Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes
Zu den Gründen eines ordnungspolitischen Paradigmenwechsels
Einleitung
In dem Buch "Kommunikation ohne Monopole II", das die Beiträge eines gleichnamigen Symposiums veröffentlicht, findet sich im ersten Aufsatz folgende Aussage:
"Kommunikation ohne Monopole war 1980 das Motto eines Symposiums über das Wirtschaftsrecht der Telekommunikation. Was zu der Zeit als eine scheinbar irreale ordnungspolitische Forderung erschien, bezeichnet heute eine als unvermeidlich geltende Entwicklung." (Mestmäcker, 1995: 16)
Damit ist die Situation trefflich beschrieben, die für den Bereich der Telekommunikation typisch ist. Grundsätzliche, zumeist aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Blickwinkel angestellte Ãœberlegungen dazu, ob und wie weit eine Wettbewerbsordnung auch auf den Bereich der Telekommunikation übertragbar ist, wurden von der tatsächlichen Entwicklung überholt: In einer Geschwindigkeit, die für einen komplexen Bereich wie den der Telekommunikation wohl ohne Beispiel ist, hat sich der ordnungspolitische Rahmen in den meisten ‘entwickelten’ Ländern komplett verändert. Der Staat ist nicht länger der alles durchdringende Akteur im Bereich der Telekommunikation. Der Wettbewerb selbst wird als Ordnungsprinzip zum prägendem Element eines politischen Ordnungsrahmens. Aus der Kontrolle über die Telekommunikation ist die Regulierung über den Wettbewerb in der Telekommunikation geworden, mit der sektorspezifischen Besonderheit, dass hier ein Monopol zunächst überwunden werden und der Wettbewerb regelrecht installiert werden muss. In Deutschland wurde hierfür die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) gegründet, die mit umfassenden Rechten und Interventionsmöglichkeiten ausgestattet den Wettbewerb (idealerweise) auf den Weg bringt (siehe Abschnitt 3).
Grande und Schneider schreiben, dass es auffällig sei,
dass in allen diesen Ländern [die wichtigsten kapitalistischen Industrieländer] spätestens seit dem Beginn der achtziger Jahre die institutionellen Strukturen des Telekommunikationssektors unter Veränderungsdruck gerieten." (1991: 454)
Die Dynamik der Änderungen dieser Rahmenbedingungen bei gleichzeitiger relativer Parallelität ihres Ablaufes in verschiedenen Ländern lässt den Verdacht wenig tollkühn erscheinen, dass die Politik hier weniger Treiber ist als Getriebener einer sich ohnehin vollziehenden Entwicklung.
In der Arbeit werden einige der Ursachen für den Paradigmenwechsel im Bereich der Telekommunikation diskutiert. Dabei wird versucht, die Entwicklung, wie sie diesen Sektor kennzeichnet, in Verbindung mit allgemein beobachtbaren Trends staatlicher Handlungsstrategien zu bringen (siehe Abschnitt 5). Diese ‘Globalansicht’ wird selbst einen Teil der Erklärungen liefern, die durch spezifische die Telekommunikation betreffende Gründe für die Liberalisierungsbemühungen ergänzt werden (Abschnitte 1, 2 und 4).
1. Die technische Entwicklung und ihre Wirkungen
Der Gegenstand, um den es hier geht, die Telekommunikation, wird im Telekommunikationsgesetz (TKG) wie folgt definiert. Unter § 3 (Begriffsbestimmungen) Nr. 16 heißt es:
"Im Sinne dieses Gesetzes ist die ‘Telekommunikation’ der technische Vorgang des Aussendens, Ãœbermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunkationsanlagen."
Dieser Begriff, der im wesentlichen mit Lexikondefinitionen übereinstimmt, zeigt bereits auf, dass darunter eine breite Palette an technischen Errungenschaften fällt, die heute zum Alltag eines Jeden gehören. Die Bedeutung der Telekommunikation scheint kaum unterschätzbar zu sein. Zusammen mit Worten wie Vernetzung, Digitalisierung und Informationsgesellschaft bildet es so etwas wie einen magischen Vierklang für eine ansonsten noch diffuse Zukunftsmelodie. Dabei deuten gerade die Schlagwörter Vernetzung und Digitalisierung auf die Gründe für den enormen Bedeutungszuwachs der Telekommunikationstechnik hin. Sie geben Aufschluß darüber, wie sehr sich die Möglichkeiten der Technik ausgeweitet haben, mehr noch: sich ein neuer Horizont hervortut, der mit der klassischen Telefonie nur insoweit zu tun hat, als dass die hierfür verwendeten Kabelleitungen eine gewisse Rolle spielen.
Mit der Digitalisierung, d.h. der Umwandlung von Informationen in einen Binärcode, wird es möglich, Sprache, Bild und Ton auf einheitliche Weise per Telefonkabel zu übertragen. Wichtiger noch ist aber das damit ermöglichte Zusammenwachsen von elektronischen Datenverarbeitungssystemen und Telekommunikation (vgl. hierzu Müller, 1994: 21ff.). Hier eröffnen sich viele neue Möglichkeiten wie z.B. das Anbieten von sog. Mehrwertdiensten im Umfeld des Sprachtelefondienstes oder der mobilen Kommunikation. Die Technik eröffnet darüber hinaus neue Angebotsformen, bei denen staatliche Grenzen eine untergeordnete Rolle spielen: Der Telekommunikationsmarkt globalisiert sich.
"Neben dieser evolutionären Ausdehnung der konventionellen Formen technischer Kommunikation ist in den letzten Jahren vor allem im Zusammenhang mit datenbankbasierten Mehrwertdiensten die Möglichkeit entstanden, Telekommunikationsdienstleistungen international zu handeln." (Werle, 1990: 303; Hervorhebung im Original)
Die fortschreitende Vernetzung von Computern wiederum weist auf den allgemeinen Bedeutungszuwachs von Informationen hin, die via telekommunikationstechnischer Anlagen versendet und empfangen werden. Die Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen, sind mit dem dezentralen Wissensspeicher Internet im Zusammenhang mit Diensten wie Suchmaschinen oder Onlinekatalogen explodiert; allgemein wird das Gut Information zunehmend als Produktionsfaktor verstanden, dessen Bedeutung auf Kosten der anderen Faktoren für eine moderne Volkswirtschaft zunimmt.
Die skizzierte Entwicklung soll verdeutlichen, inwiefern die Telekommunikation für eine Volkswirtschaft eine ganz andere und erweiterte Bedeutung angenommen hat. Eine moderne Telekommunikationsinfrastruktur und damit die geeigneten Rahmenbedingungen für eine innovative Fortentwicklung dieses Bereiches wird vor dem Hintergrund sich neu auftuender technischer Möglichkeiten mittlerweile als Rückgrat einer Volkswirtschaft jenseits der Industriegesellschaft begriffen.
"Die Dynamik der Telekommunikationsmärkte ist zu einem Schlüsselindikator für die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften geworden." (Van Miert, 1997: 14)
Der Grad und die Art (etwa Glasfaser oder Kupferkabel) der Vernetzung beginnt schon jetzt, zu einem Indikator für die Modernität von Staaten zu werden.
Mit der technischen Entwicklung ist allerdings nicht nur der Aufstieg der Telekommunikation auf dem Olymp der Standortfaktoren verbunden. In den bereits liberalisierten Ländern entstanden schlagkräftige Unternehmen mit auch territorial expansivem Kurs, die ihre Dienstleistungen in der einen oder anderen Form bereits außerhalb der heimischen Märkte anboten. Dies hatte zwei Folgen: Zum einen begann das Monopol in den Randbereichen zu bröckeln (Internettelefonie, Call - back - Gespräche u.ä.) und damit untergraben zu werden. Zum anderen gerieten die Regierungen unter Druck, da in einer monopolisierten Form kaum ein Unternehmen in der Lage wäre, sich aus eigener (Staats - ) Kraft heraus ‚fit für den Weltmarkt‘ zu machen.[1] Eine dauerhafte Abkopplung von diesen Entstaatlichungsprozessen hätte bedeutet, diesen lukrativen und stark wachsenden Markt heimischen Unternehmen schwerer zugänglich zu machen. Vor allem aber wandelte sich ob der Aussichten auf pralle neue Absatzmärkte - territorial wie auch technisch - die Interessenlage selbst der Unternehmen, die zuvor von den Monopolstrukturen profitierten (wie z.B. die Firma Siemens, die sich bereits längst global orientierte).
"Mit der Computerisierung stiegen die Forschungs - und Entwicklungskosten in der Telekommunikation gewaltig an und verursachten eine Reihe von grenzüberschreitenden Unternehmenskooperationen und Fusionen. Die Hersteller mussten sich aus der engen Verbindung mit einer PTT [nationale Postverwaltung] lösen, um ihre Produkte international vermarkten zu können und auf höhere Stückzahlen zu kommen. (...) Produktion, Netzbetrieb und Diensteangebot, die bisher in jedem nationalen Markt separat organisiert worden waren, wurden zunehmend von transnational agierenden Akteuren übernommen." (Genschel, 1996: 63)
Aus akteurszentrierter Sicht ist darüber hinaus von Bedeutung, dass sich durch die Explosion neuer Möglichkeiten in einem einst stabilen und übersichtlichem System nicht nur die Interessenlage der vorhandenen Akteure änderten. Eine Vielzahl aus dem Bereich der Datenverarbeitungsbranche kommende oder neu entstandene Anbieter mit entsprechenden Unternehmensinteressen wurden nun durch die Telekommunikationspolitik des Staates berührt, deren zugrunde liegendes monopolares Grundmuster sie nicht nur theoretisch hinterfragten, sondern auch in praktischer lobbiistischer Weise zu überwinden suchten.
"Das Wachstum des Telefonnetzes mit hohen Gewinnen für die Post und die sich abzeichnenden vielfältigen Möglichkeiten der Datenkommunikation, denen die Bundespost nur zögerlich durch entsprechende Angebote entsprach, mobilisierte Akteure, die lange Zeit die bestehenden Verhältnisse akzeptiert hatten. Insbesondere die Computer - und Datenverarbeitungsindustrie, die selbst Kommunikationsnetze für ihre Kunden bereitstellte, kollidierte immer wieder mit den Monopolrechten der Post, die zudem ökonomisch dominierte." (Werle, 1994: 352)
In den Telekommunikationsdienstleistungen, die neu entstanden sind - wie die Mobilkommunikation - war der Wettbewerb zu einem frühen Zeitpunkt zugelassen, zumal er, betrachtet man die vorliegenden Wirtschaftsordnungen, auf systeminhärente Art und Weise nicht hätte glaubwürdig unterbunden werden können. Damit geriet das Paradigma, nach dem Telekommunikation monopolistisch zu organisieren ist, zusätzlich unter Druck und wurde gewissermaßen vom Rand her porös. Die Telekommunikation war kein monolithischer Block mehr, der einer einheitlichen staatlichen Behandlung bedurfte.
Auch beim schwierigen Vorgang der Netzabrechnung, die mit einer (Netz - ) Liberalisierung nötig wird, kann der nunmehr erreichte Stand der Technik helfen, diese vorzunehmen.
Damit wird Technik nicht nur, wie hier beschrieben, zu einer auf mannigfaltige Weise wirkenden Triebfeder für ordnungspolitische Veränderungen, sondern selbst auch zu einem Hilfsmittel der schwierigen Umsetzung der Marktöffnung.
2. Die theoretische Wende
Die Telekommunikation galt lange Zeit aufgrund des ihr zugrunde liegenden Netzwerkes wie auch die Elektrizität oder die Bahn als ‘natürliches Monopol’, bei dem Wettbewerb tendenziell zu einer ineffektiven Ressourcenverwendung führte. Der Netzverbund ermöglicht die Ausnutzung sog. Größenvorteile[2] und bei Mehr - Güter - Produktion, wie im Fall der ehemaligen Bundespost, Verbundvorteile.
"Durch die Ausnutzung dieser Größen - und Verbundvorteile kann ein Produzent Wettbewerber so lange aus dem Markt drängen, bis er schließlich als monopolistischer Anbieter verbleibt. Dieser kann den relevanten Markt zu niedrigeren kostendeckenden Preisen versorgen, als dies durch zwei oder mehr Anbieter unter sonst gleichen Bedingungen möglich wäre. In diesem Fall würde Wettbewerb zu volkswirtschaftlich unproduktiven Doppelinvestitionen führen." (Schulz, 1995: 10)[3]
Soweit die Theorie. Auf der anderen Seite waren es insbesondere die traditionell eher (markt - )liberal gesonnenen Wirtschaftswissenschaften, die im Hinblick auf die sich ändernden Bedingungen die Erstreckung des natürlichen Monopols auf den gesamten Bereich der Telekommunikation hinterfragten und somit theoretischerseits sowie mit Verweis auf das Beispiel der in dieser Frage bereits tätig gewordenen Länder USA, GB und Japan den Ist - Zustand unter Legitimationsdruck setzten. Eine Kritik an der Theorie des natürlichen Monopols lautet etwa:
"Die Theorie des natürlichen Monopols ist statisch konzipiert, d.h. technologischer Wandel, Veränderungen der Nachfrage und der Faktorpreise und die Auswirkungen dieser Veränderungen auf das Bestehen eines natürlichen Monopols können nicht modellendogen erklärt werden." (Burr, 1995: 73)
Die Veränderungen im technischen Bereich und die damit verbundene Senkung der Bereitstellungskosten seitens potentieller Unternehmen und eine wesentlich gesteigerte Nachfrage nach Telekommunikationsdienstleistungen (in Deutschland zusätzlich entfacht durch die Wiedervereinigung) sind es denn auch, die nach Meinung der Wissenschaftler und der interessierten Kreise für die Überwindung der Klassifizierung der Telekommunikation als natürliches Monopol verantwortlich zu machen sind und die infolgedessen eine Neubewertung der staatlichen monopolaren Steuerung verlangen (vgl. vgl. beispielsweise Knieps 1985).
Fortan gingen die Bestrebungen in die Richtung, herauszuarbeiten, welche Teilbereiche der Telekommunikationskomponenten Endgeräte, Dienste und Netze entweder dem Wettbewerb überlassen, oder aber immerhin für wettbewerbliche Elemente geöffnet werden können. Dabei stellte sich eine Begründung für eine Marktöffnung auf dem Endgeräte - und Dienstemarkt als relativ einfach heraus; bei einem Netzwettbewerb sah man allerdings zumindest den Bedarf einer staatlichen Bereitstellungsgarantie, da hier andernfalls eine "Unvereinbarkeit von Netzwettbewerb und verteilungspolitischen Zielsetzungen" gesehen wurde (Müller, 1995: 103).[4]
Nach Carl Christian von Weizsäcker liegt bei dem Vorgang der Liberalisierung eine Änderung des Verständnisses dessen, was Wettbewerb eigentlich leistet, zu Grunde. Wurde der Vorteil von Wettbewerb klassischerweise darin gesehen, eine Allokationseffizienz zu gewährleisten, stehen nunmehr die dynamischen Vorteile des Wettbewerbs, d.h. die größere Innovationsfähigkeit im Vordergrund (vgl. 1997: 576). Damit wird deutlich, warum bei einem lebendigen Bereich, wie dem der Telekommunikation, diese Komponente der Wettbewerbseigenschaften stärker zur Geltung kommt und die Einführung von Marktmechanismen interessanter werden.
3. Der heutige ordnungspolitische Rahmen in Deutschland
Lange Zeit war die Telekommunikation durch ein relativ starres und stabiles Muster gekennzeichnet:
"Insgesamt gesehen glichen die ökonomischen Beziehungen in der Telekommunikation einer Mixtur aus Klientelismus und Korporatismus, in der die Bundespost im Zweifel das letzte Wort hatte." (Werle, 1994: 348f.)
Werle spricht von einer "Konstellation sich wechselseitig stabilisierender Abhängigkeiten" (ebd.: 346). Die Bundespost setzte bis zu Beginn der 80er Jahre auf das Prinzip der Einheitstechnik (anstatt sich am Standardisieren von Schnittstellen und Protokollen zu orientieren; siehe ebd.: 350f.). Die Folge: Diese hierarchische Kooperation und die Beschaffenheit ihrer Beziehungen war kaum geeignet, neuartige technische Entwicklungen zu integrieren. Zudem war es kaum möglich, staatlicherseits die Kapitalmenge aufzubringen, die notwendig erschien, bei der Technik der Telekommunikation international mitzuhalten.
In Deutschland ist die Zäsur einer ‘Wende zum Markt’ auf dem Telekommunikationssektor mit der ersten Poststrukturreform von 1989 festzumachen. Mit ihr nahm die unternehmerische Verselbständigung in drei Unternehmen Postbank, ‘Gelb - ’Post und Telekom ihren Anfang.[5] Ferner wurde die Mobilfunk - und Satellitenkommunikation liberalisiert und das Endgerätemonopol aufgehoben. Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation übernahm bis zu seiner Auflösung zum 1.1.1998 die Regulierung, die später durch die RegTP erfolgen sollte. Ihr zentrales Steuerungselement in einem Bereich, der hinsichtlich der Sprachtelefonie im Festnetz noch nicht dem Markt überlassen war, war die sog. Price - cap - Regulierung, d.h. die Steuerung mittels Vorgabe einer pauschalen Preissenkungsrate.[6]
Da die Politik bei der Telekommunikation in den wirtschaftlich wohlsituierten Staaten in den letzten Jahren vor allem in einer Deregulierung und Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes bestand, erscheint es paradox, dass sich die Behörde, die heute in Deutschland über eben diesen Markt wacht, Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation nennt.
"Deregulierung bedeutet eine Stärkung des allgemeinen Wirtschaftsrechts in den deregulierten Bereichen, jedoch nicht unbedingt einen völligen Abbau aller vorhandenen Regulierungsmaßnahmen. Im Gegenteil bedarf es bei der Deregulierung bestimmter Märkte i.d.R. des Einsatzes anderer Regulierungsinstrumente, um den Transformationsprozeß eines regulierten in einen deregulierten Markt zu ermöglichen, zu beschleunigen oder zu festigen." (Welfens/Graack, 1996: 126)
Mit dem Fehlen der klassischen unmittelbaren und umfassenden staatlichen Lenkung in der Telekommunikation entsteht mit anderen Worten eine Regelungslücke insbesondere aufgrund des Vorhandenseins eines frisch aus dem gesicherten Monopol entlassenen, jetzt marktbeherrschenden Unternehmens,[7] das durch eine gestrenge sektorspezifische Marktregulierung ausgefüllt werden muss. Die Regulierung wird hier gleichsam als Geburtshelfer einer de - facto - und nicht lediglich pro - forma - Liberalisierung eingesetzt. Hinzu kommen einige Besonderheiten, wie sie für Märkte im Zusammenhang mit Netzen gegenüber anderen auszeichnen (und die in der Vergangenheit teilweise zu der Einschätzung geführt haben, die Telekommunikation gehöre zu den natürlichen Monopolen; s.o.): Das ist die Notwendigkeit einer Regulierung des Netzzugangs aufgrund der Unzumutbarkeit neuer Wettbewerber, flächendeckend eigenständige Netze auszubauen, bevor sie am Markt agieren können. Unterstellt man dem marktbeherrschendem, nunmehr privatwirtschaftlichen Unternehmen und ‚Herrscher über die Netze‘ nicht einen Hang zum altruistischen allgemeinwohlorientierten Handeln, so muss hier ebenfalls eine unabhängige Kontrollinstanz für faire, d.h. transparente und nichtdiskriminierende Bedingungen für das Zusammenschalten von Netzen oder die Festsetzung und Ãœberprüfung von Netzmieten sorgen.
Zusammen mit der staatlichen Garantie, eine flächendeckende Grundversorgung aufrechtzuerhalten (wobei Grundversorgung ob der zu erwartenden zukünftigen technischen Innovationen flexibel zu verstehen ist[8]) - einer Garantie mithin, die durch eine Steuerung allein durch den Markt nicht eingelöst werden kann - zeichnen sich die Aufgabenfelder einer Regulierungsbehörde, also auch der RegTP auf dem Gebiet der Telekommunikation ab.
Hervorstechend sind die Instrumente, die der Behörde bei der Marktregulierung zur Verfügung stehen: So muss jede Entgeltveränderung, auch und gerade wenn eine Preissenkung geplant ist (Stichwort: ruinöser Preiskampf), zunächst bei der RegTP beantragt und genehmigt werden: "Der Lizenznehmer ist verpflichtet, ausschließlich die von der Regulierungsbehörde genehmigten Entgelte zu verlangen" (§29 Abs.1 TKG). Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen benötigen eine Lizenz, wobei die Behörde entscheiden kann, ob sie diese auf dem Wege einer Ausschreibung oder einer Versteigerung vergibt. Die Unternehmen unterliegen umfassenden Berichtspflichten, die allgemeinen Geschäftsbedingungen können von der RegTP widerrufen werden. Um die Bereitstellung der Universaldienstleistungen zu gewährleisten, obliegt es der Behörde zunächst festzustellen, dass diese nicht angemessen oder ausreichend erbracht werden. In diesem Fall ist jeder Lizenznehmer, "der auf dem jeweiligen sachlich relevanten Markt der betreffenden lizenzpflichtigen Telekommunikationsdienstleistung tätig ist und einen Anteil von mindestens vier von Hundert des Gesamtumsatzes dieses Marktes im Geltungsbereich dieses Gesetzes auf sich vereinigt" verpflichtet, "dazu beizutragen, dass diese Universaldienstleistung erbracht werden kann." (§18 Abs. 1 TKG) Ferner kann die RegTP ein marktbeherrschendes Unternehmen dazu verpflichten, die Universaldienstleistung zu erbringen, wobei hier ein finanzieller Ausgleich gezahlt werden kann, der durch eine sog. Universaldienstleistungsabgabe der Lizenznehmer mit einem Umsatzanteil von vier Prozent aufzubringen ist.
Da das Zusammenschalten von Netzen eine Grundvoraussetzung zur Entstehung von Wettbewerb ist, muss das marktbeherrschende Unternehmen den Zugang zum Netz zu fairen, nichtdiskriminierenden und wirtschaftlich angemessenen Bedingungen ermöglichen (siehe Scherer, 1996: 2961). Die Behörde kann einem Anbieter, der hiergegen verstößt, "ein Verhalten auferlegen oder untersagen und Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären" (§33 Abs.2 TKG). Ferner kann die RegTP die Zusammenschaltung anordnen, wenn zwischen den Betreibern auf dem Weg der Verhandlungen keine Einigung erzielt wurde.
Die RegTP wurde im "Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft" (Wortlaut von §66 Abs.1 TKG) errichtet, die Geschäftsordnung bedarf der Bestätigung durch das Bundesministeriums für Wirtschaft. Die legislative Politik findet sich im Beirat wieder, der aus jeweils neun Mitgliedern des Deutschen Bundestages und des Bundesrates besteht. Er schlägt den Präsidenten und die beiden Vizepräsidenten vor, die dann von der Bundesregierung ernannt werden. Ansonsten beschränkt sich sein Einfluß auf ‚Mitwirkung‘ (bei der Lizenzvergabe), ‚Beratung‘ (bei der Erstellung des Tätigkeitsberichts) und ‚Anhörung‘ (er ist bei der Aufstellung des Frequenznutzungsplanes anzuhören).
Es stellt sich die Frage, inwieweit die neu geschaffene Behörde von ‘Ratschlägen’ aus der Politik, insbesondere von jenen des amtierenden Wirtschaftsministers - der gegenüber der Telekom in jüngster Zeit einen sanfteren Umgang anmahnte - tatsächlich unabhängig ist. Darüber hinaus besteht seitens des Bundes als Noch - Mehrheitsaktionär bei gleichzeitigen finanziellen Schwierigkeiten ein recht großes Interesse an einer gedeihlichen Entwicklung der Telekom - Aktie. Grundsätzlich lässt sich jedoch die Ãœbertragung der Regulierung und der Aufsicht vom Bundesministerium für Post und Telekommunikation auf die RegTP als eine Änderung des institutionellen Settings deuten, das Interessenkonflikte aufgrund der größeren staatlichen Unabhängigkeit verringert.[9]
Die Politik der Regulierungsbehörde wird bislang überwiegend in die Richtung gedeutet, dass gegenüber der Telekom ein eher unnachgiebiger Kurs verfolgt wird.[10] Lediglich die letzte Entscheidung, die den Mietpreis der Anschlußleitungen für Nahgespräche festsetzte und der für die Entstehung oder Nichtentstehung des Wettbewerbs im Bereich der Ortsgespräche große Bedeutung hat, wurde in der Presse teilweise als Angleichung der Behörden - Politik an die Verlautbarungen des Wirtschaftsministers interpretiert, in dessen Geschäftsbereich sie fällt.
4. Die Rolle der EU
Die zentralen Vorgaben für den im letzten Abschnitt skizzierten Ordnungsrahmen, der im Telekommunikationsgesetz festgeschrieben ist, sind zu weiten Teilen weniger als Initiative der damaligen Bundesregierung zu begreifen als vielmehr als notwendige Implemantationsmaßnahme der von der EU erlassenen Richtlinien.
"Die Aufnahme der Telekommunikation in die Kernbereiche der EG - Politik bedingte nicht nur einen nationalen Veränderungsdruck, sondern geradezu eine Anpassungsnotwendigkeit." (Voeth, 1996: 69)
Welfens und Graack stellen fest, dass die in Deutschland durchgeführten Liberalisierungsmaßnahmen stark von den Deregulierungsinitiativen auf europäischer Ebene geprägt sind (siehe 1996: 172).
Für die EU selbst wuchs die Bedeutung der Telekommunikation in jüngster Zeit an; sie gehört nicht zu den klassischen Handlungsfeldern der Gemeinschaft.
"Der Telekommunikations - und Informationssektor hat im vergangenen Jahrzehnt ein außerordentlich dynamisches Wachstum erlebt. Parallel dazu hat auch die Telekommunikationspolitik der Europäischen Gemeinschaft innerhalb weniger Jahre eine geradezu dramatische Entwicklung durchlaufen. Aus punktuellen Maßnahmen Anfang der achtziger Jahre entwickelte sich rasch eine sich auf die gesamte Breite der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeiten der Union erstreckende sektorielle Politik." (Van Miert, 1997: 8)
Aus dem Blickwinkel der Union ist die Telekommunikation in erster Linie ein weiteres Hilfsmittel zur Etablierung eines einheitlichen Binnenmarktes und firmiert unter der Überschrift "Transnationale Netze". Die Integration Europas hat zunächst ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse als Kristallisationspunkt: Es geht darum, durch formellen aber auch aktiv unterstützten Abbau von Handlungshemmnissen innerhalb Europas den Kontinent als Standort gegenüber der übrigen Welt zu stärken. Entsprechend trägt das EU - Vertragswerk hinsichtlich der wirtschaftlichen Bestimmungen eine sehr liberale Handschrift,[11] die in der Folge zuweilen und paradoxerweise weit über das hinausgeht, was die die Union konstituierenden Mitgliedstaaten im nationalen Rahmen traditionell (wirtschafts - )politisch verfolgen. Zwar werden die Vorstöße der Kommission wie etwa zur Marktfreigabe der Sprachtelefonie mit dem Europäischen Rat abgesprochen; die Liberalisierungsvorstöße der Kommissare aber erfahren zumeist nur in abgeschwächter Form die Zustimmung durch den Rat (siehe Welfens/Graack, 1996: 144). Dieser Umstand kann umgekehrt als Indiz dafür verstanden werden, dass die EU sich partiell als eigenständiger Akteur verfestigt hat, deren Ansichten und Initiativen sich nicht allein aus der Summe der Meinungen der Mitgliedstaaten erklären lassen. Ihr Blickwinkel ist mehr der Wirtschaftsstandort Europa und die Bedingungen zur praktischen Umsetzung des formell seit dem 1.1.93 existierenden Binnenmarktes und weniger das Wohlergehen und das Schützen heimischer privater oder staatlicher Unternehmungen. Obwohl die Union noch immer auf vielfältige Weise an die Mitgliedstaaten an - und rückgebunden ist, ist es insofern dennoch legitim, von einem Impulsgeber EU bei der Liberalisierung der Märkte zu sprechen.
Von der Europäischen Gemeinschaft wurden fast alle wesentlichen Schritte einer Liberalisierung vorweggenommen:
Die Endgeräterichtlinie von 1988 und die Diensterichtlinie von 1990 besiegeln das Monopol bei diesen Komponenten (mit Ausnahme der Sprachtelefonie), die sog. ONP - Richtlinie von 1990 leitet harmonisierte Grundsätze und Bedingungen für den offenen Netzzugang ein. Bereits im Juli 1993 wurde die vollständige Liberalisierung des öffentlichen Sprachdienstes zum 1.1.1998 in der EU beschlossen. Im Gegensatz etwa zur Sozialpolitik der Union, bei der nationalstaatliche soziale Standards vorausgehen und dann mühselig zumeist in sozialpolitischen Randbereichen ein Mindeststandard festgesetzt werden, die ohnehin von den meisten Mitgliedstaaten bereits übertroffen werden, ist die Wirkung auf diesem Feld für die meisten der EU - Länder eine Gegenteilige. Hier strukturierte die Union komplett und weitreichend den Bereich vor - und zwar nach einem Muster, welches mit demjenigen der meisten Mitgliedstaaten zu diesem Zeitpunkt nicht deckungsgleich war.
Dass die spezifischen Änderungen in der Telekommunikation mit der Digitalisierung, dem Trend zur Konvergenz und dem Zusammenwachsen von Datenverarbeitung und Telekommunikation auf Ebene der EU nicht die alleinige Rolle gespielt hat, verdeutlichen auf der anderen Seite die parallelen Aktivitäten zur Liberalisierung des Strommarktes, dessen Erfordernis auch zuerst damit begründet wurde, dass dies für einen wirklichen Wettbewerb in Europa als Teil eines europäischen Integrationsprozesses unabdingbar ist. In beiden Fällen ist der Bedeutungszuwachs aus Sicht der EU in ihrem möglichen Beitrag zur europäischen Integration und zur Etablierung von Wettbewerb innerhalb der Union zu sehen.
5. Markt und Staat in neuer Gewichtung
Der operative Teil wurde bei den europäischen Strukturreformvorgaben vom hoheitlichen Teil der Telekommunikation getrennt. Dabei wuchs das Wissen und mit ihm die Abgrenzung darüber, wie weit sich der operative Teil, der dem Wettbewerb zugänglich gemacht werden kann, erstreckt. Nicht zufällig bestand der letzte Schritt zur vollständigen Liberalisierung der Telekommunikation (in den meisten Teilen der EU zum 1.1.1998[12]) in der Aufhebung des Sprachdienstemonopols im Netz und damit im klassischen Bereich der Telekommunikation.
Die Steuerung der Telekommunikation in Deutschland besteht in erster Linie in einem Vezicht auf direkter Steuerung bei gleichzeitiger Einführung einer branchenspezifischen Wettbewerbsregulierung. Diese wiederum wirkt vor allem der von dem marktbeherrschenden Ex - Monopolisten ausgehenden Möglichkeiten des Mißbrauchs entgegen und sorgt für die gerade auf den netzwerktechnischen Märkten unverzichtbare technische Zusammenarbeit (Netzzugang, Netzzusammenschaltungen etc.). Dabei unterscheidet sich diese Wettbewerbsregulierung von sonstigem Wettbewerbsrecht in den umfassenden Genehmigungsvorbehalten und Interventionsbefugnissen der zuständigen Behörde. Wacht die Bundeskartellbehörde darüber, dass Monopole oder marktbeherrschende Positionen gar nicht erst entstehen, muss die Regulierungsbehörde mit ihren Instrumenten zunächst dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen Wettbewerb überhaupt erst ermöglichen.
Die notwendigen infrastrukturellen Aufgaben des Staates im Bereich der Telekommunikation forciert dieser nun nicht mehr selbst. Er behält sich aber vor, infrastrukturelle Maßnahmen einzufordern, die in der Regel dann von einem Anbieter bereitzustellen sind, dessen finanzieller Mehraufwand durch einen Fond der Marktteilnehmer zu finanzieren ist.
Nach einer der möglichen Systematisierungen liegt hier eine materielle Privatisierung vor: Die Aufgaben werden vom politisch - administrativen System auf das wettbewerblich organisierte ökonomische System verlagert, wobei die öffentliche Hand die Letztverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben weiterhin inne hat (siehe König/Benz, 1997: 40). Damit folgt die Telekommunikation einem Muster, das allgemein typisch für die Neuausrichtung des Staates ist:
"’Steuerung’ im Sinne einer absichtsvollen Beeinflussung sozialer Prozesse bleibt (...) dem Anspruch nach die besondere Funktion des politisch - administrativen Systems. Was sich geändert hat, ist die Art, wie der Staat seine Aufgaben zu erfüllen versucht." (Mayntz, 1996: 157, Hervorhebung im Original)
Die Steuerung des Staates (respektive der EU; s.o.) besteht im empirischen Beispiel primär im Vorgang der Liberalisierung selbst; und, zeitlich vorgelagert, in der Einsicht, dass Steuerung hier besser durch (staatlich flankierten) Wettbewerb, d.h. streng genommen durch "Nicht - Steuerung", die Dynamik entwickelt, die einer Schlüsseltechnologie der Zukunft bedarf. Die Steuerung des Staates besteht auf dem Sektor der Telekommunikation mithin in der Herbeiführung der Selbststeuerung durch den Markt. Was König und Benz allgemein über die Privatisierung formulieren, trifft somit in gesonderter Weise auf die Telekommunikation zu:
"Liegt den Argumenten für und gegen Privatisierung häufig eine Dichotomie von Staat als (alleinigen) Wahrer des Gemeinwohls und Markt als Garant für eine effiziente Aufgabenerfüllung zugrunde, so stellen sich die mit unterschiedlichen staatlichen Interventionen verbundenen Privatisierungen als Formen des Zusammenwirkens von Staat und privater Sektor dar, in dem sich eher Form und Ausmaß der staatlichen Intervention ändern." (1997: 45)
Der Staat spannt den Wettbewerb zur Erzielung seiner Aufgaben ein und muss als Vorleistung diesen Bereich von Grund auf neu ordnen. In diesem Sinne könnte man auf eine auf Offe zurückgehende Klassifizierung staatlichen Handelns von einer "prozeduralen Steuerung" des Staates sprechen (vgl. König/Dose, 1992: 87ff.). Der Marktmechanismus selbst wird zum zentralen Steuerungsinstrument. Dabei kann die Marktöffnung gleichzeitig als Zweck begriffen werden, der dem Einzelnen und den Unternehmen möglichst viel Freiraum zugesteht.[13]
Zur Einstufung der Entwicklung, die hier im Bereich der Telekommunikation dargestellt wurde, muss diese auch in einem breiteren Zusammenhang betrachtet werden, der die allgemeine Änderung der Rolle des Staates in den Blick nimmt. Dann nämlich verliert der Vorgang der Liberalisierung der Telekommunikation an Exklusivität. Er wird in dieser Perspektive zu einem Anwendungsfall einer übergeordneten Entwicklung, bei welcher der Staat Aufgaben und ihre Erfüllung teilweise delegiert, die Selbstverwaltung stärkt und sein hoheitlich - regulatives Handeln zunehmend durch Dialogführung und die Suche nach Kooperationen ersetzt. Dabei folgt diese ‚Meta - Entwicklung‘ weniger einer plötzlichen Eingebung der Regierenden. Der Staat reagiert hingegen auf die kritisch zu beurteilende Steuerungsfähigkeit klassisch - regulativer Politik. Die alten Instrumente sind untauglich geworden (vgl. Schuppert, 1989: 141ff.). Neue Formen an Steuerungen gewannen damit schon recht früh an Evidenz:
"Die Enttäuschung über die Unfähigkeit des Staates, mit den seit den 60er Jahren auftretenden bzw. bewußt werdenden Problemen fertig zu werden, lenkte die Aufmerksamkeit auf zwei andere Ebenen gesellschaftlicher Ordnungsbildung: den Markt und die organisierte gesellschaftliche Selbstregelung." (Mayntz, 1996: 150)
Das vermehrte Zusammenspiel von Markt und Staat kann aus dieser Warte betrachtet als eine Fortentwicklung interpretiert werden, bei die der Staat die Erfüllung der Aufgaben um der Steuerungsfähigkeit willen dem Markt (teilweise) überlässt ohne die Aufgaben selbst aus der Hand zu geben. Die Furcht vor Verlust der Steuerungsfähigkeit bedingt so die Entlastung des Staates bei der Aufgabenerfüllung. Im Falle der Marktöffnung für die verschiedenen Telekommunikationsdienstleistungen handelt es sich um eine Staatsentlastung durch Stärkung der Selbststeuerung durch den Markt, wobei die Entlastung vor allem dadurch notwendig wurde, weil die technischen Neuerungen zu einer Entwicklung geführt haben, die eine lange Zeit relativer Stabilität (und also geringen regulativen Bedarfs) ablöste. Die Liberalisierung ist daher als spezifische Form staatlicher Selbstbeschränkung anzusehen, und zwar in erster Linie, um die produktiven Marktmechanismen zur Entfaltung zu bringen. Das Charakteristische an den Ursachen der Änderung des ordnungspolitischen Rahmens der Telekommunikation im Vergleich zu anderen Liberalisierungsvorhaben scheint neben den netzbedingten Besonderheiten zu sein, dass die Bemühungen um eine Haushaltskonsolidierung eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle gespielt haben. Hier lag der Schwerpunkt bei der Einbindung der Marktmechanismen zuvorderst auf dem Aspekt der Innovation, nicht so sehr auf der Betonung der Effektivitätssteigerung.
Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass die Marktöffnung mit einer gesonderten Regulierung einher geht. Dabei wird auf ein Modell einer starken Exekutiven gesetzt, die, an einer langen Leine gelassen, zu einem flexiblen Handeln befähigt wird. Leo und Schellenberg halten in ihrer Kommentierung des Telekommunikationsgesetzes fest:
"Das TKG enthält eine Reihe von Ermessensnormen, die der Regulierungsbehörde einen politischen Gestaltungsspielraum einzuräumen scheinen." (1997: 196)
Der Verdacht liegt nahe, dass hier eine hierzulande unübliche Form politischer Steuerung an Bedeutung gewinnt, bei der insbesondere Bereiche mit hoher technischer Eigendynamik einer vom Staat kaum Weisungen erhaltenen Behörde überantwortet werden. Diese kann dezentral und losgelöst vom politischen Alltagsgeschäft anpassungsfähig auf die schnellen Änderungen eingehen. Ihr werden dabei entsprechend der im vorhinein schwer eingrenzbaren und überblickbaren Aufgaben alle Mittel in die Hand gegeben, steuernd einzugreifen. Politik wird dann nicht mehr von der Legislativen, sondern vor allem durch Teile der Exekutiven moduliert.[14]
Schlußfolgerungen
Die Vorgänge in der Änderung der Telekommunikationspolitik lassen sich besser einordnen, wenn allgemeine steuerungspolitische Trends berücksichtigt werden. Hier lassen sich vor allem zwei Entwicklungen beobachten, die beide das Bild von einem hierarchisch steuernden und sanktionierenden Staat relativieren. Zum einen ist das die Stärkung der Selbststeuerung einerseits durch die Ausweitung des Marktes als Ordnungsprinzip und andererseits durch die Inanspruchnahme gesellschaftlicher Kräfte für die Erreichung gesellschaftlich - politische Ziele. Zum anderen ist der Staat zunehmend dazu übergegangen, mit Gruppen, Verbänden und anderen gesellschaftlichen Kräften in eine kooperative Verbindung zu treten. Die Politikformulierung ist nicht mehr die alleinige Aufgabe des politisch - administrativen Komplexes, sondern wird zum Gegenstand von Verhandlungen, zu denen der Staat lädt und dessen Moderation er übernimmt. Die Implementation der formulierten Ziele obliegt, bei einer Letztverantwortlichkeit der öffentlichen Hand, häufig jenen Gruppen und Verbänden, oder, wie im Falle der Telekommunikation, dem Marktmechanismus als solchen (bzw. den am Marktgeschehen beteiligten Akteuren). Damit sind die Änderungen auf dem Feld der Telekommunikation auch eine Erscheinungsform dieser allgemeinen Transformation staatlichen Handelns, dessen Gründe gemeinhin so beschrieben werden können:
"Insgesamt können ein Zusammentreffen internationaler Erfahrungen, wissenschaftlichen Paradigmenwechsels und wirtschaftlicher Schwäche als Gründe dafür betrachtet werden, dass der interventionistische Wohlfahrtsstaat mit ausgeprägten Bereichen staatlicher oder gemischtwirtschaftlicher Tätigkeit in Frage gestellt wurde." (König/Benz, 1997: 50)
In diesem Kontext ist der Stellenwert der Telekommunikationsliberalisierung besser abzuschätzen: Nicht so sehr erklärungsbedürftig ist dann, warum es zu einer Marktöffnung kam. Vielmehr geraten die spezifischen Ursachen dieser Liberalisierung in das Blickfeld. Jedenfalls erscheint es wenig einsichtig, die technische Entwicklung als die eine, zentrale Ursache für die Liberalisierung des Telekommunikationssektors einzustufen, wenn im Zuge einer schieren Liberalisierungseuphorie quasi jeder Bereich bis hinein in die Öffentliche Verwaltung daraufhin geprüft wird, ob Privatisierung oder/und in Teilbereichen Wettbewerb nicht besser geeignet seien, angestrebte Steuerungsziele (kostengünstiger) zu erreichen.
Das Kennzeichnende der Liberalisierung der Telekommunikation ist dennoch die durch die Technik induzierte Dynamik (Voeth: "technologiebetriebene Dynamik"). Die aufgrund der Explosion an technischen Möglichkeiten gewachsene Bedeutung als Standortfaktor bildet global einen der Haupttriebfedern für die sukzessive Stärkung des Marktes auf diesem Feld. Die Technik fungierte als Motor für die ordnunspolitischen Veränderungen und setzte die Politik fern jeder theoretischen Überlegung und eigener normativer Ordnungsvorstellungen unter konkreten Entscheidungs - und Handlungsdruck. Dieser wurde ihr im Falle Deutschlands jedoch zu weiten Teilen von der EU abgenommen, die, von Sorge um den Standort Europa etwa im Vergleich zur USA getrieben und die Umsetzung des Binnenmarktes im Blick, eine von den Mitgliedstaaten leicht divergierende Handlungsmotivation aufwies. Die nationale Politik hatte zunächst lediglich vage zuzustimmen und dann umzusetzen, was von der EU an Richtlinien verabschiedet wurde.
Die Liberalisierungsvorstöße der EU wiederum scheinen in diesem Maße kaum vorstellbar, ohne die Erfahrungen der traditionell liberal organisierten Staaten USA und GB die - wie banal das auch sein mag - vormachten, das es ging, wie es ging und vor allem: welche Chancen sich damit verbinden.[15] Die Früh - Liberalisierten standen für den übrigen alten Kontinent als Modell Pate. Zunächst für die Erkenntnis, dass eine Entmonopolisierung im Bereich der Telekommunikation überhaupt funktioniert und im besonderen im bezug auf die Organisation der Regulierung.[16]
Mit dem Zugewinn der Bedeutung der Telekommunikation wurden die Bedenken gegen Marktversagen weitgehend verdrängt von der Einsicht in die Notwendigkeit, dass dieser Bereich ordnungspolitisch mit der hohen technischen Dynamik kompatibel zu machen ist, um als Volkswirtschaft insgesamt im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Telekommunikation ist nicht lediglich einer von vielen Wachstumsmärkten, sondern bildet für sich wiederum die infrastrukturelle Grundlage verschiedenster Branchen. Die Liberalisierung der Telekommunikation wird in diesem Lichte betrachtet auch zu einer ‘Ãœberlebensfrage’ von Wohlstandsgesellschaften und ist weniger die Folge freiheitlicher Grundpositionen.
Die Technik und ihre Auswirkungen kommen abermals ins Spiel, wenn die theoretische Gewichtsverlagerung vom natürlichen Monopol hin zum Wettbewerb in der Telekommunikation erklärt werden soll. Die Netzstruktur war es schließlich, die es lange Zeit ausgeschlossen erscheinen ließ, dass hier überhaupt ein volkswirtschaftlich sinnvoller Wettbewerb stattfinden kann. Spätere Differenzierungen dieser traditionellen Sichtweise sind zu einem großen Teil auf die technische Revolution zurückzuführen, die hier stattgefunden hat. Sie sorgte dafür, dass die Verbindungskosten sanken und dass die Nachfrage zusätzlich stimuliert wurde. Hinzu kamen praktische Erfahrungen von Wettbewerb in Netzwerken, die schnell deutlich machten, dass sich die klassische Argumentation, nach der es sich bei der Telekommunikation um ein natürliches Monopol handelt, in weiten Teilen nicht aufrecht erhalten ließ.
Gleichzeitig entwickelten sich eine Vielzahl neuer Anwendungen und Dienste; die Verschmelzung von Telekommunikation und elektronischer Datenverarbeitung sorgte für einen beispiellosen Bedeutungszugewinn. Die Telekommunikation wurde zu einer Schlüsseltechnologie. Damit wiederum gewann das Steuerungsmittel ‘Markt’ als ein einem dynamischen Bereich besser verträglichem auf Kosten der recht starren hierarchischen Steuerung durch den Staat zusätzlich an Bedeutung.
LITERATURVERZEICHNIS
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[1] Eine der offiziellen Hauptargumente im Zuge der Verabschiedung des TKG bestand darin, die Telekom international wettbewerbsfähig zu machen.
[2] Von Weizsäcker veranschaulicht einen Größenvorteil folgendermaßen: "Es ist weniger als doppelt so teuer, doppelt so viel Ware, Güter oder Information von einem Punkt zum anderen zu transportieren. Für alle Netze gibt es ohne Ausnahme erhebliche Kostendegressionen." (1997: 573)
[3] Anzumerken ist, das Schulz selbst kein Anhänger dieser Theorie ist, sondern diese lediglich wiedergibt. Im Gegenteil befassen sich weite Teile seiner Arbeit damit, die unterstellten Größen - und Verbundvorteile zu hinterfragen und, auf die heutige Situation übertragen, zu widerlegen.
[4] Diese Diskussion spielte im Zuge der Liberalisierung der Postzustellung in der Öffentlichkeit eine größere Rolle. Die Problematik besteht darin, dass sich neue Unternehmen hier Filetstücke herausgreifen könnten, was bei der Postzustellungsbranche gleichbedeutend etwa mit der Belieferung von Trabantenstädten ist, während die "Gelbe Post" nur die strukturschwachen Gegenden zu versorgen hätte.
[5] Erst mit der Grundgesetzänderung von 1994 im Zuge der Postreform II wurde endgültig die verfassungsrechtliche Voraussetzung für eine vollständige Privatisierung der Telekom geschaffen.
[6] Zum Beispiel gab es am 9.12.1997 die Verpflichtung für die Telekom, das durchschnittliche Entgelt innerhalb der ersten Price - Cap - Periode sowohl für Geschäftskunden als auch für Privatkunden um durchschnittlich 4,3% abzusenken.
[7] Anders stellt sich die Situation in den USA dar, wo der private Monopolist AT&T zunächst ‘zerschlagen’ wurde (vgl. Siebert, 1995: 138ff.).
[8] Der Gesetzgeber hat diese Universaldienstleistungen so definiert: "Universaldienstleistungen sind ein Mindestangebot an Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, für die eine bestimmte Qualität festgelegt ist und zu denen alle Nutzer unabhängig von ihrem Wohn - oder Geschäftsort zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben müssen." (§ 17 Abs. 1 TKG) "Die Bestimmungen der Universaldienstleistungen ist der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung nachfragegerecht anzupassen." (§ 17 Abs. 2)
[9] Siehe auch Bullinger, 1995: 367f. in bezug auf den damaligen Regulierer Bundesminister für Post und Telekommunikation: "Trotz seines offenkundigen Willens, den Wettbewerb als Stimulanz für technischen und wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern, (...) lässt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, das ‘eigene’ Telekommunikationsunternehmen könne mit einer verständnisvollen Berücksichtigung seiner Anliegen rechnen, zum Nachteil der Wettbewerber wie der Abnehmer."
[10] So wurde beispielsweise die fällige Gebühren für "Preselect", also des vollkommenen Wechsels des Anbieters seitens des Kunden, in einem Zielkorridor bis zum Jahr 2000 auf 10 DM festgesetzt, und liegt damit deutlich unter den von der Telekom beantragten 95 DM. Zudem wurde entschieden, dass die für einen Wettbewerb wichtige Rufnummermitnahme ohne Entgelt erfolgen kann; auch hier verfolgte die Telekom andere Pläne. (Siehe http://www.regtp.de/kurzbuendig/start.htm) Entscheidungen wie diese sind es denn wohl auch, die der Behörde den Preis Produkt des Jahres eintrugen, verliehen vom Wirtschaftsmagazin DM.
[11] Hier sind vor allem der Artikel 85 (Verbot wettbewerbsbehindernder Vereinbarungen oder Beschlüsse), Artikel 86 ( Mißbrauch einer den Markt beherrschenden Stellung) und Artikel 90 (Öffentliche und monopolartige Unternehmen) des Maastrichter Vertrages zu nennen. Im Artikel 90 heißt es unter Absatz 2: "Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinen wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Vertrages, insbesondere die Wettberwerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert (...). Im Absatz 3 heißt es: "Die Kommission achtet auf die Anwendung dieses Artikels und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten." Ferner enthält Artikel 37 (Behandlung staatlicher Handelsmonopole) eine Handlungsanweisung: "Die Mitgliedstaaten formen ihre staatlichen Handelsmonopole schrittweise derart um, dass am Ende der Übergangszeit jede Diskriminierung in den Versorgungs - und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist." (Absatz 1)
Zur Rolle der EU als "exogenen politischen Faktor" der Liberalisierung siehe auch Voeth, 1996: 68f.
[12] Länder wie Spanien, Griechenland und Portugal (bis 2003), aber auch Luxemburg (bis 2000) genießen längere Übergangsfristen.
[13] Ob dieser normativ - liberalen Sichtweise allerdings die notwendige impulsgebende Kraft zukommt, ist hier eher fraglich.
[14] Nach dem Entwurf des neuen Rundfunkstaatsvertrags werden beispielsweise auch den Landesmedienanstalten im Bereich der Digitalisierung und den Regelungen des chancengleichen Zugangs weitgehende Gestaltungsrechte eingeräumt (§ 53); offensichtlich auch deshalb, weil es kaum möglich ist, die zukünftigen Implikationen der neuen Techniken regelnd vorwegzunehmen.
[15] Nach Werle (1990: 318f.) hatte die amerikanische Deregulierungspolitik einen "doppelten Diffusionseffekt: einen handelspolitischen und einen kognitiven. Zum einen war sie Auslöser und legitimatorische Grundlage einer internationalen Telematik - Offensive der USA mit ökonomischen und politischen Mitteln, die auch die Bundesrepublik unter Änderungs - bzw. Anpassungsdruck setzte. Zum anderen wurde sie (...) zum zentralen Bezugspunkt derjenigen akademischen Kreise, die eine ‘Ãœberregulierung’ der Telekommunikation in der Bundesrepublik vermuten und deshalb bemüht sind, ‘Deregulierungspotentiale’ aufzudecken und Möglichkeiten der ‘Liberalisierung’ des institutionellen Rahmens auszuloten."
[16] Dabei lassen sich die Stationen recht gut nachzeichnen. In den USA war der ehemalige Monopolist im Gegensatz zu den anderen Staaten privat geführt und bedurfte somit bereits einer Regulierung durch eine unabhängige Behörde, welche die bereits 1934 gegründete Federal Communication Commission (FCC) vornahm. Dieses Modell wurde 1984 im Zuge der Privatisierung von British Telecom übernommen: Das Office of Telecommunications (OFTEL) wurde eingerichtet. Auch die neu geschaffene RegTP steht nun in dieser Tradition unabhängiger Regulierung. Das Beispiel, das für eines der Grundmerkmale des neuen ordnungspolitischen Rahmens steht, zeigt, inwiefern die Variable "Erfahrung" bei der Gestaltung der Politik eine Rolle spielt.
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