Franz Schubert
Froh umgeben, doch alleine
Vor 200 Jahren wurde der Komponist und Liedschöpfer Franz Schubert geboren
Am 11~ Oktober 1996 gedachten wir des 100. Todestags von Anton Bruckner. Am 31. Januar 1997 jährt sich zum 200. Mal Franz Schuberts Geburtstag. Der Oberösterreicher und der Wiener haben einiges gemeinsam: die uns Heutigen fast unbegreifliche Bescheidenheit, die ihnen sogar gebot, aufs Heiraten zu verrichten und vor allem ein musikscher frischer Fluss, der zum Rätselhaftesten gehört, was die Musikgeschichte aufzuweisen hat. Bei Bruckner auf dem Gebiet der Sinfonik fernab jeder praktischen Erfahrung mit Orchestern, bei Schubert zunächst vor allem auf dem Gebiet des 'Klavierlieds' von dem er in seinem kurzen Leben über 700 Werke geschrieben hat, oft in weniger als einer Stunde aufs Papier geworfen und oft mehrere hintereinander. Er hat das 'Klavierlied' in dem die Klavierstimme genau so wichtig ist wie die Singstimme, revolutioniert und kann insofern als sein Erfinder gelten.
Ein Schüler Salieris
Schubert kam als Sohn eines Schullehrers in Himmelpfortgrund bei Lichtenthal, einem Vorort Wiens, zur Welt und bestand elfjährig mit Glanz die Aufnahmeprüfung als Hofsängerknabe und Konviktszögling in Wien, wo er fünf Jahre blieb. Dort kam er mit vieler Art sängerischer und instrumentaler Musik in Berührung. Hofkapellmeister Antonio Salien gab ihm kostenlose Privatstunden in seiner Wohnung.
Drei Klavierfantasien sind unter den Werken des Anfangs erhalten geblieben (viel ist verloren gegangen), und als erstes Lied des l4 jährigen "Hägars Klage" nach Schücking, dann zwei Texte von Schiller. Schubert verzichtete aufs Klavier beim Komponieren, es bringe ihn "aus dem Zuge". Er schrieb also von Beginn an schnell, wie unter Diktat. (Was Köchel für Mozart war, wurde der Wiener Otto Erich Deutsch für Schubert. Nach seinem in der Londoner Emigration entstandenen, 1950 erschienenen Verzeichnis, das 998 Nummern umfasst, wird in Konzertprogrammen ein " D" gesetzt).
Der l7 jährige Schubert, inzwischen Hilfslehrer an der Schule seines Vaters, schrieb zum 100. Jahrestag der Weihe seiner Taufkirche in Lichtenthal eine Messe in F-Dur' die unter seiner Leitung mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Das Sopransob sang Therese Grob, in die Schubert verliebt war.
Drei Tage später entstand ein erstes Lied nach einem Goethe-Text, "Gretchen am Spinnrade". In diesem Lied, seinen schnurrenden Klavierfiguren und seinem bedrückten Klagegesang kann man Schuberts erstes Meisterwerk im neuen Stil der absoluten Gleichberechtigung von Singstimme und Klavier sehen. Es blieb acht Jahre liegen, ehe es gedruckt wurde. Goethe erhielt eine Abschrift mit anderen seiner vertonten Gedichte, reagierte aber nicht darauf. Es folgten rasch weitere Goethe-Vertonungen, darunter die "Szene aus Goethes Faust", ein Jahr später der "Erlkönig", der unter Freunden stets mit Begeisterung gesungen wurde.
Vergnügen im Freundeskreis
Der Schulunterricht war für Schubert ein Horror, er beklagte sich, dass die Kinder ihn beim Komponieren störten. So zog er zu Hause aus und teilte mit Freunden die Wohnung, darunter Franz von Schober, der düstere Mayrhofer und Moritz von Schwind. Bewerbungen zerschlugen sich. Ihm war es nur recht, er komponierte und komponierte und vergnügte sich mit den Freunden abends in Beisein. An Heirat war da aber nicht zu denken. Therese Grob wartete ein paar Jahre, dann heiratete sie einen Bäcker. Die Freunde veranstalteten "Schubertiaden", bei denen abends gesungen wurde, was morgens entstanden war, und in denen Schubert unermüdlich Tänze am Klavier spielte, die er auch niederschrieb. Besonders als zum Freundeskreis der Hofopernsänger Johann Michael Vogl stieß, dessen Anerkennung Schubert sehr wichtig war.
Kein Glück mit Opern
Mit ihm machte er kleinere Reisen, weitere Reisen führten zum Schloss Zseliz nach Ungarn, wo Schubert die Töchter des Fürsten Esterhazy unterrichtete und wo viele vierhändige Werke entstanden. 1823 erkrankte Schubert schwer, allem Anschein nach an Syphilis. Er bekam mehrere Rückfälle und verdüsterte sich immer mehr, steigerte sich aber immer wieder in einen Schaffensrausch hinein.
Unermüdlich schreibt Schubert an Opern. Meist verhinderten unmögliche Libretti einen Erfolg, aber auch Schuberts Unbekanntheit war schuld, dass fast nichts davon aufgeführt wurde, und die Tatsache, dass er kein geborener Dramatiker war. Dies und Schuberts Nähe zum übermächtigen, tief verehrten Beethoven. Schon früh begann er damit, Sinfonien zu schreiben. Ein Kreis von Liebhabermusikern, in dem auch Schuberts Bruder Ferdinand Violine spielte, gab ihm Gelegenheit, die Werke raktisch zu erproben. Haydns und Beethovens Vorbilder sind deutlich zu spüren. Aber schon bald, mit der vierten (der "Tragischen"), verdichteten sich die eigenen Züge, die den Hörern heute allmählich immer deutlicher bewusst werden. Der Schubert-Biograph Cedric Dumont, selber Dirigent, brachte es auf den Punkt:
"Beethovens Musik wird, Schuberts Musik ist." Schubert lässt nicht die Themen miteinander kämpfen, er stellt sie nebeneinander, lässt sie für sich pulsen. Seine Bläserbehandlung hat ihren eigenen Zauber. Die reine Romantik spricht sich aus.
Dies gilt auch für die Klaviersonaten. Noch stärker als in der Sinfonik sucht Schubert nach Eigenem. Etliche Werke bleiben unvollendet, wie die 7. Sinfonie. Schubert wurde in eine Zeit hineingeboren, m der die klassische Satzfolge mehr und mehr von der "Fantasie" abgelöst wurde. Die Verleger bevorzugen dieses Wort. Die Romantik kündigte sich an. Auch Beethoven ging in seinen letzten Klaviersonaten diesen Weg, erst recht Schubert. Doch beide blieben bei dem Begriff "Sonate". Erst 1825, mit den Sonaten C-Dur und a-Moll (D 840, 845), war Schubert mit seinem eigenen Stil zufrieden und dachte an eine kontinuierliche Veröffentlichung. Es entstanden bis zu seinem Tod 1828 sieben herrliche
Sonaten mit weichem Musizierfluss, Unisonoführungen beider Hände in den Hauptthemen, wahrhaft romantischen Malereien.
Vollendung in der Kammermusik
Der Sinfonik und der Klaviersonate voraus war Schubert mit seiner Kammermusik. Hier, in den Streichquartetten, Klaviertrios und dem "Forelienquintett" mit Klavier, erreichte er verhältnismäßig früh, wie im Klavierlied, Vollendung. Hier spricht besonders plastisch der Romantiker Schubert, mit Tremoberregungen, weiten Gängen durch phantastische Landschaften, mit Kämpfen, Aufschreien, Schauern, Beruhigung, Auflichtung, süßem Trost. Sein wohin größtes Werk aber, der Liederzyklus "Die Winterreise", verrät große Vereinsamung kurz vor seinem Tod (Typhus? Syphilis?) am 19.November 1828. "Froh umgeben, doch alleine", wie es im Lied "Der Wanderer" (Schiegel) heißt.
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