Draußen vor der Tür
Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will
A) Biographie des Autors Wolfgang Borchert
Wolfgang Borchert wird am 20. Mai 1921 in bürgerlichen Verhältnissen in Hamburg geboren.
Aufgrund schlechter schulischer Leistungen verlässt er schon nach abgeschlossener 7. Klasse die Realschule. Die Lehrstelle zum Buchhändler tritt Borchert 1938 nur an, weil ihm sein konservatives Elternhaus den Wunschberuf Schauspieler verwehrt. So nimmt er heimlich privat Stunden und legt 1941 die Schauspielprüfung mit Erfolg ab. Prompt findet er bei der Landesbühne Osthannover ein Engagement. Das Glück, seinen Traum zu leben, währt allerdings nicht lange: Im selben Jahr wird der frischgebackene Theaterdarsteller einberufen. Hier beginnt der Leidensweg Borcherts. Der Krieg, den er als sinnlose Menschenopferung erlebt, der Kasernendrill, die Gleichmacherei des Militärs lasten schwer auf seiner Seele und der ungestüme junge Soldat denkt nicht im Traum daran, seine Abneigung gegen das Hitlerregime zu verhehlen. Er wird es bitter bezahlen. Infolge einiger Briefe, die als staatsgefährdend gelten, wird der schon mit 19 Jahren Leberkranke vor Gericht gestellt, zu 8 Monaten Haft verurteilt, 6 Wochen davon lässt man ihn in dem Glauben, zum Tode verurteilt zu sein. 1944 heißt die Anklage "Zersetzung der Wehrkraft" - Borchert hat die Stirn besessen, in seiner Kaserne vor allen Soldaten eine Goebbelsparodie aufzuführen. Wieder 9 Monate Gefängnis. Sein Gesundheitszustand ist bedenklich und doch wird er nach seiner Entlassung wieder an die Front, in den Alptraum, geschickt. Kurz vor Kriegsende gerät Borchert noch in französische Kriegsgefangenschaft, kann aber flüchten und kommt nach einem 600km-Marsch schwerkrank in Hamburg an. Mit 24 Jahren beginnt Wolfgang Borchert zu schreiben, wie ein Irrer zu schreiben, wahrscheinlich weil er weiß, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, das zu sagen, was er sagen muss. Es entstehen in den zwei Jahren bis zu seinem Tod Gedichte, Prosastücke und das Hörspiel Draußen vor der Tür.
Wolfgang Borchert ist ein Opfer des Krieges, auch wenn er erst 1946, zwei Jahre nach Kriegsende stirbt. Kriegsdienst an der Front, Gefängnis, Hunger habe das ihre getan, um den ohnehin Kranken bis zum Tod zu schwächen. Wolfgang Borchert erliegt im Alter von nur 26 Jahren am 20. November 1947 während einer Kur in Basel seinem Leberleiden.
B) Wolfgang Borcherts Aufschrei
Wolfgang Borchert gilt als Hauptvertreter der entwurzelten Jugend der Nachkriegszeit. Der Schriftsteller ist 18 Jahre alt, als der Krieg beginnt, er sieht seine Freunde in Schlachten sterben, sieht an der Ostfront seine Weltansicht, seine Wertvorstellungen aus den Fugen gehoben. Borchert bezeichnet einmal seine Generation als gottlos, als um ihren Gott beraubt vom Grauen des Krieges. Seine Literatur ist ein einziger Aufschrei gegen dieses Grauen, gegen seine Welt, die Borchert als Abgrund empfindet. Doch sein Schreien ist konstruktiv. Es ist die Aufforderung an alle, auch an sich selbst, aus der jetzigen Misere eine bessere Zukunft zu bauen. So schreibt er: "...wir sind Neinsager. Aber wir sagen nicht Nein aus Verzweiflung. Unser Nein ist Protest. Und wir haben keine Ruhe beim Küssen, wir Nihilisten. Denn wir müssen in das Nichts hinein wieder ein Ja bauen." Unter diesem Aspekt ist alles Schaffen Borcherts zu betrachten, so auch sein umfangreichstes literarisches Werk - Draußen vor der Tür - ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will.
C) Hintergründe
Das Theaterstück ist ursprünglich als Hörspiel gedacht. Wolfgang Borchert schreibt es kurz vor seinem Tod in nur sieben Tagen. Direkt nach der Veröffentlichung wird es am 13.2.47 im Norwestdeutschen Rundfunk gesendet und löst heftige Kontroversen aus. Die Uraufführung am Theater, genauer an den Hamburger Kammerspielen, erfolgt am 21. November 47, einen Tag nach dem Tod des Autors.
Der Untertitel - Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will - hat sich nicht bewahrheitet. Draußen vor der Tür ist zum meistgespielten deutschen Nachkriegsdrama geworden, vielleicht, weil es wie kein anderes in durchdringender Ehrlichkeit und Direktheit die trostlose Realität der Kriegsheimkehrer zeigt, derer, die nach Hause kommen aber kein zu Hause mehr vorfinden, weil sich alles geändert hat, die Heimat und auch sie selbst. Der Untertitel bezieht sich wohl nur auf den Druck der Wahrheit, den das Stück auf den Rezipienten ausübt. Denn der Zwang, zu
sehen, nachzudenken, der von diesem Stück ausgeht ist unbequem.
E) Inhalt des Stücks
Bevor die Handlung einsetzt, wird des Rezipient durch eine kurze Vorrede mit der Situation vertraut gemacht. Die Handlung dreht sich um einen Kriegsheimkehrer namens Beckmann, mit zerschossener Kniescheibe, vogelscheuchengleich, der, wie viele andere Männer auch nicht in die Welt der Nachkriegszeit passt, den keiner mehr sehen will, der "draußen vor der Tür" steht. Die Personen des Stücks sind neben Beckmann,
der BEERDIGUNGSUNTERNEHMER mit dem Schluckauf - der Tod
der alte MANN, an den keiner mehr glaubt - Gott
der ANDERE, den jeder kennt - Beckmanns lebensbejahendes, optimistisches Alter Ego
Beckmanns FRAU, die ihn vergaß
deren FREUND, der sie liebt
ein MÄDCHEN, dessen Mann auf einem Bein nach Hause kam
ihr MANN, der tausend Nächte von ihr träumte
ein OBERST, der sehr lustig ist
ein KABARETTDIREKTOR, der mutig sein möchte, aber dann doch lieber feige ist
FRAU KRAMER, die nichts als Frau Kramer ist, und gerade das ist so furchtbar
ein STRAßENFEGER, der gar keiner ist
und die ELBE
Das Stück beginnt mit einem Gespräch zwischen dem Tod, der als Beerdigungsunternehmer auftritt, und Gott, einem weinerlichen alten Mann, an den keiner mehr glaubt. Beide beobachten Beckmann, der gerade dabei ist, sich in die Elbe zu stürzen. Der Tod leidet unter Schluckauf und Rülpsanfällen. Als Grund dafür gibt er an, er hätte sich überfressen, in diesem Jahrhundert der Kriege. Im Gegensatz zum erfolgreichen Beerdigungsunternehmer steht Gott, der nur leise vor sich hinwimmert: "Ich kann es nicht ändern. Meine Kinder."
Inzwischen ist Beckmann ins Wasser gegangen, in der Hoffnung, endlich von seinen Leiden erlöst zu werden. Doch er hat seine Rechnung nicht mit der Elbe gemacht. In einem Traum beginnt der Fluß, wie ein altes Fischweib auf Beckmann einzuschimpfen. Er sei mit seinen 25 Jahren noch zu grün hinter den Ohren, um sich schon umbringen zu dürfen, und seine Handvoll Leben sei ihr verdammt zu wenig. So spuckt die Elbe Beckmann bei Blankenese wieder an den Strand, wo dieser liegenbleibt, weil er aufgrund seines steifen Beines unfähig ist aufzustehen.
Mit einem monologischen Dialog zwischen Beckmann und seinem lebensbejahenden Ich, dem Anderen, setzt die eigentliche Handlung ein. Ab hier versucht der Heimkehrer, getrieben durch den Anderen, wieder im Leben, in der Heimat fußzufassen. Eine junge Frau kommt vorbei, während Beckmann noch dem Anderen all die Gründe für seine Lebensmüdigkeit aufzählt: Seine Frau liegt im Bett mit einem anderen, er humpelt, hat Hunger und kann vor Alpträumen nicht mehr schlafen. Sie hilft dem Liegenden auf und nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Ihr Mann, erzählt sie, sei seit Stalingrad vermisst. Sie gibt Beckmann von seinen Kleidern, von seinem Essen, will ihm den Platz ihres Mannes geben. Doch plötzlich taucht dieser unter unheimlichem Tocken von Krücken auf und beschuldigt Beckmann, ihm die Frau gestohlen zu haben. Dazu kommt die Tatsache, dass der Mann in Russland unter Beckmanns Befehl stand und nur wegen ihm sein Bein verlor. Beckmann, der betrogene Betrüger und verkrüppelte Verkrüppler flieht unter Schreien und die Tür schlägt hinter ihm zu.
Auf Rat des Anderen dreht Beckmann, der schon wieder auf dem Weg zur Elbe war, um: Er möchte seinen Obersten besuchen, um ihm die Verantwortung für elf Männer zurückzugeben, die ihm der Befehlshaber in Russland übertragen hat. So, meint er, könne er endlich wieder schlafen. Er findet die ganze Familie am Abendbrottisch vor und klagt sie an für ihr Spießbürgertum, das den Krieg schon längst wieder vergessen hat. Dann erzählt ihnen seinen immer wiederkehrenden Alptraum: Ein blutschwitzender fetter General spielt auf einem Xylophon aus Menschenknochen Kriegsmärsche und all die gefallenen Soldaten stehen aus ihren Gräbern auf. Als er dem Oberst nun die auf ihm lastende Verantwortung für die Toten zurückgeben will, lacht dieser nur. Nicht gemein, nicht gehässig, er glaubt wirklich, Beckmann habe einen Witz gemacht. Hinter Beckmann schlägt die Türe zu. Zuvor aber hat er eine Flasche Schnaps geklaut und besäuft sich nun.
Im Alkoholrausch kommt er auf die Idee, die Nummer, die der Oberst eben so witzig fand, am Theater zu präsentieren. Bei einem Kabarettdirektor spricht er vor. Doch sein sarkastische Variéténummer findet nicht den erhofften Anklang: Zu direkt, zu hart für das Publikum. Auf Beckmanns Ausruf, dass es sich aber doch um die Wahrheit handle, antwortet der Direktor schlicht: "Wer will denn heute was von der Wahrheit wissen?" Und wieder steht Beckmann draußen vor der zugeschlagenen Tür.
Noch einmal hält der Andere ihn davon ab, die Straße in Richtung Elbe einzuschlagen, und verweist ihn auf seine Eltern. Als Beckmann aber bei seinem alten zu Hause ankommt, hängt ein anderes Namensschild an der Tür. Frau Kramer, die auf sein Klingeln öffnet, erzählt ihm kurzangebunden vom Tod seiner Eltern. Die beiden, engagierte Nationalsozialisten, haben sich bei Kriegsende selbst in der Küche vergast, sozusagen selbst "entnazifiziert". Beckmann, seines letzten Auswegs beraubt, reagiert aggressiv und Frau Kramer schlägt die Türe vor ihm zu.
Draußen auf der Straße verliert Beckmann endgültig den Mut. Alle Beschwörung des Anderen, doch weiterzugehen auf der Straße seines Lebens, schlagen fehl: Beckmann verspürt nur den Wunsch, endlich zu pennen, seinem Leben zu entfliehen und er lamentiert mit großen Worten über den grausamen Unsinn des Daseins. Dann schläft er plötzlich ein und der Andere schafft es nicht, ihn wachzuhalten. Beckmann träumt nun, zu sterben. In einer Art Revueschau passierten jetzt noch einmal all die Personen des Dramas. Als erstes begenet ihm der alte, weinerliche Mann, der liebe Gott an den keiner mehr glaubt. Den schickt Beckmann aber sofort mit den Worten "Gott ist tot" wieder weg, wütend darüber, dass selbst Gott dem Schrecken auf der Erde zusieht. Danach tritt der Tod auf, diesmal in Gestalt eines Straßenfegers. Denn der Tod braucht nicht wählerisch zu sein - wenn soviele Tote auf der Straße liegen wie in der Nachkriegszeit, fegt er sie eben auf. Er versichert Beckmann, auch für ihn immer eine Tür offenzuhaben. Nun folgen nacheinander der Oberst, der Theaterdirektor, Frau Kramer, seine Frau und ihr neuer Freund und das Mädchen. Ihnen allen wirft Beckmann vor, ihn mit ihrer Unmenschlichkeit ermordet zu haben. Als dann jedoch der einbeinige Mann des Mädchens, bessergesagt des Geist desselben auftaucht, wird Beckmann aus seinem Selbstmitleid und seiner Egozentrik gerissen: Der Krüppel hat sich in die Elbe gestürtzt und kommt nun, um Beckmann als seinen Mörder anzuklagen. Beckmann, der sich immer als Opfer sah, tritt so auch in die Täterrolle ein, versteht, dass in Zeiten wie diesen jeder mordet und jeder stirbt, dass sein Schicksal keine Ausnahme ist und er so in die einzige Tür, die ihm offensteht, nicht eintreten darf: In die Tür des Todes. Ratlos steht er nun vor seinem weiteren Leben, die Stimmen Gottes und des Anderen sind verstummt und Beckmann bleibt nichts übrig, als in den leeren Raum die Frage zu schreien: "Gibt denn keiner Antwort".
F) Form des Stücks
Zur Form des Dramas ist nicht viel zu sagen: Es handelt sich um ein Szenendrama in fünf Szenen, die vom roten Faden der alleinigen Hauptfigur Beckmann verbunden sind. Der Handlung, die sich in nur einer Nacht abspielt, sind drei Textpassagen vorangestellt: Die Vorrede, die den Rezipienten ins Deutschland der Nachkriegsjahre versetzt, das Vorspiel mit dem Dialog zwischen Gott und dem Tod und Beckmanns Traum vom Gespräch mit der Elbe. Letzterer erfüllt zusammen mit dem Traum kurz vor Ende des Stücks die einzige formale Rahmenfunktion.
G) Die bildliche Sprache Wolfgang Borcherts
Den Leitfaden durch das Stück bildet, da die Form nicht sonderlich ausgearbeitet ist, die besondere Sprache Wolfgang Borcherts. Extrem stimmungsverdichtende Elemente zeihen sich durch das ganze Drama: So wird die Nacht als drohend-kalte Umgebung immer wieder in den Regieanweisungen aufgegriffen und auch die sinnlichen Beschreibungen tragen zur Beklemmung des Rezipienten bei. Der Wind stöhnt, das Wasser der Elbe klatscht gegen das Ufer und das blutige Gestöhn der Traumgespenster Beckmanns stinkt in den Himmel. Motive wie die immer wieder vor Beckmann zugeschlagene Tür, das Schreien Beckmanns kehren immer wieder. Auch die Umgangssprache ist charakteristisch. Was vielleicht noch erwähnenswert ist: Borchert kommt in Draußen vor der Tür, das fast ausschließlich vom Krieg und dessen Folgen handelt, beinahe ohne die Vokabel Krieg aus. Er umschreibt auf den 60 Seiten das Wort so geschickt, dass niemand es vermisst. "Er war lange weg, der Mann" sagt er von Beckmann und vom Einbeinigen, er habe 1000 Nächte von seiner Frau geträumt - und jeder weiß, dass die beiden in Russland waren. Und das ist die sprachliche Kunst Wolfgang Borcherts: Mit einfachen Worten viel zu sagen.
H)Draußen vor der Tür - Tragödie oder Tragikomödie
Wenn man auf den ersten Seiten des Buches nach einer genaueren Bestimmung des Dramas sucht, bleibt man erfolglos. Borchert hat es dem Leser selbst überlassen, sein Stück einzuordnen. Sieht man sich das Thema genauer an: Das hoffnungslose Scheitern, die Lebensmüdigkeit des Heimkehrers Beckmann, schließt man direkt auf eine Tragödie. Aber wer so denkt, hat das Drama nicht gelesen. Über all dem schrecklich-traurigem, was einem hier so präsentiert wird, liegt nämlich eine Art von besonders beißender Ironie. Diese unterstreicht zwar oft nur den grausamen Effekt, entlockt aber ebenso häufig ein hämisches Grinsen. Das beginnt schon im Vorspiel. Der ständig rülpsende Tod neigt sich schon fast ins Skurile und der arme Gott, an den keiner mehr glaubt, ist lächerlich. Und auch Beckmann, die hochtragische Figur, ist ironisch geprägt. Er, der sich als Opfer aller anderen sieht, ist nämlich selbst kein Stück besser: Er betrügt, obwohl er selbst betrogen worden ist. Er wirft dem Theaterdirektor seine Schauspielerei vor und bewirbt sich doch selbst gerade um eine Stelle am Theater. Er möchte dem Oberst die Verantwortung für seine Soldaten zurückgeben und beschimpft dessen Vergesslichkeit. Der Grund aber dafür ist, dass Beckmann selbst verantwortungsscheu ist, am liebsten vergessen würde. So ist es kein Wunder, dass Oberst und Theaterdirektor herzlich über ihn lachen. Beckmann verhält sich im höchsten Maße widersprüchlich und wird so unglaubwürdig. Nur die letzte Szene, die Szene der Todesnachricht der Eltern sowie des Traumes, lässt diese heitere Ironie vermissen. Sie schlägt um zum bitteren Sarkasmus Beckmanns und erinnert den Rezipienten wieder daran, dass es sich bei diesem Stück um ein ernstes Thema, bittere Realität handelt. So endet das Drama in verzweifelter Frage, die nach allem Grinsen noch schwerer im Raum lastet.
I) Schluss
Wolfgang Borchert ist, gerade aufgrund seiner lebendigen Sprache und seiner Jugend, ein Autor, der auf junge Leute wirkt, sie trifft und bewegt. Er arbeitet mit Bildern, die wir verstehen, Gefühlen, die wir nachvollziehen können. Er führt uns direkt seinen Alptraum, den Krieg vor Augen und seine Wahrheit, die Heinrich Böll so formuliert hat: "Die Wahrheit, Borcherts Wahrheit, ist, dass jede Schlacht, die gewonnene und die verlorene, Gemetzel ist, dass für die Toten die Blumen nicht mehr blühen, kein Brot mehr für sie gebacken wird, der Wind nicht mehr für sie weht; dass ihre Kinder Waisen, ihre Frauen Witwen sind und Eltern um ihre Söhne trauern."
Es folgen hier noch das Thesenblatt:
"Draußen vor der Tür"
von Wolfgang Borchert
*Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will*
Kurzbiographie des Autors
geboren am 20.5.1921 in Hamburg
Vater Lehrer, Mutter Schriftstellerin tritt 1938 nach Abschluss der 7. Klasse der Realschule eine Buchhändlerlehre an,
nimmt aber privat Schauspielunterricht besteht 1941 die Schauspielprüfung; Engagement an der Landesbühne Osthannover wird 1941 eingezogen: Einsatz an der Ostfront mehrmals vor dem Kriegsgericht:
* 1941 wegen einiger Briefe "staatsgefährdenden Inhalts": 8 Monate Haft
* 1944 wegen "Zersetzung der Wehrkraft"(Goebbelsparodie): 9 Monate Haft kommt 1945 in französische Kriegsgefangenschaft, kann aber fliehen. beginnt im Alter von 24 Jahren zu schreiben; bis zu seinem Tod 2 Jahre später entstehen Prosastücke, Gedichte und das Hörspiel Draußen vor der Tür am 20.11.1947 stirbt Wolfgang Borchert in Basel, geschwächt durch Krieg, Gefangenschaft und Hunger, an einer Leberkrankheit, an der er schon seit Jahren leidet.
Wolfgang Borcherts Aufschrei
W. Borchert ist der Hauptvertreter der durch den 2.Weltkrieg entwurzelten Jugend. Sein gesamtes Werk dient der Warnung vor dem Krieg, dem Anschreien gegen das Grauen seiner Generation.
Draußen vor der Tür
*
Wolfgang Borchert schreibt dieses Stück in nur 7 Tagen kurz vor seinem Tod erstmals gesendet am 13.2.1947 im Nordwestdeutschen Rundfunk Uraufführung an den Hamburger Kammerspielen am 21.11.1947 Meistgespieltes deutsches Nachkriegsdrama
Die Personen des Stücks
BECKMANN, einer von denen
der ANDERE, den jeder kennt - Beckmanns lebensbejahendes, optimistisches Alter Ego
der BEERDIGUNGSUNTERNEHMER mit dem Schluckauf - der Tod
der alte MANN, an den keiner mehr glaubt - Gott
Beckmanns FRAU, die ihn vergaß
deren FREUND, der sie liebt
ein MÄDCHEN, dessen Mann auf einem Bein nach Hause kam
ihr MANN, der tausend Nächte von ihr träumte - der einbeinige Krüppel
ein OBERST, der sehr lustig ist
ein KABARETTDIREKTOR, der mutig sein möchte, aber dann doch lieber feige ist
FRAU KRAMER, die nichts als Frau Kramer ist, und gerade das ist so furchtbar
ein STRAßENFEGER, der gar keiner ist - der Tod
die ELBE
Inhalt des Stücks
Der 25-jährige Soldat Beckmann kehrt nach 3 Jahren Gefangenschaft in Russland nach Deutschland zurück, doch er findet nicht die Heimat, die er verlassen hat. Ein anderer hat den Platz neben seiner Frau eingenommen, er selbst hungert, friert und humpelt. So beschließt er, sich in die Elbe zu stürzen. Doch den Selbstmordversuch missglückt und Beckmann sieht sich mit dem lebensbejahenden Teil seiner Identität, dem Anderen, konfrontiert. Dieser bringt ihn soweit, nochmals neu anzufangen. Als alle Versuche, im Leben Fuß zu fassen fehlschlagen, erkennt Beckmann, dass es sein Schicksal, so wie das vieler anderer Heimkehrer, ist, alleine, in der Nacht und draußen vor der Tür weiterzuleben.
Form des Stücks
Szenendrama, der rote Faden ist die alleinige Hauptperson der Kriegsheimkehrer Beckmann Vor dem Beginn der eigentlichen Handlung um den scheiternden Beckmann sind drei Textpassagen geschaltet:
*die Vorrede, die den Rezipienten ins Nachkriegsdeutschland der Heimkehrer versetzt
*das Vorspiel; Beckmann als Statist, Dialog zwischen Gott und dem Teufel
*der Traum; Unterhaltung Beckmanns mit der Elbe
kein symmetrischer Aufbau, einziger formaler Rahmen sind die beiden Träume kurz nach Anfang und kurz vor dem Ende des Stücks
Die Sprache Wolfgang Borcherts
Borchert arbeitet mit
*immer wiederkehrenden Motiven: die zugeschlagene Tür, das Schreien Beckmanns,...
*sinnlichen Ausdrücken:"ihr blutiges Gestöhn stinkt bis zum weißen Mond",...
*Umgangssprache
*einfachen Metaphern, um Großes zu sagen: "Als Eintrittsgeld musste er mit seiner Kniescheibe zahlen"
Draußen vor der Tür - Tragödie oder Tragikomödie?
Das Thema des Stückes, das Schicksal Beckmanns, ist tragisch Die beißende Ironie Borcherts vermittelt jedoch von Zeit zu Zeit den Anschein des Komischen Auch die Hauptfigur Beckmann wirkt durch seine Widersprüchlichkeit komisch Die letzte Szene - geprägt nicht von Ironie, sondern von bösem Sarkasmus - lastet mit der Endfrage "Gibt denn keiner Antwort?" durch den Kontrast zu den anderen Szenen noch schwerer im Raum
"Ein Mann kommt nach Hause. Er ist einer von denen, die nach Hause kommen und dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Und ihr Zuhause ist dann draußen vor der Tür. Ihr Deutschland ist draußen, nachts im Regen, auf der Straße.
Das ist ihr Deutschland."
Wolfgang Borchert, Draußen vor der Tür
Das Photo, das eigentlich hier hin soll, müsst ihr euch
selbst besorgen - Ich habe leider keinen Scanner!
"Die Wahrheit, Borcherts Wahrheit, ist, dass jede Schlacht, die gewonnene und die verlorene, ein Gemetzel ist, dass für die Toten die Blumen nicht mehr blühen, kein Brot mehr für sie gebacken wird, der Wind nicht mehr für sie weht; dass ihre Kinder Waisen, ihre Frauen Witwen sind und Eltern um ihre Söhne trauern."
Heinrich Böll
Und die die Stichwortliste:
Vorzustellen: Wolfgang Borchert und sein einziges Drama: Dr.v.T. + Untertitel
(Borchertfolie) Biographie:* am 20. Mai 1921 / Hamburg / bürgerl.Verhältn. geboren
* 1938 Buchhändlerlehre nach 7.Kl. Realsch. ß Schauspielerei von den
Eltern verboten -- heimlich Privatstunden
* besteht 1941 Schauspielprüfung -- Engagement an der Landesb. OstHan
* 1941 eingezogen à Leidensweg (Krieg=Menschenopferung, Hass gegen
d.Hitlerregime nicht verheelt à bitter bezahlen)
* vor Gericht: mit 19J. (schon leberkrank!) wg. Briefe mit staatsgefäh. Inh.
à 8Mon (6Wo. zum Tode!); 1944 wg. "Zersetzung d. Wehrkraft"
(Goebbelsparodie)Ã 9Monate
* Wieder Fronteinsatz nach Entlassung (Alptraum!)
* 1945 franz.Gefangensch.à Fluchtà 600km-Marsch schwerkrank Hamb.
* dort,mit 24J. wie Irrer zu schreiben (Zeit!) (Gedichte,Prosastücke,D.v.d.T.)
*Opfer d.Krieges(trotz den 2J.): Ostfront, Gefängnis, Hunger -- ohnehin krank
*erliegt (26J.) am 20.November1947 /Kur in Basel / Leberleiden
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Hauptvertreter d. entwurz. Nachkriegsjugend (18J.-Kriegsbeginn, Freunde+in Schlachten, Weltbild a.d. Ostfront zerstört) W.B.: Generation gottlos, beraubt um "" durch Gr.d.Krieges Bs Lit.:Aufschrei gg. Krieg, Welt=Abgrund à aber: Schreien konstruktiv Aufforderung (an alle auch sich) Misere à bessere Zukunft Wir sind Neinsager. Aber wir sagen nicht Nein aus Verzweiflung, wir sagen Nein aus Protest. Und wir haben keine Ruhe beim Küssen, wir Nihilisten. Denn wir müssen in das Nichts hinein wieder ein Ja bauen Alles Schaffen Bs unter diesem Aspekt - auch Dr.v.T. (umfangr. lit.Werk)
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ursprüngl. als Hörspiel kurz vor Tod geschr. / 7 Tage am 13.Februar 1947 (kurz nach Veröff.) Nordwestdeutscher Rundfunk à Kontroversen Theater: 21.November 1947 (1Tag nach Tod) / Hamburger Kammerspiele Untertitel -...- nicht bewahrheitet: Meistgespieltes dt. Nachkriegsdrama (Direktheit trostlos. Realität d. Kriegsheimkehrer - kein Zuhause mehr, alles geändert. UT drückt nur Zwang aus, zu sehen,über Stück nachzudenken, d. unbequem ist
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Vor Handlung: Vorrede (Situation): Hauptperson: Kriegsheimkehrer B., 25J., mit zerschoss. Kniesch., vogelscheuch., i.d.Zt. nach Krieg "dr.v.d.Tür". Personen vorstellen (Personenfolie) beginnt mit Gespräch zw. Tod/Beerdigungsu. u.Gott (weinerlich,alt) - B. dabei, sich in Elbe zu stürzen- Schluckauf, Rülpsen - überfressen im Jhd. d.Kriege ß Wimmern: "Ich kann es nicht ändern. Meine Kinder." B. im Wasser - Hoffnung auf Erlösung - Rechnung ohne Elbe - Fischweib - B. mit seinen 25J. noch zu grün hinter den Ohren - wolle verd. biss. Leben nicht - Blankenese - bleibt liegen Mit monolog. Dialog mit Anderem Handlungseinsatz (= Versuche Bs, Fuß zuf.). Lebensmüdigkeit:Frau Betrügerin, Hunger, Kälte, Humpeln, Alpträume. Junge Frau hilft auf, nimmt mit (Mann Stalingr.), gibt Kleider, Essen, Platz - Krücktocken, Mann d.Mädch., verkrüppelt - B betrogener Betrüger u. verkrüppelter Verkrüppler - Mann unter B. Kommando, Beinamputat. nur Bs Schuld (falscher Befehl) - Schrei,Flucht à TÜRE Anderer verhindert Elbe -ehem. Oberst - Verantwortung für 11 Männer zurück, wieder schlafen - Fam bei Abendbrot - B klagt Spießbürgertum an + Alptraum (blutschwitzender G./Xylophon Kriegsmärsche/Gefallene stöhnend/erwacht von Schrei) Oberst lacht (Witz) B. klaut Schnapsà TÜRE à besäuft sichà Idee, die Nummer zu vermarkten Theater: Vorsprechen - Varieténummer keinen Anklang -zu hart,direkt- Wahrheit <Dir.: "Wer will denn heute was von der Wahrheit wissen" (Motiv d. Untertitels) à TÜRE Anderer verhindert Elbe - Rat: Eltern - Namensschild - Fr.Kramer: Entnazifizierung d. Eltern - B. aggressiv - Fr.Kramer schreiend à TÜRE Wieder Straße, Nacht, endgültig Mutverlust - Anderer:Weitergehen - B.:Unsinn d. Daseins - schläft ein, glaubt zu sterben - im Traum Revueschau aller Personen d. Dramas: alter Mann -->"Gott ist tod!" - Tod als Straßenfeger (Tote auf d. Straße i.d.Nachkriegszt. - immer TÜRE offen) - Oberst, Theaterdirektor, B.s Frau+neuer Freund, Mädchen - "Mörder" Einbeiniger (Geist) reißt B aus Selbstmitleid - Elbe - klagt B an - Ermordeter selbst Mörder (Täter<-->Opfer) à Erkenntnis: Jeder tötet u.stirbt in dieser Zeit, Schicksal keine Ausnahme - kein Recht auf Selbstmord (Elbe!) - TÜRE d.Todes zu Anderer u.Gott verstummt,Stück endet mit verzweif. Schrei B."Gibt denn keiner Antwort?"
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Form: nicht viel, Szenendrama, 5 Szenen, roter Faden: Hauptperson B., Handlung in einer Nacht, 3 Textpassagen voraus (Vorrede:Sit.d.Nachkriegszt -Vorspiel:Dialog Gott Tod,B. Statist - Traum: B.in Elbe) Traum:innerer Rahmen (kurz nach Anfang/kurz v.Ende d.Stücks)
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Form vernachlässigt, einheitl.sprachl.Gestalt. zu Ganzem; extrem stimmungsverd. Elem: z.B. sinnl. Beschreib.:"Wind stöhnt", Wasser klatscht, Gestöhn d. Traumgespenster Bs stinkt i.d. Himmel à Beklemmung - Motive: zuschlagende Tür, Schreien - Umgangssprache - B. arbeitet metaphorisch: z.B. Krieg - 60 S. "er war lange weg, der Mann"(B), 1000 Nächte von seiner Frau geträumt (Einbeiniger)à Stärke Bs.:Einfach Großes zu sagen
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Suchen: genauere Bestimmung - zwecklos - Leser selbst - Thematik tragisch: Nachkriegszt., Heimkehrer scheitert, lebensmüde -"Tragöd." Buch nicht gelesen! - Umsetzung komische Züge - Ironie über allem (Beginnt mit Vorspiel: rülpsender Tod skuril, Gott lächerlich). Sogar Beckmann in seiner Tragik komisch - widersprüchlich: betrogener Betrüger, gegen Schauspielerei, aber selbst Vorstellungsgespräch, hasst Verantwortungslosigkeit d.Oberst, will seine selbst los werdenà unglaubwürdig in Jammerei à erheitertes Grinsen. Ende d.5.Szene ausschließlich tragisch, Ironie à Sarkasmus Bs - Grinsen im Hals- letzte Hoffnung verlor., Verzweiflung - Rezipient noch stärker getrof. durch lastend.Endfrage "..?"
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W.B. gerade aufgrund seiner leb.Sprache u. früh.Tod Autor, der auf Jugendliche wikt, sie trifft u.bewegt. Bilder, d.wir verstehen, Gefühle, d.wir nachvollziehen können. Sein Alptraum,d.Krieg, direkt vor unseren Augen, u. seine Wahrheit (H.B.so formuliert)
"Die Wahrheit, Wolfgang Borcherts Wahrheit ist, dass jede Schlacht, die gewonnene und die verlorene, ein Gemetzel ist; dass für die Toten die Blumen nicht mehr blühen, kein Brot mehr für sie gebacken wird, der Wind nicht mehr für sie weht; dass Kinder Waisen und Frauen Witwen sind und dass Eltern um ihre Söhne trauern.
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