Schach von Wuthenow
Bestimmung der konkreten Sachlage, der Geschichte, der Konzepte, der Novellen- bzw.
Romanmerkmale, die literaturgeschichtliche Einordnung und die Beschreibung des Diskurses
Inhaltsverzeichnis :
1.0 Biographie und Kurzinformation über Theodor Fontane
2.0 Darstellung der konkreten Sachlage
3.0 Beschreibung der Geschichte
4.0 Bestimmung der Konzepte
5.0 Beschreibung des Diskurses
5.1 Stilistik
5.2 Erzählsituationen
5.3 Zeitgerüst
6.0 Novellen- und Romanmerkmale
7.0 Literaturgeschichtliche Einordnung
8.0 Literaturnachweis
8.1 genutzte Literatur
8.2 sonstige Literatur
9.0 Zitationsnachweis
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1.0 Biographie und Kurzinformation über Theodor Fontane
Am 30.12.1819 wurde Henri Théodore Fontane, Kind von Louis Henri Fontane und Emilie Labry, in
Neuruppin geboren. Obwohl beide Eltern aus französischen Familien stammten, hatte er kein gutes
Verhältnis zu der immerhin recht großen französischen Gemeinde in Berlin. Seine Kindheit verbrachte
er bis zum Juni 1827 in Neuruppin, als sein Vater die Löwen-Apotheke in Neuruppin aufgab und die
Familie nach Swinemünde zog, wo der Vater die Adler-Apotheke käuflich erwarb. Hier bekam
Theodor Fontane von seinen Eltern Privatunterricht, bis er Ostern 1832 das Elternhaus verließ und von
nun an das Gymnasium in Neuruppin besuchte. Zum 1.10.1833 wechselte er an die
Friedrich-Werdersche-Gewerbeschule in Berlin und vollendete hier seine Schulzeit. 1836 begann er in
der Apotheke "Zum weißen Schwan" in Berlin eine Lehre als Apotheker und wurde noch im selben
Jahr zusammen mit seinem 10 jährigen Bruder Max konfirmiert. 1840 beendete er seine Ausbildung
zum Apothekengehilfen und veröffentlichte gleichzeitig Gedichte im "Berliner Figaro". Im August 1842
begann er als Defektar in der väterlichen Apotheke zu arbeiten. Am 30.7.1843 war er zum erstenmal
Gast im Literarischen Sonntagsverein "Tunnel über der Spree" in Berlin. Diesem Literaturverein, dessen
Mitglieder teilweise recht konservativ waren, hat er viele Beziehungen zu verdanken und beeinflußte
sein Schaffen. Am 1.4.1844 trat er einen einjährigen militärdienst im
Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiment an und wurde am 29.9. des gleichen Jahres formell als
Mitglied in den "Tunnel" aufgenommen. Ein Jahr später, am 8.12.1845 verlobte er sich mit Emilie
Rouanet-Kummer. Da er sehr revolutionäre und teilweise auch radikale Ansichten hatte, war es nicht
verwunderlich, dass er sich während der Revolution 1848 aktiv an den Barrikadenkämpfen am 18.3.
beteiligte. 1850 erfolgte seine Heirat mit Emilie und schon ein Jahr später wurde ihr erster Sohn,
George Emile, geboren. Vom 23.4. bis zum 25.9.1850 verweilte er zum erstenmal in England, und
zwar in London als Korrespondent der "Preußischen Zeitung". Am 10.9.1855 gelang es ihm schließlich
seinen Traum eines längeren, auch beruflichen, Aufenthalts in England zu verwirklichen. Für mehrere
Jahre zog er nach London und arbeitete dort als halbamtlicher Presse- Agent. Am 3.11.1856 wurde
sein Sohn Theodor geboren und erst 1857 kam seine Frau mit den Kindern nach London nach. Im
August 1858 bereiste er Schottland, beendete am 15.1.1859 seinen Aufenthalt in England und kehrte
nach Berlin zurück. Dort trat er 1860 in die Redaktion der regierungsnahen "Kreuzzeitung" ein und
erlebte am 21.3. die Geburt seiner Tochter Martha. Vier Jahre später, am 5.2.1864, wurde sein Sohn
Friedrich geboren. Im deutsch-deutschen Krieg 1866 bereiste er als Kriegsberichterstatter die
Schauplätze der Schlachten. Am 5.10.1867 musste er den Tod seines Vaters und am 13.12.1869 den
seiner Mutter verschmerzen. 1870 brach er mit der "Kreuzzeitung", deren politische Auffassung er nie
richtig geteilt hatte, und wurde Theaterrezensent der "Vossischen Zeitung". Wieder reiste er als
Kriegsberichterstatter, diesmal nach Frankreich, und musste 2 Monate Kriegsgefangenschaft
überstehen. Mit Emilie bereiste er 1874 Italien, wurde 1894 Ehrendoktor der philosophischen Fakultät
der Universität Berlin und starb 78jährig am 20.9.1898 in Berlin. Fontanes politische Ansichten
änderten sich mit zunehmendem Alter. Aus dem einstigen 20jährigen radikalen Revolutionär, der dies
auch in seinen Schriften zum Ausdruck brachte, wurde der politisch eher konservative und ruhige
70jährige.
Hier nun eine Auswahl seiner Werke: Jenseits des Tweed, 1860; Wanderungen durch die Mark
Brandenburg, 1862, bis 1882 vier Bände; Kriegsgefangen, 1871; Vor dem Sturm. Roman aus dem
Winter 1812 auf 13, 1878; Grete Minde, 1880; Ellernklipp, 1881; L'Adultera, 1882; Schach von
Wuthenow, 1883; Unterm Birnbaum, 1885; Cécile, 1887; Irrungen, Wirrungen, 1888; Quitt,
1891; Frau Jenny Treibel oder "Wo sich Herz zum Herzen find't", 1893; Meine Kinderjahre,
1894; Effi Briest, Die Poggenpuhls, 1896; Der Stechlin, 1897
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2.0 Darstellung der konkreten Sachlage
Im Salon der Frau von Carayon und ihrer Tochter Victoire in Berlin treffen sich Herr von Alvensleben,
Herr von Bülow und Herr Sander und unterhalten sich. Rittmeister von Schach von Wuthenow stößt
dazu und nimmt am Gespräch teil. Victoire singt einige Lieder, wobei sie Schach am Klavier begleitet.
Danach gehen Sander, Bülow und Alvensleben zu Sala Tarone, einer italienischen Wein- und
Delikatessenhandlung, um noch etwas zu trinken und zu plaudern, während Schach nach Hause geht.
Nostiz, wie Schach und Alvensleben Offizier, stößt zu den dreien und trinkt mit. Am nächsten Tag
unternehmen Schach, die beiden Carayons und Tante Marguerite, eine Verwandte, eine Ausfahrt nach
Tempelhof. Sie kehren zum Kaffeetrinken in einen Gasthof ein und machen am Abend einen
Spaziergang zur Tempelhofer Kirche. Einige Tage später wird Schach von Prinz Louis eingeladen,
zusammen mit Alvensleben, Nostiz, Bülow und Sander. Sie verbringen den Nachmittag gemütlich,
indem sie über dies und das plaudern. Nach ein paar Tagen findet auf dem Tempelhofer Feld eine vom
König angeordnete Heerschau statt. Die beiden Carayons, Mutter und Tochter, schauen sie sich an,
und während die Mutter abends ins Theater geht, bekommt Victoire Besuch von Schach. Erst 4 Tage
später erfolgt der nächste Besuch Schachs im Hause Carayon, wobei er aber niemanden antrifft. An
einem der darauffolgenden Tage schauen sich Schach und die beiden Carayons die Uraufführung der
"Weihe der Kraft", eines Theaterstükkes, an. Am Vormittag darauf sprechen sie anläßlich eines
Besuches Schachs darüber. Die Offiziere des Regiments Gensdarmes planen eine Schlittenfahrt durch
Berlin, die sich über dieses Stück lustig machen soll und führen sie auch durch. Nach einer Unterredung
mit Frau von Carayon und dem Erscheinen von drei Karikaturen, fährt Schach nach Wuthenow am
See, übernachtet dort in einem Boot auf dem Wasser und besucht am nächsten Morgen den
Gottesdienst in der nahegelegenen Kirche. Inzwischen wurde Frau von Carayon von Alvensleben
besucht und schreibt einen Brief an Schach, der ohne Antwort bleibt, um am Donnerstag darauf den
König zu besuchen. Da dieser jedoch gerade in einem anderen Schloß wohnt, verzögert sich der
Besuch um einen Tag. Sie bekommt von General Köckritz eine Audienz vermittelt und spricht mit dem
König. Eine Woche später wird Schach zum König gerufen, da er und die Königin mit ihm sprechen
wollen. Ab dem nächsten Vormittag treffen Schach und Victoire Vorbereitungen für ihre Hochzeit, die
an einem Freitag stattfindet. Nach der Trauung wird im Hause Carayon das Hochzeitsmahl
eingenommen. Spät abends fährt Schach in seiner Kutsche nach Hause. Als die Kutsche dort
ankommt, entdeckt der Kutscher, dass Schach sich während der Fahrt das Leben genommen hat.
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3.0 Beschreibung der Geschichte
Im Salon der in der Behrenstraße in Berlin wohnenden Frau von Carayon und ihrer "von den Blattern
befallenen" (1) Tochter Victoire treffen sich im Jahre 1806 Herr von Bülow, "das Haupt jener
militärischen Frondeurs [...], die damals die politische Meinung [...]terrorisierten" (2), Herr
Sander, sein Verleger, Herr von Alvensleben und Rittmeister von Schach, beide hohe Offiziere des
Regiments Gensdarmes. Sie unterhalten sich über aktuelle Politik, wobei Bülow den geschlossenen
Frieden mit Frankreich begrüßt, und die beiden Offiziere dem eher skeptisch gegenüberstehen. Schach
will ein "starkes und selbstäändiges Preußen" (3), während von Bülow glaubt, dass die "Tage
Preußens gezählt" (4) seien, und alles in einer "Weltmonarchie" und "Weltkirche" (5)enden wird.
Man debattiert auch über das gerade neu erschienene Drama "Die Weihe der Kraft" von Zacharias
Werner und auch dabei werden die gegensätzlichen Standpunkte von Bülow und Schach deutlich.
Victoire singt noch einige Lieder aus dem genannten Drama vor, wobei sie von Schach auf dem Klavier
begleitet wird, und "zu nicht allzu später Stunde" (6) trennt man sich. Schach geht gleich nach Hause
und Bülow, Alvensleben und Sander wollen noch eine Gaststätte aufsuchen. Bei Sala Tarone, einer
italienischen Wein- und Delikatessenhandlung, bestellen sie eine Maibowle, treffen Leutnant Nostiz, der
auch im Regiment Gensdarmes dient, und unterhalten sich über Schach. Man orakelt, ob Schach nun
die Frau von Carayon heiraten wird, kommt aber zu dem Schluß, dass der Heiratsplan "an einer
unrepräsentablen Tochter scheitern" (7) wird, da Schach "krankhaft abhängig [...] von dem
Urteile der Menschen, speziell seiner Standesgenossen" (8) sei und "sich jederzeit außerstande
fühlen" würde "irgendeiner Prinzessin [...] Victoiren als seine Tochter vorzustellen" (9). Bülow
bezeichnet Schach als "Pedant und Wichtigtuer" (10), der "nur drei Glaubensartikel hat: [...] die Welt
ruht nicht sicherer auf den Schultern des Atlas, als der preußische Staat auf den Schultern der
preußischen Armee, [...] der preußische Infanterieangriff ist unwiderstehlich, [...] eine Schlacht ist nie
verloren, solange das Regiment Garde du Corps nicht angegriffen hat. Oder natürlich das Regiment
Gensdarmes" (11). Nach diesen etwas negativen Beurteilungen wird aber auch seine Ritterlichkeit und
Ehrlichkeit von seinen Offizierskollegen erwähnt. Sander bezahlt schließlich die Zeche und alle vier
gehen nach Hause. Am nächsten Morgen lässt Schach bei den Carayons anfragen, ob sie mit ihm am
Nachmittag um vier Uhr eine Spazierfahrt unternehmen möchten. Auch das Ziel sollen sie bestimmen.
Sie sagen zu, ohne jedoch das Ziel der Ausfahrt festzulegen und Victoire beschließt, die Gelegenheit
auszunutzen und zu versuchen ihre Mutter mit Schach zu verheiraten. Gegen Mittag erscheint Tante
Marguerite, die "Schwester des verstorbenen Herrn von Carayon" (12), die immer die neuesten
Skandälchen zu erzählen weiß. Sie fährt kurzerhand mit nach Tempelhof, dem nun offenbarten Ziel der
Ausfahrt. Dort angekommen wird der nächstbeste Gasthof aufgesucht und Kaffee getrunken. Auf einen
Vorschlag von Schach hin, machen sie noch einen Abendspaziergang zur Tempelhofer Kirche. Auf dem
Weg dorthin unterhält sich Schach mit Frau von Carayon. Das Gespräch steht "dicht vor dem
Umschlagen in unverkennbare Intimität:"Teure Josephine, Sie sind mir das Ideal einer Frau [...] der
Liebenswürdigsten und Besten. Und das ist Ihr höchster Reiz, [...] und welch stille Macht Sie über mich
üben." (13) " (14), wendet sich aber dann doch wieder allgemeinem Geplauder zu. Sie besichtigen die
alte Kirche und auf dem Rückweg unterhält sich Schach mit Victoire unter anderem über den Orden
der Templer. Kurz vor der Rückkehr ins Dorf wartet Schach aber auf Frau von Carayon und geht mit
ihr am Arm zurück. Dieses Verhalten Schachs beschäftigt Victoire sehr. So sehr, dass sie ihrer Freundin
Lisette von Perbandt in einem Brief davon berichtet. Sie glaubt, dass es Schach "peinlich gewesen sei,
mit mir und an meinem Arm [...] zu erscheinen" (15), wodurch sie sich verletzt fühlt. In ihrem Brief
charakterisiert sie Schach als eitel, ritterlich, abhängig vom Urteil anderer und als mit mittlerer
Gescheitheit beschlagen. Schach wird währenddessen zusammen mit Nostiz, Alvensleben, Bülow und
Sander für den 4. Mai zu Prinz Louis eingeladen. Sie unterhalten sich über allerlei Dinge, über Politik,
über das Theater und über die "Weihe der Kraft". Dussek, ein Kapellmeister kommt dazu und berichtet
davon. Als der Prinz von den Carayons hört, will er sie gerne wiedersehen und fängt an über Schönheit
zu philosophieren. Er vergleicht Victoire mit der "beauté du diable" (16). "Energie, Feuer, Leidenschaft"
(17) wären die Merkmale dieses Schönheitstyps und das Paradoxon 'le laid, c'est le beau' hieße "nichts
anderes, als dass sich hinter dem anscheinend Häßlichen eine höhere Form der Schönheit verbirgt." (18)
Kurze Zeit nach diesem Diner findet auf dem Tempelhofer Feld eine Heerschau statt, die sich auch
Victoire und Josephine von Carayon anschauen. Am Abend liest Victoire, die sich erkältet hat und
deswegen nicht mit ihrer Mutter ins Theater gegangen ist, den Antwortbrief von Lisette von Perbandt,
als Schach klingelt und sie besucht. Er überbringt die Einladung des Prinzen und zeigt - auch be-
einflußt durch dessen Ansichten über Schönheit (19) - Victoire seine Zuneigung: "Alles ist Märchen und
Wunder an Ihnen; ja Mirabelle, ja Wunderhold!" (20); Schach lässt sich regelrecht verführen. Er bricht
überstürzt auf, als Josephines Wagen vorfährt. Er weicht Victoire in den nächsten Tagen immer wieder
aus und trifft erst wieder mit ihr zusammen, als sich Victoire, Schach und Josephine zusammen die
"Weihe der Kraft" ansehen. Das Stück behandelt die Lebensgeschichte Luthers, der Katharina von
Bora heiratete und wird von der Berliner Gesellschaft viel diskutiert. Am nächsten Morgen treffen sie
sich wieder, um über das Stück zu reden. Auch Tante Marguerite sieht sich das Stück an und gibt ihre
Meinung dazu kund. Schach geht weiterhin nur zu den Carayons, wenn er sicher ist Victoire nicht allein
zu treffen. Auch die Offiziere des Regiments Gensdarmes sprechen über das Theaterstück und
beschließen sich zu treffen, um einen Plan zu machen, wie das Regiment "sich mal wieder als es selbst
[...] zeigen" (21) könne. Sie planen einen Umzug in Form einer "Schlittenfahrt" durch Berlin, der sich
über das Stück lustig macht und nachdem sich Schach durch einen Brief und auch Alvensleben davon
distanzieren, führen sie diesen trotzdem tatsächlich einige Tage später durch. Victoire, von dem Lärm
der Schlittenfahrt aufgeweckt, glaubt Schach zu erkennen, ekelt sich vor dem gesehenen "widerlichen
Spiele" (22) und erzählt ihrer Mutter ihre Beziehung zu Schach und dessen bisheriges Verhalten. Am
nächsten Vormittag besucht Schach Victoire, die inzwischen durchschaut hat, dass er immer nur dann
kommt, "wenn etwas geschehen ist oder eine Neuigkeit vorliegt" (23). Nach Ansicht von Victoire gehe
Schach "einer intimen Unterhaltung" (24) mit ihr aus dem Weg. Schach versichert, dass er an der
Schlittenfahrt nicht teilgenommen hat und wird von Josephine zur Rede gestellt. Sie fordert die
"Legitimisierung des Geschehenen" (25), sprich die Heirat von Schach und Victoire. Schach, der
gezwungenermaßen einwilligt, plagen noch am selben Tag Horrorvisionen. Er sieht sich schon
"rettungslos dem Spott und Witz der Kameraden verfallen" (25) und sein Gut in Wuthenow beakkern,
weit ab von jedwedem gesellschaftlichem Leben. Bei seinem nächsten Besuch bei den Carayons plant
man zusammen die Hochzeitsvorbereitungen und die Hochzeitsreise nach Italien. Gegen Ende der
Woche erscheinen drei Karikaturen, in denen sich über Schach und sein Verhältnis zu den beiden
Carayons lustig gemacht wird. Schach, tief getroffen, nimmt Urlaub und verlässt Berlin an dem Tag, an
dem eigentlich seine Verlobung mit Victoire veröffentlicht werden sollte, um auf sein Gut zu fahren,
ohne sich allerdings von den Carayons verabschiedet zu haben. Er kommt um Mitternacht in
Wuthenow am See an, übernachtet in einem Boot auf dem See, da er im Schloß keinen Schlaf findet.
Hier, in der Nähe von Bekanntem, denkt er über sich und seine Situation nach und sucht nach einem für
ihn akzeptablen Ausweg wie er "sein" Ansehen nicht verliert. Der Satz "Und zwischen die Generäle
rück ich dann als Rittmeister ein, und zwischen die schönen Frauen kommt Victoire." (26), den er beim
Betrachten der Ahnengalerie derer von Schachs denkt, zeigt, welch große Erwartungen er an sich stellt,
und wie sehr es ihn kränkt wenn er nicht dem Ideal entspricht. In der Zwischenzeit haben die beiden
Carayons von Alvensleben erfahren, dass Schach auf seinem Schloß ist, ohne aber von den
"Karikatüren" (27), wie sie Tante Marguerite bezeichnet, zu wissen. Sie werten den "Urlaub" Schachs
als Flucht vor der Heirat, stellen fest, dass er "auf das, was die Leute sagen" (28) hört, halten dies für
feige und fassen einen Plan, um ihn zur Heirat zu zwingen. Sie setzen ihm ein Ultimatum die Verlobung
bekanntzugeben und nachdem Schach nicht darauf reagiert beschließt Josephine den König zu
besuchen, um ihn um Hilfe zu bitten. Dieser weilt jedoch in Paretz und nicht in Potsdam und so
verzögert sich dieser Besuch noch um einen Tag. Josephine lässt sich von General Köckritz, einem
Bekannten, eine Audienz vermitteln und schildert dem König das Verhältnis zwischen ihrer Tochter und
Schach und dessen Verhalten. Eine Woche später wird Schach zum König befohlen, der ihm
klarmacht, bzw. ihm geradezu befiehlt, zu seinem Wort zu stehen und Victoire zu heiraten. Auch die
Königin spricht mit ihm. Sie vermutet zwar, dass die Karikaturen ihm sein "ruhiges Urteil genommen"
(29) haben, meint aber auch, dass er sich auf das zu besinnen habe, "was Pflicht und Ehre" (30) von ihm
fordere, nämlich die Heirat mit Victoire. Auf dem Rückweg hegt er Selbstmordgedanken: "'Leben',
sprach er vor sich hin.'Was ist leben? Eine Frage von Minuten, eine Differenz von heut auf morgen'"
(31). Am Tag darauf besucht Schach die beiden Carayons, schafft alle Probleme aus der Welt, und in
der darauffolgenden Zeit wird eifrig die Hochzeit organisiert. Am Abend vor der Hochzeit treffen sich
alle im Wohnzimmer der Carayons und man spricht voller Vorfreude von der bevorstehenden
Hochzeitsreise nach Italien; allein Victoire hat eine unbestimmte düstere Vorahnung. Die Hochzeit findet
am nächsten Tag statt und nach der Trauung nimmt man das Hochzeitsmahl im Hause der Braut ein. Als
Gäste sind unter anderem Sander, Nostiz, Alvensleben und Tante Marguerite eingeladen. Schach wird
am späten Abend von seinem Wagen abgeholt, und wird, als man bei ihm zu Hause ankommt, tot im
Wagen gefunden. Er hat sich während der Fahrt mit einer Pistole das Leben genommen. In einem Brief
von Bülow an Sander, in dem dieser sich mit dem "Fall Schach" noch einmal auseinandersetzt, schreibt
er, dass Schach kein Einzelfall, sondern eher, aber mit Einschränkungen, die Regel sei, da viele, vor
allem Leute in den Reihen der Armee, wie Schach, einem falschen Ehrbegriff verfallen seien. Diese
falsche Ehre setzt er Eitelkeit und einer Abhängigkeit vom Urteil der Gesellschaft gleich und schließt mit
der Vorraussage, dass Preußen an derselben Welt des Scheins zugrunde gehen werde, wie Schach
auch. Die verlorene Schlacht bei Jena gibt ihm Recht. Auch ein Brief von Victoire aus Rom an Lisette
von Perbandt versucht den Charakter und die Beweggründe für den Selbstmord Schachs zu erklären.
Sie erkennt, dass er zu denjenigen gehört, die nicht für die Ehe geschaffen sind und dass er mehr auf
äußerliche Dinge ausgerichtet war. Sie sieht nicht so sehr den "Fall Schach", der stellvertretend für die
Gesellschaft steht, wie Bülow, sondern versucht seinen Selbstmord durch seine persöhnlichen
Eigenschaften zu erklären. Das Kind, das sie von Schach bekommen hat, wird das Patenkind von
Lisette.
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4.0 Bestimmung der Konzepte
In der Erzählung "Schach von Wuthenow" von Theodor Fontane sind zwei Arten von Konzepten
verwirklicht. Erstens geht es um die Person des Schachs und zweitens wird die Gesellschaft Preußens
in dieser Zeit kritisiert. Die Person des Schach steht vor der Entscheidung, so zu handeln, wie es Pflicht
und Ehre, also die Gesellschaft von ihm verlangt - sie verlangt von ihm die Heirat mit Victoire - oder so
zu handeln, wie er es für richtig hält, wie es seiner individuellen Natur entspricht. Im Endeffekt handelt
er so, wie es die Gesellschaft und auch der König, als höchste gesellschaftliche Instanz, von ihm
erwarten, wie es ihm Pflicht und Ehre vorschreiben, kommt damit aber nicht zurecht. Die
Unvereinbarkeit von gesellschaftlichem Zwang, der darin besteht, zu der einmal gezeigten Zuneigung zu
Victoire zu stehen, und eigener Eitelkeit und eigener Abhängigkeit vom Urteil anderer, die es ihm
verbietet die 'häßliche' Victoire zu heiraten, führt schließlich zu seinem Selbstmord. Er schafft es einfach
nicht, aus dem Kreis der Gesellschaft auszubrechen. Deutlich wird dies, als er in Wuthenow im Kreis
geht, und er vor sich hinmurmelt: "Könnt' ich heraus!" (32). Die Kritik an der Gesellschaft besteht damit
darin, dass sie einen solchen "Kultus einer falschen Ehre" (33), wie Bülow dies nennt, fördert und
unterstützt. Ehre würde mit dem Satz 'das, was die Gesellschaft von mir verlangt' gleichgesetzt werden,
was aber nicht die eigentliche Definition von Ehre sei. Es hätte ein Wandel des Wertes Ehre
stattgefunden, der nicht zu begrüßen sei und der sich negativ auf das Bestehen des preußischen Staates
auswirken könne. Die Mitglieder der Gesellschaft, und damit die Gesellschaft als Ganzes, wären zu
oberflächlich. Solch eine Gesellschaftsordnung der Oberflächlichkeit, solch eine Welt des Scheins, -
bedingt durch diese falsche Ehre - führe zum Untergang des Preußischen Staates, da sich diese Welt
des Scheins ja auch in einer maßlosen Selbstüberschätzung der militärischen Macht Preußens zeigt. Die
drei Glaubensartikel Schachs aus dem dritten Artikel verdeutlichen dieses fast unendlich große
Vertrauen in die preußische Armee recht eindrücklich. Neben der Problematik des Handelns als freier
oder als von der Gesellschaft geprägter Mensch ist im "Schach von Wuthenow" also noch eine
zeitkritische Komponente enthalten, was durch die Einbindung eines geschichtlichen Hintergrundes in
die Handlung erreicht wird. Ein weiterer Kritikpunkt ist das unmögliche Benehmen des Regiments
Gensdarmes. Es sollte lieber mehr Zeit für die Erhaltung seiner militärischen Stärke verwenden, als sich
in überheblichster Weise durch irgendwelche derben Späße in einen eher zweifelhaften Ruf bringen zu
wollen.
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