Tannhäuser - Eine deutsche Sage

1. Historia von dem Edlen Tanhäusern

... Sintemahl dieser Tannhäuser / wie er auß diesem Venus-Berge / von welchem doch niemand weiß / wo er sey / durch ein enges Ritzlein herauß gedrungen / und zum Römischen Pabst Urbanum gekommen / und demüthig vor seine Krieges-Bübereyen vor ihm auff die Knie gefallen / ümb Vrlaub anhaltende / er dennoch gar traurige abschlägige Antwort erhalten / indem der Römische Pabst gesaget / dass derselbe Stecken / den er damahls in der Hand hatte / viel eher blühen würde / als der Tann-Häuser Vergebung seiner Sünden überkommen. Darauff sol der Tann-Häuser weggegangen seyn / und sich auß Verzweiffelung in den Venus-Berg verkrochen haben / bey sich vieleicht erwegende / was bei dem Virgilio stehet:

Flectere si nequeo superos / Acheronta movebo!

Wil Gott nicht helffen / so mag der Teuffel helffen!

Nicht lange hernach sol dieser Stecken geblühet haben als Aarons Ruthe. Man hat auch hierauff allenthalben den Tann-Häuser suchen lassen / dass man ihme diese fröliche Botschafft brächte / aber man hat leyder den armen Kerl nicht finden können / da er nicht alleine aus seiner eigenen Schuld / als des unbescheidenen Pabsts Vnbesonnenheit in dieses VENERIS ihre Bestallung / doch weiß ich nicht / was es für ein Teuffelischer Huren-Winkel seyn mag / begeben / und alda einquartiret ist...

(Johannes Praetorius, Blockes-Berges Verrichtung, 1669)

2. Die Vorlage für die Ballade

In der Volksliedsammlung "des Knaben Wunderhorn" von Achim von Arnim und Clemens Brentano wurde eine alte Ballade aus dem 15. /16. Jahrhundert als Vorlage benutzt, die nach dem Abdruck der Sage von Johannes Praetorius (siehe Punkt 1) entstanden ist.

Es handelt von einem armen Sünder, der voller Reue wegen seinem verhängnisvollem Liebesleben nach Rom pilgert, dort aber vom Heiligen Vater hartherzig abgewiesen wird. Man erkennt daran eine antichristliche Haltung des Papstes und die Zeit der Reformation, in der die Sage entstand.

Ãœberlieferung:

Des gibt insgesamt vier Typen der Tannhäuser-Volkslied-Fassung:

A: vorreformatorische, in hoch- und niederdeutschen Fassungen seit 1515 bzw. 1520 belegte Ballade, auf die sich alle späteren Bearbeitungen beziehen; diese Ballade endet mit der Verdammung des Papstes

B: gegenreformatorische 'Waldhauser'-Ballade (sog. österreichische Form), die von der

Erlösung des Sünders durch Christus erzählt.

C: gegenreformatorische 'Tannhäuser'-Ballade jüngerer Prägung, Christus errettet den Sünder.

D: nachreformatorische katholische 'Tannhäuser'-Ballade, der Sünder wartet "in Frau Frenes Berg" auf die Vergebung. Diese wird ihm durch das Stabwunder angezeigt.

B und D stellen direkte Kontroverfassungen zu der vorreformatorischen Ballade des Typs A dar, die deren Inhalt im Sinn der katholischen Gnadenlehre zurechtrücken sollten.

Für die Rezeption des Liedes im 19. Jahrhundert ist v.a. die Wiedergabe bei Heinrich Kornmann, "Mons Veneris" (1614) wichtig geworden, auf die sich Johannes Praetorius in seiner Kompilation "Blockes-Berges Verrichtung" (1669) bezieht.

In dieser Form wurde sie von Achim von Arnim und Clemens Brentano 1806 in "des Knaben Wunderhorn übernommen.

Es handelt sich um eine Erzählung, die im Ursprung einen katechetischen Charakter hat. Den Hintergrund bilden Bußsakrament und die zentrale Vorschrift für die Lebensgestaltung der Gläubigen.

Die Nennung des Papstes Urban IV., er war von 1261 bis 1264 Papst, ist kein Beweis für den Ursprung und die Herkunft dieser Ballade, also kein Beweis, dass die Ballade aus der Spätzeit des 13. Jahrhunderts stammt. Zwar lebte auch ein Minnesänger aus der Oberpfalz namens Tannhäuser zu dieser Zeit (ca. zwischen 1205 und 1266) in der Oberpfalz, doch wurde die Venusbergsage wahrscheinlich nur auf ihn übertragen, da sein österreichisches Pendant "Waldhauser" (vgl. Ähnlichkeit des Namens) hieß.

Die Erzählung verfolgte ein bestimmtes katechetisches Ziel - die Popularisierung der Sakramentenlehre. Auch das Exempel der Bußlehre soll nur die hypothetischen Propositionen zum Zweck der Darlegung einer Lehre darstellen.

Daher scheidet ein historischer Vorgang aus.

Die Vorlage für Arnim und Brentano:

Den Anfang bildete Wolfgang Schmeltzls "Quodlibets" (1544) - ein Querschnitt durch die beliebtesten Volkslieder des 16. Jahrhunderts.

Das darin enthaltene Tannhäuser-Lied wurde wiedergegeben bei H. Kornmann in "Mons Veneris" (1614) und schließlich bei dem am Anfang zitierten Johannes Praetorius.

aus: MOSER, DIETZ-RüDIGER: Die Tannhäuser-Legende. Berlin/New York 1977.

H00/Ltg.A I 1231

La stora di San Giovanni Italien; 14. Jhdt.

Boccadoro

Waldbüßer-Episode der Nürnberg um 1390

Johannes Chrysostomus-

Legende

Tannhäuser-Ballade

Typ A

1. Druck Nürnberg 1515

Nachreformatorische Tannhäuser- Nachdrucke und

katholische Fassungen Ballade Ãœberarbeitungen

Typ D

"Waldhauser"-Ballade

Typ B Künstlerische Ge-

staltung des Stoffes:

Literarische Werke:

Gegenreformatorische Tannhäuser-Ballade L. Tieck 1800

Kontroverfassungen Typ C H. Heine 1836

E. Geibel 1838

C. Brentano 1852

J. v. Günther 1914

Opern:

C.L.A. Mangold /

E. Duller 1846

R. Wagner 1845/61

3. Biographien:

Achim von Arnim

Am 26. Januar 1781 wird Achim von Arnim als Carl Joachim Friedrich Ludwig von Arnim in Berlin geboren. Er wird, da seine Mutter an den Folgen der Geburt starb, von seiner Großmutter Caroline von Labes erzogen.

1793-1798 besucht er das Johannisthalsche Gymnasium, 1798 immatrikuliert er sich in Halle. Er studiert primär Jura, aber belegt auch Veranstaltungen in Physik, Mathematik und Chemie. 1800 immatrikuliert er sich an der Universität Göttingen für Mathematik.

1801 trifft er persönlich Goethe und freundet sich mit Clemens Brentano an. Auch macht er die Literatur zu seiner Hauptbeschäftigung. Es entsteht sein Erstlingsroman "Hollins Liebesleben". Zu dieser Zeit nimmt er auch den Dichtervornamen "Achim" an.

1804 hatten Arnim und Brentano zusammen erste Pläne für das "Wunderhorn", 1805 wurde der erste Band, 1808 der zweite und dritte Band gedruckt.

1808 war er der Herausgeber der "Zeitung für Einsiedler", 1809 veröffentlichte er die Novellensammlung "Der Wintergarten", die er Bettina Brentano widmete. Am 4. Dezember 1810 verlobte er sich mit dieser und am 11. März 1811 heiratete er sie.

1811 wurde er zum Gründungsmitglied und Vorsitzenden der christlich-deutschen-Tischgesellschaft.

Am 21. Januar 1831 starb er unvorhersehbar in Wiepersdorf.

Seine wichtigsten Werke:

Aloys und Rose

Die Gleichen

Gräfin Dolores

Halle und Jerusalem

die Kronenwächter

die Majoratsherren

div. Novellen

Clemens Brentano

Clemens Brentano wurde am 9.9.1778 in Ehrenbreitstein geboren; zeitlebens gab er allerdings den 8.9, (Mariä Geburt) als seinen Geburtstag an, da er sich mit der Jungfrau Maria besonders verbunden fühlte.

Er war der Sohn des Frankfurter Kaufmanns Peter Anton Brentano und dessen zweiter Frau Maximiliane, geb. La Roche. Durch seine Großmutter Sophie La Roche kam er schon früh mit so bedeutenden Männern wie Goethe und Wieland zusammen.

Sein Leben und Werk wurden geprägt von dem frühen Tod der Mutter (1793). Seit 1794 wurde er von seiner Tante Luise Möhn "in strenger und unmütterlicher Zucht" erzogen. Sein Leben lang suchte er nach einem Mutterbild, dass er in zweien seiner Schwestern (Sophie und Bettina) und in seiner ersten Frau zu finden glaubte. Diese Suche spiegelt sich auch in seinem literarischen Schaffen wieder.

Er begann Studien der Bergwissenschaft (1793 in Bonn, später in Halle), Medizin (1798 in Jena), Philosophie (1801 in Göttingen) und Mathematik (1815 in Marburg), die er alle abbrach. Auch war er Lehrling im Kontor des Herrn Polex in Langensalza und später im väterlichen Kontor, doch hatte er, wie seine Brüder ihm sagten, nicht das Zeug zum Kaufmann.

Er setzte sich 1803 gegenüber den erheblichen Widerständen seiner Familie hinweg und heiratete die geschiedene Sophie Mereau, die ihm 3 Kinder gebärt, die alle nach kurzer Zeit sterben. Sie stirbt selbst bei der Geburt des dritten Kindes. Kurz darauf ging Brentano die Ehe mit der erst 16jährigen Auguste Bußmann ein, die schon nach kurzer Zeit scheiterte und 1812 geschieden wurde. Bei Brentano kommt es zu einem unsteten Lebenswandel, der ihn nach Holland, Weimar, Kassel, Landshut, München und Berlin führte.

Durch seine Sympathie für die Katholische Kirche und der religiösen Neuorientierung der Intellektuellen der damaligen Zeit kam es 1817 zu seiner Generalbeichte. Auch seine damalige protestantische Freundin Luise Hensel konvertierte 1818 zum Katholizismus. Im gleichen Jahr siedelte Brentano nach Dülmen über, um die Visionen der dort lebenden Nonne A. K. Emmerick aufzuzeichnen.

Am 28. Juli 1842 starb Brentano im Hause seines Bruders Christian in Aschaffenburg.

Werke:

Die Chronika des fahrenden Schülers

Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl

Gockel, Hinkel und Gackeleia

Godwi oder das steinerne Bild der Mutter. Ein verwilderter Roman von Maria

Ponce de Leon

Rheinmärchen

Italienische Märchen

Gedichte

Literatur:

Deutsche Dichter Band 5. Romantik, Biedermeier und Vormärz. Hrsg. von Gunter E. Grimm und Frank Rainer Max. S. 180-197 und S. 207-216 (= RUB 8615)

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