Ödön von Horvath
Edmund Ödön Josef von Horvath wurde am 09. Dezember 1901 in der adriatischen Hafenstadt Fiume, die damals zur ungarischen Reichshälfte des Königreiches Kroatien und Slavonien gehörte und heute Rijeka heißt, geboren. Sein Vater, Josef Ödön von Horvath war Diplomat und damals dem ungarischen Gouverneur von Fiume unterstellt. Die Mutter, Maria Hermine von Horvath und geborene Prehnal stammte aus einer ungarisch-deutschen Ärztefamilie. Der Beruf des Vaters von Ödön von Horvath brachte häufige Ortswechsel mit sich und somit auch Veränderungen des Sprachbereichs.
Diese Tatsache hatte zur Folge, dass Ödön von Horvath erst mit 14 Jahren den ersten deutschen Satz schrieb. Schon ein halbes Jahr nach der Geburt Ödön von Horvaths siedelte die Familie nach Belgrad über, wo der Bruder Lajos geboren wurde, danach nach Budapest. Dort bekam Ödön von Horvath Privatunterricht in Ungarisch, damit er die öffentliche Schule besuchen konnte. 1909 wurde der Vater nach München versetzt und so zog die Familie erneut um, wobei aber Ödön von Horvath bald darauf nach Budapest zurückkehrte um dort als Internatsschüler das Erzbischöfliche Konvikt zu besuchen. 1913, also mit zwölf Jahren holten ihn die Eltern wieder zu sich nach München. Im Herbst 1913 kam er auf das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium. Er beherrschte die deutsche Sprache damals soweit, dass er dem Unterricht folgen konnte und in den meisten Fächern gar nicht so schlecht war. Sein Vater, der 1914 als Soldat im Ersten Weltkrieg einberufen wurde und im Jahr darauf nach München zurückkehrte, schickte Ödön von Horvath aber auf eine ungarische Schule in Pressburg, da er sich nicht recht der Disziplin im deutschsprachigen Gymnasium unterwerfen wollte. Einige recht interessante Eindrücke des Geschichtsunterrichts aus dieser Zeit dürfte Horvath in seinen späteren Werken verarbeitet haben. Wie z.B. die Geschehnisse der ungarischen Bauerkriege von 1514 auf dem das unvollendete Drama "Dosa" fußt oder die Zeit des Matthias Corvinus, der dann in der Komödie "Ein Dorf ohne Männer" eine Rolle spielt. Das Kriegsende erlebt Ödön von Hovath mit seiner Familie in Budapest. Ein Jahr darauf kommt er bei einem Onkel in Wien unter, wo er auch sein Abitur macht. Dann folgt er im Herbst 1919 den Eltern nach München und besucht dort einige Semester an der Münchner Universität, insbesondere besuchte der spätere Dramatiker Vorlesungen und Seminare Artur Kutschers. 1924 beschloss Horvath nach einer längeren Parisreise nach Berlin, der Hauptstadt der jungen deutschen Dramatik, zu übersiedeln. Der 1922 entstandene erste literarische Text Hovaths "Das Buch der Tänze" wurde 1926 in Osnabrück szenisch aufgeführt. Nach dieser Aufführung kaufte Horvath, mit Unterstützung seines Vaters, alle noch im Buchhandel erreichbaren Exemplare des Werkes auf, entfernte Exemplare aus öffentlichen Bibliotheken und bat Freunde, ihm das Buch zurückzugeben.
Das Stück "Die Bergbahn", das 1927 in Hamburg an den dortigen Kammerspielen uraufgeführt wurde, basiert auf der Einweihung der Zugspitzbahn am 26. Juli 1926, vor der es einige Zeit vorher einen Unfall gegeben hatte.
Aus der Mitwirkung in den ersten Jahren in Berlin bei der Liga für Menschenrechte entstand das Stück "Sladek oder Die schwarze Armee". Dieses Werk wurde später zu "Sladek, der schwarze Reichsmann" unbenannt. In Berlin wohnte Horvath in kleinen Pensionen. Die meiste Zeit verbrachte er aber in Murnau, wo die Eltern ein Landhaus hatten. So stand er mit einem Fuß in Murnau, mit dem anderen in Berlin.
Am 01. Februar 1931 wurde Horvath Augenzeuge des Versuchs einiger extra angereister Nazis, eine Versammlung der SPD in der Gaststätte Kirchmeier in Murnau, zu sprengen. Der Vorfall, der 26 Verletzte und großen Sachschaden zur Folge hatte, führte zu einer Gerichtsverhandlung, die sich mehrere Tage hinzog und bei der auch Horvath als Zeuge vorgeladen war. Diese Geschehnisse verarbeitete Horvath höchstwahrscheinlich in dem Volksstück "Italienische Nacht".
1931 war für Horvath das erfolgreichste Jahr. Er konnte die Uraufführung der "Italienischen Nacht", der "Geschichten aus dem Wiener Wald", die Buchausgabe beider Stücke, den Abschluss der Arbeit an dem Stück "Kasimir und Karoline" und die Verleihung des Kleistpreises durch Carl Zuckmayer verbuchen.
Als 1933 das Haus Horvaths Eltern von Nazis durchsucht wurde, ging er über die Grenze nach Österreich und hielt sich abwechselnd in Salzburg und in Wien auf. Im Herbst diese Jahres reiste er nach Budapest, um seine ungarische Staatsangehörigkeit zu erneuern. Am 27. Dezember heiratete Horvath die Sängerin Maria Elsner in Wien. Diese dürfte aber nicht die große Liebe gewesen sein, denn schon nach wenigen Monaten erfolgte die Scheidung. Anfang 1934 ging Ödön von Horvath mit seinem frischen ungarischen Pass wieder zurück nach Berlin, in der Hoffnung, dort besser arbeiten zu können als in Wien. Es erfolgte nun eine deutliche Veränderung im Schaffen Horvaths. Seine Stücke wurden in der Ausdrucksweise österreichischer, weniger welthaltig und autobiographischer.
Im Dezember 1934 verließ Horvath zusammen mit der Schauspielerin Wera Liessem die deutsche Hauptstadt endgültig. Von da an lebte er fast nur noch in Pensionen und billigen Hotels und schrieb in Kneipen. Im letzten Jahr Horvaths vor dem tragischen Tod wendete er sich der Prosa zu und verfasste 1937/38 hauptsächlich Romane, wie im Frühjahr den Kurzroman "Jugend ohne Gott" und danach "Ein Kind unserer Zeit". Zu Beginn des Jahres 1938 fuhr er Aufgrund der schwierigen politischen Situation zur Schauspielerin Lydia Busch nach Teplitz-Schönau, bei der er länger blieb als ursprünglich vorgesehen. Danach reiste er umständlich über Budapest, Jugoslawien, Triest, Venedig und Mailand nach Zürich und schließlich über Amsterdam nach Paris, zur Besprechung mit Robert Siodmak über die Verfilmung von "Jugend ohne Gott". Paris sollte nur eine Zwischenstation auf Horvaths Weg nach Amerika sein. Aber über den Atlantischen Ozean kam Ödön von Horvath nicht mehr. Denn als er am 1. Juni 1938, einem warmen, beinahe hochsommerlicher Tag, an dem er abends, gegen halb acht, über die Champs-Elysees ging, kam plötzlich fast aus heiterem Himmel ein Unwetter auf. An der Avenue Marigny traf ein Blitz eine alte Kastanie, der Ast brach herunter und traf den nun knapp 37-jährigen Ödön von Horvath am Hinterkopf. Als man ihn dann in ein Krankenhaus brachte, war er schon tot. Edmund Ödön Josef von Horvath wurde am 07. Juni auf dem Friedhof von Saint Quen im Norden der Stadt begraben.
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