sich niemand seiner Fragestellung entziehen kann. Durch die Darstellung der Antithetik wird zwangsläufig jeder Leser angesprochen unabhängig davon, ob er das erfüllte Ende von Goldmund nun unterstützt oder nicht. Ist zu den Zeiten der Weltkriege eine allgemeine Parteiergreifung für Goldmund nachvollziehbar, kehrt sich in der Zeit der Enttabuisierung durch die Medien die Sympathie auf die Seite Narziß. Die Tatsache, dass man gerade durch Egoismus ein erfüllteres Leben haben soll als jene, die etwas für die Erhaltung und Erweiterung tun, ist für alle Lesergruppen jedoch sehr gut zu diskutieren. Das Thema ist auch deshalb aktuell, weil es sich auf alle Kulturen anwenden lässt, unabhängig von Politik und Stand.
4.2 Ist Hesses Werk gut lesbar?
Die Erzählung Hesses ist, durch die auffälligen Verschnörkelungen nicht unbedingt ein Buch, welches man in einer überfüllten U-Bahn auf dem Weg nach Hause lesen sollte. Es bezaubert durch seine Atmosphäre und empfiehlt sich durch die Darstellung der Gefühle des Hauptcharakters. Man sollte sich also Zeit für das Werk nehmen, da es im Endeffekt sehr schwermütig ist. Es hat weder die Offenheit von Jostein Gaarders "Sophies Welt", noch die Komplexität eines "Faust". Dies ist aber auch nicht Ziel des Werkes, da es die Seele und das melancholische der Menschen widerspiegelt, die auch das "Anrecht auf Trauer" haben (Aldous Huxley BNW). Alles in Allem sollte es nicht die ästhetische Stilistik sein, die einen von dem Lesen dieses Werkes abhält.
Skizze eines produktsorientierten Interpretationsansatz
Hesse selbst berichtet in seinem Text "Arbeitsnacht" davon, dass "... alle Prosadichtungen, die ich (Hesse) verfaßt habe, sind Seelenbiographien. In ihnen handelt es sich nicht um Geschichten(...), sondern sie sind im Grunde die Monologe, in denen eine einzige Person, eben jene mythische Figur, in ihren Beziehungen zur Welt und zum eigenen Ich betrachtet wird." Hesse fällt auf, dass "... die meisten meiner größeren Erzählungen nicht, (...) neue Probleme und neue Menschenblider aufstellen, wie die wirklichen Meister es tun, sondern nur die paar mir gemäßen Probleme und Typen variierend wiederholen, wenn auch von einer neuen Stufe des Lebens und der Erfahrung aus."[7]Aus den oben eingeführten Zitaten kann man nun einige Schlußfolgerungen ziehen. Zunächst stellt man fest, dass Hesse über den Zwiespalt einer Person spricht. Ferner ist es eine Person, die sich selbst in der Interaktion mit dem Ich und der Umwelt als Außenstehender beobachtet. Zweitens stellt Hesse fest, dass sich die Probleme die sich ereignen immer wieder wiederholen und dass sie aus verschiedenen Aspekten gesehen werden können. Die Figuren entwickeln sich, in der Form wie sich Hesse in realen Leben entwickelt. Aber die Tatsache, dass die Kernmotive und Hauptprobleme in seinen Werken wiederholen und trotzdem ein so großen Anklang finden, verdeutlicht, dass Hesse über zentrale und doch über individuelle Probleme der Menschheit schreibt. Ziel ist es nun diese Motive darzulegen. Zunächst liegt es auf der Hand, sich mit den beiden Titelfiguren und ihrer Antinomien zu befassen. Allein die Namensgebung der ersten Hauptcharakters ist höchst auffällig, der Name Narziß kommt aus dem Griechischen. Eine griechische Sage erzählt von einem schönen Jüngling, der sich vor lauter Selbstverliebtheit verzehrte, an seiner Stelle wuchs eine Narzisse aus dem Boden, daher wird in der Psychologie das Phänomen der Selbstliebe als Narzismus bezeichnet. Narziß wirkt im Roman zwar narzißtisch veranlagt, hat aber trotzdem Platz für die Liebe zu Goldmund. Somit kann man behaupten, dass sich einige Ähnlichkeiten zu der Sage nicht leugnen lassen. Narziß wird als Personifizierung der Renaissance dargestellt, er verkörpert die antiken griechischen Tugenden bis zur Perfektion. Schönheit, Eleganz, ritterliches Benehmen sind Attribute, die ihm zustehen. Ferner wird er noch als stiller Denker zitiert. (S.9 ff) Goldmund hingegen wird nicht als minderhübsch bezeichnet, er ist jedoch offener und weniger feinfühlig als Narziß und insgesamt schlichter gestrickt. Narziß selbst erkennt schon zu Beginn des Romans die Bedeutung der unkonventionellen Freundschaft zueinander. Zu den prägendsten Worte von Narziß über Goldmund gehört: " Nein, ich bin nicht deinesgleichen (S.38, Kapitel3)." "Wir kommen uns auf keinem Wege näher, es ist nicht unsere Aufgabe uns näherzukommen (S.46 Kapitel 4)." "...sondern uns einander zu erkennen(S.46 Kapitel 4)." "Unsere Freundschaft dient nur, zu zeigen wie ungleich (wir uns sind)(S.38, Kapitel3)..." Doch vor allen Dingen: "... zu erkennen was er ist, des anderen Gegenstück und Ergänzung(S.46 Kapitel 4)." Die Metapher welche Narziß benutzt verdeutlicht die Situation, "Wir zwei sind wie Sonne und Mond, wie Land und Meer (S.46 Kapitel 4)." Hesse führt hier an, dass ein Extrema das Gegenstück benötigt, um zu sich zu definieren und eine Erweiterung für sich zu finden. "...und zu ehren und zu lernen, was er (der Andere ist), des anderen Gegenstück und Ergänzung(S.46 Kapitel 4)." An dieser Passage wird meines Erachtens der Kerngedanke Hesses ausgedrückt. Er beschreibt durch Narziß Worte, dass man beide Hälften eines Extrema braucht um etwas zu erkennen, sich ein Bild von etwas machen zu können und sich zu erweitern, somit ist die Toleranz ein wichtiger Punkt in Hesses Erzählung. Wenn man sich jetzt darauf einlässt Narziß und Goldmund als "zwei Seelen in einer Brust" zu betrachten, so kann man zu dem Schluß kommen, dass beide die gleiche Wertigkeit haben. Denn Narziß und Goldmund scheinen gleich zufrieden mit dem, was sie machen. Im Gegensatz zu der (ich nenne es jetzt mal) Triebseite des Menschen ist jedoch die Vernunftsseite letztendlich die, die gerade von ihrem Wesen her unterlegen ist. Das ist gerade im Schlußdialog deutlich herausgearbeitet, während die Vernunft wacht, lässt sich die Seite des Triebes gehen. Aber auch die Triebseite schafft es nicht allein, die große Erfüllung zu erlangen, die Verbindung zwischen ihr und der Vernunft: die Synthese auf einer anderen Ebene (Urmuttergestaltung). So gesehen kann man auch begreifen, warum sich beide Seiten anziehen und zu vereinbaren suchen, ohne sich jedoch erreichen zu können. Der Punkt, dass Hesse nun in erster Linie Goldmund beschreibt, könnte bedeuten, dass in ihm eine Unausgeglichenheit gibt, die er zu herauszufinden und zu erklären versucht. Verglichen mit der Biographie Hesses lässt sich feststellen, dass auch Hesse oft auf der Suche nach dem Einklang von Trieb und Vernunft war. Dies fällt bereits bei seinen ständigen Schulwechseln auf, und gipfelt beim Verlassen seiner Familie. Ein völlig anderer Punkt ist der, dass, wenn wir davon ausgehen, dass der Roman die Toleranz der Andersartigkeit vermittelt, die logische Konsequenz der damaligen Herrscher (Beginn der Nazizeit) sein musste, dieses Werk mit Vorsicht zu betrachten und es zu verbieten. Denn die Ideale der nationalsozialistischen Bewegung war nicht gerade die Akzeptanz von Anderen.
6. Darstellung der Rezepitionsgeschichte.
Wie schon bei der Bearbeitung der biographischen Bezügen erwähnt, paßt "Narziß und Goldmund" von der Thematik her in die Reihe der bedeutenden Hessewerke. Nimmt man als Beispiel den "Steppenwolf" von Hesse, so kann man Verbindungen zwischen beiden Werken ziehen. In beiden Romanen werden zwei Kräfte beschrieben, die im Gegensatz zueinander stehen, unabhängig davon, ob sie mit Charaktere personifiziert sind, oder innerhalb eines einzigen Charakters toben. Ebenfalls auffällig ist, dass die Kunst in beiden Romanen zwischen den Kräften zu vermitteln sucht.
Die Meinungen über das Werk an sich, gehen weit auseinander. Robert Curtius bezeichnet Hesses "Narziß und Goldmund" als Hesses schönstes Werk. Thomas Mann schließt sich Curtius Meinung an und beschreibt das Werk als "(in seiner) Reinheit und Interessantheit (...) einzigartige Romandichtung."[9]Als nicht so gelungen empfindet es der oft zitierte Hessekritiker Karlheinz Deschner, der Narziß und Goldmund" härter bewertet. Deschner bezieht seine Kritik in erster Linie auf die Liebesbegegnugen Goldmunds, diese seien: " blass, poliert, süßlich (und) (...) von einer peinlichen Abgeschmacktheit."[10]Gerechterweise muss man jedoch erwähnen, dass sich Deschner ausschließlich auf die schlimmsten Stellen des Werkes bezieht und diese so zusammenstellt, dass sie zu seiner Argumentation passen. Die Verkaufszahlen und seine Resonanz in Orten überall auf der Welt spricht jedoch dafür, dass Hesse scheinbar durch sein Paket, Thema, Stilistik, Problematik eine richtige Mischung gefunden haben muss, den breiten Band der Leser anzusprechen. Bis zur heutigen Zeit ist Hesse noch ein viel gelesener Autor, der vor allem bei Jugendlichen eine große Resonanz findet.
Leseempfehlung
Möglicherweise habe ich nicht den nötigen Horizont, sprich Verständnis um ein Stück Weltliteratur derart zu werten, aber ich bin ein wenig enttäuscht von Hesses Werk "Narziß und Goldmund". Die Tatsache, dass ich mir mehr versprochen habe, liegt nicht unbedingt an der Stilistik des Werkes und schon gar nicht am Thema, sondern eher an den darin auftretenden Charakteren. Dass Narziß immer wieder die Toleranz der Andersartigkeit betont, finde ich vollkommen überzeugend und vernünftig. Unverständlich ist mir hingegen die Auffassung von Liebe und Freundschaft, die in diesem Werk vermittelt wird. Nicht nur, dass ich den Eindruck habe, dass es sich bei Narziß und Goldmunds Freundschaft um eine Art "Zweckehe" handelt, die nur auf Nützlichkeit ausgelegt ist. "Es ist nicht unser Ziel (...). (...)Ziel der Freundschaft ist(...)[11]" Ich habe eine herzlichere Definition von Freundschaft in diesem Roman erwartet. Die wahren Gefühle zueinander bleiben den Charakteren auf eine gewisse Art verschlossen. Viel eklatanter finde ich jedoch die Auffassung von Liebe in diesem Werk. Ich möchte an dieser Stele nicht als Moralapostel wirken, aber das ein Goldmund mit einem, so auffällig eindimensionalem Denken durchs Leben geht ist absolut übertrieben. Berthold Brechts "Galilei" war ebenfalls ein Genußmensch, aber nicht in einem so zukunftsverachtendem Sinn. Ich finde es wirklich nicht begrüßenswert, dass Goldmund auf seine Grundtriebe reduziert wird. Ich akzeptiere zwar Affären, aber doch bitte in Maßen und nicht als Lebensinhalt. Besonders der provokativ hervorgehobene Schlußdialog von Narziß und Goldmund, ist eine höchst umstrittene Passage. Goldmund, der ja nicht unbedingt für das Soziale im Menschen steht, bekommt einen zu starken Schluß, und entwertet somit das Lebensprinzip seiner Mitmenschen und das seines Freundes. Grade der Schluß besagt doch : "...ohne Mutter (Mutterbild) kannst zu nicht lieben." Goldmunds Definition von Liebe ist jedoch höchst oberflächlich, oder wie soll man sich sonst erklären, dass er mit jeder Frau schläft, richtige Liebe oder Erfüllung jedoch nur bei seinen eigenen "toten Gegenständen", sprich seiner Schnitzereien empfindet. Aber genau so kritisiere ich die Einfachheit des Frauenbildes, ,jede Frau möchte zwar eine Affäre mit Goldmund, der wegen seiner Naivität "biegsam, wie ein Kind (ist), aber keine wollte bei ihm bleiben. Ich finde dieses Bild der Frau ist sehr negativ und schon gar in unserer Zeit einfach nicht mehr zeitgemäß. Zurück zum Hauptcharakter: Dass Goldmund jede soziale Rolle korrekt ausfüllen soll behaupte ich ja gar nicht, darf er als antithetische Figur zu Narziß auch nicht. Aber ich finde die Interaktion zwischen ihm und seiner Umwelt in der Gesamtheit stimmt nicht. Goldmund verlässt sich grundsätzlich auf die Geschicke seiner Umwelt, ohne für die Dienste auch nur eine Spur von Dankbarkeit zu zeigen. Es ist in Ordnung, dass er unabhängig sein möchte, aber jeden vor den Kopf zu stoßen, der zu einem eine (nicht sexuelle) Beziehung aufbauen möchte ist sehr traurig und für mich unverständlich. Individualität wird in diesem Werk mit Eigennutz gleichgesetzt, so kommt es mir zumindest vor. Echte Gefühle werden nur in dem, sehr starken Anfangsteil des Werkes dargestellt, danach ist Goldmund eher gefühlskalt und durchzogen von plumper Desinteresse seiner Umwelt gegenüber, mag sein, dass gerade durch diese Resignation den Mitmenschen gegenüber, das Werk so schwermütig und im Endeffekt traurig wirkt. Ich bin jedoch nicht in der Lage, Goldmunds sehr beachtenswerten Lebenswandel nachzuvollziehen. Deshalb ist es hoffentlich verständlich, dass ich dem Werke nicht sehr positiv gegenüberstehe.[12]Dennoch stelle ich staunend fest, dass der Sinn des Werkes vollends zur Wirkung kommt, da man sich durch das Lesen dies Werkes automatisch intensiver mit seinem Leben beschäftigt. Man denkt über Dinge nach, denen man sonst nur unbewußt gegenübersteht. Das Werk an sich ist daher empfehlenswert, allein um herauszufinden in welche Richtung man eher tendieren würde.
[1]Bange: Königs Erläuterungen und Materialien Hermann Hesse : Narziß und Goldmund"
[2]Hermann Hesse: Narziß und Goldmund im fortlaufenden Text jede Seitenzahlangabe in Klammern aus Hesses : "Narziß und Goldmund"
[3]Bange: Königs Erläuterungen und Materialien Hermann Hesse: "Narziß und Goldmund"
[4]."( Karl Heinz Denschner: Kitsch, Konvention und Kunst Ullstein 1980 S.125 aus Bange, Hesse: "Narziß und Goldmund")
[5]."( Volker Michels: Hermann Hesse: Immer wieder Autor der jungen Generation S.132)
[6]Informationen zum Lebenslauf aus Rudolf Koester: "Hermann Hesse" 1682 Sammlung Metzler
[7]8Bange: Königs Erläuterungen und Matreialien Hermann Hesse: "Narziß und Goldmund"
[9]Ulrich Müller: Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, Herman Hesse:Kommentar zu sämtlichen Werken. Nr. 24 S.109ff.
[10]Ulrich Müller: Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, Herman Hesse:Kommentar zu sämtlichen Werken. Nr. 24 S.109ff.
[11]Zitatstellen werden in der Literaturliste nachgereicht.
[12]Alle Hessezitate stammen aus: Bange: Königs Erläuterungen und Materialien Hermann Hesse: "Narziß und Goldmund" S.12 - 62
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