Immanuel Kant
Kindheit und Jugend in seiner Heimatstadt
Immanuel Kant wurde 1724 in Kšnigsberg geboren.
Kšnigsberg liegt im ehemaligen Ostpreu§en, nahe der
MŸndung des Pregels in Frische Haff, im heutigen Ru§land zwischen Polen und
den baltischen Staaten und hei§t heute Kaliningrad [nach Michail Iwanowitsch
Kalinin (1875-1946), sowjetischer Politiker, Vorsitzender des PrŠsidiums
Obersten Sowjets; derartige Umbenennungen waren Ÿblich (z.B.
Karl-Marx-Stadt, Leningrad)]. Aufgrund der Lage nannte man es auch damals
das "gelehrte Sibirien". WŠhrend man in anderen StŠdten noch viele Zeugnisse
der gro§en Denker und KŸnstler findet, so hat der sowjetrussische
Kommunismus die meisten historischen Zeugnisse zerstšrt. Das Kaliningrad des
Jahres 1994 ist nur noch eine reine Trabantenstadt ohne den gotischen Dom
und das Deutschordensschlo§, dafŸr aber fŸr westliche BŸrger wieder
zugŠnglich. Kants Geburtshaus in der Sattlergasse stand schon vor der
sowjetischen Herrschaft nicht mehr, weil es bereits zu seinen Lebzeiten
abbrannte.
Die Stadt prŠgte Kant; er charakterisierte die Ÿberwiegend protestantische
Stadt am Pregel einmal durch "WeitlŠufigkeit". Er kam auch kaum Ÿber
Kšnigsberg hinaus, sieht man einmal der seiner Zeit als Hauslehrer und
einigen AusflŸgen spŠter ab. Zwar war er Reisen gegenŸber grundsŠtzlich
nicht abgeneigt - beispielsweise plante er einmal eine Reise nach England -,
aber Reisen war zur Zeit Kants auch noch viel unangenehmer als heute.
In Kšnigsberg lebten viele verschiedene Všlker. Die Vorfahren Kants auf
vŠterlicher Seite kamen wahrscheinlich aus Schottland. Kants Vater nannte
sich "Cant"; die Eindeutschung des Namens ist auf Immanuel zurŸckzufŸhren.
Der Vater Ÿbte den Beruf des Sattlers aus, welcher in der Stadt mit regen
Wagen- und Fuhrmannsverkehr viel Arbeit brachte. Immanuels Vater war ein
braver, ehrenwerter, streng rechtlich denkender Handwerker. Kants Mutter
hatte einen gro§en Verstand, ein edles Herz und war streng religišs. Sie
verstarb allerdings sehr frŸh. Beide Eltern gehšrten zur in Kšnigsberg sehr
verbreiteten pietistischen Richtung.
Kant war das vierte von neun Kindern. Davon haben allerdings nur fŸnf die
Eltern Ÿberlebt. Kant wurde auf den Namen Emanuel, der fŸr den 22. April
stand, getauft.
ZunŠchst besuchte Immanuel die Schule in der Hinteren Vorstadt, wo er in
Lesen, Schreiben, Rechnen und "Christentum" unterrichtet wurde. Ein Freund
der Familie redete den Eltern zu, ihn auf dem Gymnasium Fridericianum, dem
Friedrichsgymnasium, studieren zu lassen. Kant lernte dort u.a. Latein,
Religion, Mathematik, Kalligraphie [die Kunst der Schšnschrift], Theologie,
HebrŠisch, Franzšsisch, Musik, Polnisch, Geographie bzw. - Philosophie!
Latein mit 16-20 Wochenstunden Ÿberwog. Die Schule war selbst fŸr damalige
VerhŠltnisse relativ streng. Ferien beispielsweise gab es in der
Pietistenschule Ÿberhaupt nicht. Auch deswegen sagte Kant spŠter in seinen
Vorlesungen Ÿber PŠdagogik:
"Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seien die besten und angenehmsten
ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind die
beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist, selten einen
eigentlichen Freund und noch seltener Freiheit haben kann."
Nach dem 8-jŠhrigen Besuch des Friedrichsgymnasium wurde der 16-jŠhrige Kant
in die Liste der akademischen BŸrger seiner Vaterstadt aufgenommen. Die
strenge Erziehung setzt sich auch hier kontinuierlich fort. Seine liebste
Erholung war das Billardspiel, fŸr ihn auch eine Quelle des Geldverdienens.
Die UniversitŠt zŠhlte selbst um 1800, immerhin schon 4 Jahre vor Kants Tod,
kaum mehr als 200 SchŸler. Bereits 1544 gegrŸndet, war sie wohl eher eine
ProvinzuniversitŠt.
Durch Newtons Werke und intensives Studium
mathematisch-naturwissenschaftlicher Probleme ging dem jungen Studenten eine
neue Welt auf. Auch die Erscheinung eines Kometen im Jahre 1744 beeinflu§te
den 20-jŠhrigen Kant. Der Himmelskšrper weckte in ihn die Idee seiner
berŸhmten "Naturgeschichte des Himmels" (1755).
Kants Erstlingswerk "Gedanken von der wahren SchŠtzung der lebendigen
KrŠfte" behandelt die Frage, ob das Produkt der Masse mit der einfachen
Geschwindigkeit oder deren Quadrat gleich sei. Sein Lšsungsversuch ist von
der heutigen Naturwissenschaft als verfehlt anerkannt und bedeutete auch
damals keinen Fortschritt. Doch lŠ§t sich an dem Stil schon einiges seiner
spŠteren Arbeit ablesen. Er wagt schon hier eine Kritik der zeitgenšssischen
Metaphysik. Trotzdem rechnet er sich nicht zu den reinen Empirikern
[erfahrungsgeleiteten Denkern], "denen alles verdŠchtig ist, was nur den
Schein einer Metaphysik [Lehre von dem, was existiert und woher wir wissen,
das es existiert] an sich hat". Er versucht, eine Mittelstellung zwischen
beidem einzunehmen.
Von 1746/47-1755 verbringt Kant sein Leben auf dem Land als Hauslehrer.
Durch den Mangel an Schulen und Verkehrsmitteln nahmen Gutsbesitzer oft die
Dienste eines Hauslehrers in Anspruch. Der Brockhaus sucht den Grund in dem
Tod des Vaters. Danach plante Kant diesen Schritt, um die Familie zu
ernŠhren. VorlŠnder [1] dagegen bestreitet dies. Er nutzt diese Šu§erlich
belanglose Zeit zu eifriger wissenschaftlicher Arbeit. Er kehrt 1754 nach
Kšnigsberg zurŸck, um den Druck seiner "Allgemeinen Naturgeschichte und
Theorie des Himmels" zu Ÿberwachen. Dem heutigen Naturwissenschaftler
strŠuben sich bei einigen Theorien zwar die Haare, aber er hat hier geniale
Gedankengebilde der Weltentstehung geliefert und Religion und
Naturwissenschaft klar voneinander getrennt.
Danach promovierte er zum Magister und habilitierte als Privatdozent der
Philosophie. Kants Leben war eher eintšnig. Die Zeit von 1755-1762 kann man
so zusammenfassen: "Seine zweimalige Bewerbung um eine Professur bleibt ohne
Erfolg, auf eine dritte verzichtet er freiwillig, er nimmt eine Zeitlang mit
einer kleinen Biliothekarsstelle vorlieb, lehnt in der Hoffnung auf endliche
Anstellung mehrere Berufungen nach auswŠrts ab und erhŠlt als 46-jŠhriger
das lŠngst verdiente Ordinariat fŸr Logik und Metaphysik in seiner
Heimatstadt." [1]
Seine zahlreichen Vorlesungen waren immer sehr gut besucht. Der berŸhmteste
seiner Hšrer wurde der junge Johann Gottfried von Herder [1744-1803,
deutscher Geschichtsphilosoph und Schriftsteller, VorkŠmpfer des Stum und
Drangs], der mit 18 Jahren nach Kšnigsberg kam, um ein begeisterter Verehrer
Magister Kants zu werden. Dabei fa§te Herder zu Hause die Ideen seines
Lehrers in Verse. Doch spŠter lšste sich Herder bis zur Entfremdung
allmŠhlich immer mehr von Kant los.
Persšnliches
Obwohl Kant eher ein ruhiges Leben fŸhrte, soll er sogar
bis ins Alter recht trinkfest gewesen sein. Seine
Gesundheit beschrieb er selber als "stets wandelbar". Frauen haben Kant wohl
kaum bestimmt; er blieb zeitlebens Junggeselle. Doch war er kein echter
Frauenhasser wie beispielsweise Arthur Schopenhauer. Das VerhŠltnis zwischen
ihm und seiner Mutter beispielsweise prŠgte ihn sehr. "Das 'Frauenzimmer'
hat ein angeborenes stŠrkeres GefŸhl fŸr das Schšne und Zierliche, liebt
Scherz und Heiterkeit, Sittsamkeit und feinen Anstand, zieht das Schšne dem
NŸtzlichen vor, hat einen 'schšnen' Verstand. Er macht sich etwas lustig
Ÿber gelehrte Frauen [...]. Ihre Wissenschaft ist vielmehr 'der Mensch, und
unter den Menschen der Mann'." [1] Zur Ehe bemerkt Kant:
"Da ich eine Frau brauchen konnte, konnt' ich keine ernŠhren; und da ich
eine ernŠhren konnte, konnt' ich keine mehr brauchen." [1]
Seinen verehrten Jean-Jacques Rousseau [franzšsisch-schweizerischer
Philosoph und Kulturkritiker] kritisierte er wegen dessen Bemerkung, da§ ein
"Frauenzimmer niemals etwas mehr als ein gro§es Kind werde".
Im Hochsommer 1762 gab Magister Kant, von der LektŸre des soeben
erschienenen Emile von Rousseau gefesselt, einige Tage lang seinen
regelmŠ§igen Spaziergang auf. Kant war wohl die "Normaluhr Kšnigsbergs". Das
einzige Bild in Kants Wohnung war dann auch ein PortrŠt Rousseaus. WŠhrend
Newton (siehe oben) den Weg zum VerstŠndnis der Šu§eren Natur fŸr Kant
ebnete, wies Rousseau fŸr ihn den Weg zur Menschennatur. Kant bewunderte
Rousseaus "ungemeinen" Scharfsinn, "edlen Schwung des Genius" und
"gefŸhlvolle Seele". Am meisten aber begeisterte ihn natŸrlich der Inhalt
von Rousseaus Schriften: das neue Evangelium von der Notwendigkeit einer
Wiederherstellung der echten, unverfŠlschten Menchennatur.
1762 lehnt er ein Lehramt fŸr Poesie ab. Hier zeigt sich auch Kants
UnabhŠngigkeit. Er nimmt die Professur nicht an, obwohl er das Geld sicher
dringend benštigt hŠtte. Kant ist darauf stolz, da§ er selbst in Notzeiten
sich kein Geld geliehen hat. Einmal verkaufte er Teile seiner Bibliothek, um
seinen angesparten Notpfennig nicht zu benštigen; eigentlich ein Widerspruch
in sich!
Von 1766 bis '72 war er Unterbibliothekar an der kšniglichen
Schlo§bibliothek. Die Anstellung war wenig ertragreich, unwichtig und sicher
nicht sehr angenehm; denn die kalte Bibliothek war beispielsweise im Winter
nicht geheizt.
Kant wollte unbedingt Professor der Philosophie werden. Deswegen ist es
verwunderlich, da§ er zunŠchst Erlangen und spŠter Jena absagt. Au§erdem ist
anzumerken, da§ er Erlangen schon zugesagt hatte, bevor die Absage erfolgte.
Wieso wechselte er nicht in diese StŠdte? Kant war zu VerŠnderung
unentschlossen. Seine Natur schien ihm eine €nderung der Lebenskreise zu
verbieten. Schlie§lich war auch sein Kšnigsberger Bekanntenkreis relativ
gro§. Vielleicht war auch seine kšrperliche SchwŠche ein Grund.
Der alte Kšnigsberger Professor lag jedenfalls im Sterben. Es war nur noch
eine Frage der Zeit, bis das Lehramt frei werden wŸrde. Nach dem Tod dessen
wird Kant Professor der Logik und Metaphysik im Alter von 47.
Stellung zu den literaturhistorischen Bewegungen der Zeit
Kant war ein AnhŠnger der AufklŠrung. Zu Lessing war er in Denkart und
Charakter verwandt; es bestand aber keine persšnliche Beziehung. Auch hat
Kant sogar an Nathan wenig Gefallen gefunden. Lessing hat im Juli 1751 Ÿber
Kants Erstlingswerk sogar dieses spšttische Epigramm [Grabaufschrift]
geschrieben:
"Kant unternimmt ein schwer GeschŠfte
Der Welt zum Unterricht.
Er schŠtzet die lebend'gen KrŠfte,
Nur seine schŠtzt er nicht".
Inspiriert durch beispielsweise Rousseaus Emile, tritt Kant fŸr eine
VerŠnderung der Erziehung ein. Die bisherigen Schulen Europas seien
"insgesamt im ersten Zuschnitt verdorben". Er bemŠngelt alte Gewohnheiten,
sklavische Nachahmung, die er alles in allem unnatŸrlich findet. Er will
keine Reform, sondern eine Revolution. Nach Kant soll es einen Zwang in der
Erziehung geben, aber er soll zur Freiheit fŸhren. †brigens berŸcksichtigte
Kant auch die Frauen.
Die berŸhmte Definition der AufklŠrung ("AufklŠrung ist der Ausgang des
Menschen aus seiner selbstverschuldeten UnmŸndigkeit.") stammt von Immanuel
Kant. Faulheit und Feigheit, Mangel an Entschlu§kraft sind die Ursachen, die
den grš§ten Teil der Menschheit zeitlebens und sogar gern in geistiger
UnmŸndigkeit verbleiben lassen.
Der Genieperiode (Sturm und Drang) stand Kant weniger aufgeschlossen
gegenŸber. Kant war keinesfalls gegen die Macht der Phantasie, aber er
verlangt ihre "Disziplin". Und ebensowenig unempfindlich blieb er gegen die
Allgewalt des Genies.
Kritische Phase
Bei Kant unterscheidet man eine vorkritische und eine kritische Phase des
Denkens. Die kritische Phase beginnt spŠtestens mit der "Kritik der reinen
Vernunft". Kant fordert hier die "Revolution in der Denkungsart". Wichtig
ist die Art der Beurteilung eines Gegenstandes. Der Gegenstand richtet sich
nach unserer Erkenntnis, nicht die Erkenntnis nach den GegenstŠnden. Die
Wissenschaft entsteht also durch das Hineingedachte. Man mu§ die
wissenschaftlichen Prinzipien der Physik auf die Philosophie Ÿbertragen. Die
Schulmetaphysik - einschlie§lich seiner eigenen frŸheren Werke - mu§
abgeschafft werden. Sie hat die Philosophie nicht weitergebracht; sie hat
etwas unterhaltendes, nichts wissenschaftliches. Wissenschaft besteht aus
VollstŠndigkeit und Einheitlichkeit. Das Werk setzt sich also hauptsŠchlich
mit der Methode auseinander. Kritik meint hier die Trennung der Erfahrung
vom †bersinnlichen. Vernunft ist der Sammelbegriff von wissenschaftlichen
(mathematischen, physikalischen aber durchaus auch metaphysischen)
Kenntnissen. Es behandelt die Frage: Wie ist Wissenschaft mšglich? Ein
weiteres wichtiges Werk, die "Grundlegung der Metaphysik der Sitten", folgte
1785. Das Buch basiert auf folgendem Zitat:
"Es ist Ÿberall nicht in der Welt, ja Ÿberhaupt auch au§erhalb derselben
mšglich, was ohne EinschrŠnkung fŸr gut kšnnte gehalten werden, als allein
ein guter Wille."
Es beschŠftigt sich mit der Frage, was als Ma§stab zur BegrŸndung der
Sittlichkeit gelten kann. Selbst Gott ist hier ein schwieriges Kriterium:
Was will er? Worin besteht Vollkommenheit? Diese Fragen sind schwierig zu
beantworten. Die einzige Ma§stab kann nur ein allgemeingŸltiges Gesetz sein.
Daraus leitet sich das Prinzip des kategorischen Imperativs ab. Kant trennte
Religion sehr stark von der Moral, weil er Reinheit in einer Ethik [Lehre
von der moralischen Haltung der Menschen] haben wollte. FŸr ihn ist Religion
gleichbedeutend mit moralisch sinnvoll gefŸhrtem Leben. Gott und
Unsterblichkeit sind nach ihm unbeweisbar, jedoch Postulate der praktischen
Vernunft.
Ein Unterschied zwischen Denken und Handeln?
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