Die Blechtrommel

Gliederung

1. Leben und Werk Günter Grass'

2. "Die Blechtrommel"

2.1 Das Werk "Die Blechtrommel"

2.1.1 Vorstellung des Themas des Romans und kurz skizzierte Inhaltsangabe

2.1.2 der Aufbau des Buches

2.2 der Inhalt des ersten Buches

2.3 der Inhalt des zweiten Buches

2.4 der Inhalt des dritten Buches

2.5 der Bezug des Buches und der Person Oskar Matzerath zur Zeit des

Nationalsozialismus

2.6 ein Bezug bzw. Vergleich des Buches und der Person Oskar mit Günter

Grass und seiner eigenen Biographie

2.7 Die Entstehung des Romans "Die Blechtrommel"

3. "Die Blechtrommel" im Urteil der Literaturkritik

Günter Grass

Günter Grass wurde am 16. Oktober 1927 als Sohn eines kleinen Ladenbesitzers und

seiner Frau Helene Grass, welche genauer gesagt eigentlich selber den Laden, ein

Kolonialwarengeschäft, führte, in der freien Stadt Danzig geboren. Sein Vater hatte

zuvor in einer Papierfabrik gearbeitet und war dort arbeitslos geworden.

Günter Grass ist Sohn einer gemischt nationalen Ehe. Sein Vater war Deutscher, seine

Mutter Kaschubin. Bei den Kaschuben handelt es sich um eine kleine slawische Volks-

gruppe, welche im Danziger Raum lebt und alle Wanderungsbewegungen überstanden hat.

Diese neben den Deutschen und Polen dritte Nationalität spielt eine große Rolle in Grass' Werk, soweit es sich auf Danzig bezieht. Grass sagte selbst einmal in einem Interview

"diese beiden Elemente [also die deutsche und die kaschubische Nationalität] rivalisieren

in mir".

Günter Grass wuchs in relativ kleinbürgerlichen Verhältnissen in dem Danziger Vorort Langfuhr auf. Dort besuchte Günter Grass zunächst die Volksschule und dann das

Gymnasium Conradium. Schon in seiner Schulzeit war Grass Mitglied einer Buch-

gemeinschaft und ging es öfteren mit der Mutter ins Theater.

Mit 10 Jahren wurde Grass Mitglied des Jungvolkes, mit 14 wurde er in die Hitlerjugend eingegliedert und mit 15 war er Luftwaffenhelfer. Das Kriegsende erlebte Günter Grass

nicht mehr in Danzig. Denn noch 1944 zog man ihn, den 17 jährigen Jungen, als Soldat, genauer gesagt als Panzerschütze, in den 2. Weltkrieg ein.

Günter Grass war zwar nie ein richtiger Hitler - Anhänger oder ein fanatischer National-

sozialist, doch so absolut dagegen schien er allerdings seinerzeit auch noch nicht gewesen zu sein. Denn er machte seine "Karriere" während der NS - Zeit nicht widerwillig und seine politische Einsicht wuchs erst nach dem Krieg, wenn auch erste Ansätze schon vorher vorhanden gewesen sein müssen. So lass er neben Ernst Jüngers "In Stahlgewittern"

während der Kriegsjahre auch Remarques streng verbotenes "Im Westen nichts Neues", welches in einem Bücherschrank seines Onkels Verbot und Verbrennung überlebt hatte.

Günter Grass wurde 1945 an der Ostfront bei Cottbus verwundet und gelangte von dort

in ein Lazarett nach Marienbad in Böhmen. Somit geriet er hier in amerikanische Kriegsgefangenschaft. In einem bayerischen Gefangenenlager begann für Günter Grass

die Bewältigung der Vergangenheit.

Aus Bayern ließ sich Günter Grass 1946 in ein britisches Gefangenenlager, das

Munsterlager in der Lüneburger Heide, verlegen. Aufgrund einer Schulterverletzung

wurde er vor einer längeren Kriegsgefangenschaft als Bergarbeiter in Großbritannien

bewahrt. Nach seiner Entlassung ging er mit einem Mitgefangenen nach Köln zu dessen Mutter, da er von seinen Eltern noch keine Nachricht erhalten hatte. Dort stieg er erst

einmal auf Vermittlung der Mutter seines Mitgefangenen in kleinere Schwarzmarktgeschäfte ein. Er war seinerzeit unentschlossen ob er wieder aufs Gymnasium gehen sollte um das

Abitur zu machen. An die von ihm angestrebte Ausbildung als Bildhauer war in dieser Zeit, welche vom täglichen Kampf gegen den Hunger bestimmt war, nicht zu denken. Nach

einem kurzfristigen Aufenthalt im Saargebiet ging Günter Grass nach Göttingen, wo er

nun doch noch sein Abitur nachholen wollte. Doch er fühlte sich dort nicht sehr wohl und verließ die Schule bald wieder. Er wurde dann Bergarbeiter in einem Kalibergwerk bei Hannover. Nachdem er dort schon fast ein knappes Jahr gearbeitet hatte erhielt er endlich

eine erste Nachricht von seinen Eltern.

Diese waren aus Danzig geflüchtet, hatten sich dann kurze Zeit in der sowjetischen Besatzungszone aufgehalten und waren dann bei einem Bauern im Rheinland

untergekommen. Günter Grass zog zu seinen Eltern und seiner 16 jährigen Schwester ins Rheinland. In den Jahren 1946 bis 1949 machte er eine Steinmetz- und Steinbildhauerlehre.

Ab dem Wintersemester 1949 studierte Grass an der Kunstakademie in Düsseldorf

und lebte dort bescheiden in einem Caritasheim.

1951 unternahm Grass eine Reise nach Italien und 1952 gelangt er das erste Mal nach

Paris. Diesen Reisen sollten dann in den darauffolgenden Jahren viele, meist beruflich

begründete, in alle Teile der Welt folgen. So unternahm Grass beispielsweise 1955

eine Reise nach Spanien, 1957 und 1959 reiste er nach Polen und in den Jahren 1961 und

1962 zu Vorträgen nach Skandinavien und England.

Im Jahre 1952 verlegte Günter Grass seinen Wohnsitz aus dem "Wirtschaftswunder -

Düsseldorf" nach Berlin (West), wo die Auswirkungen des Krieges deutlicher sichtbar

blieben, und wurde dort Schüler des Bildhauers Karl Hartung.

1954 starb Grass' Mutter im Alter von 56 Jahren. Im selben Jahr heiratete Günter

Grass seine erste Frau Anna Margaretha Schwarz, welcher der Roman "Die Blechtrommel" gewidmet ist.

Erste Anerkennung als Schriftsteller erhielt Günter Grass bei einem Lyrikerwettbewerb

des Stuttgarter Rundfunks bei welchem er im Jahre 1955 den Hauptpreis für das Gedicht

"Lilien aus dem Schlaf" gewann. Sein erster Lyrikband "Die Vorzüge der Windhühner" erschien 1955 / 1956. Dramatische Werke, welche in den Jahren entstanden als Günter

Grass durch ein Stipendium eines Verlages über Wasser gehalten wurde, fanden zwar

teilweise gute Kritiken jedoch keinen Intendanten.

Von 1956 lebte Günter Grass mit seiner Familie in Paris. Hier begann er mit seiner

Arbeit an der Blechtrommel.

Als Günter Grass 1958 auf einer Tagung der "Gruppe 47", einer Vereinigung

deutscher Schriftsteller, Teile seines derzeit noch unfertigen Romans "Die Blechtrommel" vorlas wurde ihm der mit 3000 DM dotierte Literaturpreis verliehen. Das Manuskript

des Romans beendete Günter Grass im Frühjahr 1959. Der Roman wurde noch

im Herbst des selben Jahres veröffentlicht. Er wurde zu einem großen Welterfolg, der

Günter Grass auch von materiellen Sorgen befreite.

Im Jahre 1960 brachte Günter Grass einen neuen Gedichtband mit dem Namen

"Gleisdreick" heraus. Im gleichen Jahr erhielt Grass den Literaturpreis des Verbandes

deutscher Kritiker. 1961 folgte dann Grass' nächstes größeres und bedeutendes

Werk, die Novelle "Katz und Maus". Ein Jahr darauf wurde Grass ein französischer Literaturpreis verliehen.

Nach dem weltweiten Erfolg der "Blechtrommel" war der Weg auch für Grass'

dramatische Arbeiten geebnet. Nach kleineren Stücken, wie "Hochwasser" (Uraufführung 1957 in Frankfurt / M.), "Onkel, Onkel" (Uraufführung 1958 in Köln), "Noch zehn

Minuten bis Buffalo" (Uraufführung 1959 in Bochum) und "Goldmäulchen" wurden

1961 "Die bösen Köche" als ein abendfüllendes Stück im Werkstatt - Theater des

Schillertheaters Berlin aufgeführt.

Im Jahre 1963 veröffentlichte Grass' dann den Roman "Hundejahre", welcher seinerzeit in

der Kritik auch für erhebliche Diskussionen sorgte. Gemeinsam mit der "Blechtrommel"

und der Novelle "Katz und Maus" bilden die "Hundejahre" Grass' sogenannte "Danziger

Trilogie".

In Berlin, wo Grass Mitarbeiter des "Spandauer Volksblatts" war, versuchte er gemeinsam

mit Wolfgang Neuss und Uwe Johnson einen Durchbruch durch die Uniformität der

Berliner Presse zu erkämpfen. Dieser gesellschaftspolitischen Aktion folgten sowohl

Proteste gegen die Unterdrückung der Freiheit in der DDR als auch Proteste gegen die

Politik der Bundesrepublik.

In diese Linie paßt sein Theaterstück "Die Plebejer proben den Aufstand", welches das

Verhalten Brechts während des Berliner Aufstandes am 17.06.1953 behandelt.

Von 1964 bis zuletzt März 1970 reiste Grass jährlich in die USA um aus seinen

Arbeiten zu lesen.

Im Jahre 1965 wurde Günter Grass der Georg - Büchner - Preis verliehen. Es

folgten 1968 der Fontane- und der Theodor-Heuss-Preis.

In den Jahren 1967 - 1969 erschienen Grass' dritter Lyrikband "Ausgefragt" (1967), ein

Band von Reden, Aufsätzen offenen Briefen und Kommentaren welcher "Über das

Selbstverständliche" (1968) betitelt wurde, das Buch "Über meinen Lehrer Döblin

und andere Vorträge"(1968) und schließlich sein dritter großer Roman "Örtlich

betäubt"(1969).

Dieser, welcher vor allem in den USA zu einem Riesenerfolg wurde und ein Protest gegen den Vietnamkrieg ist gehört zu den Büchern in welchen Grass sowohl soziale als auch

politische Themen behandelt. Dies ist typisch für seine Bücher ab dem Ende der 60er

Jahre. Weitere Bücher dieser Art sind "Der Butt" (1977), eine Interpretation der Beziehungen der Geschlechter während der Geschichte, "Die Rätin". (1986), eine Vision über das Ende der

Menschheit, welches Grass' Angst vor dem nuklearen oder einem Umweltdesaster widerspiegelt bzw. ausdrückt, und Unkenrufe (1992), ein Buch welches die deutsch -

polnischen Beziehungen behandelt.

Im Frühjahr des Jahres 1970 schrieb Grass das Libretto zu einem neuen Ballett Aribert

Reimanns. 1973 unternahm Grass eine Reise nach Israel. Im Jahre 1976 wurde Grass Ehrendoktor der Harvard - University in den USA. Desweiteren ist er auch Ehrendoktor

der Kenyon - Universität in Ohio. 1978 erschien, wie oben schon erwähnt, Grass

umfangreicher Roman "Der Butt". Es folgten 1979 "Das Treffen in Telgte" und Jahr

darauf "Kopfgeburten". 1982 wurde Günter Grass für seine Arbeit in Rom der Feltrinelli - Preis verliehen. Im Jahre 1986 veröffentlichte Grass dann den Roman "Die Rätin".

Von 1986 bis 1987 lebte Günter Grass für einige Monate in den Vororten von Calcutta

in Indien. Schon 1975 hatte er eine erste Reise in dieses Land unternommen.

Aus Indien brachte Günter Grass 1987 sein Tagebuch "Zunge zeigen" mit, in welchem

er die abendländische Mitschuld am Elend der indischen Bevölkerung darstellt.

Günter Grass' bisher letztes bedeutendes Werk war "Ein weites Feld", welches 1995 erschienen ist und von der Kritik sehr gemischten Gefühlen aufgefaßt wurde.

Das Thema dieses Buches ist die Deutsche Wiedervereinigung, welche anhand der Person

des Treuhand - Mitarbeiters Wuttke dargestellt wird.

Am 19. April erhielt Günter Grass in Kopenhagen den mit etwa 130000 Mark dotierten

Sonning - Preis.* Seine bisher letzte Ehrung wurde Herrn Grass mit der Vergabe des

Thomas Mann Preises der Stadt Lübeck am 05. Mai 1996 in Lübeck zuteil.

Günter Grass, welcher auch heute noch in Berlin lebt, ist einer der großen literarischen

Vertreter der Nachkriegsliteratur.

* Diese Aussage bezieht sich auf den Beschluß der Kopenhagener Universität vom

Dezember 1995 und ist nur zutreffend falls keine Änderung der Entscheidung, wie

bei Grass z.B 1959 in Bremen, vorgenommen worden ist.

Die Blechtrommel

Grass' Roman "Die Blechtrommel" handelt von dem seit Beginn seines vierten Lebens-

jahres an bis zu seinem 22. Lebensjahr zwergwüchsigen Oskar Matzerath. Dieser 1924

in Danzig geborene Junge stürzt sich an seinem 3. Geburtstag in den Keller hinunter um

nicht weiter wachsen zu müssen.

Es wird in diesem Roman die Lebensgeschichte des Jungen unter den Einflüssen des Nationalsozialismus und des 2. Weltkrieges beschrieben. Es folgt die Nachkriegszeit ,

wo Oskar im Endeffekt in einer Irrenanstalt landet.

Der Roman "Die Blechtrommel" ist aufgebaut aus drei Büchern. Das erste Buch beschreibt die

Zeit vor dem 2. Weltkrieg, das zweite Buch die Zeit während des 2. Weltkrieges und

das dritte Buch die Zeit nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland. Jedes dieser Bücher

ist dann noch einmal untergliedert in kleinere mit Ãœberschriften benannte Kapitel.

Zu beachten ist beim Aufbau dieses Werkes des weiteren der chronologische Ablauf

der Erzählhandlungen. Oskar Matzerath wurde 1924 geboren und hat 1927 willentlich

sein Wachstum eingestellt. Im Nachkriegsdeutschland hat ihn eine Irrenanstalt

aufgenommen, in welcher er im Verlauf zweier Jahre, 1952 bis 1954, seine Autobiographie

schreibt. Demgemäß unterscheidet man zwei Romanebenen, die Erzählzeit, welche die

genannten beiden Jahre umspannt und die Zeit von der erzählt wird, nämlich die

Jahre 1899 bis 1954. Davon zusätzlich ist noch die eigentliche Erzählebene zu unter-

scheiden.

Zur Erzählform des Buches sei noch zu bemerken, dass Oskar von sich sowohl in der

ersten als auch in der dritten Person erzählt. Die Übergänge sind fließend und ein Wechsel findet manchmal innerhalb des selben Satzes statt. Bei der Person Oskar Matzerath,

handelt es sich um einen Ich - Erzähler mit auktorialen Zügen. Nachzuweisen ist dies

unter anderem auf Seite 241*² wo Oskar berichtet: "Niemand hätte vom Strand aus sehen können, wie Greff das Fahrrad ablegte [...] Fragen sie mich bitte nicht, woher ich das weiß,

Oskar wußte damals so ziemlich alles [...]"

Das erste Buch der Blechtrommel beginnt mit einer Selbstvorstellung Oskar Matzeraths. Dieser Insasse einer Heil - und Pflegeanstalt, wie später erwähnt wird, befindet sich diese

in Altena im Sauerland, erzählt seine eigene Biographie von seiner Geburt 1924 in Danzig

bis in die Zeit des westlichen Nachkriegsdeutschland. Oskar bzw. der Roman beginnt, nachdem er dem Leser noch kurz seine Situation und seinen Pfleger vorstellt, jedoch mit

einer Abhandlung über seine Vorfahren. In den mit den Überschriften "Der weite Rock"

und "Unterm Floß" erzählt er von seinen mütterlichen Großeltern und der Heirat seiner

Eltern. Es folgt die Beschreibung von Oskars Geburt. Anschließend wird dargestellt

wie Oskar sich an seinem dritten Geburtstag die Kellertreppe herunterstürzt. Dies wird

als Grund für die Einstellung seines Wachstums angesehen.

Oskar bekommt wie bei seiner Geburt von der Mutter versprochen an seinem 3. Geburts-

tag die Blechtrommel. Er lernt trommeln und zieht des öfteren trommelnd durch die Stadt.

Er ist nicht bereit seine Blechtrommel auch nur für einen Moment wegzugeben. Auch ist

Oskar in der Lage mit seiner schrillen Stimme Glas zu zerschreien. Oskar sorgt durch

sein Trommeln bei verschiedenen Veranstaltungen und Anlässen, so beispielsweise auch

bei einer Kundgebung der Nationalsozialisten, für Verwirrung und richtet mit seiner

Stimme auch allerlei Zerstörung an. Oskars Mutter stirbt und wird beerdigt. Im Herbst

1937 lernt Oskar den Meister Bebra, welchen er früher im Zirkus schon einmal gesehen

hat, und Roswitha Raguna kennen, die beide ebenfalls kleinwüchsig sind. Außerdem

befreundet er sich in dieser Zeit mit dem Kellner Herbert Truczinski. Im Jahre 1938 wird

der Laden in welchem Oskar seine weiß - rot lackierte Blechtrommel gekauft hat und

welcher einem Mann namens Sigismund Markus', einem Juden, gehört von den Nationalsozialisten zerstört.

Das zweite Buch beginnt mit den ersten Kampfhandlungen in Danzig, kurz vor dem eigentlichen Ausbruch des zweiten Weltkrieges.

Im August 1939 versetzt der Hausmeister Kobyella die Polnische Post in Danzig in

den Verteidigungszustand..

Es folgen Kämpfe um das Gebäude der Polnischen Post. Jan Bronski, Oskars

Onkel, welchen Oskar aber als seinen wahren Vater ansieht, und der Hausmeister

Kobyella verteidigen die Post, welche die Heimwehr stürmen will.

Das Gebäude der Polnischen Post fällt, der Hausmeister stirbt. Jan Bronski, wie gesagt

Oskars mutmaßlicher Vater wird wegen Freischerlerei erschossen.

Am ersten September, also genau zum Zeitpunkt des Beginn des 2. Weltkrieges

gesteht sich Oskar ein, dass seine Trommel, nein sogar er selbst, der Trommler, erst

seine Mutter und dann seinen "Onkel und Vater" (S.288) ins Grab gebracht hat.

Denn er, Oskar, hatte den Männern von der Heimwehr in einer Art "Judasschauspiel"

erzählt, dass ihn Jan Bronski mit in die Post geschleppt hätte um ihn als Kugelfang zu

benutzen. Er wurde dafür "getätschelt und gerettet" sein Onkel aber grausam getreten

und behandelt und im Endeffekt, zwar nicht aus diesem direkten Grund, sondern

eben wegen Freischerlerei erschossen wurde.

Ende 1939 taucht Maria, die jüngste Schwester von Oskars Freund Herbert, dem

Kellner, im Geschäft des Vaters auf. Denn Oskar war zu klein und außerdem auch

nicht gewillt hinter dem Ladentisch im Geschäft zu stehen. Diese Maria wird zu Oskars

erster richtiger Liebe. Bei einem Badetag an der Ostsee kommt es zu ersten seltsam

anmutenden amurösen Szenen.

Anfang November 1940, besteht kein Zweifel mehr. Maria ist schwanger. Oskar, so

meint er wäre der Vater, doch entdeckt er ein Zusammensein von seinem angeblichen

Vater mit ihr. Dieser heiratet Maria dann auch, doch Oskar bleibt auch weiterhin davon

überzeugt, dass es sein Kind sei. Oskar versucht vergeblich Maria zu überreden das

Kind abzutreiben. Doch vergeblich, am 12. Juni 1941 wird sein Kurt, so hatte ihn Herr

Matzerath, sein angeblicher Vater, genannt, geboren.

Zu seinem dritten Geburtstag so verspricht es Oskar soll auch er von ihm eine Blech-

trommel bekommen.

An Kurts zweitem Geburtstag weilt Oskar nicht in Danzig - Langfuhr, sondern in

Metz. Denn er trifft vor einer Danziger Schule, einer derzeitigen Luftwaffenkaserne

seinen alten Freund Bebra. Gemeinsam mit ihm und Roswitha geht er an die Westfront

um dort Fronttheater zu spielen. So kommt er unterem anderem auch nach Paris, wo

er Arm in Arm mit Roswitha durch die Stadt spazieren geht. Auch hat er hier Auftritte

vor verwöhnten deutschen Wehrmachtsangehörigen und er zersingt seine Gläser

sogar nach einer kunsthistorisch chronologischen Folge. Oskar hatte zwar seine Lieben

daheim nicht vergessen, doch er schickte auch keine Nachricht. Er bot ihnen einfach

die Möglichkeit ein Jahr ohne ihn zu leben. Im April 1944 ziehen sie mit ihrem

Fronttheater an den Atlantikwall um dort Aufführungen zu geben. Roswitha stirbt

beim Angriff der alliierten Truppen während sie versucht einen Becher Kaffee aus der

Feldküche zu holen. Bebra und Oskar kehren nach Berlin zurück, wo sie sich trennen

und Oskar trifft einen Tag vor Kurts Geburtstag in seiner immer noch unversehrten

Heimatstadt Danzig ein. Die Begrüßung seines Vaters bei seiner Heimkehr ist so

herzlich, dass sich Oskar von jenem Tage an "nicht nur [...] Oskar Bronski, sondern

auch Oskar Matzerath nannte [...]". Oskar schenkt seinem Sohn Kurt eine Trommel,

welche dieser jedoch nicht annimmt und zugleich zu Schrott zerschlägt.

Oskar wird Anführer einer Jugendbande namens die Stäuber. Es folgen Brand

und Zerstörung Danzigs durch die Russen. Oskar bringt Herrn Matzerath, welchen

er inzwischen als seinen richtigen Vater ansieht, um. Er steckt ihm beim Eindringen

der Russen sein Parteiabzeichen mit geöffneter Anstecknadel zu, welches dieser dann verschluckt und daran stirbt. Es folgt seine Beerdigung. Oskar gesteht sich ein, dass er

es satt hatte sein Leben lang einen Vater mit sich herumschleppen zu müssen.

Oskar schmeißt seine Trommel in das offene Grab seines Vaters und beschließt zu

wachsen. Als er dann von seinem Sohn Kurt mit einem Kieselstein am Hinterkopf

getroffen wird fällt er ins Grab und beginnt zu wachsen. Mit einem Alter von 21 Jahren

beginnt er nun wieder an Größe zuzunehmen.

Oskar wird krank. Die herbeigerufene Ärztin rät Oskar und seinen Angehören

in Richtung Westen "weg[zu]kommen" (S.489). So fahren sie dann auch mit einem

Güterzug Richtung Westen.

Hier findet ein Wechsel des Erzählstils statt. Da Oskar, wie es geschrieben steht, auf-

grund seiner geschwollenen Finger schlecht schreiben kann, bittet er seinen Pfleger

Bruno Münsterberg dies zu tun. So erfolgt eine Umänderung des autobiographischen

Stils in eine Erzählform der 3. Person. Auch wenn Oskar in seiner Biographie teilweise ebenfalls über sich selbst in der 3. Person schreibt, so stellt der Pfleger Oskars Situation objektiver dar und vermittelt dem Leser ein anschaulicheres Bild über ihn.

Oskar, Maria und Kurt fahren mit diesem Zug lange Zeit Richtung Westen.

Denn des öfteren wird der Zug von ehemaligen Partisanen oder polnischen Jugend-

banden angehalten und ausgeraubt. Auch den Rucksack von Maria wollte eine solche

Bande mitnehmen, als sie aber das Fotoalbum, welches Oskar noch schnell heraus-

gezogen hatte sahen, ließen sie den Rucksack fallen und nahmen das Gepäck anderer

Reisender und verschwanden.

Auch, so meint Oskar, hat das ständige Rütteln und 'Schütteln während der Eisenbahn-

fahrt sein Wachstum gefördert. Er meint er sei während der Fahrt um etwa zehn

Zentimeter gewachsen, doch leider hat sich das Ausbilden eines Buckels nicht verhindern lassen.

Oskar wird in Lüneburg in ein Krankenhaus eingeliefert, wird aber bald darauf nach

Hannover überwiesen. Frau Maria sieht Oskar für lange Zeit nicht, denn diese wohnt

weit entfernt, da es in der Nähe der Klinik keinen Wohnraum gibt.

Später findet sie eine Stelle als Putzfrau in der Klinik, muss aber jeden Tag drei Stunden

zur Arbeit fahren. So stimmen die Ärzte einer Verlegung nach Düsseldorf zu, wo Maria

eine Wohnberechtigung erhalten hat. Denn dort hat ihre Schwester eine Wohnung, in

welcher sie ein Zimmer abgibt. In der Düsseldorfer Klinik liegt Oskar von August 1945

bis Mai 1946. Dann wird er noch einmal von seinem auch dortigen Pfleger Münsterberg gemessen und verlasst mit 1.23 m die Klinik.

Somit kann er nun ein neues erwachsenes Leben beginnen.

Das dritte Buch beginnt damit, dass Maria sich mit Schwarzhandel den Lebensunterhalt verdient. Oskar tritt im Frühjahr 1947 als Praktikant in eine Steinmetzerei ein.

Im Jahre 1948 macht er Maria einen Heiratsantrag, welchen diese jedoch ablehnt.

Oskar gibt seine Stelle bei der Steinmetzerei auf und geht in die Kunst. Er hat seine

Absicht aufgegeben ein guter Biedermannn zu werden.

Oskar stellt sich als Modell, allerdings auch als Aktmodell den Professoren und Schülern

der Kunstakademie zur Verfügung. Dies tut er dann auch gemeinsam mit der ehemaligen Schneiderin Ulla. Ein daraus entstehendes Aktbild sieht Maria.

Sie ist enttäuscht über ihn. Sie überredet ihn die gemeinsame Wohngemeinschaft zu

kündigen und ein Zimmer in der Nähe zu nehmen. Er zieht bei Familie Zeidler

als Untermieter ein. Ein anderer Untermieter bei Zeidlers ist die Schwester Dorothea,

welche Oskar ganz genau inspiziert, insbesondere etwas eifersüchtig die Briefe,

welche sie von einem gewissen Doktor Weber, Arzt im Marienhospital, empfängt.

Gemeinsam mit einem weiteren Untermieter Zeidlers, namens Münzer, von Oskar

jedoch Klepp genannt, und einem Gitarristen namens Scholle gründet Oskar eine

Kapelle. Die drei treten im "Zwiebelkeller" des Gastwirtes Schmuh auf. Oskar

trommelt die Gäste dort zur Tür heraus. Schmuh stellt einen Stehgeiger an, holt

die drei dann aber doch wieder zurück, weil sonst die besten Gäste fernzubleiben

drohen. Her Schmuh verunglückt tödlich und ein ehemaliger Gast Dr. Dösch, welcher

eine Konzertagentur leitet einen lukrativen Vertrag an. Vor dem Beginn des Vertrages

will Oskar jedoch noch eine Reise in die Normandie, wo er im 2. Weltkrieg mit dem

Frontheater war, machen.

Dann begibt sich Oskar zur Konzertagentur West, wo Dr. Dösch ihn mit offenen

Armen empfängt. Dösch meldet Oskar beim Chef an. Zu seiner Überraschung findet

er hinter dem großen Schreibtisch seinen noch lebenden Freund Meister Bebra in

einem Rollstuhl. Meister Bebra stellt Oskar erst einmal ein wenig über seine Vergangen-

heit und seine begangenen direkten oder indirekten Morde zur Rede. Oskar unterschreibt

hier einen Arbeitsvertrag für Konzerttourneen, welchen er aber erst, nachdem er ihn unter-

schrieben hat, zu lesen bekommt. Schlimmes hatte Oskar befürchtet, aber nichts der-

gleichen enthielt dieser Vertrag. Oskar wird durch seine Tourneen ein reicher Mann.

Als er von einer Tournee zurückkommt ist Meister Bebra tot. Um ihn trauernd leiht

sich Oskar einen Rottweiler mit dem er einsame Spaziergänge macht.

Eines Tages stöbert der Hund einen weiblichen beringten Finger in einem Feld auf.

An dem Ring ist ein Edelstein .Oskar steckt den Finger samt Ring ein. Dies hat

ein Mann, namens Gottfried von Vittlar aus seinem Schrebergarten beobachtet.

Dieser Mann, welchen Oskar sogar als einen Freund betrachtet, zeigte ihn damals bei

der Polizei an. Dieser hatte ihn jetzt gerade wieder einmal in der Heilanstalt besucht.

Als Vittlar Oskar damals zu Hause besuchte hatte Oskar den Finger in einem Weckglas

aufbewahrt und dieses angebetet. Vittlar hatte die Worte genau notiert, denn die Angaben

über die Besitzerin des Ringfingers glichen denen über die ermordete Dorothea

Oskar fordert Vittlar später auch auf Anzeige zu erstatten, er selber flieht dann aber erst

einmal noch.

Damit endet die zweite, die innere Romanebene und Grass kehrt auf die äußere Roman-

ebene, die Erzählzeitebene, zurück. Oskar schreibt, dass er als er damals floh 28 Jahre

alt war und heute gerade seien 30. Geburtstag begeht. Es erscheint gerade heute an

seinem 30. Geburtstag sein Anwalt mit der Meldung, dass man eine neue Spur in dem Ringfinger - Prozeß gefunden hat und dieser wieder neu aufgerollt wird.

Eine gewisse Schwester Beate soll aus Eifersuchtsgründen Schwester Dorothea aufgrund

des Dr. Werners getötet haben. Oskar wurde damals aufgrund des Feldes für schuldig befunden, jedoch nicht für voll genommen und in die Heilanstalt eingeliefert.

Der Roman "Die Blechtrommel" besitzt einen großen zeithistorischen Gehalt, welcher

"mithin schon äußerlich an der formalen und chronologischen Gliederung des Werkes

sichtbar wird. Denn der Krieg als Geschichtsperiode bildet nach Aufbau und Thematik

dieses Werkes genau die Romanmitte. Die "Blechtrommel" ist zwar auch ein politisches

und geschichtliches Buch, doch in erster Hinsicht ist und bleibt es die Wiedergabe von

Oskar Matzeraths Lebenslauf in welchem sich die Geschehnisse seiner Zeit widerspiegeln. Günter Grass enthält sich in seinem Werk auch einer direkten Beschreibung der Kriegsereignisse und der politischen Vorgänge. Er lässt die Geschehnisse Gestalt gewinnen indem er sie in Bezug auf die Romanfiguren widerspiegelt. So ist Oskar beispielsweise mit Aufmärschen oder Versammlungen der Nationalsozialisten beziehungsweise Hitlerjugend

mit seiner Trommel zugegen oder es ist in Bezug auf die Störtebeckerbande von BdM - Führerinnen die Rede.

Günter Grass umgeht es in diesem Roman auch eine ständige Anprangerung des

Nationalsozialismus und des Krieges vorzunehmen. Er kritisiert zwar die Zeit der

Nationalsozialisten, jedoch findet sich in diesem Werk keine Spur von Haß auf das Regime.

Grass zeigt alle Situationen aus des zumindest in dieser Hinsicht ganz normalem Klein-

bürgers Oskar Matzerath. Es mag sein, dass Günter Grass diesen Roman auch

geschrieben hat um dem Verdrängungsprozeß der Geschehnisse des zweiten Welt-

krieges mit seinen Mitteln entgegenzuwirken. Denn auch sein Romanheld Oskar

Matzerath gibt zu, dass er versucht bestimmte Geschehnisse, wie zum Beispiel den Mord

an Jan Bronski, weitestgehend aus seinen Gedanken zu verdrängen beziehungsweise wie

er selber bezeichnend sagt "auszuradieren".

Der erste Hinweis auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund des Werkes findet sich in dem Kapitel "Falter und Glühbirne", wo geschrieben steht "Der Krieg [,hiermit ist der 1. Welt-

krieg gemeint,] hatte sich verausgabt. Man bastelte, Anlass zu ferneren Kriegen gebend, Friedensverträge". "Das Gebiet ... [um Danzig] ... wurde zum Freien Staat erklärt und dem Völkerbund unterstellt" (S.40/41). Die sich wieder zunehmend mit Spannung füllende Verhältnis zwischen Deutschen und Polen wird anhand einer Schlägerei zwischen dem

Polen Stephan, der Sohn des Cousin von Oskars Mutter, Jan Bronski, und einem

deutschen Jungen dargestellt. Wie an dieser Stelle so sind auch an vielen anderen Stellen

des Werkes die Zeitereignisse eng mit der Romanhandlung verknüpft. Es wird beispiels-

weise erzählt, dass sich Vater Matzerath seit dem Tode der Mutter nur noch für seinen

"Parteikram" interessiert. Auch werden seine Sammlungen für das Winterhilfswerk, eine Organisation zur Stärkung der Kampfmoral der Soldaten während der Kriegsjahre, erwähnt an welchen sich Oskar auch selber einmal beteiligt. Die Judenprogrome werden anhand der Ermordung des Spielwarenhändlers Sigismund Markus', wo Oskar regelmäßig seine

Trommeln zu kaufen pflegte, und der Zerstörung seines Ladens dargestellt.

Die ersten Kriegsereignisse kurz vor dem eigentlichen Ausbruch des 2. Weltkrieges

in Danzig werden aus der Sicht Oskars, welcher mit seinem "Onkel" und mutmaßlichen

Vater in die Polnische Post gekommen ist, dargestellt. Diese wird von der Heimwehr

angegriffen und eingenommen.

Weitere Kriegsereignisse werden in Form von Sondermeldungen, welche Oskar im

Radio hört, dargestellt. Die Siegesmeldungen, welche in Danzig aus den Lautsprechern

klingen, werden durch Oskars Trommeln begleitet und fließen somit in die Roman-

handlung ein. Die Ereignisse in Stalingrad und der Niedergang Rommels in Nordafrika

werden in Verbindung mit Ereignissen in Oskars Familie dargestellt. So heißt es,

in Bezug auf Stalingrad, dass Oskar sich "aber weniger um die sechste Armee...", als,

"vielmehr um Maria[s]..." Grippe sorgte (S.376). Der Ende Rommels Afrikakorps wird

mit dem Ende von Kurtchens Keuchhusten verglichen.

Aktiv am Kriegsgeschehen nimmt Oskar während seiner Zeit in Bebras Fronttheater

teil, wo er mit einer Propagandakompanie nach Frankreich geht. Oskar Matzerath

erlebt den Westwall, den Atlantikwall und die Invasion der Alliierten. Das Leid

und der Tod hierbei werden am Beispiel des Tods Roswithas erwähnt. Es folgen

Bombenangriffe und schließlich erlebt Oskar die Zerstörung seiner Heimatstadt

Danzig. Er sieht den Brand und die Vernichtung der Stadt allerdings nur weil er

auf dem Dachboden seine Trommel, seinen Rasputin und Goethe und einen Falter

von Roswitha gelagert hat, welche er unbedingt in Sicherheit bringen will.

Auch anhand dieses Beispiels werden Leid und Zerstörung gezeigt.

Das Ende der Nationalsozialistischen Partei (Deutschlands) wird am Ersticken des

Vaters Matzerath an seinem Parteiabzeichen dargestellt, welches Oskar ihm beim

Eindringen der Russen mit geöffneter Anstecknadel zugesteckt hat. Gleichzeitig wird

er auch noch von einem russischen bzw. sowjetischen Soldaten erschossen.

Mit dieser Szene, "welche eine geniale Erfindung des Romanautors [Günter Grass] ist"

(S.52, Quelle 4) wird das Ende des Dritten Reiches auf sehr anschauliche Weise dargestellt.

Etwas ausführlicher wird die Vertreibung der Deutschen aus Danzig und den anderen

Ostgebieten am Beispiel der Matzeraths dargestellt. Es folgt dann die Darstellung

der Schwierigkeiten, welchen diese Leute gegenüberstanden und wie sie versuchen

mussten in der neuen Heimat Fuß zu fassen.

Weitere Fakten, welche allerdings nicht jedem Leser im ersten Moment auffallen dürften,

die einen historischen Bezug besitzen findet man in den einzelnen Textabschnitten wieder.

So deutet beispielsweise Oskars permanentes Trommeln sicherlich auf die die gesamte

Zeitsituation beherrschende Aggressivität hin. Das Trommeln signalisiert das kriegerische

Tun und die militärische Disziplinierung die seinerzeit herrschten. Es stellt einen Kontakt

zu den zerstörerischen Strebungen der nationalsozialistischen Zeit her. Ähnliches lässt sich

von Oskars Fähigkeit mit seiner Stimme Glas zu zerschreien feststellen. Ab Ende 1932,

aus Anlass des Zerschreiens der Scheiben im Foyer des Danziger Stadttheater, wird Oskar,

welcher "bislang nur aus zwingenden Gründen geschrien hatte"(S.115) an diesem Punkt

"zu einem Schreier ohne Grund und Zwang" (S.115). Im historischen Bezug gesehen,

bedeutet dies wohl, dass mit der nahe bevorstehenden Machtergreifung der Nationalsozialisten die Aggressionen wieder zunehmen. Desweiteren mag das Zerscherben von Glas auf die

durch den Krieg hervorgerufene Beschädigung von militärischen und zivilen Objekten

hindeuten. Auch stellt Grass zwischen der schrillen und zerstörerischen Stimme seiner Hauptperson und den Kriegswaffen eine Verbindung her, indem er sie mit dem "Nazi -

Terminus ,Wunderwaffe'" benennt.

Weiterhin ist interessant festzustellen das sich Oskar genau am 01. September 1939 seine große Schuld eingesteht seine Mutter und seinen "Onkel und Vater" (S.288) ins Grab

gebracht zu haben. Dabei sind Parallelen von der Individualperson Oskar zum gesamten deutschen Volk sichtbar, welches genau an diesem Tage erkannt haben dürfte, wohin es

Hitler und seine Partei mit seiner Unterstützung gebracht hat.

Wichtig zu bemerken sei auch, dass Oskar genau zum Zeitpunkt der deutschen Kapitulation

und des Kriegsendes, nämlich im "Mai 1945" sein Wachstum wieder aufnimmt und somit versucht einem normalen Leben entgegenzuwachsen.

Eine Quelle sieht in Oskar Matzerath auch eine direkte Verbindung zu der Figur Adolf

Hitlers. Denn auch Adolf Hitler stammte aus einem kleinbürgerlichen Milieu und lehnte

sich genauso wie Oskar Matzerath mit vehementen Protest gegen die materielle Enge des Sozialmilieus und gegen die väterliche Autorität auf. Weiterhin erinnern an Hitler,

die öfters beschriebene Blauäugigkeit Oskars und sein "weltumfassendes Halbwissen".

Auch wurde Hitler vor allem in politischen Auseinandersetzungen während der letzten

Jahre der Weimarer Republik des öfteren als "Trommler" tituliert und dargestellt.

In dem Werk "Die Blechtrommel" und in der Person Oskar Matzerath sind aber auch

viele Bezugspunkte zu Günter Grass eigener Biographie zu sehen. Es spiegeln sich

sogar einige Elemente aus Grass' Biographie in Oskar Matzeraths Lebenslauf wider.

Denn Günter Grass lässt seinen Helden an vielen Schauplätzen und Orten an denen er

selber aufgewachsen ist leben und handeln. So sind einige Lebensabschnitte dieser

beiden Personen sicherlich von Günter Grass nicht nur rein zufällig gleich oder ähnlich

gewählt worden. Zum einen dürfte Grass durch das Kennen der Schauplätze an denen

er die Handlung des Buches stattfinden lässt, tatsächlich geschehene Ereignisse leichter

mit einfließen haben lassen können und zum anderen kann er die Situation seines Heldens selbst nachempfinden, da auch er sie als Kind beziehungsweise Jugendlicher so erlebt hat. Sowohl Günter Grass als auch sein Romanheld Oskar Matzerath wachsen in dem

Danziger Stadtteil Langfuhr während der späten zwanziger Jahre auf und verbringen dort

ihre Kindheit und frühe Jugend. Auch ist Grass' Romanheld, genau wie er selbst, der Sohn

eines kleinen Kolonialwarenhändlers und es existieren auch in seiner Familie mehrere Nationalitäten. Grass selbst, so sagt er selber, verfügte als Kind, genau wie sein Roman-

held Oskar, über eine sehr genaue Beobachtungsgabe. Eine Gemeinsamkeit existiert

auch zwischen Oskars "Onkel" Jan Bronski und Grass' Onkel Franz. Denn auch dieser

war Angestellter der Polnischen Post und war bei der Kapitulation der Verteidiger

tatsächlich von der Heimwehr erschossen worden.

Günter Grass musste, wenn auch unter anderem Umständen seine Heimatstadt Danzig

verlassen und gelangte nach dem Kriege nach Westdeutschland. Die Flucht aus Danzig

mit all ihren Strapazen und Schwierigkeiten dürfte Grass aber von seinen Verwandten

so übermittelt bekommen haben. Grass lernte in Westdeutschland unter anderem die Romanschauplätze Hannover und Düsseldorf in der Nachkriegszeit kennen.

Er machte genau wie sein Romanheld Oskar eine Steinmetzlehre und kam später, zwar

nicht als Model, sondern als Student ebenfalls an die Kunstakademie in Düsseldorf.

Außerdem war er nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft in Köln, genauso

wie die Romanfigur Maria in Düsseldorf, an kleineren Schwarzmarktgeschäften beteiligt.

Auch genaue Orts- und Situationsbeschreibungen, wie beispielsweise die Beschreibung

des Stadtteils Danzig - Langfuhr, des Danziger Brandes, welchen Grass ebenfalls so von

seinen Angehörigen geschildert bekommen haben dürfte, und die Beschreibung der

örtlichen Gegebenheiten in Düsseldorf sind Grass durch das persönliche Kennen und

Erleben möglich gemacht worden.

Ebenfalls fließen tatsächlich in Günter Grass' Leben vorhandene Orte in die Romanhand-

lung mit ein. So dient zum Beispiel das Düsseldorfer Jazzlokal Dixieland in welchem

Günter Grass abends mit Freunden musizierte als Vorbild für den "Zwiebelkeller" in der

Blechtrommel.

Die Blechtrommel entstand in den Jahren 1956 bis 1959 in einem kleinem Pavillon in

einem Pariser Hinterhof, wo Günter Grass damals mit seiner Frau Anna lebte. Seinen Ursprung hat der Blechtrommler in der Figur eines Säulenheiligen gehabt. Diesen

hatte Günter Grass im Jahre 1952, während einer Reise durch Frankreich auf der er

ununterbrochen schrieb, kreiert. Einer anderen Quelle zufolge, wo Grass aus einem

Interview zitiert wird, ist der Gedichtzyklus "Der Säulenheilige" allerdings schon

während der Zeit von Grass' Autostop - Reisen in den Jahren 1950 / 51 entstanden.

Das Gedicht "Der Säulenheilige", welches nur noch in Bruchstücken erhalten ist und

nie veröffentlicht wurde birgt die Keimzelle des Romans "Die Blechtrommel".

Das Gedicht wurde von Grass verworfen, aber die Figur des Säulenheiligen und die

entrückte Perspektive blieben interessant.

Die Perspektive des Säulenheiligen wurde für die Figur des allwissenden Zwerges

Oskar Matzerath im Grunde genommen noch ausgebaut. Die Einsamkeit des

Säulenheiligen ist verbunden mit Oskars Angst und seiner Sehnsucht nach Rückkehr

in den Mutterleib. Zwar hat der Autor die Säule und mit ihr den erhöhten Stand-

punkt seiner Hauptperson aufgegeben, er bleibt aber von der ihn umgebenden

Gesellschaft deutlich abgehoben. Im Spätsommer 1952 trat die Person des Oskar

Matzeraths tatsächlich im Leben des Günter Grass in Erscheinung. Bei der

Rückkehr von einer Reise aus Südfrankreich über die Schweiz sah er bei einer

Kaffeetafel einen dreijährigen Jungen mit einer Blechtrommel. Günter Grass fiel

an diesem Jungen die "selbstverlorene Vergessenheit [...] an sein Instrument" auf

und wie dieser gleichzeitig die "Erwachsenenwelt", die nachmittäglich plaudernde

Kaffeewelt, ignorierte. Für drei Jahre blieb diese "Findung" vergessen bis dieser

Junge 1956 aus Grass' Erinnerung wieder auftauchte und er mit seiner Arbeit an

dem Roman, welchen er seiner Frau Anna gewidmet hat, begann.

"Die Blechtrommel", wie auch nach ihr noch die "Hundejahre" und vor kurzem gerade

erst "Ein weites Feld" wurde in der Literaturkritk sehr unterschiedlich aufgefaßt.

Es gab als Reaktion auf dieses Werk "Schreie der Freude" und "Hymnen" auf der

einen Seite, und Schreie des Entsetzens, der Empörung und der Entrüstung auf der

anderen Seite. Die unterschiedlichen Ansichten über das Werk gingen mitten durch

einen Literaturpreis, welchen man Günter Grass eigentlich für anerkennen wollte hin-

durch. Eine unabhängige Jury erkannte Grass zum Jahresende 1959 den Bremer

Literaturpreis zu, der Bremer Senat, welcher formal zustimmen musste, verweigerte

dies und erkannte ihm somit den Preis wieder ab.

Die Blechtrommel wurde jedoch trotz allem zu einem großen Erfolg und zählt schon heute

zu den klassischen Werken der deutschen Nachkriegsliteratur.

Quellen:

1. Volker Neuhaus, Günter Grass - Die Blechtrommel - Interpretationen; 1. Auflage

© 1982 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München

2. V. Neuhaus - Stuttgart, Metzler, 1979 / J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und

Carl Ernst Poeschel Verlag (ISBN 3 - 476 - 10179 - 7)

3. Günter Grass - Materialienbuch, herausgegeben von Rolf Geißler; Sammlung

Luchterhand - Juni 1976, Luchterhand Verlag Darmstadt und Neuwied

4. Königs Erläuterungen und Materialien, Band 159 - Günter Grass - Die Blechtrommel

von Edgar Neis; C. Bange Verlag - Hollfeld

5. Günter Grass "Die Blechtrommel" - Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,

München (dtv); 4. Auflage Januar 1996 - © 1993 Steidl Verlag, Göttingen

(nach dieser Ausgabe sind außer *² alle Seiten der Zitate angegeben)

6. einige digitalisierte Zeitungsartikel und Berichte oder Lexikoneinträge (Internet),

- z.B: EMP; Encyclopaedia Britannica; taz - Jörg Lau (TAZ - Bericht vom

26.08.1995 - Seite 13/14),taz - Matthias Deutschmann (TAZ - Bericht vom 31.08.1995 - Seite 4), taz - Karl Schlögel (TAZ - Bericht vom 04.09.1995 - Seite 10), Contrapres Media GmbH; Presse und Informationsamt der Hanse- stadt Lübeck, (LyNet GmbH); Maja Groothuis; Meulenhoff Amsterdam;

Die Welt (19.08.1995) - Bericht von Reinhard Tschapke;

- für die Seitenangabe von *² wurde das Werk Günter Grass "Die Blechtrommel",

als Sonderausgabe 1984, Darmstadt und Neuwied verwendet

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