Der Löwe von Münster
"Je demütiger und selbstloser wir uns, auf eigene Wünsche verzichtend, Gottes Willen unterwerfen, desto mehr dürfen wir hoffen, Gottes Werkzeuge zu sein."
INHALTSVERZEICHNIS
S.2
Ein Verfasser über sein persönliches Erlebnis mit dem Bischof von Münster
S.2
Das Leben des Bischofs von Münster
S.5
Bischöfe gegen Gewalt und Unrecht
S.5
Erläuterungen, Zusammenfassung
Ein Referat von Christian Seitz
Ein Verfasser über sein persönliches Erlebnis mit dem Bischof von Münster
Der Verfasser berichtet:
Ich wurde von Clemens August von Galen, dem Bischof von Münster, 1941 gefirmt. Meine Heimatgemeinde St. Joseph in Habinghorst gehörte zur Diözese Münster. Als bekannt wurde, dass der Bischof auf seiner Firmungsreise auch zu uns kommen würde, schwebten wir Jungen zwischen Erwartung und Bangen. Im Firmunterricht wurde uns gelehrt, dass zu diesem Sakrament ein Backenstreich gehörte. In Anbetracht unserer kindlichen Verfehlungen malten wir uns aus, dass dieser Backenstreich zu einer gewaltigen bischöflichen Ohrfeige auswachsen würde, insbesondere, wenn man die hünenhafte Gestalt dieses volkstümlichen Mannes kannte.
Am Tage der Firmung dann erwies sich der gefürchtete Backenstreich als eine Berührung der Wange mit zwei Fingern, der hochaufragende Gottesmann als gütiger Herr, der uns Kinder als Partner ernst nahm, der mit uns sprach.
Zwei Wochen später hörte ich von dem Bischof eine Predigt über die Ermordung von Geisteskranken durch die SS-Ärzte. Der Grund: Die Geisteskranken seien für die nationalsozialistische Gesellschaft "unproduktiv".
Darauf der Bischof: "Wenn einmal zugegeben wird, dass Menschen das Recht haben, "unproduktive" Mitmenschen zu töten - und wenn es jetzt zunächst auch nur arme wehrlose Geisteskranke trifft - (...) dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben. Dann braucht nur irgendein Geheimerlass anzuordnen, dass das bei Geisteskranken erprobte Verfahren auch auf andere "Unproduktive" auszudehnen ist, dass es auch bei unheilbar Lungenkranken, bei den Altersschwachen, bei den Arbeitsinvaliden, bei den schwer kriegsverletzten Soldaten anzuwenden ist ... Wer kann dann noch Vertrauen haben zu einem Arzt? (...) Wehe den Menschen, wehe unserem deutschen Volk, wenn das heilige Gebot "Du sollst nicht töten", das der Herr unter Donner und Blitz auf Sinai verkündet hat, das Gott, unser Schöpfer, von Anfang an in das Gewissen der Menschen geschrieben hat, nicht nur übertreten wird, sondern wenn diese Übertretung sogar geduldet und ungestraft ausgeübt wird."
Aufgrund der anklagenden Worte dieser Predigt wurde mir erstmalig das Verbrecherische des Staates bewußt: seit diesem Tag schämte ich mich meiner Uniform der Hitlerjugend, die schon längst "Staatsjugend" war. Wenn schon auf mich als 12-jährigen Jungen die Predigt im Kriegsjahr 1941 einen solchen Eindruck machte, wieviel mehr wirkte sie auf viele Erwachsene der damaligen Zeit. Dieser Appell wurde ebenso wie zwei andere Predigten bei den Soldaten an der Front durch heimliche Abschriften verbreitet.
Die nationalsozialistische Führung spürte, dass mit der öffentlichen Anprangerung des Euthanasie-Programms durch den Bischof von Münster eine tiefe Beunruhigung durch das Volk ging. Das Hitlerregime musste den Massenmord an Geisteskranken - bisher waren es 70.000 Menschen - einstellen.
Die "Frechheit" des Bischofs von Münster sollte nach dem Willen vieler aufgebrachter Nazi-Parteigrößen "unverzüglich durch Todesstrafe" geahndet werden. Ein Kreisleiter schlug "öffentliches Erhängen des oppositionellen Bischofs auf dem Markplatz zu Münster" vor.
Aber die Beliebtheit Clemens Augusts, der in diesen Monaten der Bedrängnis den Beinamen "Löwe von Münster" erhielt, ließ die oberste Nazigarnitur vor irgendwelchen Aktionen gegen den Bischof zurückschrecken. Hitlers Propagandaminister Goebbels schrieb: "Die Bevölkerung von Münster kann für den Krieg verloren betrachtet werden, wenn ihrem Bischof etwas zustößt, und die gleiche Befürchtung gilt für ganz Westfalen. Aber Hitler und seine Vasallen behielten sich die Bestrafung Gahlens für die "Zeit nach dem gewonnenen Krieg" vor, da der Bischof schon öfter die nationalsozialistischen Pläne gestört hatte.
Das Leben des Bischofs von Münster
"Ich glaube, nach allem, was ich von der Wirkung meiner letzten Predigten höre, dass wirklich die Lieber der>Muttergottes vom Guten Rat< den Heiligen Geist mit Erfolg gebeten hat, mir die rechten Gedanken in den Sinn und die rechten Worte auf die Zunge zu legen. Denn ich weiß schon aus langer Erfahrung: das kann ich nicht immer und aus eigenem Antrieb. Es gibt Zeiten, wo ich stumpf in Gedanken, so unberedt in Worten bin, dass ich besser schweige. Und dann gibt der liebe Gott mir mal von Zeit zu Zeit, wenn er es für nötig hält, Gedanken und Worte, die irgendwie nützen. Aber wir wollen allen Erfolg ruhig Gott überlassen und froh und dankbar sein, wenn wir uns für ihn plagen dürfen."
Diese Worte aus einem Brief des Bischofs scheinen so wenig zu seinem Bild zu passen, das man sich vom "Löwen von Münster" gewöhnlich macht. Und doch entsprechen sie seinem trotz aller Kraft und Geradlinigkeit demütigen Charakter weit eher als die Vorstellung von einer nur selbstsicheren, jeder Situation gewachsenen Persönlichkeit, die sich bei der Bischofsweihe im Jahre 1933 das Motto NEC LAUDIBUS NEC TIMORE (>> Weder Lob noch Furcht << als Richtschnur für ihr Wirken auswählte und sich während der Schreckenszeit des dritten Reiches unbeirrbar danach richtete. Weder das Lob der Menschen noch die Furcht vor Menschen sollen ihn als Bischof beeinflussen.
Es wäre zu einfach und würde Kardinal Clemens August von Galens Bedeutung verringern, ihn in ein einfaches Heldenklischee zu pressen. Seine Leistung war es gerade, aus vorgegebenen Einstellungen und Haltungen auszubrechen und sich dann ohne Furcht zum Fürsprecher der Verfolgten und zum Gegner des NS-Unrechts zu machen.
Clemens August von Galen kam am 16. März 1878 auf Burg Dinklage in Oldenburg, als elftes von dreizehn Kindern des Grafen Ferdinand Heribert von Galen und dessen Frau Elisabeth, einer geborenen Reichsgräfin von Spee, zur Welt. Das Elternhaus war streng katholisch, so dass der junge Clemens August schon seit frühester Kindheit völlig in der Welt der Religion, des Glaubens und der Kirche integriert war. Zuspätkommen oder gar Schwänzen der heiligen Messe wurde mit Essensentzug bis zum Mittag bestraft. Der Vater übte in religiöser Hinsicht einen für unsere Zeit unvorstellbaren Druck aus und übernahm die Erziehungsmethoden von seinem Vater, von dem es heißt: "Überragende Autorität war Graf Matthias seinen Kindern. Selbst die erwachsenen, ja ergrauten Söhne wagten nie, ein Urteil, geschweige dem eine Kritik über ihren Vater auszusprechen." (Heinrich Portmann) Achtjährig wurde Clemens August mit seinem sechsjährigen Bruder Franz dem Hauslehrer Arens am 4. Mai 1886 mit folgenden Worten übergeben: "Ich übergebe Ihnen diese meine Söhne, das kostbarste was mir der liebe Gott geschenkt hat. Sie wollen Ihnen nun Lehrer und Erzieher sein. Eine heilige Aufgabe! [...] Wir wollen mit dem Unterricht am Samstag, dem Tag der lieben Mutter Gottes, beginnen ... und mit ihrer günstigen Hilfe arbeiten; dann wird alles gut gehen, und Gottes Segen wird gewiß nicht fehlen."
Der Onkel des Vaters von Clemens August war der Sozialbischof von Ketteler, sein Vater selbst Reichstagsabgeordneter des Zentrums.
Für Clemens August und seine Geschwister fehlt es nicht an Kindheitserlebnissen, so wirft der lange, schlacksige Junge einem Hausbesitzer die Fensterscheibe ein. Die Grafensöhne wurden nicht in Isolation aufgezogen, sondern lebten in gutem Kontakt mit der Jugend des Ortes.
Clemens August besuchte die Gymnasien im österreichischen Feldkirch und im oldenburgischen Vechta. Er studierte Theologie in Fribourg, Innsbruck und Münster und wurde am 27. Mai 1904 in Münster zum Priester geweiht. Bei seinem Onkel, dem Weihbischof Maximilian von Galen, war er zwei Jahre lang bischöflicher Kaplan und Domvikar. Danach übernahm er die Vikarstelle an der St. Matthias-Pfarrei in Berlin. Die Pfarrei zählte damals 30.000 Katholiken, das war im Münsterland die Seelenzahl eines Dekanats. Nach einem Wechsel nach St. Clemens als Kurat übernahm er schließlich St. Matthias wieder als verantwortlicher Pfarrer. Er teilte die gigantische Pfarrei in Seelsorgebezirke und Sozialstationen ein und steckt seinen Erbteil von 35.000 DM - damals ein Vermögen - in den Bau eines Hospitals. Er ging in die Proletarierwohnungen der gestaffelten Hinterhöfe der Berliner Mietskasernen und machte sich in 23 Jahren mit den Problemen der Großstadt vertraut.
"Der adlige Pfarrer", so beurteilt Rudolf Morsey die Haltung Galens, "blieb in der tradierten kirchlichen Lehre verwurzelt. Er war durchdrungen von der Würde des Priestertums und einer sehr persönlich verstandenen Treue zum Papsttum und kirchlicher Hierarchie, zu seinen Pfarrkindern und später zu seinen Diözesanen."
Die entstehende Weimarer Republik fand nicht seinen ungeteilten Beifall. Die Präambel der neuen Verfassung "Alle Gewalt geht vom Volk aus" machte ihn skeptisch. Er hätte lieber das Leitwort "Alle Gewalt geht von Gott aus" eingesetzt.
1929 wir Clemens August nach Münster zurückberufen und dort Stadtpfarrer von St. Lamberti. Vier Jahre später, in dem für Deutschland so einschneidenden 1933, wird er Bischof von Münster.
Die Berufung in diese Amt kam überraschend, da es noch keine Beweise für seine Rhetorik gab: "Da muss der Heilige Geist noch einiges tun!" war ein geflügeltes Wort zu Zeiten der Bischofsweihe. Herkunft und Einstellung des neuen Bischofs schienen die Gewähr dafür zu bieten, dass es zu einem reibungslosen, harmonischen Kontakt zwischen der Kirche und den NS-Machthabern kommen werde. So war auch die preußische Regierung mit ihrem Ministerpräsidenten Hermann Göring sofort mit der Ernennung einverstanden. Doch die Nationalsozialisten wurden enttäuscht. Zwar vermied der neue Bischof anfangs den Konfrontationskurs mit den neuen Herren und hielt das Konkordat für eine "glückverheißende Grundlage" künftiger Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche, aber es ist diesem traditionsbewußten Bischof um so mehr anzurechnen, dass er nach anfänglicher Anpassungsbereitschaft an die neuen Machthaber als einer der ersten kirchlichen Amtsinhaber auf offensiven Gegenkurs zum Nationalsozialismus ging.
Eine seiner ersten Kampfansagen war das Vorwort zu einem Gegenbuch zum "Mythus des 20. Jahrhunderts" von Alfred Rosenberg, einem Geschichtsklitterer und Pseudophilosophen, der der nationalsozialistischen "Weltanschauung ein Fundament liefern sollte". Die "Studien zum Mythos" mit der Einleitung von Clemens August wurden als vernichtende Kritik am damaligen "Reichsleiter des außenpolitischen Amts der NSDAP" angesehen und von den deutschen Diözesen mit Erfolg verbreitet. Auch ein öffentliches Auftreten Alfred Rosenbergs vor SA- und Parteieinheiten konnte nichts mehr an der ersten geistigen Niederlage der Nationalsozialisten ändern.
Offiziell wagten sich die Nazis nicht über die Schwelle des Bischofshauses, doch durch nächtliche Steinwürfe in die Fenster und Briefe mit Haß- und Spottversen sind Beweise, wie tief die Opposition die Nationalsozialisten trifft.
Während des zweiten Weltkriegs verwies Clemens August - außer der Entlarvung der Massentötungen von Geisteskranken - die NS-Funktionäre noch mehrere Male in die Schranken. Als die Gestapo in Klöster seiner Diözese eindrang und Ordensgemeinschaften vertreiben wollte, stand der Bischof als Hausherr an den Klosterpforten und wies unter Beistand der Landesbevölkerung die Agenten aus dem Haus.
Niemand kann ermessen, welche innere Not er 1941 in den Tagen und Nächten vor seinen Bekennerpredigten in der Münsteraner Lamberti- und Überwasserkirche durchlitt, welche seelischen Belastungen er im Zwiespalt zwischen Patriotismus, Glaubenstreue und Rücksichtnahme auf die ihm anvertrauten Gläubigen tragen musste, als er erkannte, dass die NS-Machthaber ihn selbst aus politischen Erwägungen schonten, aber Priester und Ordensleute an seiner Stelle inhaftierten, quälten und ermordeten.
Seine drei großen Predigten hielt er zur Zeit der größten Triumphe des Naziregimes, als es fast ganz Europa erobert hatte und gerade in einem Siegeszug ohnegleichen in die Sowjetunion einmarschiert war. In diesen Tagen des Siegesjubels sagte er den Untergang Deutschlands "an innerer Fäulnis und Verrottung voraus, als er am 13. Juli 1941 mit den Gewaltmethoden der Nazis hart ins Gericht ging: " Der physischen Übermacht der Gestapo steht jeder deutsche Staatsbürger völlig schutzlos und wehrlos gegenüber. Das haben viele im Laufe der letzten Jahre an sich erfahren ... Keiner von uns ist sicher, und mag er sich bewußt sein, der treueste, gewissenhafteste Staatsbürger zu sein, mag er sich völliger Schuldlosigkeit bewußt sein, dass er nicht eines Tages aus seiner Wohnung geholt, seiner Freiheit beraubt, in Kellern und Konzentrationslagern der Gestapo eingesperrt wird. Ich bin mir darüber klar: Das kann auch heute, das kann auch eines Tages mir geschehen. Weil ich dann nicht mehr öffentlich sprechen kann, will ich warnen vor einem Weiterschreiten auf dem Wege, der meiner Überzeugung Gottes Strafgericht auf die Menschen herabruft und zu Unglück und Verderben für unser Volk und Vaterland führen muss ... Darum rufe ich laut als katholischer Bischof: Wir fordern Gerechtigkeit! Bleibt dieser Ruf ungehört, wird die Gerechtigkeit nicht wiederhergestellt, so wird unser deutsches Volk und Vaterland an innerer Fäulnis und Verrottung zugrunde gehen."
Kurz darauf, am 20. Juli 1941, sagte er in einer Predigt in der Überwasserkirche: "Wir kämpfen weiter gegen den äußeren Feind, gegen den Feind im inneren, der uns peinigt und schlägt. Und können wir nicht mit Waffen kämpfen, bleibt uns nur ein Kampfmittel: starkes, zähes, hartes Durchhalten ... Wir sind in diesem Augenblick nicht Hammer, sondern Amboß. Fragt den Schmiedemeister, und lasst es euch von ihm sagen: Der Amboß hält länger als der Hammer."
Es wäre jedoch falsch, nur diese, schnell in ganz Deutschland und in aller Welt verbreiteten Predigten des Jahres 1941 als Maßstab für das mutige Wirken des Bischofs anzusehen. Seine offene Kritik begann bereits kurz nach seiner Bischofsweihe, wo er die Blut- und Rassentheorie des Nationalsozialismus schonungslos bloßstellte: "(...) Es handelt sich also um eine grundsätzliche und radikale Ablehnung aller Geheimnisse des Christentums und um das Bemühen, auf dem Boden von Blut und Rasse eine neue Religion mit nationalen Sinnbildern und Vorbildern zu schaffen."
Bischof Clemens August setzte sich keineswegs ausschließlich für die Kirche ein, sondern auch von Anfang an gegen die Verletzung der Menschenrechte und Menschenwürde, ebenso auch gegen die Blut- und Rassentheorie und damit gegen die Judenverfolgung. Er litt lange darunter, dass manche Bischöfe nicht so konsequent wie er gegen die Irrlehren der Nazis Stellung bezogen.
Im Oktober 1943 zog Clemens August aus der schwer von den Bombenangriffen auf Münster geschädigten Bischofsresidenz in einige Kellerräume des benachbarten Priesterseminars, im Herbst 1944 mit einem Koffer nach Sendenhorst; von diesem Ort aus verwaltete und bereiste er - so gut es ging - als treuer Oberhirte noch Teile seiner leidenden Diözese.
Unter aktiver Beteiligung Galens verabschiedeten die deutschen Bischöfe im September 1943 - vielleicht viel zu spät - ein aufrüttelndes Hirtenwort, das dem Beispiel des Bischofs von Münster folgte und sich mit aller Schärfe gegen die Rechtsverletzungen gegenüber Menschen jeden Glaubens und jeder Rasse aussprach: "Keine irdische Macht darf das Leben eines Unschuldigen frevelhaft verletzen und vernichten." Was wäre passiert, muss man heute fragen, wenn ein solcher Hirtenbrief schon in den ersten Jahren des dritten Reichs verkündet worden wäre?
Am 31. März 1945 nahmen amerikanische Panzerspitzen Sendenhorst ein. Der Bischof empfing zwar die katholischen Feldgeistlichen der US-Army, vermied aber den Eindruck einer Kollaboration mit der militärischen Führung der Alliierten.
Mit seiner Erhebung zum Kardinal Anfang 1946 fand Clemens August Graf von Galen die Krönung seines Lebens, das wenige Woche danach, am 22. März 1946 vollendet wurde. War er vor seiner Bischofsweihe "nur" ein mit Liebe und Engangement arbeitender, wenig auffallender Priester und Seelsorger, so wurde er durch die an ihn gestellten Anforderungen in einer schweren, grausamen Zeit über seine eigenen Grenzen hinaus zu einer auch für die Gegenwart und Zukunft beispielhaften Persönlichkeit"
Bischöfe gegen Gewalt und Unrecht
Da nach dem Reichskonkordat von 1933 das offene Wort gegen die Machthaber ausblieb, mussten ein Bischof oder Kardinal, wenn er von der Kanzel oder in Hirtenbriefen einen offenen Affront gegen das System wagte, dies im Alleingang tun, ohne vorangehende Beratung und nachfolgende Rückendeckung und keinesfalls im Auftrag des Papstes. Bezeichnenderweise waren es gerade jene von Haus aus nationalkonservativen Oberhirten, die ihre Stimme erhoben.
Schon 1933 machte sich der Erzbischof von München, Kardinal Faulhaber, durch seine "Germanenpredigten" mißliebig. Darin verwarf er nicht nur den deutschen Rassendünkel, er prangerte mit den bekennenden Worten "Geistlich sind wir alle Semiten" auch die um sich greifende Judenhetze an.
Der Bischof von Münster, Graf von Galen trat später vehement gegen die Greuel an politisch verfolgten "Pazifisten", Kriegsgefangenen und Juden vor. Dabei bereitete er seinen Sekretär, bevor er auf die Kanzel stieg auf die ihm drohende Verhaftung vor, da sich unter den Gläubigen auch Priesterspitzel befanden, die eifrig mitschrieben.
Mitten im Krieg war Josef Frings, die dritte markante Bischofsgestalt, auf den Erzstuhl von Köln erhoben worden. Er wurde zu einer Leitfigur des Nachkriegselends, auch zu einem Erneuerer des religiösen Lebens und einem Mann des Wiederaufbaus. Frings wagte nicht nur den Besatzungsmächten die Leviten zu lesen, wenn sie die so hoch beschworenen Menschenrechte verletzten; auf seine Initiative gehen auch später die segensreichen bischöflichen Hilfswerke "Misereor" und "Adveniat" zurück.
Erläuterungen
Diözese = Amtsbereich eines Bischofs
Euthanasie-Programm = Tötung der Geisteskranken (NS)
Patriotismus = Vaterlandsliebe
Kollaboration = Zusammenarbeit
Pazifismus = Friedensbewegung
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