Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Autor

Allgemeines

Grimmelshausen ist der wichtigste und bedeutendste deutsche Erzähler des 17. Jahrhunderts. Er schrieb mit seinem "Simplicissimus" den ersten deutschen Prosaroman von Weltgeltung. Als realistischer volkstümlicher Schriftsteller stand er fern der künstlichen, höfisch-galanten Moderomane seiner Zeitgenossen, veröffentlichte allerdings auch zwei wenig bedeutende Werke im Zeitgeschmack. Anklingend an den spanischen Schelmenroman schuf er in seinem Meisterwerk "Simplicissimus", der aus unmittelbarem eigenen Erleben gespeist wird, einen faszinierend-abenteuerlichen, derb-drastischen und von hintergründigem Humor zeugenden Zeitroman. Er bedient sich einer direkten, oft urwüchsigen Sprache und vermittelt mit dieser Zeit- und Menschenschilderung eine auch kulturhistorisch wertvolle Darstellung. Neben diesem Hauptwerk schrieb er Moralsatiren, Streitschriften und Kalender- und Anekdotenbücher.

Lebenslauf

Grimmelshausen wurde um 1622 in Gelnhausen (Hessen) geboren. Als Schriftsteller verwendete er die Pseudonyme "German Schleifheim v. Sulsfort", "Samuel Greifensohn v. Hirschfeld" und andere.
Er war Sohn eines protestantischen Gastwirts und Bäckers. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde er 1635 von hessischen Soldaten gefangen und nach Kassel gebracht, dann zum Soldatendienst in die kaiserliche Armee gepresst. Er erlebte während der Jahre des Herumziehens mit der Armee mannigfaltige Abenteuer in verschiedenen Gegenden Deutschlands.
Von 1636 bis 1638 war er bei der schwedischen Armee in Westfalen, 1638 am Oberrhein in der Armee des Grafen v. Götz und 1639-1648 in Offenburg (Baden) beim Regiment des Freiherrn von Schauenburg.
Ab etwa 1643 arbeitete er als Regimentsschreiber. Grimmelshausen wechselte vor Kriegsende zum katholischen Glauben. Er heiratete 1649 Katharina Henninger in Offenburg.
Er wurde Verwalter der Schauenburgschen Güter in Gaisbach (Renchtal), dann Burgvogt des Straßburger Arztes Dr. Küffer auf Schloss Ullenburg bei Gaisbach und war von 1665 bis 1667 in Gaisbach Gastwirt des "Silbernen Stern". Ab 1667 lebte er in Renchen als bischöflich-straßburgischer Schultheiß. Grimmelshausen starb am 17.08.1676 in Renchen (Baden).

Werke

"Historie vom keuschen Joseph"
"Ewig währender Calender"
"Trutz Simplex" oder "Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche"
"Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch"

Werk

Allgemeines

Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch erscheint 1668 und wird zum erfolgreichsten deutschen Barockroman. Der Text vermittelt ein realistisches Bild des Kriegsgeschehens während des 30jährigen Kriegs und des soldatischen Alltags. Grimmelshausen ist ein Autor mit gewaltiger Sprachkraft, sein umfangreicher Wortschatz vereinigt barocke Bildhaftigkeit mit Geläufigkeit in der Volkssprache. Sein Werk gibt den Dialekt seiner Heimat (Röhn und Spessart), Soldatenjargon, Fach- und Berufsausdrücke sowie Predigersprache wieder.

Motive

    der einfältige Mensch das Motiv der Weltabkehr und Weltentsagung das Einsiedler- und Robinsonmotiv das Maskenmotiv das barocke Motiv der Unbeständigkeit der Welt

Erzählform

Die Erzählungsform des Romans ist eine Autobiographie. Simplicissimus erzählt seine Lebensgeschichte selbst, wobei der Dichter fast ganz hinter der Gestalt des Helden verschwindet.

Parallelen

Deutlich besteht im Entwicklungsablauf eine Ähnlichkeit mit dem "Parzival" von Wolfram von Eschenbach. Simplicissimus und Parzival wachsen beide in einsamer Weltfremdheit auf und verlieren früh ihre Eltern. Um Parzival herum entfaltet sich das bunte Ritterleben, um Simplicissimus das Soldatenleben. Simplicissimus ist nach Parzival der zweite große Bildungsroman der deutschen Literatur, da er die innere Entwicklung eines Menschen von seinen unsicheren, im Ziele unklaren Anfängen bis zu der in sich sicheren, um sein Ziel wissenden Reife führt.

Geschichtlicher Hintergrund

Es werden in diesem Werk alle Schwächen der Zeit geschildert: Aberglaube (Hexenwesen, Teufelsaustreibung) und die sittliches Verderben (Untreue jeder Art, wie Dieberei, Mord, Brand, Krieg zw. Bauern und Soldaten, wahnwitzige Grausamkeiten).

Inhalt

Simplicissimus stammt aus sehr ärmlichen Verhältnissen. Doch ausgestattet mit einer blühenden Phantasie vergleicht er seine armselige Behausung mit der hoher Herren, preist die Vorzüge der Einfachheit als das Bessere. Die Arbeiten auf Feld, im Stall und auf Äckern vergleicht er mit der Arbeit hochgestellter Ritter. Er sieht sich in der Rüstung auf feurigen Rossen als solche. Er kennt weder Gott noch die Menschen, weiß nichts von Gut und Böse in seiner Unschuld, und ist so perfekt in seiner Unwissenheit, dass es ihm unmöglich ist, zu erkennen, dass er nichts weiß.
Nachdem er beim Schafe hüten von einer Meute plündernder Krieger entführt wird, ihre zerstörende Wut kennen lernt, ihre Folterungen und Grausamkeiten mit ansehen muss, gelingt ihm die Flucht in eine mehr als ungewisse Zukunft. Er kommt zu einem Einsiedler im Spessart, welcher ihm so gut als möglich die Dinge zu erklären versucht, welche ihm bis dahin niemand erklärt hatte. Der erzählt ihm von Gott in der Art, von der er annimmt, dass sein einfacher Verstand es erfassen konnte. Simplicissimus lernt Lesen und Schreiben. Seine Seele war bis dahin wie eine leere unbeschriebene Tafel gewesen. Das lernen macht ihm so viel Freude, dass er beschließt bei dem Einsiedler zu bleiben. Nach zwei Jahren stirbt dieser. Doch davor gibt er ihm noch die drei wichtigsten Ratschläge für sein Leben mit: sich selbst erkennen, böse Gesellschaft meiden, und beständig im Guten bleiben. Aus seiner bescheidenen Behausung wird alles gestohlen und das Lied über umherziehende Soldaten kennzeichnet diese schwere Zeit. Hunger und Durst, Hitze und Kält', Arbeit und Armut, wie es fällt, Gewalttat, Ungerechtigkeit, treiben wir Landsknecht alle Zeit.
Er kann im Wald nun nicht mehr weiterleben und zieht in die Stadt Gelnhausen, in der schwedische Verbündete von kaiserlichen Truppen überrumpelt worden waren. Der schreckliche Anblick der Stadt veranlasst ihn, weiter nach der Festung Hanau zu gehen. Da er in seiner Aufmachung, durch Kleidung, verdreckte, wirre Haare, um den Körper geschlungene Ketten, mehr als seltsam aussieht, wird er von Musketieren aufgegriffen und als vermeintlicher Spion in Ketten ins Gefängnis gebracht. Ein Pfarrer jedoch, welcher ihn aus der Zeit in der Einsiedelei her kennt, trat für ihm beim Gouverneur ein, und er wird freigelassen. Von nun an steht er im Dienste des Gouverneurs als dessen Page.
Dieser einfache, fromme Junge sieht nun die Laster und Unsitten des Soldatenlebens. Es verwirrt ihn, und er wird in seiner Einfältigkeit oft Zielscheibe für allerlei Unfug. Daraufhin beschließt sein Herr, ihn zum Hofnarren zu erziehen. Soldaten spielen ihm allerlei Hokuspokus vor, verkleiden ihn, stecken ihn in ein Kalbfell. Nach Prügelportionen wird er in einen Gänsestall gesteckt, wo er wie ein Kalb brüllt, bis man ihn wieder herausholt.
Er spielt den Hofnarren so lange und gut, bis ihm der Hofmeister draufkommt, dass er weitaus klüger ist, als so mancher denkt und sein Narrendasein nur dafür nutzt, um seine Umgebung zu verspotten. Doch dieser schweigt und verrät ihn nicht. Nach dessen Tod vertauscht er sein Gewand mit Frauenkleidern, doch ergeht es ihm damit schlecht, und er wird wieder als Spion ins Gefängnis geworfen und zum Tod am Scheiterhaufen verurteilt. Durch immerwiederkehrende Scharmützel zwischen Verfeindeten entgeht er diesem Los und kommt in der Folge immer wieder zu neuen Herren. Von dem vorläufig letzten bekommt er eine Hose geschenkt, in der Geld eingenäht ist. Er staffiert sich gut aus und wurde Jäger und tat sich besonders bei Beutezügen hervor. Bei Bauern wird er gefürchtet, von Kameraden und Offizieren geschätzt. Simplicissimus wird als Jäger von Soest" berühmt, nachdem er einen Rivalen durch einen inszenierten Teufelsspuk aus dem Feld schlug. Er wird noch mehr gefürchtet, aber umso weniger geliebt. Als er dies bemerkt, widmet er sich wieder der Tugend und Frömmigkeit. Er hält sich auch mit überflüssiger Verschwendung sehr zurück.
Er geht jedoch nach wie vor seinen Beutezügen nach und wird durch seine Erfolge eitel. Bei einem Duell wird er gefangen genommen, da die Austragung der selben verboten ist. Während seiner Gefangenschaft wird durch eine von ihm erdachte List eine belagerte Stadt erobert und er wird wieder freigelassen. Als er einen verborgenen Schatz findet, nimmt er sich einen Pagen, dieser muss ihn bedienen, als sei er ein Freiherr. Er beginnt ein nicht ebenchristliches Leben, wobei ihm sein Geld alle Tore öffnet. Er bildet sich weiter. Ein Priester belehrt ihn über die verschiedenen Glaubenauffassungen von Katholiken und Protestanten. Es dauert nicht lange und er ist in allerlei Liebesverhältnisse verstrickt. Bald heiratet er die Tochter eines Oberst. Nach kurzer Zeit fährt er nach Paris, um Sprachstudien zu betreiben. Durch unglückliche Umstände verliert er plötzlich alles Geld und nimmt darum eine Stelle als Hauslehrer an und erlernt einiges von der Quacksalberei. Er macht sich wieder auf die Reise nach Deutschland.
Doch Unglücksrabe, der er ist, bekommt er die Kindsblattern und muss wieder die ganze Habe verkaufen, um sich auskurieren zu lassen. Durch diese Krankheit wird sein Gesicht, sein Körper und seine Stimme arg zugerichtet. Er bedauert sein Schicksal sehr. Um sich über Wasser zu halten, beginnt er, als Quacksalber Leute zu betrügen. Ehe das Geschäft richtig floriert, wird er wieder gefangen genommen und muss als Musketier dienen. Wie er jetzt war, wild und voller Bosheit, glaubt man nicht mehr, dass er bei einem frommen Einsiedler in die Lehre gegangen war. Alles, was ihm jemals an Gutem wiederfahren war, hat er vergessen. Er war ein wilder Soldatengesell geworden. Manchmal fällt ihm all das Grausen, die Schandtaten und das Greuel, die er selbst oder andere verübten ein, und er fragt sich: Was ist nur aus mir geworden?", und geht doch wieder mit alten Freunden auf Raubzüge.
Von seinem Gewissen gedrückt, macht er mit seinem Freund, welcher von einer schweren Verwundung genesen war, eine Bußwallfahrt. Doch die Reue hält nicht allzu lange an. Er macht sich auf den Weg zu seiner Frau, die er seit seiner Hochzeit nicht mehr gesehen hatte. Er erfährt jedoch, dass diese bei der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes starb. Er besucht unerkannt seinen Sohn und verschwindet wieder. Bald darauf verliebt er sich in ein hübsches Bauernmädchen und heiratet sie. Simplicissimus trifft durch Zufall seine Zieheltern wieder, die ihm von seiner adeligen Abstammung erzählen. Hierbei erfährt er, dass er der Sohn des adeligen Offiziers Sternfels von Fuchshaim war. Außerdem wird ihm mitgeteilt, dass der Einsiedler, bei dem er lebte, in Wahrheit sein Vater war. Nach kurzer Zeit bemerkt er, dass seine Frau dumm und faul ist. Da sie die Gewissheit, dass ihr Mann von adeliger Abstammung ist, nicht verkrafteten kann, beginnt sie nach etlicher Zeit mit dem Trinken und stirbt bei der Geburt ihres Kindes. Nun ist Simplicissimus wieder allein.
Eines Tages hört er seltsame Dinge über den Mummelsee. Seine Neugierde wird aufs Äußerste gereizt und er macht sich auf den Weg dort hin. Es erscheinen ihm Wassergeister und der Fürst des Sees führt ihn selbst zum König der Gewässer. Dieser fragt Simplicissimus, wie es auf der Welt aussähe, damit er sich ein rechtes Bild machen könne. Simplicissimus berichtet nur das Beste, auch wenn es Lügen sind. Nach diesen überzeugend dargebrachten Schilderungen entlässt ihn der König und gibt ihm einen Wunderstein, mit dessen Hilfe er eine Mineralwasserquelle sprudeln lassen kann. Es zieht ihn wieder in die Welt hinaus und er macht sich auf die Reise nach Russland. Dort wird er von Tataren entführt und kommt nach Korea und Japan. Auf vielen abenteuerlicher Wegen über Konstantinopel, Venedig und Rom, gelangt er nach drei Jahren wieder auf seinen Hof in den Schwarzwald zurück. Dort hält er Rückschau auf sein Leben und er muss sich sagen:

Dein Leben ist kein Leben gewesen, sondern ein Tod. Was hast du gewonnen? Ich bin arm an Gut, mein Herz ist mein Herz ist beschwert mit Sorgen. Ich war faul, träge und verderbt, abscheulich besudelt! Der Leib ist müde, der Verstand verwirrt.
Nichts ist, was mich erfreut. Ich bin mit selber feind. Als ich in diese Welt kam, war ich einfältig und rein, fromm und demütig.
Adieu Welt, auf Dich ist nicht zu trauen, nicht zu hoffen. Das Gegewärtige verschwindet unter unseren Händen. Du bindst und, nimmst uns gefangen, und läst uns nicht los. Du tröstest nie, Du raubst und gibst nicht wieder.
Adieu Welt, denn Du verführtst jedermann,
den Ehrgeizigen verheißt du Ehr,
den Unruhigen Veränderung,
den Geizigen Schätze,
den Dieben Heimlichkeit,
den Feinden Rache.
Adieu Welt, In deinem Palast findet man weder Wahr, noch Treue, wer dir traut, wird betrogen, wer dir folgt, wird verführt,
Niemand will fromm sein, man richtet die Mörder, verteilt die Verräter, verbrennt die Zauberer.

Sein innerer Weg, der ihn von Gott in die Welt und dieser zurück zu Gott geführt hat, ist zu Ende.

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