Geschichte der Bilderbücher
Thema:
Bücher sollen neugierig machen auf Menschen und Dinge, auf das Unbekannte im Bekannten, Bücher sollen zu neuen Gedanken herausfordern.
Nehmen sie Stellung zu:
Engagierte Literatur für Kleinkinder Das Bilderbuch kann Erstbegegnung mit Kunst bedeuten - eine Begegnung, die sich prägend auf das zukünftige Kunstverständnis auswirkt.
Die Geschichte der Bilderbücher
Erste Bilderbücher gab es schon vor Jahrhunderten. Ursprünglich wurden sie für Erwachsene gemalt und geschrieben; sie waren Verständigungshilfen für ungeübte Leser. Mitte des 15. Jahrhunderts - durch die Erfindung des Buchdruckes - war es möglich geworden, Bilderbücher in größeren Auflagen herzustellen.
Eines der ersten Bücher, welches bewußt für Kinder verfaßt worden ist, heißt: "Der Seele Trost" (1478). Es beinhaltet Erzählungen aus der Bibel, Heiligen- und Märtyrergeschichten und Bearbeitungen alter orientalischer Stoffe. Dieses Buch hatte die deutliche Absicht, seine Leser zu erziehen. Diese ersten Bilderbücher waren mit vielen Holzschnitten oder Kupferstichen geschmückt.
Die Gruppe der illustrierten Sachbücher gewann in den folgenden Jahrhunderten große Bedeutung. Diese Entwicklung wurde 1658 durch ein besonders erwähnenswertes Werk in die Wege geleitet. "Orbis Sensualium Pictus" wurde von J.A. Comenius für den Unterricht geschrieben. "Der gemalte Kreis" (so der deutsche Titel) wurde zum ersten "Bestseller" der Kinder- und Jugendliteratur und umfaßt 150 Holzschnitte und 4000 Wörter in lateinischer und deutscher Sprache.
Das Werk wurde bald in viele Sprachen übersetzt und diente nicht nur den Schülern als Anschauungsbuch und zum Erlernen der lateinischen Sprache, sondern konnte auch von jüngeren Kindern betrachtet werden. Die Entwicklung, von diesem Buch ausgehend, lief weiter in Richtung mehrsprachiges, alphabetisches Bildwörterbuch. Dieses Buch steht heute noch am Anfang der jetzigen Sachbücher.
Im 18. Jahrhundert entstanden im Anschluß viele, reich illustrierte Sachbücher, Anschauungsbücher und Bilder - Lexika, welche die Kinder mit anschaulichen Kupferstichen in die Natur, Kunst und in die Sitten der Gesellschaft einführen sollten.
Illustration:
Durch die verbesserten Herstellungstechniken konnten Bilderbücher nun schon massenweise produziert werden. Sie verloren aber leider immer mehr an Qualität und zwar inhaltlich wie herstellungsmäßig.
Neben der Massenproduktion von Bilderbüchern entstanden aber auch ausgezeichnete Kunstwerke, die allerdings nur einer bildungswilligen Bürgerschicht zugänglich waren. Diese sogenannten "Künstlerbilderbücher" richteten sich an Erwachsene und an Kinder. Bekannte Künstler waren z.B. K. Fröhlich, L. Richter, O. Spechter...
Manche Künstler, wie z.B. Willhelm Busch, wurden von den zahlreichen verniedlichenden Darstellungen des Lebens zur Karikatur und zu humorvollen Illustrationen herausgefordert.
Die Bilder von H. Hoffmanns "Struwwelpeter" weichen von den damals üblichen sentimental - verniedlichenden Darstellungen ab, obwohl die Struwwelpetergeschichten inhaltlich ganz im Dienste der Anpassung an die Moralvorstellungen des Biedermeiers stehen.
Die Bilderbuchszenen wurden um die Jahrhundertwende wesentlich vom Jugendstil und der Kunsterziehungsbewegung beeinflußt. Das Kind wurde nun als eigenständige Persönlichkeit gesehen, dem man die Auseinandersetzung mit mannigfachen (verschiedenen) Stilarten im Bilderbuch zutraute. Der Hamburger Lehrer H.Wolgast forderte schon 1896 künstlerische Qualität der Jugendliteratur.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gaben die Illustrationen eine falsch verstandene "Kindertümlichkeit" wieder und stellten eine schematisierte, verharmloste Welt dar.
In den Jahren des Nationalsozialismus waren die Bilderbücher vor allem durch ideologische Beeinflussung geprägt. Die künstlerische Vielfalt und Freiheit wurden nicht zugelassen. Die vor 1933 erschienen Bilderbücher wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder neu aufgelegt, und allmählich entwickelten sich immer intensivere, internationale Bemühungen um Bilderbücher von künstlerischer Qualität.
Dies führte zu einem reichhaltigen Angebot an Bilderbüchern verschiedenster Stilrichtungen, wie wir es auch heute noch auf dem Bilderbuchmarkt finden.Es gibt reich illustrierte Kinderbücher für jede Altersstufe, für die verschiedensten Interessengruppen und in allen Preislagen.
Die Bedeutung der Illustrationen im Kinderbuch
Das Bilderbuch ist nicht nur als Mittel zur Leseerziehung zu sehen. Die künstlerischen Bilder in den "Bilder"- büchern tragen zur Entwicklung eines ersten Bildverständnisses bei.
Mit Hilfe von Bildern ist das Kind imstande, Ausschnitte aus seiner Umwelt oder einzelne interessante Szenen aufzunehmen, noch bevor es Geschichten oder Gedichte erfassen kann.
Bildliche Darstellungen helfen ihm, Menschen, Tiere und Dinge besser kennenzulernen und sie allmählich auch richtig zu benennen. Die Illustrationen erleichtern auch das Verständnis von Geschichten, und selbst für Kinder, die bereits recht gut lesen können, sind Bilder oft der Anreiz zum Lesen und eine Hilfe zum Verständnis des Textes.
Die Förderung der kindlichen Phantasie ist eine weitere, wichtige Aufgabe der Illustrationen im Bilderbuch. Doch durch die Bilderflut, die auf uns täglich einstürmt, z.B. vom Fernsehen, von Werbewänden, Zeitschriften..., besteht die Gefahr der Reizüberflutung.
Kinder vor dieser Bildwelt zu schützen gelingt nicht, deshalb sollte man sich damit kritisch auseinandersetzen.
Durch gezieltes Bilderbuchbetrachten können das Wahrnehmungsvermögen und die Wahrnehmungskritik ausgebildet werden, wobei auch der Wahrnehmungsgenuß vermittelt wird. Der Bilderflut der Medienkultur kann jedoch ein vielfältiges Bildangebot im Bilderbuch entgegengesetzt werden und zum kritischen, selbstbewußten Umgang mit Medienbildern führen. Dafür sind aber Bilderbücher notwendig, die sich dieser Situation stellen und die Kindheit nicht als "Schonraum" verstehen. Bücher sollten auch Schwieriges, Fremdes, Ungewohntes, Mehrdeutiges und Unfertiges anbieten.
Das Bildverständnis erwacht bei den Kindern schon früh; doch dies kann zu einer oberflächlichen Betrachtung der Bilderflut führen. Durch die rasche Abfolge der Eindrücke kann die Entwicklung der Phantasie und des genauen Beobachtungsvermögens beeinträchtigt werden.
Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn dem Kind keine Zeit gegeben wird, sich ganz alleine in ein Bild, in eine Sache, in eine Stimmung zu vertiefen, spezielle Interessen zu befriedigen und die Konzentration auf die Aussage des Bildes zu richten. Wird dem Kind diese Zeit verwehrt, kann keine enge Beziehung zwischen dem Betrachter und dem Bild entstehen, es kann die eigene Phantasie- und Gefühlswelt nicht angesprochen werden, es können keine Stimmungen übertragen oder Denkprozesse in Gang gesetzt werden.
Welche Bücher geeignet sind, um dem Auffassungsvermögen des Kindes zu entsprechen, sein Vorstellungsvermögen und sein Kunstverständnis zu fördern, ist nicht immer leicht heraus zu finden.
Wenn ein Bilderbuch möglichst bunt und "ansprechend" bebildert ist, außerdem alles, was dargestellt werden soll, "naturgetreu" ist, genügt dies nach Meinung vieler Erwachsener. Doch Kinder legen nicht dieselben Maßstäbe an ein Bild an, wie die Erwachsenen. Hier stellt sich nun die Frage, was die Qualität eines Bildes ausmacht?
Ein Bild sollte mehr vermitteln, als die möglichst genaue Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Es soll auch eine bestimmte Stimmung erkennen lassen, und die Eigenheiten eines Wesens, z.B. die Art seiner Bewegungen, in die Darstellung mit einbeziehen.
Bei der künstlerischen Illustration kommt es nicht nur auf die Wiedergabe einer Szene oder eines Dinges an, sondern auch darauf, den Eindruck wiederzugeben, den etwas hervorruft. Der Zeichner muss oft alles "Unwesentliche" zugunsten dessen, was das entscheidende "Signal" für den Beschauer enthält, weglassen.
Kinder sind meist mehr von einem Bild begeistert, wenn das abgebildet ist, was in ihrer Phantasie eine wichtige Rolle spielt, oder was sie an einem Gegenstand oder einem Tier besonders beeindruckt. Erwachsene lassen sich jedoch häufig dazu verleiten, nur das anzuerkennen, was ein "naturgetreues" Abbild, also "richtig" ist.
Gerade stark vereinfachte Darstellungen vermitteln oft Gefühle, welche durch detailgenaue Bilder oft nicht hervorgerufen werden können. Illustrationen sollten die Merkmale, die für das Objekt im Bilderbuchtext charakteristisch sind, besonders hervorheben und die allgemeinen Merkmale vereinfacht darstellen.
Wird z.B. eine Katze als besonders gefährlich beschrieben, sollte dies im Bild auch hervorgehen, durch lange Krallen, schmälere Augen, Zähne fletschen...
Manche Texte erfordern auch eine Vereinfachung eines Objektes bis hin zu einem "Zeichen", ein "Signal". Dabei können sogar die Gestalt und die Farbe verändert werden. Ist von einem besonders wilden Tier die Rede, wird häufig die Farbe Rot eingesetzt, weil sie "Gefahr" signalisiert. Dadurch ist schon vom Bild her eine starke Aussage zu spüren.
Die Bilder sollten immer aus dem Bemühen um einen künstlerischen Ausdruck heraus entstehen, der dem jeweiligen Text am besten entspricht. Keine Illustration sollte ausgetauscht oder genau so für eine andere Geschichte übernommen werden.
Daher ist die "Unverwechselbarkeit" der im Buch verwendeten Illustrationen ein Zeichen für seine Qualität. Sind jedoch die Illustrationen Massenwaren, welche kaum auf die jeweilige Geschichte näher eingehen (können), bürgt dieses Buch keinesfalls für Qualität.
Sicherlich können Kinder in den ersten acht Lebensjahren meist noch nicht die Qualität der Illustrationen bewußt erkennen oder beurteilen, doch künstlerisch gestaltete Bilderbücher sind nicht nur für die Erwachsenen gemacht. Bei einer Illustration ist es wichtiger, dass die Kinder von einer Aussage - im Bild oder im Text - betroffen, gepackt und nachhaltig beeindruckt werden. Die Wirkung ist umso tiefer, je sicherer im zeichnerischen oder malerischen Können eine künstlerische Aussage erkennbar ist.
Dies gilt im allgemeinen für die Kunst und ganz besonders für die Kunst, welche sich an die Kinder wendet."Kindgemäße" Darstellungen sind keinesfalls gleichbedeutend mit "kindisch". Die Dinge zu verniedlichen und sie so "süß" wie möglich darzustellen, heißt noch lange nicht, Illustrationen zu schaffen, die "kindgemäß" sind.
Einfachheit des bildnerischen Stils, bunte Farben, Harmonie und der Verzicht auf Fremdartiges, Dunkles und Bedrohliches bedeutet Idyillisierung, Typisierung und Verniedlichung.
Kindertümlichkeit bedeutet viel eher, dass ein Bilderbuch oder eine Bildergeschichte an die Erlebnis- und Phantasiewelt der Kinder anknüpft; so, dass sich Kinder damit identifizieren, sich in die Darstellung einleben können. Deshalb ist es für einen Künstler sehr wichtig, dass er selbst noch etwas vom Kindlichen in sich bewahrt hat. Wenn er Freude am Spiel, die Fähigkeit zum Staunen und viel Phantasie hat, wird er sich niemals "kindisch" benehmen, wenn er Kinder ansprechen will. Er achtet den phantastischen Spielraum des kindlichen Denkens und Handelns, er füllt und erweitert ihn mit seinen Bildern und Worten. Damit gibt er der kindlichen Phantasie Impulse.
Wirkt ein Bild oberflächlich und einfältig, sind die Objekte klischeehaft dargestellt und gewollt "herzig" gemalt; der Charakter durch ungewöhnliche Tätigkeiten entstellt, auch durch Formen und Größenverhältnisse und grelle und verwaschene Farben wird der Mangel an Gestaltungskraft deutlich aufgezeigt.
In weniger guten Bilderbüchern wird oft die Darstellung kleiner Wesen, die - so wie die Babys - einen relativ großen Kopf haben, auf die die Menschen mit Zuneigung reagieren, verwendet. Hier ist deutlich zu erkennen, dass sich der Künstler nichts Kindliches in sich bewahrt hat, und nur erreichen will, dass der Betrachter von vornherein so beeinflußt wird, dass er das Bild "herzig" findet.
Kinder wollen einerseits bunte, harmonische, ruhige Illustrationen, Bilder, deren Bildsprache vertraut ist, die das Gefühl von Geborgenheit vermitteln und zum Ausruhen einladen, andererseits wollen Kinder aber auch Illustrationen, die sich nicht auf den ersten Blick erkennen und deuten lassen, die Spannung, Befremden und Neugierde auslösen. Erst wenn Kinder eine Vielfalt von Bilderfahrungen, die beide Seiten miteinschließt, machen können, können sie ihr Bildverständnis und ihre piktoriale Kompetenz weiter entwickeln.
Um den Ansprüchen der Kinder gerecht zu werden, könnten doch auch Kinder Bilderbücher illustrieren? Doch bei Versuchen hat sich herausgestellt, dass diese Bücher keinen besonderen Anklang fanden. Das Auffassungsvermögen der Kinder befindet sich auf einer anderen Entwicklungsstufe als ihr Gestaltungsvermögen. Die Phantasie des zeichnenden Kindes ist wesentlich weiter entwickelt, als es mit Pinsel oder Bleistift ausdrücken kann.
Kinder können Zeichnungen eines anderen Kindes nicht erklären. Kinderzeichnungen haben aber eines mit Zeichnungen des Künstlers gemeinsam, nämlich die Phantasie und die Vorstellungskraft; beim Künstler kommt jedoch noch sehr viel fachmännisches Können hinzu.
Das Bilderbuch ist nicht nur als Hilfsmittel zum Aufbau des Bildverständnisses und der piktoralen Kompetenz zu sehen. Es ist gleichbedeutend mit der Erstbegegnung mit Kunst, was sich auf das zukünftige Kunstverständnis auswirkt. Kinder sind in ihrer ästhetischen Entwicklung auf Impulse vom Erwachsenen angewiesen. Einer einseitigen Entwicklung der ästhetischen Fähigkeiten wirken künstlerisch anspruchsvolle Bilderbuchillustrationen entgegen. Somit sind sie ein Mittel der ästhetischen Erziehung.
Dies kann natürlich nicht durch die tägliche Bilderflut der Medienkultur geschehen. Kinder sollte auch der Zugang zu unbekannten und fremdartigen ästhetischen Angeboten nicht verwehrt bleiben. Dies setzt die Auseinandersetzung des Erwachsenen mit verschiedenen bildnerischen Darstellungsformen, unterschiedlichen Stilrichtungen und Gestaltungstechniken und neuen Themen voraus.
Der Erwachsene sollte sein Repertoire von bekannten, vertrauten Bildern, Inhalten und Themen erweitern, auch um solche, die ihm auf den ersten Blick fremd und unverständlich erscheinen. Wenn Kinder die Möglichkeit haben, Verschiedenes kennenzulernen, mit der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten vertraut zu werden, können sie ihren Geschmack bilden. Die Entwicklung des bildnerischen Erfassens, der Phantasie und der Kritikfähigkeit braucht Förderung und Pflege.
Die Spanne der Bildnerischen Lösungen bei Illustrationen ist unendlich groß, sie reicht von Karikaturen, comic-ähnlichen Darstellungen bis zur Kunst im Bilderbuch.
Kinder greifen, wenn sie selbst entscheiden dürfen, lieber zu Comics als zu künstlerisch gestalteten Bilderbüchern. Sie sind nicht so teuer wie Bücher und leichter zugänglich.
Die typischen Merkmale für ein Comic sind:
eine Folge von Bildern stellt eine Aussageeinheit dar. Wie der Film lösen Comics eine Handlung in eine Folge von Einzelbildern auf.
Seelische Vorgänge und Zustände werden durch immer gleichbleibende Zeichen ausgedrückt. Diese sind zu allgemeinverständlichen Symbolen geworden.
Es werden Geräusch- und Aktionswörter verwendet. Z.B. "Plumps"
Denk- und Sprechblasen werden weiters verwendet.
Ergänzende Informationssätze helfen, den Inhalt zu verdeutlichen.
Vor allem wegen dieser groben Vereinfachung hat man Bedenken gegenüber Comics. Die Bildunterstützung und Symbolverwendung der Comics lässt der Vorstellung und Phantasie des Lesers wenig Raum. Kindern, die ausschließlich Comics lesen, kann der Übergang zum Lesen von gedruckten Texten in Büchern daher schwerfallen.
Auch wenn man die Vorlieben der Kinder kennt, sollte man Bilderbücher nicht nach diesen Gesichtspunkten auswählen.
Hier nun einige wichtige Kriterien für die künstlerische Qualität von Bilderbuchillustrationen:
Das Spiel mit den Farben:
Ein besonderes Bilderbuch, welches von Kindern begeistert angenommen wird, ist das Bilderbuch "Das kleine Blau und das kleine Gelb" von L. Lionni. Erwachsene sehen es als "abstraktes Bilderbuch" doch die Kinder sind von dem Spiel mit den Farben begeistert.
Die Flächen Blau und Gelb sind vermenschlicht; es sind kleine Kinder, die allerlei erleben. Kleinkinder verlebendigen oft alle möglichen Dinge, wie Spielsachen, Steine oder Bauklötze und deshalb nehmen sie diese Spielidee auf.
Die Geschichte von L. Lionni ist so einfach aufgebaut und erzählt, sodass bildnerisches Denken und Sehen des Kindes wirksam angeregt werden.
Ein weiteres Werk von L. Lionni ist das Buch "Frederick". Hier handelt es sich um die Maus Frederick, welche Farben und Sonnenstrahlen sammelt, damit es im Winter im Mauseloch nicht so finster und grau wird. Die Figuren werden aus gerissenem Buntpapier dargestellt, eine hervorragende Idee der künstlerischen Durchführung. Die Darstellungen sind ganz einfach, dennoch merkt man ihnen an, wie sehr sie sich bemühen, wie sie sich freuen, wie sie frieren. Bewegtheit des Ausdrucks, auch wenn es zu einer Beschränkung auf das Einfachste kommt, ist ein untrügliches Zeichen künstlerischer Qualität.
L. Lionni "Frederick"
Einfachheit und Bewegung:
Mit einfachen Darstellungsmitteln, ganz ohne Text, kann eine Bildgeschichte gestaltet sein, die der Phantasie des Kindes viel Spielraum lässt. Mit einigen wenigen Strichen kann man jede Stimmungsänderung von den Figuren ablesen; sie spiegeln das Erleben dieser Gestalten wider und regen den Betrachter dazu an, die Geschichten selbst in Worte zu kleiden.
Diese Bilder sind an die Phantasiewelt des Kindes angelehnt. In der Einfachheit und leichten Erfaßbarkeit zeigen sich solche Illustrationen.
Ein Merkmal für künstlerische Qualität ist auch die Unverwechselbarkeit des Dargestellten. Oft wird durch die Typenhaftigkeit und Oberflächlickeit eines Bildes der Phantasie des Kindes kein eigener Spielraum gelassen.
Die Beziehung zwischen Text und Illustration:
Es genügt nicht, nur das nachzuzeichnen, was der Text bindend vorschreibt; der Illustrator hat die Aufgabe, dieselbe Geschichte zu erzählen, nur eben mit anderen Ausdrucksmitteln als dem Wort. Begabte Illustratoren erzählen manchmal auch zum Bilderbuchtext eigene kleine Geschichten dazu. Die Vorstellungskraft des Kindes wird bewegt und angeregt. Durch dieses Beispiel angespornt, kann sich das Kind andere Situationen weiter ausmalen.
Die Umsetzung einer literarischen Vorlage ins Bild muss nicht ausschließlich eine inhaltliche Wiederholung des Textes sein, sie kann ihn auch fortsetzen und ergänzen. Einengung und Verfälschung sollten auf jeden Fall nicht passieren. Manche Illustratoren geben im Bilderbuch nicht nur einen Sachverhalt wieder, sondern machen sich mit dem Betrachter ein wenig darüber lustig. Meist sind solche Szenen aus der Sicht und aus dem Empfinden des Kindes heraus gezeichnet.
Verschiedene Stilrichtungen und Techniken im Bilderbuch
Die Illustration der Bilderbücher umfaßt viele Richtungen und Techniken. Malerische Gestaltung, graphische Techniken, Collagen... Vorwiegend sind die Illustrationen dekorativ gestaltet, man sieht aber auch ganz einfache, auf die Volkskunst aufbauende Bilderbücher, ausdrucksstarke, vom persönlichen Eindruck bestimmte Bilder. Manche Bücher weisen aber auch karikaturistische Illustrationen auf.
Welcher Stil bevorzugt wird, hängt weitgehend von der Persönlichkeit und der Entwicklung des Betrachters sowie von der Grundstimmung des Textes ab. Stellt man aber den künstlerischen Wert in den Vordergrund, so sind die verschiedenen Stilrichtungen und Techniken gleichwertig. Für Kinder zu zeichnen und zu malen ist für L. Lionni eine verantwortungsvolle Aufgabe. Für ihn ist es wichtig, dass bei der Herstellung von Kinderbüchern sehr viel Sorgfalt aufgewendet wird.
Kinder müssen den Sinn für Qualität entwickeln lernen. Eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe des Künstlers ist es, denselben anspruchsvollen Maßstab an die von uns entworfenen Massenprodukte zu legen, wie an Kunstwerke. Dadurch können Kinder die Befriedigung erfahren, die Qualität bewährt.
Alterseinstufung von Bilderbüchern:
Kinder sollten schon im Kleinkindalter Zugang zu künstlerisch gestalteten Bilderbüchern haben. Geschieht das nicht, kann dies allerdings dazu führen, dass ein Kind, dessen bildnerisches Verständnis durch klischeehafte Illustrationen vorgeprägt ist, schwer Zugang zum künstlerischen Bild findet.
Altersangaben bei Bilderbüchern können nur als unverbindliche Hinweise aufgefaßt werden, denn das Bildverständnis ist nicht bei jedem Kind gleich entwickelt und gleich gefördert.
Eineinhalbjährige Kinder
können nur weniges auf einmal erfassen; sie müssen erst lernen, Dinge, Menschen und Tiere auf den Bildern wiederzuerkennen. Bilderbücher sollten daher nur eine Sache oder ein Tier auf einer Seite zeigen; am besten solche Dinge, die das Kind aus seiner unmittelbaren Umgebung schon kennt, z.B. einen Ball, einen Apfel, einen Löffel.
Das Bild sollte auch keinen Schatten, viele Einzelheiten oder schwer aufzufassende Blickwinkel aufweisen, da dies das erste Bildverständnis verwirrt.
Drei- und Vierjährige
Bei dieser Altersgruppe dürfen die Bilder schon inhaltsreicher sein und mehreres auf einer Seite zeigen, da die Kinder schon einzelne Szenen erfassen können. Die Kinder können auch schon Zusammenhänge zwischen einzelnen Szenen erkennen und Figuren, Tiere und Dinge auf mehreren, aufeinanderfolgenden Bildern wiedererkennen.
Vierjährige betrachten Bilder, auf denen kleine Einzelheiten abgebildet sind, mit größter Konzentration; eine gewisse Ordnung in der Bildkomposition erleichtert aber das Verständnis für das Dargestellte. Bilder können auch Impulse zum Sprechen geben, sie können Gefühle und Denkprozesse in Gang setzen, Vergangenes wieder aufleben lassen und Neues erzählen.
Fünfjährige
Das Interesse dieser Altersgruppe ist recht weit gespannt; es reicht vom Märchen bis zum informationsreichen Sachbuch. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den Illustrationen wider. Über Bilderbücher lernen Kinder die verschiedensten stilistischen Auffassungen und Techniken kennen, die ihnen später den Zugang zur bildenden Kunst erleichtern.
Illustrationen, die von der Stimmung oder vom Sachlichen her bestimmt sind, werden von Kindern im allgemeinen früher verstanden als karikaturistische Verzerrungen von Gestalten und Dingen. Satire, Spott und Witz verstehen Kinder erst dann, wenn sie genügend Erfahrungen mit dem Dargestellten besitzen. Wird das Vorstellungsvermögen der Kinder auf schablonenhafte und oberflächliche Bilddarstellungen fixiert, haben die Kinder weniger Möglichkeiten ihre eigene Phantasie zu entwickeln und Zugang zu den verschiedensten Ausdruckformen der bildnerischen Kunst zu finden.
Abschließend möchte ich noch bemerken, dass man sich bei der Auswahl des Bilderbuches nicht nur von dem eigenen Geschmacksurteil leiten lassen soll. Man sollte sich vor allem bewußt machen, dass die Illustrationen zum genauen Hinsehen auffordern und Neugierde wecken sollen.
Denn die Illustrationen in Bilderbüchern sind die Erstbegegnung mit der Kunst und diese kann entscheidend, prägend für das zukünftige Kunstverständnis sein. Letztlich ist das Kind beim Erwerb von kulturellen Fähigkeiten auf die Hilfe des Erwachsenen angewiesen.
3113 Worte in "deutsch" als "hilfreich" bewertet